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Die Unterpräfekten von Tengyue

B. Die Unterpräfektur Tengyue und die Konsolidierung des Grenzgebietes

2. Die Unterpräfekten von Tengyue

Der oberste Beamte der neugegründeten Verwaltungseinheit Tengyue war der Unterprä-fekt (zhizhou) mit dem Rang 5b in der Beamtenhierarchie. Als erster Zivilbeamter trat im Jahr 1526 (Jiajing 5) Zhou Quan aus der Provinz Jiangxi das Amt des Unterpräfekten an.243 Insgesamt waren während der Ming-Zeit dreißig Unterpräfekten in Tengyue tätig. Die Länge ihrer Amtsperioden variierte erheblich, von einem bis zu zwölf Jahren. Diese beiden Extreme waren jedoch Ausnahmen, die meisten der Unterpräfekten waren zwischen zwei und sechs Jahren in Tengyue.

240 TYTZ, S. 107, 314 (‚Nachruf auf den [nicht realisierten] Plan zum Bau einer äußeren Stadtmauer“ [yi zhu wai cheng jiwen]).

241 In Tengchong/Tengyue waren zwischen dem Jahr Hongzhi 2 (1482) und der Zeit der Ära Wanli (1573-1620) insge-samt vierundzwanzig Kommandeure des Militärbezirks (bingbei) stationiert. Sie alle waren jinshi, Träger des höchsten akademischen Titels der Absolventen der Staatsprüfungen in der Hauptstadt (siehe TYTZ, S. 106-107).

Unter den sechzehn Verwaltungsdirektoren (shouxun) befanden sich dreizehn jinshi (ein gongsheng [Student der Staats-universität Guozijian], zwei ohne Angabe), die von der Zeit der Ära Yongle (1403-1425) bis zur Ära Wanli nach Teng entsandt worden waren (siehe TYTZ, S. 107).

In der Liste der Beamten des TYTZ werden lediglich vier Kommandanten der Militärkommission (zheng zhihui shi) genannt, die in der Zeit zwischen dem Jahr Zhengtong 8 (1443) und dem Jahr Jiajing 15 (1536) in Teng Dienst taten (TYTZ, S. 119). Ihnen waren verschiedene niederrangige Militärbeamte und Truppenführer unterstellt, die im TYTZ bis zur Zeit der Ära Wanli aufgelistet sind (siehe TYTZ, S. 119ff).

242 Siehe TYTZ, S. 108-118.

243 TYTZ, S. 144

Die Mehrzahl von ihnen stammte aus den Provinzen südlich des Yangzi; acht Unterpräfek-ten kamen allein aus Yunnans Nachbarprovinz Guizhou, weitere fünf aus Sichuan.244 Sechzehn der Unterpräfekten hatten den akademischen Titel eines Graduierten der Pro-vinzprüfungen (juren); sieben davon kamen aus Guizhou, drei aus Sichuan. Fünf Beamte führten den Titel eines Absolventen der staatliche Hochschule (jiansheng). Keiner der Unterpräfekten besaß den höchsten akademischen Titel eines Absolventen der Prüfungen in der Hauptstadt, den des jinshi.245

Anders in der übergordneten Verwaltungseinheit, der Präfektur Yongchang. Dort hatte bereits im Jahr 1523 der erste Präfekt (zhifu) sein Amt angetreten: Yan Shitai, ein jinshi aus Zhejiang. Von den sechsundzwanzig Präfekten der Ming-Zeit hatten fünf den Titel eines jinshi und acht den eines juren erworben.246 Die meisten Präfekten kamen aus den Provinzen Zhejiang (5), Sichuan (4) und Guizhou (3). Zwei der Präfekten von Yongchang mit einem jinshi-Titel stammten aus den nördlichen Provinzen Liaoning und Shandong.247

Vierzehn der Unterpräfekten von Tengyue sind als ‚verdiente Beamte’(mingchen [4] und xunli [10]) ausgezeichnet worden. Die fangzhi enthalten kurze biographische Notizen, teil-weise mit Angaben zu ihrer Herkunft und Karriere.248

