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Die Vereinbarkeit von Familie mit dem Studium, dem Beruf und der Wissenschaft ist ein zentraler Bestandteil der Gleichstellungspolitik im deutschen Hochschulwesen (KORTENDIEK et al. 2016). Seit der Jahrtausendwende zeichnet sich zwar ein Wandel in Richtung familienfreundliche Hochschule ab, jedoch sind immer noch Defizite zu erkennen.

Die Situation von Frauen in der Tiermedizin in Deutschland wurde umfassend durch die Dissertationsschriften von MAURER (1997) und BIRKHAN (2015) untersucht und beschrieben. MAURER (1997) leistet mit ihrer Arbeit „Frauen in der Tiermedizin“

einen ausführlichen Beitrag zu der geschichtlichen Entwicklung von Frauen im tierärztlichen Beruf. Die dargestellten Lebensläufe der ersten Tierärztinnen sowie narrative Zeitzeugenberichte liefern umfassende Informationen zu den damaligen Gegebenheiten und Schwierigkeiten, mit denen sich Frauen im Studium und im späteren Beruf konfrontiert sahen. BIRKHAN (2015) befasst sich in ihrer Dissertation

„100 Jahre Frauenstudium an der Tierärztlichen Hochschule Hannover (1920-2010)“

mit der Situation weiblicher Studierender, weiblicher Assistenten sowie weiblicher Dozierender an der TiHo Hannover und liefert Informationen zur Entwicklung der Frauen im Studium der Tiermedizin an der TiHo bis hin zur Professur.

Zum Studium der Tiermedizin werden immer mehr Frauen zugelassen (BUNDESTIERÄRZTEKAMMER 2016). Im Wintersemester 1958 betrug die Zahl der weiblichen Studierenden zu Beginn der tiermedizinischen Ausbildung 5,3%. Im Jahr 1980/1981 war der Frauenanteil erstmals bei mehr als 50% (MAURER 1997). 2016 liegt der Anteil weiblicher Studienanfänger an deutschen veterinärmedizinischen Bildungseinrichtungen bei 87% (BUNDESTIERÄRZTEKAMMER 2017).

Veterinärmedizin weist im Vergleich zu anderen Fächern den größten Frauenanteil auf (KORTENDIEK et al. 2016). Umstrukturierungen sind daher eventuell notwendig, um den Bedürfnissen aller Studierenden gerecht zu werden (HILDEBRANDT et al.

2017).

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Laut GÜNZEL-APEL et al. (1994) haben viele Bewerberinnen und Bewerber unrealistische Vorstellungen vom Studium der Tiermedizin und dem Beruf als Tierarzt. Diese Einschätzung deckt sich mit den Untersuchungen von HESSE (2013), die herausfand, dass Studienanfänger mit einem zu hohen Maß an Idealismus das Studium beginnen und nur teilweise realistische Vorstellungen vom tierärztlichen Beruf haben. Studienanfänger, männlich wie weiblich, werden häufig durch ihr eigenes Freizeitverhalten im Vorfeld des Studiums für den Berufswunsch des Tierarztes/der Tierärztin motiviert, wobei Frauen sich ihren Beruf zunehmend nach ihren Neigungen aussuchen und nicht initial wegen der Vereinbarkeit mit dem Privatleben (STROTHMANN-LÜERSSEN 1995). Diese Aussage wird durch KOSTELNIK (2010) unterstützt, die in dem Geschlecht, dem Vorhandensein eigener Haustiere sowie der Herkunft entscheidende Einflussfaktoren für das spätere Berufsfeld sieht. Bei Männern dominieren bei der Berufswahl finanzielle Aspekte. Die Verdienstmöglichkeiten als Tierarzt sieht TIMPHAUS (1994) dafür verantwortlich, dass immer weniger Männer dieses Studium aufnehmen. Die Tatsache, dass die Anzahl männlicher Tiermedizinstudierender rückläufig ist, hat die steigende Anzahl weiblicher Studienanfänger forciert (SMITH 2002). Laut einer Umfrage von HANKE und MEWES (2014) besteht ein Nachholbedarf an veterinärmedizinischen Bildungseinrichtungen insbesondere in Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Studium. Auch eine von DILLY et al. (2014) durchgeführte Untersuchung zu Beschwerden, Belastungen und Ressourcen im Tiermedizinstudium zeigt, dass sich die Studierenden mehr Zeit für Entspannung und Urlaub, sowie eine Förderung der Vereinbarkeit von Studium und anderen Lebensbereichen wünschen würden.

