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7. Diskussion

7.2 Genetische Ursachen der Ichthyose bei Deutschen Doggen

7.2.1 Vererbungsmodus

Die in dieser Arbeit untersuchten Doggenwelpen zeigten phänotypisch seit der Ge-burt eine mit Faltenbildung einhergehende Hauterkrankung. Da die Elterntiere der erkrankten Doggenwelpen laut Angaben der Züchter klinisch keine Hautveränderun-gen hatten, ist davon auszugehen, dass sie heterozygote Vererber der Ichthyose wa-ren. In einem Stammbaum wurden miteinander verwandte Hunde unter Berücksichti-gung des Geschlechts sowie des Phänotyps dargestellt (HOFFMANN et al., 2016). Un-ter Annahme eines monogenen Erbgangs konnte unUn-ter Anwendung der Men-del‘schen Regeln ein einfacher Vererbungsmodus ermittelt werden. Als wahrschein-lichster Vererbungsmodus bei den an Ichthyose erkrankten Deutschen Doggen ist daher ein autosomal rezessiver Erbgang anzunehmen (HOFFMANN et al., 2016).

Anhand des Stammbaumes ist zudem erkennbar, dass die Elterntiere betroffener Doggenwelpen keine klinischen Symptome der Ichthyose zeigten und durchschnitt-lich 25% der Welpen eines Wurfes erkrankt waren. Der Stammbaum verdeutdurchschnitt-licht zu-dem, dass die Dermatose nicht in jeder Generation vorkam und somit auch ein domi-nanter Erbgang nicht vorlag (HOFFMANN et al., 2016). Die Anzahl der erkrankten Doggenwelpen betraf in Wurf I mehr als die Hälfte der Wurfgeschwister. Es ist somit nicht möglich, den exakten Vererbungsmodus der Ichthyose bei den untersuchten Deutschen Doggen festzulegen. Da männliche und weibliche Hunde zu ungefähr gleichen Anteilen betroffen waren, kann jedoch eine geschlechtsspezifische, x-chromosomale Vererbung ausgeschlossen werden.

Alle erkrankten Doggenwelpen haben einen gemeinsamen männlichen Ahnen (METZGER et al., 2015).

7.2.2 Genetischer Defekt im Fatty acid transport protein 4 (FATP4)-Gen

Als Ursache für autosomal rezessiv vererbte Ichthyosen wurden bei Menschen und Hunden verschiedene Gendefekte identifiziert (CREDILLE et al., 2009; FORMAN et al., 2012; GRALL et al., 2012; MAULDIN, 2013). Die exakten pathogenetischen Zusam-menhänge zwischen Geno- und Phänotyp sind jedoch häufig unbekannt (CREDILLE et al., 2009; FORMAN et al., 2012). Um ein für die Ichthyose bei Deutschen Doggen ur-sächliches Kandidatengen zu identifizieren, wurden 9 von 14 der in dieser Arbeit un-tersuchten Doggenwelpen sowie 13, als Kontrollen dienende, gesunde Doggenwel-pen genotypisiert (METZGER et al., 2015). Eine anschließende genomweite Assoziati-onsanalyse (genome-wide association analysis) ergab einen genomweiten signifikan-ten Peak auf dem caninen Chromosom 9 (CFA9) in der Region bei 57/58 Mb. Dieser deutliche Ausschlag wurde in der Nachbarschaft des Solute Carrier Family 27 mem-ber A4-(SLC27A4) Gens verzeichnet, welches daraufhin als Kandidatengen für wei-tere Untersuchungen herangezogen wurde. Bei dem SLC27A4 handelt es sich um das Gen, welches ein Transmembranprotein kodiert (LIN und KHNYKIN, 2014). Das Transmembranprotein sorgt in der Haut für die Aufnahme exogener Fettsäuren sowie für die Aktivierung sehr langer Fettsäuren (very long chain fatty acids, VLCFA) wes-halb das Gen auch als FATP4 bezeichnet wird (LIN und KHNYKIN,2014).

Durch eine Sequenzanalyse des SLC27A4-Gens wurde bei den untersuchten Dog-genwelpen mit Ichthyose ein Einzelbasenaustausch (single nucleotide polymorphism, SNP) auf Exon 8 nachgewiesen (METZGER et al., 2015). Das mutierte Allel bedingt eine Veränderung an der slice acceptor side. Daraus resultieren ein Basenverlust und eine fehlerhafte DNA-Polymerisation. Die von Ichthyose betroffenen Doggenwel-pen sind homozygot für die Mutation, während die Kontrollhunde heterozygot bzw.

homozygot für das alternierende Allel sind (METZGER et al., 2015). Die genotypisier-ten Elterntiere der an Ichthyose erkrankgenotypisier-ten Doggenwelpen waren ebenfalls für die Mutation heterozygot (METZGER et al., 2015).

Der nachgewiesene SNP ist wahrscheinlich die kausale genetische Mutation für die Ichthyose der Doggen (METZGER et al., 2015). Bisher konnte jedoch nicht abschlie-ßend geklärt werden, ob die Mutation zu einem absoluten oder teilweisen Funktions-verlust oder zum Fehlen des SLC27A4/FATP4-Proteins führt. Die

Untersuchungser-gebnisse an asservierten Blutproben mehrerer, an Ichthyose erkrankter Doggenwel-pen durch METZGER et al. (2015) zeigten jedoch, dass diese eine stark reduzierte Menge des SLC27A4-Proteins im Blut aufwiesen (METZGER et al., 2015). Eine Wes-tern Blot Analyse bestätigte, dass in Hautproben der erkrankten Doggenwelpen we-niger bis kein FATP-4-Protein nachweisbar war (METZGER et al., 2015).