Bei fünf der genannten Beamten wird vermerkt, daß ihre Versetzung nach Tengyue eine Beförderung bedeutete. Vordem waren sie als Kreismagistrat (zhixian), Assistierender Präfekt (tongpan) oder Richter in einer Präfektur (tuiguan) in den Provinzen Zhili, Hubei, Henan, Guizhou und Yunnan tätig gewesen. Vier der ‚verdienten Beamten’ sind nach ihrer Tätigkeit als Unterpräfekten zu Präfekten befördert worden, zwei traten Posten in Yunnan an (in Lijiang und Dali), einer wurde nach Hebei, ein anderer nach Guangdong versetzt.

Ein weiterer wurde zum Kommandeur eines Militärbezirks ernannt.

Die Beispiele zeigen, daß das Amt des Unterpräfekten in der Regel nicht der erste Posten im Laufe einer Beamtenkarriere war, so daß die Männer, die nach Tengyue entsandt

244 Heimatprovinzen der dreißig Unterpräfekten von Tengyue in der Ming-Zeit: Anhui (1), Fujian (1), Guangdong (1), Guizhou (8), Hunan (1), Jiangxi (1), Sichuan (5), Yunnan (1), Zhejiang (2), keine Angabe (9) (TYTZ, S. 108-109).

245 TYTZ, S. 108-110. Ein Unterpräfekt führte den Titel eines bagong, ein weiterer hatte den käuflichen Titel eines ligong erworben (ebd.). Keine Angaben in den fangzhi zu den akademischen Titeln der anderen sieben Unterpräfekten.

246 Über den akademischen Status der anderen Präfekten gibt es im YCFZ keine Informationen. Die fehlenden Angaben erklären sicherlich auch die vergleichsweise geringe Anzahl der juren unter den Präfekten.

247 YCFZ, S. 171-172, 150. Je ein Präfekt stammte aus den Provinzen Fujian und Hubei, zu den anderen werden keine Angaben gemacht.

Sechs der Präfekten von Yongchang sind während der Ming-Zeit als ‚verdiente Beamte‘ (mingchen) bezeichnet worden.

Angaben zu ihrer Karriere werden im YCFZ jedoch nicht gemacht. Lediglich bei zwei Präfekten wird eine Beförderung vermerkt, eine zum Salz-Kontrolleur (yanyunshi) in Fujian und eine zum Kommandeur eines Militärbezirks; ohne Orts-angabe) (YCFZ, S. 150).

248 Siehe TYTZ, S. 144-145.

wurden, bereits praktische Kenntnisse in der Lokalverwaltung erworben hatten. So war z.B. Liu Xuan zunächst Richter (tuiguan) in der Provinzhauptstadt Yunnan fu, ehe er nach Tengyue versetzt wurde, wo er sieben Jahre lang (1541-1548) als Unterpräfekt tätig war, woraufhin er befördert wurde und das Amt des Präfekten von Lijiang (nördlich von Yong-chang und Dali gelegen) antrat.249 Während sich Liu Xuans Beamtenkarriere hauptsächlich in Yunnan, der Nachbarprovinz seiner Heimat Guizhou, abgespielt hat, sind die anderen Unterpräfekten, soweit genannt, zuvor in verschiedenen Provinzen des Reiches tätig gewesen und brachten ihre Erfahrungen aus der Verwaltungspraxis des Kernlandes in die Grenzregion mit.

Die Entsendung von Beamten in Verwaltungseinheiten fernab ihrer Heimat war gängige Praxis im Ming-Reich. In Tengyue spiegeln die verschiedenen Herkunftsorte der Unterprä-fekten auch die Zusammensetzung der Bevölkerung wider, die ebenfalls aus den verschie-denen Provinzen Chinas in den Südwesten einwanderte.