Schon im Jahr 1993 beschreiben STROTHMANN-LÜERSSEN und GÜNZEL-APEL aufgrund des hohen Frauenanteils in der Tiermedizin, zwischen 80% und 90%, die Entwicklung von einem reinen Männerberuf hin zu einem Tätigkeitsbereich, der von Frauen dominiert wird. Die Verschiebung in Richtung Frauendomäne ist aber nicht nur an deutschen tiermedizinischen Ausbildungsstätten zu erkennen, sondern auch europaweit (STROTHMANN-LÜERSSEN 1995). BURNS (2010) sieht die Erklärung für den hohen Frauenanteil im wachsenden Kleintiersektor im Vergleich zu anderen Fachgebieten wie dem Nutztierbereich. Auch LOFSTEDT (2003) sieht durch den

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hohen Frauenanteil eine reduzierte personelle Besetzung im Nutztierbereich sowie eine Abnahme in dem Wunsch nach Selbstständigkeit. Bereits in den 80er Jahren begründen CALHOUN und HOUPT (1976) den Konflikt, mit dem Frauen konfrontiert werden, in der Doppelrolle, einerseits eine Frau und Mutter zu sein und andererseits eine ausgebildete Medizinerin, die einem männlichen Kollegen hinsichtlich ihrer Karriere in keiner Weise nachstehen möchte. So führe der Versuch, beiden Rollen gleichermaßen gerecht zu werden, automatisch zu einer Unterbrechung des beruflichen Werdeganges.

Die Unterbrechung, die sich aus einer Schwangerschaft und Mutterschutz ergibt, stelle in wissenschaftlichen Werdegängen ein Problem dar, da man oft den Anschluss verliert (STROTHMANN-LÜERSSEN 1995, SLATER u. SLATER 2000).

Darüber hinaus sind die erforderlichen Schutzmaßnahmen während der Schwangerschaft und der Stillzeit mit Einschränkung im Rahmen der tierärztlichen Tätigkeit verbunden. Außerdem sind schwangere Frauen oder Frauen mit Kindern auch im Hinblick auf Fort- und Weiterbildungen benachteiligt, da diese die geforderte Zeit möglicherweise nur halbtags absolvieren können, wodurch es automatisch zu Verzögerungen kommt (STROTHMANN-LÜERSSEN u. GÜNZEL-APEL 1993). So liegt der Frauenanteil der Studienanfänger, der Absolventen sowie der Promovenden im Fachbereich Tiermedizin zwar bei über 80%, aber im Bereich der Professuren sind es im Jahr 2006 lediglich zwischen sieben und zwölf Prozent (FELKER 2006), beziehungsweise 2018 an der TiHo bereits 25% (RUTKOWSKI 2018).

SHAW (2001) zufolge setzten Frauen ihre Prioritäten im Beruf bei flexiblen Arbeitszeiten, einem guten Arbeitsklima im Team und der Vereinbarkeit mit der Familie. Bei der Ausübung der tierärztlichen Tätigkeit im landwirtschaftlichen Nutztierbereich müssen Frauen häufig zurückstecken, sodass STROTHMANN-LÜERSSEN und GÜNZEL-APEL (1993) dieses Arbeitsfeld als familienunfreundlich bezeichnen. Die Arbeit im Veterinäramt oder Schlachthof hingegen ist aufgrund gesetzlicher Vorgaben besser geeignet, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren (STROTHMANN-LÜERSSEN 1995).

