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4. Diskussion

4.2 Erörterung der eigenen Ergebnisse

4.2.2 Fettversuche (FV)

4.2.2.3 Verdaulichkeit freier bzw. einzelner FS

Praecaecale Verschwindensraten freier bzw. einzelner Fettsäuren bei den K-Tieren

Die hier analysierten Fettsäuren wiesen bei den K-Tieren bei Einsatz aller Versuchsdiäten ausnahmslos hohe praecaecale Verschwindensraten von nahezu 100 % auf. Die geringfügigen Differenzen bei Betrachtung der einzelnen FS-VR und der Rfe-VR (80,7 bis 96,4 %) ergeben

Cal+Kb

sich aufgrund der unterschiedlichen Analysetechniken (s. Kapitel 3.1.9). Bei der Analyse der FS werden nur FS mit erhaltenem Säurecharakter erfasst, auch bleibt der Glycerinanteil im Gegensatz zur Rfe-Analyse mittels ANKOM®-Technik unberücksichtigt. Trotz einer sehr fettreichen Nahrung (290 bis 369 g/kg TS) war es den K-Tieren möglich, das vorhandene Rohfett nahezu vollständig zu verdauen. Da die Verschwindensrate des Rohfetts bzw. der Fettsäuren bei den K-Tieren nahezu 100 % beträgt und zudem nur Fettsäuren mit erhaltenem Säurecharakter (s.o.) detektiert wurden, kann davon ausgegangen werden, dass der Großteil der am terminalen Ileum gewonnenen Rohfettmasse aus Galle bestand (s.o., DANCYGIER 2003). Während diese Verbindungen in der FS-Analytik definitiv nicht erfasst werden, erfolgt mittels Rfe-Bestimmung in der ANKOM®-Technik eine Erfassung dieser Substanzen, so dass sich die beobachteten Abweichungen erklären.

Verdaulichkeit freier Fettsäuren bei PL-Tieren

Nach Zulage freier Fettsäuren (Cal + FFS) ergaben sich im Verhältnis zu den sonst bei PL-Tieren üblicherweise ermittelten Rfe-Verschwindensraten (s. Tabelle 84) für alle einzelnen FS (C 16, C18, C 18:1) eine höhere Verschwindensrate (48 bis 58 %). Vor allem aber für die Linolsäure (C 18:2) – welche in größerer Menge in der Diät enthalten war (22 g/Mahlzeit) – konnte ein nahezu vollständiges „Verschwinden“ (96 %) ermittelt werden. Die Verdaulichkeit dieser Fettsäure war somit bei den PL-Tieren ebenso hoch wie bei den K-Tieren.

KARTHOFF (2004) konnte bei Einsatz einer relativ geringen Menge (5 g) der freien Fettsäure C 15 eine Resorption von nahezu 100 % ermitteln. Die von der Autorin verwendete freie Fettsäure lag zudem in gesättigter Form vor und hatte einen deutlich höheren Schmelzpunkt (ca. 70 °C) als das in den eigenen Versuchen verwendete FFS-Gemisch. Für C 16 konnte CARROLL (1958) bei Ratten eine Gesamtverdaulichkeit von 48 %, für C 18 von 12 % und für C 18:1 von 84 % ermitteln. Die in den eigenen Versuchen ermittelte FS-VR für C 16 war vergleichbar mit diesen Ergebnissen, die für C 18 höher und die für C 18:1 etwas geringer. Die aufgrund der oben beschriebenen Prozesse langsamere Chymuspassagerate bei Einsatz der Diät Cal + FFS kann die Fett-Resorption begünstigen, da die gemischten Micellen längere Zeit am Ort der Resorption verweilen.

Verdaulichkeit mittelkettiger Fettsäuren bei PL-Tieren

Nennenswerte Gehalte an MCT (C 8, C 10, C 12) waren nur in der mit Kokosöl/-fett angereicherten Diät (Cal + Kö) vorhanden. Obwohl die MCT ohne pankreatische Enzyme schneller hydrolysiert (CALIARI et al. 1995), ohne enzymatische Abspaltung vom

Glycerinmolekül, ohne die Hilfe von Gallensalzen als Triglycerid in die Mukosazellen gelangen (CHOW et al. 1990; KASPER 2004) und direkt von den Enterozyten des Dünndarms resorbiert werden (SHIAU 1987; BEITZ u. ALLEN 1993), wurde nur bei sehr geringen Mengen/Mahlzeit (< 1 g) in der Diät eine vollständige Resorption dieser Triglyceride nachgewiesen. Auch KALLA (2009) wies für Laurinsäure bei vergleichbaren Mengen im Versuchsfutter (C 12; 1,29 g) eine nahezu vollständige praecaecale Resorption dieser FS nach.

