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Die Beschreibung der acht Paßstationen im Reisetagebuch des Xu Xiake

B. Die Unterpräfektur Tengyue und die Konsolidierung des Grenzgebietes

8. Die Beschreibung der acht Paßstationen im Reisetagebuch des Xu Xiake

Der Forschungsreisende Xu Hongzu (1586-1641), besser bekannt unter seinem literari-schen Namen Xiake, wurde im Dorf Nanyangqi, in der Nähe von Jiangyin, Provinz Jiangsu, geboren. Als Sohn einer angesehenen und wohlhabenden Familie erhielt er die typische literarische Ausbildung, die ihn auf die staatlichen Beamtenprüfungen vorbereiten sollte. Sein Interesse wandte sich jedoch bald von dem vorgeschriebenen Schulpensum ab, hin zur Geschichte und besonders zur Geographie, mit der er sich sein ganzes Leben lang beschäftigen sollte. Finanziell unabhängig erschien es Xu wenig erstrebenswert, die Beamtenlaufbahn einzuschlagen, statt dessen widmete er sich auf insgesamt siebzehn Reisen der Erkundung seines Landes.451

Xu Xiake hat seine Reisen sorgfältig geplant, indem er Literatur und Karten studierte und sich unterwegs vor Ort aus den Lokalhandbüchern weitere Informationen besorgte.

Er war ein sehr disziplinierter Reisender, der bei Tagesanbruch aufbrach und meist zu Fuß bis zum Abend unterwegs war. Auf seinen Reisen führte Xu sorgfältig Tagebuch, er notierte allabendlich seine Beobachtungen, geographischen Untersuchungen sowie genaue Informationen über Reiseroute und Entfernungen. Allein seine Aufzeichnungen aus Yun-nan umfassen 1234 Tage mit durchschnittlich 650 Worten pro Tag.

Mit seiner Reise in den Südwesten Chinas erfüllte sich Xu im Alter von fünfzig Jahren den lange gehegten Wunsch, „ in den Südwesten zu reisen; ich habe aber zwei Jahre vertrödelt,

450 Siehe auch TYTZ, S. 368 und DMB, S. 264.

451 Xu Xiake kann als der erste Forschungsreisende Chinas gelten, der aus wissenschaftlichem Interesse Reisen unter-nahm und nicht nur zum Zeitvertreib oder, wie andere berühmte Reisende vor ihm, in politischer (wie z.B. Zhang Qian, 139-126 v.Chr. und Zheng He, 1405-1433) oder religiöser Mission (wie z.B. Faxian, 399-412, und Xuanzang, 629-645) unterwegs war.

Wichtige Entdeckungen, die Xu Xiake zum Beispiel auf seiner Reise in den Südwesten Chinas machte, waren die Erfor-schung des Flusses Panjiang in Guizhou, sowie die Feststellung, daß der Jinshajiang der Oberlauf des Yangzi ist und daß es sich bei Lancangjiang (Mekong) und Lujiang (Salween) um zwei verschiedene Flüsse handelt.

nun werde ich immer älter und kann nicht mehr länger warten, so beginne ich meine weite Reise am 17. Oktober [1636]“.452

Anschließend war er vier Jahre lang im Gebiet der modernen Provinzen Hunan, Guangxi und vor allem in Guizhou und Yunnan unterwegs. Xu Xiake brach zu seiner Reise in den Südwesten in Begleitung zweier Diener und des Mönches Jingwen auf, der den Tempel am Jizushan in der Nähe von Dali besuchen wollte. Ein Diener verließ Xu schon zu Beginn der Reise, Jingwen starb im Herbst 1637, nachdem er bei einem Überfall verwundet worden war. Im September 1639 verließ ihn schließlich auch sein letzter Diener. Xu hatte zwar seine Reise mit reichlich Geldmitteln versehen angetreten, war jedoch unterwegs mehrmals ausgeraubt worden, so war er, als er Yunnan erreichte, völlig mittellos und mußte sogar einige Kleidungsstücke verkaufen.453

Seine Reise führte Xu bis in die Region des Stromschluchtenfächers und in das Grenzge-biet zu Birma. Im Jahr 1639 (Chongzhen 12) hielt sich Xu über vier Monate lang in Yongchang auf. Auf seinen Wanderungen durch die Präfektur machte er auch wiederholt in der Stadt Tengyue Station. In seinem Reisetagebuch beschreibt er das Grenzgebiet im Südwesten der Unterpräfektur Tengyue, die Lage der acht Paßstationen und die von ihnen kontrollierten Verkehrswege. Dabei weist er ausdrücklich daraufhin, daß die acht Paß-stationen eine Grenze zwischen China und den Gebieten der einheimischen Völker bilden:

„Eine Tages[reise von der Unterpräfekturstadt] nach Süden erreicht man Nandian, dann [geht es weiter] nach Longchuan und Birma. Anderthalb Tage nach Westen erreicht man Guyong gegenüber dem Berg Chashan.454 Andert-halb Tage nach Osten erreicht man den Wasserscheiden-Paß (Fenshui guan);

dahinter befindet sich Yongchang.

Die acht Paßstationen (ba guan) bilden eine schräge Linie von Nordwest nach Südost. Die vier westlichen Paßstationen unterstehen dem Kommandanten von Manha und heißen von Nord nach Südost: Shenhu, Wanren, Jushi und Tong-bi.Die vier östlichen unterstehen dem Kommandanten von Longba und heißen, von Südwest nach Südost: Tiebi, Huju, Tianma und Hanlong.