3. Die Bevölkerungsentwicklung in Yunnan und ihre Dokumentation in den fangzhi Die Eingliederung Yunnans in das chinesische Reich im 13. Jahrhundert hat einen Prozeß in Gang gesetzt, der die Bevölkerungsstruktur der Region stark veränderte. Aus strategi-schen Erwägungen hat die Zentralregierung Chinas seitdem die Besiedelung des fernen Südwestens gefördert, um ihn dauerhaft zu befrieden und enger an die Kernregion anzu-binden. In der Ming-Zeit wurde diese Politik fortgesetzt. Zunächst waren es chinesische Truppen, die in Militärkolonien stationiert wurden und teils Militärdienst leisteten, teils Ackerbau betrieben (tuntian). Ihnen folgten Beamte der Zivilverwaltung und zahlreiche Siedler aus Zentralchina, insbesondere aus den Provinzen am Yangzi.250

In seiner Untersuchung der Bevölkerungsentwicklung im Südwesten Chinas kommt James Lee zu dem Ergebnis, daß die Bevölkerung dort (in Yunnan, Guizhou, dem südlichen Si-chuan) in der Zeit von 1250 bis 1850 insgesamt um beinahe das Siebenfache zugenommen hat.251 Er unterteilt diesen Zeitraum in zwei Perioden, die Zeit von 1250 bis 1600, in der die Zahl der Bevölkerung von drei auf fünf Millionen und die Zeit von 1700 bis 1850, in der sie weiter auf zwanzig Millionen gestiegen ist.252 Im Ergebnis stellt Lee eine Zunahme

249 TYTZ, S. 145

250 Im einer zusammenfassenden Darstellung der historischen Entwicklung Yunnans, dem Band ‚Yunnan keai de difang‘, wird darauf hingesiesen, daß im Jahr 1389 ca. 2,5 Millionen Menschen aus Jiangnan und Jiangxi nach Yunnan umge-siedelt worden sind, im folgenden Jahr erneut 800.000 aus Jiangnan und später noch weitere 300.000 Menschen aus der Region Nanjing (ebd., S. 612).

251 James Lee, Food supply and population growth in Southwest China, 1250-1850

252 Lee, S. 712

der Bevölkerung besonders im 15. und 16. Jahrhundert fest und zwar sowohl in den dichter besiedelten Gebieten wie Dali und Anning am Dian-See, als auch in Grenzgebieten wie Tengchong oder Shiping (Präfektur Lin’an).253

Nachdem der Militärstützpunkt Tengchong Mitte des 15. Jahrhunderts befestigt worden war, wurde auch dort damit begonnen, die Entwicklung der örtlichen chinesischen Bevöl-kerung schriftlich festzuhalten. Die fangzhi von Tengyue und Yongchang enthalten Statis-tiken, in denen die Bevölkerungszahlen aus verschiedenen Jahrgängen zum einen nach der Anzahl der Haushalte (hu), zum anderen nach der der Einzelpersonen (kou/dingkou) aufge-führt sind. Diese Listen basieren auf den Angaben der örtlichen Bevölkerungsregister; sie sind jeweils chronologisch in drei Abschnitte gegliedert: Zunächst die Zeit der Militärkom-mandantur Tengchong (Tengchong si), dann folgt die Zeit der Unterpräfektur Tengyue während der Ming-Dynastie und schließlich die Daten aus der Qing-Zeit.254

Die ersten Zahlen stammen aus dem Jahr 1464, die letzten Daten aus der Ming-Zeit aus dem Jahr 1567. Diese Daten lassen viele Fragen offen. Worauf beziehen sich die angege-benen Zahlen? Geben sie lediglich die Anzahl der Bevölkerung innerhalb der Stadtmauern wieder oder beinhalten sie auch die Bewohner der Vorstadt vor dem Südtor, der Dörfer in näherer oder weiterer Umgebung der Stadt? Und welche Personen wurden überhaupt gezählt? In den fangzhi gibt es lediglich zu den Daten aus dem 16. Jahrhundert eine Auf-schlüsselung nach Personengruppen, der zu entnehmen ist, daß generell Militär- und Zivilhaushalte, Männer und Frauen gezählt worden sind.