Bei höheren Anteilen der MCT in der Diät (35,4 %; C 8, C 10, C 12) „verschwand“ bei den PL-Tieren bis zum Dünndarmende noch knapp die Hälfte dieser Fettsäuren. Verglichen mit den von anderen Autoren beobachteten Rfe-Verdaulichkeiten bei PL-Tieren (s. Tabelle 84) sind die hier ermittelten Verschwindensraten auch vor dem Hintergrund der fettreichen Diät als vergleichsweise hoch einzuordnen. Aufgrund der relativ guten Resorption dieser Fettsäuren werden MCT in der Humanmedizin bei der EPI, aber auch bei anderen Störungen des Fettstoffwechsels (Fettmalabsorption, beeinträchtigter Chylomikronentransport, etc.) und der Ernährung von Intensivpatienten (TRAUL et al. 2000) genutzt. Entsprechende „MCT-Produkte“ (z.B. „MCT-Margarine“) sind im Handel erhältlich (WILLIG 2008). In der Humanmedizin wurden darüber hinaus positive Effekte der MCT auf die Darmphysiologie festgestellt, da sie positive Effekte auf membrangebundene Enzyme der Epithelien haben (TAKASE u. GODA 1990) und die reaktive Villus-Hyperplasie fördern (GALLUSER et al.

1993). Ein weiterer Vorteil des Einsatzes der MCT besteht zudem darin, dass diese auch antibakterielle Effekte aufweisen sollen, vor allem mit einer ausgeprägten Wirkung gegenüber grampositiven Bakterien (CANAS-RODRIGUEZ u. SMITH 1966; SPRONG et al. 2001).

Diese Wirkung führt schon bei einer MCT-Gesamtkonzentration von 0,45 g/100 g Nahrung zu einer signifikanten Reduktion der aeroben Gesamtkeimzahl und der Laktobazillen in Magen und Duodenum bei gesunden Schweinen (DIERICK et al. 2002). Vor dem Hintergrund des „bacterial overgrowth“ bei einer Pankreasinsuffizienz (TABELING 1998) wäre dies ein zusätzlicher positiver Aspekt des MCT-Einsatzes in der Ernährung von EPI-Patienten.

Neben verschiedenen Nachteilen (s.o.) einer Verwendung von Capryl- und Caprinsäure in der Nahrung, wie unter anderem der schlechte Geschmack (lat. capra = Ziege) zeigten sich nach Applikation größerer Mengen von MCT (>6 ml MCT-Öl als Bolus) an Saugferkel narkotische Effekte, d. h. die Vitalität der Ferkel war herabgesetzt und bei Ferkeln mit unter 1 kg Körpergewicht war ein Anstieg der Verlustrate zu beobachten (WIELAND et al. 1993; ODLE 1999).

Verdaulichkeit langkettiger gesättigter Fettsäuren bei PL-Tieren

Obwohl bei Verwendung von Kakaobutter die größte Menge (19 g/Mahlzeit) von C 16 vorhanden war, konnte bei dieser Diät die höchste FS-VR (%) für C 16 (50,6 %) gemessen werden, während der in den anderen Diäten vergleichbare Anteil dieser FS stark differierende FS-Verschwindensraten zur Folge hatte (s. Abbildung 16). KALLA (2009) ordnete die Verschwindensrate dieser Fettsäure bei PL-Tieren nach Fütterung von 28,8 g/24h im Bereich 13,2 ± 23,0 % ein.

Während für C 16 eine große Variation der Verschwindensraten bei gleichen Massen dieser FS in den Versuchsfuttern nachgewiesen wurde, „verschwand“ Stearinsäure (C 18) trotz unterschiedlicher Anteile in den Versuchsfuttern im Gegensatz dazu recht einheitlich zu ca.

30 - 50 % (Ausnahme Cal + Dö). Die ermittelten Verschwindensraten sind mit der von KALLA (2009; 31,1 ± 16,7 % nach Aufnahme von 17,6 g/24h) vergleichbar.

Die Verfütterung langkettiger freier Fettsäuren führte zu den höchsten Verschwindensraten der langkettigen gesättigten FS, da diese sofort resorbiert werden können (s.o.; C 16 = 56,9

%; C 18 = 47,6 %).