Untersuchungen zur Expression des FATP4-Proteins mittels immunhistochemischer oder immunfluoreszenzmikroskopischer Techniken in der Epidermis der Doggenwel-pen wurden bisher nicht durchgeführt.

Zu den in der Epidermis und anderen Geweben vorkommenden Fettsäuretransport-proteinen gehört u.a. die FATP-Familie, die bei Menschen und Mäusen aus 6 Protei-nen (FATP1 bis FATP6) besteht (STAHL, 2004). In der Haut und anderen Geweben adulter Menschen und Mäuse werden verschiedene FATP-Proteine (FATP1, -3, -4 und -6) exprimiert (SCHMUTH et al., 2005). Bei dem FATP4 handelt sich um ein Transmembranprotein der Keratinozyten, welches der solute carrier family 27 mem-ber 4 (SLC27A4) angehört. Das Fettsäuretransportprotein FATP4 ist in den Kera-tinozyten der Epidermis, im Haarfollikelepithel, im subkutanen Fettgewebe sowie in den Talgdrüsen lokalisiert (LIN und KHNYKIN, 2014). In der Epidermis ist es haupt-sächlich im Stratum granulosum zu finden (LIN und KHNYKIN, 2014). FATP4 erfüllt zwei essentielle Funktionen. Zum einen dient es als Transporter für die Aufnahme exogener Fettsäuren in das Zytoplasma der Keratinozyten bzw. in die Lamellarkör-perchen (AKIYAMA, 2010; NISHIFUJI und YOON, 2013). Zum anderen wirkt es als En-zym und ist für die Aktivierung sehr langer Fettsäuren (very long chain fatty acids, VLCFA) von großer Bedeutung (JIA et al., 2007; LIN und KHNYKIN,2014). Eine defek-te bzw. defizitiäre Expression des SLC27A4/FATP4-Proteins resultiert in einer un-gleichmäßigen Verteilung der Lipide und führt folglich zu einer gestörten Hautbarriere (KLAR et al., 2009).

Vererbte Defekte im FATP4-Gen wurden bislang nur für Menschen und Mäuse be-schrieben (NISHIFUJI und YOON, 2013). Der bei Deutschen Doggen mit kongenitaler Ichthyose ermittelte Gendefekt (METZGER et al., 2015) stellt den erstmaligen Nach-weis des Gendefektes bei einer anderen Tierspezies dar.

In der normalen Haut von Menschen und Mäusen wird FATP4 besonders stark in Talgdrüsenzellen exprimiert (SCHMUTH et al., 2005). Bei Mäusen mit

Gendefekt wurde eine subnormale oder nicht vorhandene Expression von FATP4-Protein und eine gestörte Differenzierung von Sebozyten nachgewiesen (LIN und KHNYKIN,2014). Über die Expression von Fettsäuretransportproteinen und insbeson-dere von FATP4 in der Haut oder aninsbeson-deren Geweben bei Hunden ist bisher nichts bekannt.

Bei den untersuchten Doggenwelpen wurden in der Follikel-Talgdrüsen-Einheit Abla-gerungen eines amorphen Materials beobachtet, bei denen es sich auf Basis der fär-berischen Eigenschaften um Lipidsubstanzen handelt (HOFFMANN et al., 2016). Der-artige Befunde wurden bisher bei keiner anderen kaninen Ichthyoseform beschrie-ben. Möglicherweise besteht zwischen diesen Veränderungen und dem bei den Doggenwelpen nachgewiesenen Gendefekt im FATP4-Gen ein ursächlicher Zusam-menhang.

Beim Menschen wird die Erkrankung, die mit einem autosomal rezessiv vererbten SLC27A4/FATP4-Gendefekt assoziiert ist, als ichthyosis prematurity syndrome (IPS) bezeichnet (BYGUM et al., 2008; OJI et al., 2010). Dabei handelt es sich um eine sel-tene Verhornungsstörung, die zur Gruppe der autosomal rezessiv vererbten kongeni-talen Ichthyosen gehört (OJI et al., 2010). KLAR et al. (2009) stellten fest, dass bei der Erkrankung eine reduzierte Aktivität der very long-chain fatty acid (VLCFA)-CoA syn-thetase vorliegt, die zu einer Reduktion der Umwandlung von VLCFA in intrazelluläre Lipide führt.

An IPS erkrankte, zu früh geborene, asphyktische Kinder zeigen eine verdickte Haut mit käseartigen Auflagerungen sowie Hautschuppen und Hautfalten an den Armen, Beinen und im Gesicht bzw. am Kopf (KLAR et al., 2009).

Die klinischen Befunde bei den untersuchten Doggenwelpen weisen somit eine ge-wisse Ähnlichkeit mit dem klinischen Erscheinungsbild der an IPS erkrankten Men-schen auf.

Frühgeburten und neonatale Asphyxie, wie sie für das IPS bei Kindern beschrieben werden (BYGUM et al., 2008; KLAR et al., 2009) lagen laut Vorbericht bei den Dog-genwelpen mit nachgewiesenem FATP4-Gendefekt jedoch nicht vor.

IPS kommt gehäuft bei Menschen in Skandinavien vor, wobei ein Gründereffekt (founder effect), also eine genetische Abweichung von der Stammpopulation, ange-nommen wird (KLAR et al., 2009).

In Analogie zum Menschen weisen Mäuse mit spontaner Mutation des SLC27A4/FATP4-Gens ähnliche Krankheitserscheinungen und Befunde auf (M

OUL-SON et al., 2003). Die von IPS betroffenen Mäuse zeigen jedoch gravierende Störun-gen der kutanen Permeabilitätsbarriere und eine damit zusammenhänStörun-gende, neona-tale Letalität (NISHIFUJI und YOON,2013).