James Lee weist darauf hin, daß in den zeitgenössischen Statistiken aus der Ming- und der anschließenden Qing-Zeit in der Regel nur ein Teil der Gesamtbevölkerung erfaßt worden ist. Sie geben zumeist nicht die tatsächliche Zahl der chinesischen Bevölkerung wieder, sondern die Anzahl der zu Steuerleistungen im Rahmen des lijia-Systems Verpflichteten;

Unterregistrierung, um der Pflicht zum Frondienst zu entgehen, war entsprechend weit verbreitet.255 Häufig wurden neu zugewanderte Personen, die noch nicht in dieses System eingegliedert waren, nicht mitgezählt.256 Eine andere Gruppe, die von den Statistiken nicht erfaßt wurde, waren Han-Chinesen, die in die Gebiete der tusi umgesiedelt waren. Die

253 Lee, S. 715-716

254 Zur Bevölkerungsentwicklung in der Qing-Zeit siehe unten Kap. IV. A. 5., S. 238ff.

255 Lee, S. 714

256 TYTZ, S. 49-50

größte nicht registrierte Gruppe im Südwesten Chinas waren die verschiedenen einheimi-schen Völker innerhalb und außerhalb der chinesieinheimi-schen Verwaltungseinheiten.257

Die Statistiken in den Lokalhandbüchern erfassen somit lediglich einen Teil der chinesi-schen Bewohner des Grenzgebietes. Hinzu kommt, daß den dort aufgeführten Bevölke-rungszahlen der einzelnen Jahrgänge jeweils unterschiedliche, im Einzelnen nicht näher er-läuterte Erhebungskriterien zu Grunde liegen, so daß diese sich nur bedingt miteinander vergleichen lassen. Die Verfasser der fangzhi waren sich dieser Problematik bewußt, sie weisen selbst sehr nachdrücklich auf die Unvollständigkeit und Fehlerhaftigkeit der Bevölkerungsregister hin.258 Ihre kritischen Anmerkungen tragen zum Verständnis der Sta-tistiken bei und so können die Daten aus den fangzhi immerhin eine ungefähre Vorstellung von der Größe und Zusammensetzung der Bevölkerung von Teng vermitteln.

3. 1. Die Bevölkerung von Tengchong / Tengyue in der Ming-Zeit

Im Jahr 1445 wurde in Tengchong eine Militärkommandantur (junmin zhihui shisi) ge-gründet, die fünf Bataillone kontrollierte. Zu dieser Zeit war die Region Kriegsgebiet, in das immer neue Truppeneinheiten entsandt wurden. Tengchong war ihr zentraler Stütz-punkt, wo nun weit mehr Soldaten stationiert waren, als die regulär 5600 Mann der fünf Bataillone. Allein für den Bau der Stadtmauer in den Jahren 1445 bis 1448 sollen 15.000 Soldaten zur Verfügung gestanden haben.259

Folglich beziehen sich die ersten Angaben zur Bevölkerung von Tengchong in den fangzhi auf die dort stationierten Soldaten. In den Statistiken wird in diesem Zusammenhang lediglich die Zahl der Soldaten der regulären Truppen (Han jun) genannt und darauf hinge-wiesen, daß es in deren Rängen bereits seit der Ära Zhengtong (1436-1450) Lücken gegeben habe und daß sich die Anzahl der 5600 Soldaten der fünf Bataillone dann im Laufe der Zeit sogar um die Hälfte reduziert habe.260 Gründe für diesen deutlichen Rück-gang der Truppenstärke in der Ming-Zeit sehen die Verfasser der fangzhi nicht allein im Berufsrisiko der Soldaten, sondern auch in den klimatischen Bedingungen in der Region und in den unzulänglichen politischen Maßnahmen, die keine wirkliche Lösung der Pro-bleme vor Ort anzubieten hatten:

257 Lee, S. 715

258 Siehe TYZZ, S. 62; TYTZ, S. 49.

259 TYTZ, S. 67; TYZZ, S. 50

260 TYZZ, S. 62; TYTZ, S. 49

„Obwohl es in den Rängen der regulären Truppen Lücken gab, waren sie ursprünglich doch recht zahlreich. Warum sind bis heute so viele Soldaten entflohen?