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Mehr als 20 Jahre später entsprechen der damaligen Einschätzung der Situation die Aussagen einer Presseinformation zum Internationalen Frauentag der BUNDESTIERÄRZTEKAMMER (2016): Das größte Problem für Frauen im tiermedizinischen Beruf, insbesondere in der Nutztierpraxis, sei nicht die körperliche Arbeit, sondern die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

HESSE (2013) beschäftigte sich in ihrer Studie mit den Berufsvorstellungen von Tiermedizinstudierenden im Vergleich zur Wahrnehmung erfahrener Tierärztinnen und Tierärzte. Die Mehrheit der Studierenden plant ihr Berufsziel in der kurativen Praxis, gefolgt vom öffentlichen Veterinärwesen, der Hochschule, der pharmazeutischen Industrie und der Lebensmittelindustrie. Ein Großteil der berufstätigen Tiermedizinerinnen und Tiermediziner sieht die Erwartungen, mit denen das Studium einst begonnen wurde, bestätigt, wobei nur die Hälfte auf dem Gebiet arbeitet, das zu Beginn des Studiums angestrebt wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass 68% der Tierärztinnen und Tierärzte mit ihrer Arbeitssituation zufrieden sind und fast 82% der Befragten wieder Tiermedizin studieren würden (HESSE 2013). Die Untersuchung zeigt darüber hinaus auch, dass es für mehr als 80% der Studienanfänger vertretbar sei, wenn die Arbeitszeiten Probleme im Privatleben verursachen würden. Bei der Tierärzteschaft gibt Zweidrittel an, aufgrund der Arbeitszeiten Probleme im Privatleben zu haben. HESSE (2013) zufolge kämpfen berufstätige Tiermedizinerinnen und Tiermediziner im Vergleich zu Studienanfängern unfreiwillig mit Konflikten, wie zum Beispiel mit dem Problem der Vereinbarkeit mit dem Privatleben.

FRIEDRICH (2006), die im Rahmen ihrer Dissertation Untersuchungen zur beruflichen und privaten Situation tierärztlicher Praxisassistentinnen und -assistenten in Deutschland durchführte, interessierte sich neben Fragen zu allgemeinen Arbeitsbedingungen auch für die private Lebenssituation sowie frauenspezifische Themenfelder wie die Familienplanung. Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass weniger als die Hälfte aller Befragten zum Zeitpunkt der Umfrage Kinder hat. Das Alter, in dem die Tierärztinnen ihre Kinder bekommen, liegt mit knapp 56% zwischen 39 und 43 Jahren. Prozentual arbeiten mehr Frauen in Teilzeit als ihre männlichen Kollegen. Grund hierfür scheint möglicherweise die Betreuung der Kinder durch die

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Mütter zu sein. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird von den Tierärztinnen und Tierärzten, die in Teilzeit arbeiten, deutlich besser bewertet als von denen, die in Vollzeit tätig sind. Darüber hinaus fand FRIEDRICH (2006) heraus, dass je höher die Arbeitsbelastung ist, desto weniger können sich Frauen vorstellen, nach der Geburt eines Kindes wieder zurück in den Beruf zu kehren. Bei der Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben in den unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern zeigte sich, dass die Vereinbarkeit im Vergleich zu den älteren Studien 1993 und 1995 in der Nutztierpraxis am besten ist, gefolgt von der Gemischtpraxis und der Kleintierpraxis. Am schwierigsten ist die Vereinbarkeit in der Pferdepraxis.

GEUENICH (2011) führte in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Tierärzteblatt eine Befragung zum Thema „Stress im Tierarztberuf als Gesundheitsrisiko“ durch. Die Umfrage beinhaltete neben Fragestellungen zum Beruf, wie allgemeine Arbeitsbedingungen im Rahmen der tierärztlichen Tätigkeit, auch Fragen zur eigenen Person, zur Familie und Partnerschaft sowie zu Freunden. GEUENICH (2011) konnte zeigen, dass die Bedingungen wie Arbeitszeit, Arbeitsvergütung und schlechte Vereinbarkeit mit dem Privatleben in engem Zusammenhang zur Arbeitsbelastung und körperlich-seelischer Gesundheit stehen. Die Ergebnisse zeigen, dass Tierärztinnen und Tierärzte im Vergleich zur Normalpopulation stärker belastet sind, wobei keine bedeutsamen Unterschiede zwischen angestellten und selbstständigen Tiermedizinerinnen und Tiermedizinern festgestellt werden können.