Die unterschiedlichen Verschwindensraten der einzelnen Fettsäuren bei Einsatz unterschiedlicher Fettquellen können auf die noch wirksamen nicht-pankreatischen Lipasen zurückgeführt werden. Diese sorgen nicht nur für eine gewisse Rohfettverdauung, sondern können in Abhängigkeit von der eingesetzten Fettquelle auch Unterschiede in der Resorption der einzelnen Fettsäuren bedingen. Die Position 1, 2 und 3 am Glycerinmolekül werden bei den natürlichen Fetten durch unterschiedliche Fettsäuren besetzt (MALCATA 1995). Fette haben somit einen heterogenen Aufbau. In pflanzlichen Fetten sind die Position 1 und 3 des Glycerins im Allgemeinen mit gesättigten Fettsäuren verestert, auf Position 2 findet sich häufiger eine ungesättigte Fettsäure. Kokosfett besteht hingegen nahezu vollständig aus gesättigten Fettsäuren (KRIST et al. 2008). Diese Verteilung lässt sich aufgrund der Anteile an Ölsäure auch bei den eigenen verwendeten Ölen vermuten, da diese Fettsäure (außer bei Kokosöl) bei den Fetten ca. ein Drittel der vorhandenen Fettsäuren stellte (s. Tabelle 89). Die verwendeten Öle enthielten deutlich mehr als ein Drittel an ungesättigten Fettsäuren, so dass hier nicht nur die Position 2 durch C 18:2 bzw. C 18:3 besetzt sein kann. Für Leinöl konnte nachgewiesen werden, dass nach Verwendung einer pankreatischen Lipase (1,3 spezifisch) die 2-Monoglyceridfraktion nur aus einfach- bzw. mehrfach ungesättigten Fettsäuren bestand.

Intakte Triglyceride mit langkettigen FS werden nicht resorbiert (CLEMENT 1980). In Experimenten wurde eindeutig nachgewiesen, dass unterschiedliche Lipasen das gleiche Triglycerid mit unterschiedlicher Stereo-Selektivität und –Präferenz hydrolysieren

(ROGALSKA et al. 1993). So spaltet ein Enzym der serösen Drüsen der Zunge bevorzugt Fettsäuren von Position 3 der Triglyceride ab, so dass 1,2-Diglyceride entstehen (PALTAUF et al. 1974). Die humane gastrische Lipase spaltet kürzerkettige Fettsäuren und Fettsäuren auf Position 3 der Triglyceride. C 14, C 18:1 und C 18:2 haben eine gleiche Hydrolyserate durch diese Lipase (JENSEN et al. 1994), während die pankreatische Lipase bevorzugt Position 1 und 3 spaltet. SCHARRER u. WOLFRAMM (2005) geben als bevorzugt abgespaltene Fettsäuren für die gastrische Lipase monogastrischer Haustiere vor allem mittelkettige und ungesättigte endständige FS an. Auch die Bindungsstelle 2 hat einen Einfluss auf die Hydrolyse eines Triglycerids, da diese Position 2 entscheidend die korrekte Positionierung des Substrates an das Enzym beeinflusst (STADLER et al. 1995), wohingegen nach Ansicht der Autoren die Kettenlänge der Fettsäuren in Position 1 und 3 nur eine untergeordnete Rolle auf die Spezifität spielt.

Insgesamt hängt die Spezifität von Lipasen von mehreren Einflussfaktoren ab, z.B. von - der Lipidklasse (Tri-, Di-, Monoglyceride, etc.),

- von der Position der Fettsäure im Molekül,

- von der Selektion gleicher Fettsäuregruppen im Triglycerid, - von der Chiralität (Anordnung der Atome) des Substrates und - letztendlich vom Zusammenspiel all dieser Faktoren.

In Versuchen waren 16 Lipasen für Position 1 des Glycerinmoleküls spezifisch, 8 für Position 3 und nur die porcine Pankreaslipase war für beide Positionen gleich selektiv (MALCATA 1995).

Der Anteil der verschiedenen Fettsäuren an den verwendeten Versuchsfuttern bestimmt die Häufigkeit der Bindung einer bestimmten Fettsäure an den Position 1, 2 und 3 des Glycerinmoleküls. Je höher das einzelne Fettsäurenvorkommen, desto mehr Bindungsstellen des Glycerins sind von eben dieser Fettsäure besetzt. Bei eingeschränkter Lipaseaktivität wie bei der EPI hat folglich die Stereospezifiät und –selektivität der noch wirksamen Lipasen den größten Einfluss auf die Resorption der verschiedenen Fettsäuren. Bei den PL-Tieren scheinen die noch vorhandenen Lipasen die geringste Stereo- Selektivität und –spezifität für die Triglyceride des Distelöls zu haben, da dieses Öl bei einem Vergleich aller Verschwindensraten der einzelnen Fettsäuren unabhängig vom Anteil im Futter die geringsten Werte aufwies (s. Abbildung 16 und 17).

Auch bei Vergleich der Verschwindensraten von C 16 scheint dieser Mechanismus zum Tragen zu kommen. Trotz vergleichbarer Gehalte in der Ration wurde diese FS in unterschiedlichem Maße vom Glycerin gespalten und anschließend resorbiert (s. Abbildung

16). Stearinsäure wird hingegen bei den meisten verwendeten Ölen relativ einheitlich vom Glycerin abgespalten und resorbiert. Nach HOAGLAND und SNIDER (1943) variierten bei Ratten Verdaulichkeiten für C 16 zwischen 23,8 und 39,6 % und für C 18 zwischen 9,4 und 21 %.