Teng ist eine Garnison an der Grenze, wo das Land karg ist. Die siebzig Prozent [der Soldaten], die Ackerbau betrieben, haben sich zerstreut, da es aufgrund von Mißernten schwierig für sie war, die Steuern zu bezahlen. [Es kommt hinzu, daß sich] das Land nahe dem Gebiet befindet, in dem die Malaria verbreitet ist (zhang xiang).

Die [restlichen] dreißig Prozent, die exerzierten, wurden bei der Grenzverteidi-gung getötet. Als [ihre Anzahl] überprüft wurde, wurden die Lücken [in ihren Reihen] festgestellt, so daß die Ränge durch die ackerbautreibenden Soldaten (tunzhongzhe) ergänzt werden mußten. Deshalb nahm [auch die Zahl der] Sol-daten, [die noch ihre Felder bestellen konnten], immer weiter ab und obwohl die Steuern mehrere Jahre lang gesenkt wurden, konnten [die Ackerbau betreibenden Soldaten] die festgesetzte Quote für den [abzuliefernden] Reis nicht erfüllen“.261

Mit der lapidaren Bemerkung, daß die zur Grenzverteidigung eingesetzten Soldaten getötet worden sind, wird hier darauf hingewiesen, wie verlustreich die jahrelangen Kriege gegen Luchuan und die Sicherung des Stützpunktes Tengchong für das Ming-Reich tatsächlich gewesen sind.

Um die Verluste auszugleichen und den Stützpunkt Tengchong zu sichern, wurden die Soldaten, die eigentlich Ackerbau betreiben sollten, rekrutiert; diese fehlten dann bei der Feldarbeit. Zudem machten die Verbreitung der Malaria, Mißernten und hohe Steuern den Militärkolonisten von Tengchong zu schaffen. Zwar hatte die Regierung die Schwierig-keiten vor Ort erkannt und entsprechend die Steuern gesenkt, mit dieser Maßnahme allein konnte jedoch nicht verhindert werden, daß weiterhin Soldaten desertierten.

Gleichwohl nahm die Zahl der registrierten Bevölkerung von Tengchong zu dieser Zeit langsam zu. Die Statistiken zur Bevölkerungsentwicklung in den fangzhi beginnen mit den Angaben zu zwei Jahrgängen aus der Zeit nach Beendigung der Kriege gegen Luchuan. In den acht Jahren von 1464 bis 1472 hatte die Bevölkerung um etwa sechzig Haushalte und

261 TYZZ, S. 62; TYTZ, S. 49

einhundertzwanzig Personen zugenommen. In Tengchong waren demnach knapp vier-hundert Haushalte sowie etwa zweieinhalbtausend Personen ansässig. Ob es sich bei den Haushalten lediglich um Militärhaushalte gehandelt hat oder auch um zivile, geht aus den Statistiken nicht hervor. Die im Verhältnis zu den Haushalten große Zahl der Einzel-personen verweist auf Soldaten oder andere alleinstehende Zuwanderer.262

Tabelle 5: Die Bevölkerungsentwicklung von Tengchong/Tengyue nach den Angaben der fangzhi 263

Jahr Haushalte (hu) Personen (kou/dingkou)

Militärkommandantur Tengchong

1464 317 2540 1472 379 2661 1502 2560264 7020

1512 1658 9742

Unterpräfektur Tengyue

1532 1836 11.326265

1552 1909 11.120

1567 1909 11.120

Betrachtet man die Bevölkerungszahlen für die Militärkommandantur Tengchong, so fällt zunächst die starke Zunahme der Bevölkerung in den dreißig Jahren von 1472 bis 1502 auf. Dabei ist die Zahl der registrierten Haushalte um fast das Siebenfaches gestiegen, während sich die Zahl der Personen lediglich knapp verdreifacht hat. Auffällig ist auch, daß die Anzahl der für das Jahr 1512 verzeichneten Haushalte (1658 hu) deutlich geringer ist, als die für das Jahr 1502 genannte (2560 hu), während die Anzahl der Einzelpersonen im selben Zeitraum stark zugenommen hat (von 7020 kou auf 9742 kou). Zur Erklärung

262 Verteilte man die angegebenen Personen auf die Haushalte, so ergäbe sich eine Anzahl von durchschnittlich acht Personen pro Haushalt. Diese Zahl wäre für die Haushalte von Soldaten oder Siedlern in diesem neuen Grenzgebiet zu hoch, sie zeigt, daß sich zunächst hauptsächlich Einzelpersonen neu in Tengchong angesiedelt haben.