Die Vereinbarkeit mit dem Privatleben wird jedoch von jüngeren Teilnehmenden hinsichtlich der Belastung höher gewichtet.

KERSEBOHM et al. (2017) machte Untersuchungen zum Thema „Lange Arbeitszeiten, geringes Einkommen und Unzufriedenheit: Gegenüberstellung der Situation praktizierender Tiermediziner mit vergleichbaren Berufsgruppen der deutschen Bevölkerung“ und legte den Fokus hier weniger auf die private Lebenssituation, sondern vielmehr auf die Arbeitsbedingungen aller tierärztlich tätigen Frauen und Männer in Deutschland und der daraus resultierenden Zufriedenheit. Außerdem verglich KERSEBOHM et al. (2017) die berufliche Situation der Tierärzteschaft mit anderen akademischen Berufsgruppen. Ihre Ergebnisse

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zeigen, dass die Arbeitszeiten von Vätern deutlich länger sind als die von Müttern, was darauf zurück zu führen ist, dass die Kinderbetreuung von den Frauen übernommen wird. Die Arbeitszeiten der praktizierenden Tierärztinnen und Tierärzte sind in der Pferdepraxis am längsten. Im Vergleich zu gleichqualifizierten Akademikern in Deutschland sind angestellte Tiermedizinerinnen und Tiermediziner unzufriedener mit den meisten Teilbereichen ihres Lebens wie zum Beispiel Freizeit und Familienleben.

Die Untersuchungen hinsichtlich des Beschäftigungsmodells weiblicher Tiermediziner mit Nachwuchs deckt sich mit der Einschätzung von BURNS und LARKIN (2013), die einen Großteil der Tiermedizinerinnen mit Kind in Teilzeit beschäftigt sehen. Auch grundsätzlich würden Frauen weniger Stunden am Tag im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen arbeiten, um der Kinderbetreuung nachgehen zu können.

Die genannten Untersuchungen zum Thema „Frauen in der Tiermedizin“ spiegeln die Entwicklung und Situation weltweit wider, wobei der Fokus auf Deutschland gerichtet ist, jedoch keine Differenzierung zwischen veterinärmedizinischen Bildungsstätten oder Bundesländern vorgenommen wurde.

Vergleichend dazu liegt in der Humanmedizin im Jahr 2001 der Prozentsatz weiblicher Studierender erstmalig bei über 50% (BESTMANN 2005), obgleich sich der Frauenanteil in den höheren Hierarchiestufen drastisch verringert (HANCKE et al. 2011).

Laut einer Untersuchung des STATISTISCHEN BUNDESAMTES (2016) sind zwar mehr als 60% aller Medizinstudierenden weiblich, aber dennoch gibt es immer noch große Unterschiede hinsichtlich der Spezialisierung nach dem Studium (AßMANN et al. 2008). Immer weniger Männer wollen den Arztberuf erlernen, da die Gehälter dramatisch gesunken sind. Für Frauen hingegen spielt der finanzielle Aspekt eine untergeordnete Rolle (HIBBELER u. KORZILIUS 2008). Zu Beginn der medizinischen Ausbildung werden weibliche Studienanfänger aufgrund des Numerus Clausus bevorzugt, jedoch zum Zeitpunkt der Familienplanung häufig benachteiligt (SIMMENROTH-NAYDA et al. 2016). Im Verlauf der Jahre nach Abschluss des

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Studiums scheiden immer mehr Frauen aus dem Beruf aus. Als Grund wird unter anderem die schlechte Vereinbarkeit mit der Familie genannt (BESTMANN 2005).

Hier muss ein Umdenken stattfinden, um kein Nachwuchsproblem zu bekommen (WEIDELHOFER 2009).