452 Li Chi, S. 19, 224

453 Li Chi, S. 224. Nach einer langwierigen Rückreise erreichte Xu Xiake schließlich Ende 1640 seine Heimat, wo er im folgenden Jahr erschöpft von seiner strapaziösen Reise starb.

454 Liu Chunming, S. 21: „Das ist das moderne [mit einem anderen Zeichen für gu geschriebene] Guyong. Bereits in der Yuan-Zeit war der Kreis Guyong eingerichtet worden, später kam es zur Präfektur Tengchong (Tengchong fu), in der Ming-Zeit wurde die Paßstation Guyong (Guyong guan) eingerichtet. Heute ist es das Dorf Guyong (Guyong xiang)“;

nördlich der Stadt Tengchong gelegen.

Chashan: Im Gebiet der Jingpo-Nationalität von Jingshan nördlich von Guyong.

Jenseits der acht Paßstationen führt die westliche Straße von der Paßstation Shenhu nach Yixi [Mengyang], von wo Bernstein und runde durchbohrte Jadescheiben (biyu) ausgeführt werden. Von der Paßstation Tianma führt die südliche Straße nach Mengmi, wo es Edelsteinminen gibt. Von der Paßstation Hanlong führt die südöstliche Straße nach Mubang, welches Bangyang-Stoffe ausführt. Von der Paßstationen Tiebi führt ein direkter Weg auch auf einer südlichen Straße über Manmo nach Ava in Birma.

Früher waren Manmo und Mengmi sämtlich chinesische Gebiete. Seit im 22.

Jahr der Ära Wanli (1594) Qi Wenchang, der Kommandeur des Militärbezirks Jin-Teng, die acht Paßstationen errichteten ließ, gehörten alle einheimischen Völker (yi), die jenseits der Pässe leben, zu Ava.

Geht man von der Unterpräfekturstadt nach Süden, so kommt man nach Nandian, wo sich der Weg teilt: Der westliche [Abzweig] in Richtung Ganya führt zu den Gebirgspässen von Manha, der südliche [Abzweig] in Richtung Longchuan führt zu den Gebirgspässen von Longba.

Geht man von der Bezirksstadt nach Westen, so kommt man nach Mianqing, wo sich der Weg teilt: Der westliche [Abzweig] führt über die Paßstationen Shenhu hinaus nach Yixi, der nordöstliche überquert das Gebirge und führt nach Guyong.

Es ist nun in etwa so, daß die drei Befriedeten Gebiete zu der Zone innerhalb der Pässe gehören (san xuan you shu guan nei), während sich die Sechs Befriedeten Gebiete sämtlich jenseits der Grenze befinden (liu wei suo shu, ju zhi guan wai). So ist die Grenze zwischen China und den einheimischen Völkern eingeteilt worden. Das ist die Aussicht, wenn man von der Stadt [Tengyue] ringsum in die Ferne blickt“.455

Auch Xu Xiake spricht hier nicht von einer Grenze des Reiches, sondern von einer Grenze der Kulturen bzw. der chinesischen Zivilisation: „So ist die Grenze zwischen China und den einheimischen Völkern eingeteilt worden (sui fen hua yi zhi jie)“.

An anderer Stelle in seinem Reisetagebuch schreibt Xu:

„Tengyue befindet sich in der Nähe der verschiedenen einheimischen Völker, tatsächlich schirmt es den Westen Yunnans ab (Tengyue mier zhu yi, shi Dian

455 Zitiert nach Liu Chunming, Xu Xiake Tengyue youji, S. 17.

xi fan ping). Die allgemeine Lage an der Grenze Yunnans (Dian jing) ist, daß es im Norden an Tibet (Tufan) grenzt, im Süden gehören sämtliche Völker zu Birma, die Regierungsbezirke (junyi), die eingerichtet worden waren, befinden sich zwischen diesen Gebieten, die nur durch die Autorität des Herrschers (shengjiao) im Zaum gehalten werden (jimi). ...

Unlängst habe ich jedoch gehört, daß nur noch Nandian, Ganya und Long-chuan [von China] beherrscht werden (ting yue shu zhi wei Nandian, ...)“.456

An dieser Stelle hebt Xu Xiake die Existenz einer Grenze südwestlich der Unterpräfektur Tengyue ausdrücklich hervor und macht deutlich, daß es sich hierbei auch um eine politische Grenze handelt: „Im Süden gehören sämtliche Völker zu Birma“ (jie yi Mian).

Xu hat sich auf seinen Wanderungen selbst von der Lage im Grenzgebiet überzeugt. In seinen Aufzeichnungen erwähnt er auch häufig Gespräche mit Einwohnern von Tengyue, zum Beispiel mit dem Regionalkommandanten Wu, in dessen Haus Xu Xiake eine Karte mit einer Darstellung der Region (ba guan, san xuan, liu wei tu) gezeigt bekommen hat, die er sich „Punkt für Punkt kopierte“.457 Seine Beschreibung spiegelt so sicherlich Vor-stellungen wieder, die sich die Menschen in Tengyue zu dieser Zeit von der Existenz der Grenze gemacht haben.