Die Zahl der Einzelpersonen entspräche auch in etwa der Hälfte der Soll-Stärke der fünf Bataillone. Auf diese Größe soll sich, wie oben erwähnt, die Truppe verkleinert haben. In den fangzhi gibt es jedoch keine Angaben dazu, ob hier lediglich Soldaten oder auch Zivilpersonen registriert worden sind.

263 TYTZ, S. 49-50; TYZZ, S. 61-63; YCFZ, S. 99

264 Im TYZZ (S. 61) wird die Gesamtzahl der Haushalte abweichend mit 2568 angegeben.

265 TYZZ, S. 61-63: Die Summe der angegebenen Einzelposten beträgt 11.326; als Gesamtsumme ist im fangzhi jedoch 10.326 angegeben.

dieses Sachverhaltes zitieren die Verfasser der fangzhi ein altes Handbuch aus dem 16.

Jahrhundert, in dem erläutert wurde, daß es

„zu jener Zeit außer den Militärhaushalten viele Zugezogene (kehu) gegeben habe, deren Nachkommen zahlreicher wurden. ... Ursprünglich waren sie nicht zur Leistung von Arbeitsdiensten verpflichtet, dennoch gab es einige, deren Geburt im Anhang des Registers aufgeführt wurde. Einige haben auch für viel Geld eine Haushaltsregistrierung erkauft, dabei ihr Vermögen und infolge dessen wiederum ihre Registrierung verloren. Die Personen selbst existierten natürlich weiterhin.

Vor der Ära Zhengde (1506-1522) haben die beiden Verteidigungskomman-deure (zhenshou) auch Haushalte von Zugezogenen in das Bevölkerungs-register eingetragen, danach ist dies jedoch nicht fortgesetzt worden“.266

Die Angaben für das Jahr 1502 beruhen demnach auf neuen Erhebungskriterien, die der größer gewordenen Bevölkerung von Tengchong Rechnung trugen und anders als zuvor auch die inzwischen neu zugezogenen Siedler registrierten. So vermitteln die für das Jahr 1502 aufgeführten Zahlen vermutlich ein durchaus realistisches Bild von der Größe der chinesischen Bevölkerung der Militärkommandantur Tengchong.

Später wurde die Zählung der Zuwanderer nicht mehr konsequent fortgesetzt, gleichzeitig gab es Haushalte, die ihre Registrierung verloren, auch die schwierigen Lebensbedingun-gen haben sicher dazu beigetraLebensbedingun-gen, daß sich Haushalte auflösten, deren Angehörige jedoch weiterhin in den Listen der Einzelpersonen verzeichnet blieben.

3. 2. Die Bevölkerung der Unterpräfektur Tengyue Mitte des 16. Jahrhunderts

Mit der Gründung der Unterpräfektur Tengyue im Jahr 1522 wurde die Bevölkerung neu geordnet und die Haushalte von acht Nachbarschaften (li; ein li umfaßte regulär 110 Familien) in Tengyue registriert, die recht programmatische Namen führten:

Jingbian (‚die Grenze befrieden‘), Zhanhua (‚Veränderungen ausbreiten‘), Yongan (‚dauerhafter Friede‘),

Taiping (‚großer Friede‘),

266 TYTZ, S. 49; TYZZ, S. 61. Zitiert wurde ebendort aus dem fangzhi des Unterpräfekten Shen Zuxue, der von 1567 bis 1573 in Tengyue tätig war.