Ein hoher Gehalt an Tristearinen (Triglycerid mit Stearinsäure auf allen 3 Positionen) senkt de Verdaulichkeit der Fette, während Trimyristin (C 14) und Trilaurin (C 12) komplett verdaut werden (CHENG et al 1949). Es entsteht hierdurch aber offensichtlich kein negativer Einfluss auf die Verschwindensrate der isoliert betrachteten Stearinsäure der Fette (Kakao-, Sheabutter) im Vergleich zu den Ölen. Insgesamt ist der Einfluss möglicherweise enthaltener Tristearine als zu vernachlässigen einzustufen.

Tabelle 88: Fettsäurenanteil (%) in den eingesetzten Versuchsfuttervarianten

Calshake®+ C8 C10 C12 C14 C16 C18 C18:1 C18:2 C18:3n6 Summe

Abbildung 16: Gegenüberstellung der FS-Verschwindensrate (%) von C 16 und C 18 und der entsprechenden Fettsäurenmasse (g) pro Mahlzeit

Verdaulichkeit langkettiger ungesättigter Fettsäuren bei PL-Tieren

Bei isolierter Betrachtung der einzelnen Fettsäuren fand eine gegenüber den gesättigten FS bevorzugte Abspaltung von langkettigen ungesättigten Fettsäuren vom Triglycerid in den eigenen Versuchen offensichtlich nicht statt, da die Verschwindensraten in einem vergleichbaren Bereich variierten. Auch bei den langkettigen ungesättigten Fettsäuren ist vor allem das Vorliegen in freier Form eine Voraussetzung für eine hohe Verschwindensrate, womit auch hier die Abspaltung vom Triglycerid der bestimmende, d. h. der limitierende Einflussfaktor ist.

Die Verschwindensrate für Ölsäure (C 18:1) variierte nach Induktion einer Pankreasinsuffizienz ähnlich wie in der Literatur beschrieben von 26,8 ± 22,0 % (KALLA 2009).

Für Linolsäure (C 18:2) konnte KALLA (2009) bei PL-Tieren nach Aufnahme von 8,34 g eine VR von 67,8 ± 26,9 % ermitteln. Eine ähnlich hohe VR wurde in den eigenen Versuchen nur nach Verwendung von Sheabutter (Triglycerid; sehr geringer Anteil in der Versuchsmahlzeit; 1,39 g) festgestellt.

Eine Umwandlung von Linolsäure (C 18:2) in Ölsäure (C 18:1) oder Stearinsäure (C 18) durch Mikroorganismen, die KALLA (2009) als Grund für die von ihr festgestellte höhere VR von C 18:2 anführt, fand in den eigenen Versuchen offensichtlich nicht statt, da keine erhöhte VR für C 18:2 nachgewiesen wurde. Zudem fand bei den PL-Tieren keine nennenswerte Verschiebung des Verhältnisses ungesättigter zu gesättigten Fettsäuren statt.

Für die Linolensäure (C 18:3) wurde nur bei Einsatz von sehr geringen Mengen (Anteil in der Versuchsdiät) eine sehr hohe Verschwindensrate (90 % nach Einsatz von Sheabutter) ermittelt. KALLA (2009) konnte bei PL-Tieren eine ähnlich hohe Verschwindensrate bei ebenfalls geringen Gehalten im Futter nachweisen. Nach Einsatz von nennenswerten Anteilen dieser FS im eingesetzten Fett (Leinöl) wurde nur eine VR von 27,4 % nachgewiesen.

Die hohen Verschwindensraten der langkettig ungesättigten Fettsäuren (C 18:2 und vor allem C 18:3) bei KALLA (2009) sind als methodisch bedingte Fehleinschätzung zu werten, da diese aufgrund der von der Autorin verwendeten Analysemethoden nur unvollständig erfasst wurden (s. Kapitel 4.1.3).

Ein höherer Anteil ungesättigter Fettsäuren führt demnach nicht zu einer positiven Beeinflussung der noch vorhandenen Lipasewirkung und der damit einhergehenden vermehrten Abspaltung dieser Fettsäuren. Dem gegenüber ist die Resorption im Darmkanal bei Vorhandensein von zwei Doppelbindungen (Linolsäure) und dem gleichzeitigen Vorliegen in freier Form deutlich erhöht (FFS; s. Abbildung 17).

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Abbildung 17: Gegenüberstellung der bei PL-Tieren ermittelten FS-Verschwindensrate (%) für C 18:1 und C 18:2 sowie der entsprechenden Fettsäurenaufnahme (g) pro Mahlzeit