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Unternehmenskultur und Change Management im digitalen Zeitalter

Nora Kradolfer

FHNW Hochschule für Wirtschaft,

Institute for Competitiveness and Communication

Unternehmenskultur ist beeinflussbar, jedoch nicht direkt veränderbar

Es ist ein Irrtum zu meinen, die Unternehmenskultur sei direkt steuerbar. Genauso wenig wie diese gemacht wird, genauso wenig kann sie geändert werden (Gru-bendorfer, 2016). Daher ist es ratsam, von den Heraus-forderungen und Zielen auszugehen und sich zu fragen, wie unterstützend oder hemmend die Unternehmens-kultur hinsichtlich der Zielerreichung ist, anstatt mit dem Gedanken zu beginnen, die Kultur müsse verän-dert werden. Dieser Sachverhalt soll mit dem Ebenen-modell von Edgar H. Schein (2010) veranschaulicht werden.

Die Ebenen unterscheiden sich durch das Ausmass der Sichtbarkeit der Unternehmenskultur. Wobei Schein die Essenz der Unternehmenskultur auf der Ebene der Grundannahmen (z.B. Selbstbestimmung und Hierarchie-denken) sieht. Diese über die Zeit erlernten und tief verankerten Orientierungs- und Verhaltensmuster finden unbewusst statt und bleiben weitgehend unre-flektiert. Sie wirken identitätsbildend und sind daher ohne Schaffung einer Mitarbeiterakzeptanz schwer zu verändern. «It has always been done this way»

(2010) – so eine treffende Formulierung von Schein. Die auf der zweiten Stufe angesiedelten Werte und Normen (z.B. Flexibilität, Loyalität, Verbote und Gebote) werden in Form von Verhaltensstandards bewusst oder unbe-wusst von den Mitarbeitenden in einem Unternehmen gelebt. Als Ergebnis dieser zweiten Modellstufe bildet die dritte Ebene das Symbolsystem, bestehend aus Artefakten und sichtbaren Verhaltensmustern (z.B. das Logo, die Architektur, Kleidungsordnung, Kommunika-tion) (Schein, 2010).

Wandel von innen beginnen

«Nichts ist so beständig wie der Wandel» (Heraklit, etwa 540 - 480 v. Chr.) – eine in diesen Tagen viel zitierte Maxime, welche die rasante Veränderungs-dynamik in Wirtschaft und Gesellschaft als neue Konstante begreift. Die komplexe, volatile und unsichere Umwelt, mit der sich Unternehmen im Zuge der Digitalen Transformation zusehends konfrontiert sehen, erfordert die Verinnerlichung von Flexibilität und Veränderungsbereitschaft als Werte in der Unternehmenskultur. So gesehen bedingt die Digitale Transformation, verstanden als Wechselwirkung zwischen digitalen Technolo-gien, der Adaption dieser Technologien durch die Kunden und der Reaktion der Unternehmen auf die neuen Anforderungen, einen Wandel der Unter-nehmenskultur.

Eine rein technische Betrachtung von digitalen Prozes-sen und neuen Geschäftsmodellen greift allemal zu kurz. Was nützen digitale Tools und Innovationen, wenn es nicht gelingt, die Mitarbeitenden auf dem Weg der Transformation mitzunehmen? Nebst der Ausrich-tung auf äussere Faktoren wie Markt- und Kunden-anforderungen, sollte der Blick deshalb genauso syste-matisch nach innen gerichtet werden. Wandel muss innen beginnen, um seine volle Wirkungskraft zu ent-falten. Deshalb gilt es, den Wandel zuerst in den Köpfen und Herzen der Führungskräfte und Mitarbeitenden und dann erst in den Prozessen und Strukturen zu verankern. Das Denken und Verhalten der Arbeitneh-menden entscheidet massgeblich über die Anpassungs- und Veränderungsfähigkeit eines Unternehmens. Doch wie gelingt es, die Mitarbeitenden als Botschafter des Wandels bzw. der neuen Vision zu gewinnen? Die Förderung der Veränderungsbereitschaft und -fähig-keit der Mitarbeitenden im Zuge der Digitalen Trans-formation stellt eine der grössten Herausforderungen für ein Unternehmen dar. Und diese Herausforderung kann nicht ohne Berücksichtigung der vorherrschen-den Unternehmenskultur als Manifest der neuen Formen der Zusammenarbeit und digitalen Wertschöp-fungssysteme gemeistert werden. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, inwiefern die Unternehmenskultur beeinflusst und die Bereitschaft der Mitarbeitenden, sich auf die Digitale Transformation aktiv einzulassen, gefördert werden kann.

Artefakte Sichtbar und

interpretationsbedürftig ilio AG

Werte / Normen Teilweise sichtbar, teilweise unbewusst

Grundannahmen Unsichtbar, unbewusst ilio AG

Abbildung 1: Modell Unternehmenskultur (in Anlehnung an Schein, 2010).

Programme

Kultur

Prozesse

Strukturen Personen

Die Komplexität und Tiefenstruktur der Unterneh-menskultur verdeutlichen die Unmöglichkeit, von heute auf morgen über sie zu entscheiden und sie direkt verändern zu wollen. Vielmehr kann die Unterneh-menskultur mit gezielten Handlungen beeinflusst wer-den, was das «viereckige Dreieck» der Beratergruppe Neuwaldegg gut veranschaulicht.

