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3. Literaturübersicht

3.3 Verhornungsstörungen

Beim Vorliegen von Keratinisierungsstörungen liegt ein Missverhältnis zwischen Neubildung und Abschilferung der Korneozyten vor. Die Haut durchläuft ständige Prozesse der Selbsterneuerung, indem Keratinozyten innerhalb der Epidermis diffe-renzieren und von basalen Schichten bis zur Oberfläche der Epidermis wandern (siehe Kapitel 3.2.2). Die epidermale Erneuerung dauert beim Hund circa 20-21 Tage bzw. 3 Wochen (JASMIN,2006; THELEN,2012).

3.3.1 Klinik, Ätiologie und Pathogenese von Verhornungsstörungen

Unter dem Begriff Verhornung oder Keratinisierung werden alle Prozesse verstan-den, die in der Ausbildung der epidermalen Hornschicht resultieren und an der Funk-tionalität dieser Schicht als Barriere beteiligt sind (GROSS et al., 2008). Die Keratini-sierung ist die Abfolge von programmierten Prozessen, bei der die basalen Kera-tinoblasten zu reifen Keratinozyten ausdifferenzieren und letztlich als anukleäre Kor-neozyten das Stratum corneum sowie den cornified envelope bilden (siehe Kapitel 3.2.2) (GROSS et al., 2008). Die abgestorbenen Korneozyten werden in regelmäßigen Abständen abgeschilfert. Die Abschilferung der oberflächlichen, anukleären Korneo-zyten wird als Desquamation bezeichnet (SCHMUTH et al., 2013). Es handelt sich um

einen kontinuierlichen, zyklischen Prozess der Proliferation und Differenzierung der Keratinozyten (SCHMUTH et al., 2013). Physiologischerweise stehen die Proliferati-onsrate im Stratum basale und die Rate der Desquamation im Stratum corneum in einem präzise ausbalanzierten Verhältnis (CANDI et al., 2005). Die einzelnen Diffe-renzierungsprozesse sind an die Expression charakteristischer Proteine gekoppelt und werden auf diese Weise gesteuert (CANDI et al., 2005).

Störungen in dem komplizierten Prozess der Verhornung führen zu exfoliativen Haut-veränderungen, die mit einer ausgeprägten Hornschicht einhergehen (GROSS et al., 2008). Verhornungsstörungen können in zwei Gruppen untergliedert werden, die Desquamationsstörungen (z. B. Retentionshyperkeratose) und die Proliferationshy-perkeratose (GROSS et al., 2008; BEINEKE et al., 2015). Die (hyper)proliferativen Ver-hornungsstörungen werden wiederum in Untergruppen untergliedert (GROSS et al., 2008). Die Untergliederung richtet sich vor allem nach der Ursache. Es werden pri-märe Defekte des epidermalen Wachstums von sekundären Ursachen, die auf De-fekten bei der Ausbildung der Barrierefunktion durch fehlerhafte Strukturkomponen-ten beruhen, unterschieden (GROSS et al., 2008). Bei primären Störungen sind die einzelnen Schritte der Korneozytendifferenzierung direkt betroffen, weshalb die In-tegrität der Hautstruktur als Resultat insgesamt gestört ist. Meist handelt es sich da-bei um Genmutationen, welche die Strukturproteine der Korneozyten oder Enzyme, die am Prozess der Verhornung beteiligt sind, verändern (MAULDIN,2013). Liegt die Ursache der verbreiterten Hornschicht in einer Veränderung des physiologischen Differenzierungsprozesses der Keratinozyten, wird der Begriff Keratinisierungsstö-rung verwendet (GROSS et al., 2008).

Klinisch und histologisch gehen viele, jedoch nicht alle Verhornungsstörungen mit einer Hyperkeratose einher (GROSS et al., 2008). Bei der Hyperkeratose handelt es sich um eine Verdickung des Stratum corneum, die entweder absolut mit einer tat-sächlichen Dickenzunahme oder relativ, nur als scheinbare Zunahme durch Ver-schmälerung der darunter liegenden Strata auftreten kann (THELEN,2012; BEINEKE et al., 2015). Die Hyperkeratose muss nicht zwingend mit Schuppenbildung einherge-hen (SCHMUTH et al., 2013). Klinisch erscheint die hyperkeratotische Hautoberfläche derb (SCHMUTH et al., 2013).

Die Hyperkeratose wird histologisch in zwei Formen unterteilt. Eine regelhafte Ver-hornung mit anukleären Korneozyten wird als orthokeratotische Hyperkeratose

(Orthokeratose) bezeichnet (GROSS et al., 2008; LIEBICH et al., 2010; BEINEKE et al., 2015). Sind jedoch in den Zellen des Stratum corneum Zellkerne sichtbar, handelt es sich um eine parakeratotische Hyperkeratose (Parakeratose) (GROSS et al., 2008;

LIEBICH et al., 2010; BEINEKE et al., 2015). Es werden außerdem die perkeratose und die Retentionshyperkeratose unterschieden. Der Proliferationshy-perkeratose liegt eine beschleunigte Epidermopoese zugrunde, das heißt, dass pro Zeiteinheit mehr Keratinozyten als normalerweise im Stratum basale gebildet werden (THELEN, 2012). Bei der Retentionshyperkeratose findet eine verminderte Abschilfe-rung der oberflächlichen Hornzellen statt, sodass es zur Verdickung des Stratum corneum kommt (THELEN,2012; BEINEKE et al., 2015).