In einer 2009 durchgeführten Studie an der Universität Ulm untersuchte LIEBHARDT et al. (2011) die Familiengründung bei Humanmedizinerinnen und -medizinern. Die Arbeit beschäftigte sich mit der Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für die Familienplanung. Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmenden mit Kind gibt an, im klinischen Studienabschnitt die Familienplanung umgesetzt zu haben. Darüber hinaus sieht ein Großteil der Befragten eine bessere Vereinbarkeit mit einer Familie während des Studiums als im Beruf (LIEBHARDT et al. 2011). Eine weitere Untersuchung von QUAK et al. (2017) zum Thema Vereinbarkeit von Medizinstudium mit Kind an der Universität Witten/Herdecke bestätigt dieses Ergebnis: Alle Befragten würden sich nochmal für ein Studium mit Kind entscheiden. Als Grund hierfür wird die erhöhte Flexibilität genannt, obwohl Zeitmangel, Mehrfachbelastung und Kinderbetreuung durchaus als Nachteile von einem Studium mit Kind anzusehen sind. Daraus resultiert, dass Veränderungen notwendig sind, um die Flexibilität des einzelnen Individuums in den Fokus zu setzen (QUAK et al. 2017). Als Beispiel wird von LIEBHARDT et al. (2011) der Ausbau von E-Learning-Angeboten genannt.

Nach LIMBACH (2006) ist „Frau sein“ zwar keine Behinderung, aber mit Verhinderungen verknüpft, wenn es darum geht, Mutterschaft und Wissenschaft miteinander zu vereinbaren. Ärztinnen haben grundsätzlich geringere Chancen Karriere zu machen, als ihre männlichen Kollegen (ABELE 2002). Die Diskrepanz zwischen Männern und Frauen bei Professuren ist im Fachbereich Medizin besonders ausgeprägt (KORTENDIEK et al. 2016). Als Gründe werden schwierige Vereinbarkeit mit Familie, klinischer Qualifikation und Wissenschaftskarriere genannt.

Teilzeitbeschäftigungen und Auszeiten tragen dazu bei, dass Weiterbildungen erschwert werden. BESTMANN (2005) zufolge haben mehr Männer als Frauen eine abgeschlossene Facharztausbildung, da Frauen eher dazu bereit sind, berufliche Einbußen zu Gunsten des Privatlebens in Kauf zu nehmen (GOLD 2008). Zweidrittel der kinderlosen Frauen sehen Nachwuchs als karrierehindernd an (KORTENDIEK et

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al. 2016). Jede zweite Frau empfindet die Vereinbarkeit mit der Familie als Hindernis für eine angestrebte Professur, bei Männern ist es jeder sechste. KORTENDIEK et al. (2016) zufolge sind Frauen mehrheitlich nicht bereit, aufgrund ihrer Karriere Probleme im Privatleben hinzunehmen, wohingegen Männer Schwierigkeiten häufig miteinkalkulieren.

LIEBHARDT et al. (2011) hingegen kam im Rahmen seiner Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung zwischen Karriere oder Kindern bei jungen Medizinerinnen häufig zu Gunsten der Arbeit und zu Lasten einer Familienplanung fällt, aus Angst vor beruflichen Einbußen. Auch im Hinblick auf wissenschaftliche Publikationen ist der Anteil der weiblichen Erstautoren im Verlauf der letzten Jahre gestiegen, was einen Rückschluss auf den steigenden Prozentsatz von Frauen in der Wissenschaft schließen lässt (BAETHGE 2008). Dennoch sind Medizinerinnen bei gleicher Ausgangssituation häufiger erwerbslos oder teilzeitbeschäftigt und weniger häufig in Führungspositionen zu finden im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen (ABELE 2010). Laut BUNDESÄRZTEKAMMER (2013) bildet sich zunehmend eine Ärztegeneration aus, die der so genannten „Work-Life-Balance“ einen hohen Stellenwert einräumt. Aus diesem Grund arbeiten immer mehr Medizinerinnen und Mediziner in Teilzeit. Auch RENKAWITZ et al. (2013) fand in ihrer Studie heraus, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Möglichkeit zu Fort- und Weiterbildung einen vergleichsweise hohen Stellenwert haben, wenn es um die Entscheidung für bzw. gegen ein Stellenangebot geht. Wobei Frauen aufgrund ihres Geschlechts und der Tatsache, dass sie schwanger werden können, in Bewerbungsgesprächen oft diskriminiert werden, was dazu führt, dass ausgebildete Fachkräfte ins Ausland abwandern (GRÄßLER 2006). Diese Aussage deckt sich mit FLAIG (2014), die die besseren Arbeitsbedingungen hinsichtlich Arbeitszeiten, Verdienstmöglichkeiten, Aufstiegschancen sowie der Vereinbarkeit mit dem Privatleben für das Abwandern junger Ärztinnen und Ärzte ins Ausland verantwortlich macht. Aus diesem Grund besteht Handlungsbedarf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern (JERG-BRETZKE et al. 2017).