Zhenyi (‚Unterdrückung der Yi-Barbaren‘), Yongxia (‚ewiges China‘),

Xiuwen (‚die Bildung pflegen‘) und Laifeng (‚ankommender Phönix‘).267

Die knapp neunhundert Familien der Nachbarschaften waren ursprünglich Militärhaus-halte. Nach der Gründung der Unterpräfektur wurde die Bevölkerung insgesamt nach neuen Kriterien erfaßt, wobei ehemalige Militärangehörige nun teilweise auch als Zivilis-ten registriert wurden. Diese neue DaZivilis-tenerhebung brachte jedoch erhebliche Probleme für die betroffenen Personen mit sich, die in den fangzhi ausführlich geschildert werden:

„Als die Verwaltung der Unterpräfektur [im Jahr 1522] neu organisiert wurde, wurden diejenigen klassifiziert (bie), die bisher nicht in das Register für die Zivilbevölkerung (minji) aufgenommen worden waren. Dann wurden die regu-lären Truppen (guanqi) eingeteilt und der Garnison Tengchong als Soldaten zugewiesen. Die Restlichen (yu) wurden der Unterpräfektur unterstellt und als Zivilbevölkerung registriert. Aber auch im Register der Soldaten waren sie weiterhin eingetragen. [Gleichzeitig] blieb die [ursprüngliche] Truppenstärke erhalten. Unterpräfektur und Garnison ließen [die Soldaten] doppelt Dienst tun.

Wie sollten sie da nicht an einen anderen Ort entfliehen?

Die Verbrecher (zui), die verbannt und zum Militärdienst verurteilt wurden, kamen hierher. Aber wenn sie ihre Strafe verbüßt hatten, gingen sie wieder [zurück in ihre Heimat]. In der ursprünglichen [Bevölkerungs]zahl waren sie ohnehin nicht mit eingerechnet worden.268 ...

Wenn die regulären Truppen geflohen waren, sollten die Reserve-Soldaten (yuding269) [die Lücken] in den fünf Bataillonen füllen. Doch wenn schon die Haushalte der regulären Truppen nicht mehr da waren, wieso sollten dann die Reserve-Soldaten allein noch geblieben sein?

267 YCFZ, S. 52; CY 1711.4 (Stichwort lijia).

Der Begriff xiuwen entstammt einem Zitat aus dem Shangshu (Wucheng), dessen Wortlaut yan wu xiu wen (‚die militärischen Aktivitäten einstellen und die Bildung pflegen‘) die Entwicklung Tengchongs vom Garnisonsstützpunkt hin zu einer Einheit regulären Zivilverwaltung widerspiegelt (siehe Zhongguo chenghuawen cidian, S. 1498). Der ‚Berg des ankommenden Phönix‘ (Laifeng shan) befindet sich im Süden der Stadt.

268 Nicht nur Straftäter wurden während der Ming-Zeit nach Yunnan verbannt, die Provinz diente auch als Exilort für in Ungnade gefallene Beamte.

269 Jeder Militärhaushalt mußte den Vorschriften entsprechend jeweils einen regulären Soldaten stellen. Dieser konnte, wenn er eingezogen wurde, einen weiteren erwachsenen Mann mitbringen, der als zusätzlicher Soldat (yuding) diente und so in seiner Heimat keine Bodensteuern zahlen und keinen Frondienst leisten mußte (Liew, Treatises, Bd.1, S. 255).

Die [Bevölkerung der] acht Nachbarschaften (lijia min) [von Tengyue] bestand ursprünglich auch aus Militärangehörigen (weiguan shejun) der Garnison.

Außerdem gab es jene, die Felder und Hütten besaßen. Einige von diesen hatten die Felder verkauft, das Getreide geschnitten und waren Soldaten ge-worden. So enthielten die Listen derjenigen, die Frondienst leisten mußten, viele falsche Eintragungen.

Die Einheimischen (tumin) sind die in den ehemaligen Bataillonen (suo) von Tengchong registrierten einheimischen Soldaten (tujun). Das Militärregister

Die Einheimischen (tumin) sind die in den ehemaligen Bataillonen (suo) von Tengchong registrierten einheimischen Soldaten (tujun). Das Militärregister