Meist sind bei Verhornungsstörungen zudem Akkumulationen von abnormalem Kera-tin auf der Epidermisoberfläche und auch in den oberflächlich gelegenen Haarfolli-keln zu finden (GROSS et al., 2008). Häufig ist diese Keratinschicht kompakt oder la-minar aufgebaut, was einen Hinweis für eine Verhornungsstörung darstellt (MULLER

et al., 1993; GROSS et al., 2008). Kompaktes Keratin ist sehr dicht und die Zwischen-räume sind nicht oder nur kaum sichtbar, während in Lamellen angeordnetes Keratin ebenfalls verdichtet ist, aber dennoch einen geschichteten Aufbau zeigt (GROSS et al., 2008). Eine Verbreiterung des Stratum spinosum (Akanthose) kann bei Verhor-nungsstörungen ebenfalls häufig histologisch festgestellt werden. Das Stratum gra-nulosum kann beim Vorliegen einer Verhornungsstörung verbreitert (Hypergranulose) oder verschmälert (Hypogranulose) sein (GROSS et al., 2008).

Verhornungssstörungen äußern sich klinisch in Schuppenbildung mit variablem Cha-rakter (THELEN, 2012). Andererseits gibt es weitere Hauterkrankungen, die nicht in die Gruppe der Verhornungsstörungen gehören, aber dennoch durch eine Hyper-keratose gekennzeichnet sind (GROSS et al., 2008). Hyperkeratosen können durch unterschiedliche Ursachen, wie entzündliche, hormonelle oder neoplastische Reakti-onen induziert werden (GROSS et al., 2008). So können zum Beispiel entzündliche Veränderungen der Talgdrüsen zu einer sekundären Hyperkeratose führen (GROSS et al., 2008). Eine follikuläre Hyperkeratose tritt beispielsweise häufig bei Störungen des Haarfollikelwachstums, wie z.B. bei der endokrinen Alopezie auf (GROSS et al., 2008). Es werden primäre Verhornungsstörungen von sekundären Verhornungsstö-rungen unterschieden. Beispiele für primäre VerhornungsstöVerhornungsstö-rungen bei Haustieren sind die primäre Seborrhö sowie die Vitamin-A-responsive Dermatose, die aufgrund

einer bislang ungeklärten Pathogenese bei Hunden vorkommt (THELEN, 2012). Eine weitere primäre Verhornungsstörung ist die Ichthyose (THELEN,2012).

Zu den sekundären Verhornungsstörungen gehört die Zink-responsive Dermatose bei Hunden, die auf einem genetisch bedingten Defekt in der Zink-Absorption beruht (THELEN,2012). Eine weitere sekundäre Verhornungsstörung ist die hereditäre nasa-le Parakeratose (HNPK) beim Labrador Retriever (JAGANNATHAN et al., 2013). Bei der HNPK ist handelt es sich um eine Dermatose, die auf eine autosomal rezessiv ver-erbte Genmutation zurückzuführen ist. Betroffene Hunde zeigen Krusten und Fissu-ren am Planum nasale (JAGANNATHAN et al., 2013).

Verhornungsstörungen entstehen, wenn ein oder mehrere Schritte der epidermalen Hornbildung gestört sind. Sind Proteine, z. B. Strukturproteine der Keratinozyten oder Enzyme, die für den Prozess der Verhornung essentiell sind, fehlerhaft, so kann der physiologische Prozess nicht ungestört ablaufen und es kommt zur Verbreiterung des Stratum corneum (ELIAS et al., 2008; SUTER et al., 2009). Meist sind es Genmu-tationen, die für die Expression defekter Proteine verantwortlich sind. Für einige die-ser Verhornungsstörungen wurden bei betroffenen Menschen und auch bei Tieren ursächliche Gendefekte entschlüsselt. Je nach Ausmaß und Folge der Genmutation auf die Proteinexpression sind unterschiedliche Pathomechanismen für die Verhor-nungsstörung verantwortlich. Sind z. B. Strukturproteine defekt, so ist die Barriere-funktion der Haut gestört und es kommt zu Permeabilitätsstörungen mit Wasserver-lust (ELIAS et al., 2008). Bei einer gestörten Hautbarriere reguliert der Körper die De-fekte durch eine verstärkte Lipidbildung und die Epidermis wird hyperplastisch, um dem Stratum corneum mehr Lipide zur Verfügung zu stellen (ELIAS et al., 2008). Dar-aus können sekundäre Entzündungen resultieren, die möglichweise darauf zurückzu-führen sind, dass die Lipide als Nährboden für bakterielles Wachstum fungieren (E

LI-AS et al., 2008).