Um eine Gleichstellung im Bereich der Hochschulmedizin bis hin zur Professur zu realisieren, bedarf es auch hier an Maßnahmen wie zum Beispiel

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Kinderbetreuungsangeboten und flexibler Arbeitszeitgestaltung (KORTENDIEK et al.

2016). Empfehlungen, die die Situation insbesondere für Frauen verbessern soll, beinhalten bessere Planbarkeit wissenschaftlicher Karrieren, Veränderung der Arbeitsbedingungen und eine realistische Vereinbarkeit mit einer Familie. Als konkrete Beispiele werden von KORTENDIEK et al. (2016) die Aufstockung des Personals, Teilzeitmodelle, Förderung aktiver Elternschaft sowie Angebote zur Unterstützung junger Familien genannt. Für die Umsetzung dieser Maßnahmen bedarf es darüber hinaus an mehr Präsenz der Gleichstellungsarbeit.

Auch KÖHLER et al. (2003) ist der Auffassung, dass Serviceeinrichtungen zur Betreuung des Nachwuchses sowie attraktive Teilzeitmodelle in den normalen Berufsalltag integriert werden müssen, um die Vereinbarkeit von berufstätigen Ärztinnen mit Kindern zu verbessern. Denn hauptsächlich die Kinderbetreuung stellt für Medizinerinnen und Mediziner grundsätzlich ein Problem dar, das es zu beheben gilt. So wünschen sich angestellte Ärztinnen und Ärzte eine aktive Unterstützung durch ihre Arbeitgeber (JERG-BRETZKE et al. 2017). Als Beispiel hierfür bietet die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) für den Nachwuchs ihrer Ärztinnen und Ärzte eine Ganztagskinderbetreuung an, die zukünftig auch von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie von Studierenden in Anspruch genommen werden kann (ID 2009). Ziel ist es Arbeitsbedingungen im Fachbereich Medizin zu schaffen, die speziell für Frauen kompatibel sind (HIBBELER u.

KORZILIUS 2008).

Viele Hochschulen nutzen bereits Auditierungs- und Zertifizierungsverfahren, um familienfreundliche Strukturen zu etablieren (KORTENDIEK et al. 2016). Die Basis für diese Entwicklung liefert maßgeblich die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten.

Insbesondere der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen sowie Bildungs-, Beratungs-, und Informationsangebote prägen diese Veränderungen. Nach KORTENDIEK et al. (2016) wird im Bereich der Lehre an einigen Hochschulen gezielt Digitalisierung und E-Learning eingesetzt, um die Vereinbarkeit von Familie und Studium zu verbessern.

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Darüber hinaus muss der Grundstein für den Umgang mit beiden Geschlechtern bereits im Studium gelegt werden. So sollen angehende Ärztinnen und Ärzte im Rahmen ihrer Ausbildung dazu angehalten werden, bei der Diagnosestellung sowohl biologische, als auch soziokulturelle Aspekte zu berücksichtigen (LUDWIG et al.

2016). Dieses Wissen kann weitergehend dazu beitragen, für das jeweils andere Geschlecht sensibilisiert zu werden (LUDWIG et al. 2015).

Im Hinblick auf die TiHo liegt der Anteil von Frauen nach einer Untersuchung von HINRICHS (1991) im Januar 1990 bereits bei über 50%. Bei den wissenschaftlichen Mitarbeitenden ist der Prozentsatz an Frauen deutlich geringer als in anderen Fachbereichen wie zum Beispiel in der Verwaltung. Die weiblichen Studierenden machen zu Beginn des Jahres 1990 knapp über 60% aus. Im Wintersemester 2016/2017 beträgt die Anzahl Tiermedizinstudierender in Deutschland insgesamt 6351. Der Anteil weiblicher Studierender liegt hier bei ca. 86%

(BUNDESTIERÄRZTEKAMMER 2017), während es an der TiHo im Wintersemester 2016 insgesamt 84% sind (WINDT 2017).

Diese Zahlen zeigen, dass der Anteil weiblicher Studierender an veterinärmedizinischen Bildungseinrichtungen in Deutschland seit vielen Jahren konstant hoch ist. Neben der beruflichen Orientierung gewinnt zusätzlich auch der Wunsch nach Familienplanung insbesondere bei weiblichen Studierenden an Bedeutung (HILDEBRANDT et al. 2017).

1994 wird an der TiHo eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich mit der Förderung von Frauen beschäftigt. Vor dem Hintergrund, dass Frauenförderprogramme zur Unterstützung weiblicher Wissenschaftler nur umsetzbar sind, wenn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleistet ist, sind die Arbeitsbedingungen in Bezug auf die Vereinbarkeit mit dem Privatleben zentrale Themen (HOEDEMAKER 1995). Ein Jahr später etabliert sich eine Arbeitsgruppe, die sich für die Belange schwangerer Studierender einsetzen soll. Ziel ist es, die Situation schwangerer Studierender in Anlehnung an das Mutterschutzgesetz zu verbessern (HOEDEMAKER 1995). Im Rahmen der Arbeiten des Arbeitskreises für schwangere Studierende wird ein Informationsblatt über das Verhalten im Fall einer

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Schwangerschaft aufgesetzt und es wird darüber hinaus Rücksprache mit den unterschiedlichen Institutionen gehalten, welchen Risiken Studierende im Fall einer Schwangerschaft ausgesetzt sind (HOEDEMAKER 1996).

Vor dem Hintergrund des wachsenden Frauenanteils besteht sowohl bei den Bediensteten, als auch bei den Studierenden der TiHo der Bedarf nach einer Kinderbetreuung vor Ort, die die Arbeitszeiten der jeweiligen Zielgruppen hinsichtlich der Betreuungszeiten berücksichtigt (HOEDEMAKER 1995). Die Einrichtung einer Kindertagesstätte (KiTa) gestaltet sich jedoch aufwendiger als ursprünglich erwartet.

Ein 1988 gestellter Antrag auf Bedarfsermittlung für eine KiTa kennzeichnet den Beginn der Planungen. Im Verlauf von fast zehn Jahren werden Bedarfsermittlung, Konzept, Lokalisation, Finanzierung sowie rechtliche Grundlagen diskutiert, aber es kommt zu keinem Ergebnis (PÖTTMANN 1997). Trotz der bislang gescheiterten Versuche eine KiTa zu etablieren, sind im Verlauf der letzten Jahre viele Angebote an der TiHo für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sowie Studierende mit Kind geschaffen worden, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, bzw. Studium zu verbessern:

Am Standort Bünteweg wird ein weiteres Eltern-Kind-Zimmer eingerichtet. Das Zimmer, das mit einem Arbeitsplatz inklusive Computer, Drucker und Telefon ausgestattet wurde, soll Eltern die Möglichkeit geben, ihr Kind mit zu nehmen. Das erste Eltern-Kind-Zimmer wird bereits im Jahr 2013 am Bischofsholer Damm

Am Standort Bünteweg wird ein weiteres Eltern-Kind-Zimmer eingerichtet. Das Zimmer, das mit einem Arbeitsplatz inklusive Computer, Drucker und Telefon ausgestattet wurde, soll Eltern die Möglichkeit geben, ihr Kind mit zu nehmen. Das erste Eltern-Kind-Zimmer wird bereits im Jahr 2013 am Bischofsholer Damm