Die Kultur als Kern im Dreieck ist nicht direkt berührbar.

Auf die Ecken des Dreiecks hingegen kann direkt Einfluss genommen werden. So können Programme (z.B. Bonusprogramme), Prozesse und Strukturen (z.B. Arbeitsmodelle) verändert oder geschaffen werden.

Genauso kann auf die Verhaltensweisen von Personen (z.B. Führungsverhalten des Top-Managements) aktiv eingewirkt werden. Diese formalen Eckpunkte stehen in direkter Wechselwirkung zueinander und haben Einfluss auf die Unternehmenskultur (Schönfeld Unter-nehmensberatung, 2016). Letztere wiederum kommen-tiert die Veränderungen wie ein Spiegelbild das eigene Antlitz und sollte daher kontinuierlich beobachtet werden.

Da die Unternehmenskultur für die Mitarbeitenden identitätsbildend wirkt, gilt es, Veränderungen behut-sam in das Unternehmen einzuführen. Verborgene Muster der Unternehmenskultur müssen in Verände-rungsprozessen identifiziert und berücksichtigt werden.

Ansonsten riskiert man, ohne sich dessen bewusst zu sein, essentielle kulturelle und symbolische Ressourcen zu zerstören, die für den Erfolg des Unternehmens massgebend sind und den Mitarbeitenden stabile Identifikation und Wertorientierung liefern (Gruben-dorfer, 2016). Denn die Entfaltung der Fähigkeit, sich zu verändern bzw. anzupassen, erfordert ein Gleichge-wicht zwischen Stabilität und Dynamik.

Betroffene zu Beteiligten machen

Nicht nur hinsichtlich dieser wichtigen Orientierungs-funktion kommt den Führungskräften als Promotoren des Wandels eine bedeutsame Rolle in Veränderungs-prozessen zu. Denn nur, wenn diese eine auf Vertrauen und wechselseitiger Wertschätzung basierende Verän-derungskultur glaubwürdig vorleben, werden die Mitarbeitenden die Bereitschaft aufbringen, sich nach-haltig am Veränderungsprozess zu beteiligen. Die Betroffenen müssen die Notwendigkeit und den Sinn der Digitalen Transformation erkennen und verstehen.

Dabei ist es für Führungskräfte unabdingbar, die für den Veränderungsprozess entwickelte Vision und die davon abgeleiteten Handlungsnotwendigkeiten trans-parent und plausibel an die Mitarbeitenden weiterzu-geben.

Abbildung 2: Das «viereckige (Kultur) Dreieck» der Beratergruppe Neuwal-degg (Darstellung nach Schönfeld, 2016)

Digital Leadership and Culture Neue Ansätze in Führung,

Kultur und Arbeit

148 FHNW Hochschule für Wirtschaft – kmu-transformation.ch

In Veränderungsprozessen hat sich insbesondere die persönliche und interaktive Kommunikation als effek-tives Instrument bewährt. So können die Mitarbeiten-den beispielsweise in Form von Workshops oder

«World Cafés» in die Ausgestaltung des Transformations-prozesses miteingebunden werden. Eine gemeinsame Auseinandersetzung, was die Digitale Transformation für das eigene Unternehmen, die Marke, die Werte, im Konkreten bedeutet, hilft, Ängste und Widerstände abzubauen. Nebst der persönlichen Kommunikation gilt es, entsprechende Strukturen (z.B. Home-Office) und Ressourcen (z.B. Investition in Weiterbildungen) zu schaffen, die den Veränderungsprozess glaubwürdig unterstützen. So ist es wenig zielführend von den Mitarbeitenden grössere Flexibilität zu verlangen, wenn nicht auch eine strukturelle Flexibilisierung sichergestellt wird.

Die Digitale Transformation und die damit einherge-hende Veränderung von Denk- und Handlungsmustern ist kein temporäres Change-Management-Projekt mit definiertem Abschluss, sondern ein fortlaufender, evolutionärer Entwicklungsprozess. Ob Entschei-dungen vorschnell oder bedachtsam angegangen werden, ist deshalb erfolgskritisch. Anstatt in Aktio-nismus zu verfallen, ist es ratsam, sich genügend Zeit für die Reflexion firmenimmanenter Ursachen und Ziele zu lassen. Ein Wandel, der von innen beginnt, hat die höhere Erfolgsaussicht, Veränderungsbereitschaft und Flexibilität als etwas Natürliches in der Unterneh-menskultur zu verankern.

Fazit:

Erkennen Sie Ihre Mitarbeitenden als die zentralen Erfolgsfaktoren der Digitalen Transformation an, denn deren Veränderungsbereitschaft entscheidet massgeblich über die Veränderungsfähigkeit Ihres Unternehmens.

Sorgen Sie dafür, dass Ihre Unternehmenskultur die Digitale Transformation zulässt, indem Sie Ihre Programme, Prozesse und Strukturen sowie das Verhal-ten des Managements hinsichtlich der neuen Anforde-rungen anpassen.

Vermeiden Sie einen oberflächlichen Change-Manage-ment-Prozess. Fördern Sie mit den Instrumenten der persönlichen Kommunikation die Einsicht für den Wandel und die emotionale Identifikation mit den Veränderungszielen aktiv.

Stellen Sie sicher, dass die Führungskräfte erkennbar hinter dem Wandel stehen, denn nur so wird der Veränderungsprozess für die Mitarbeitenden glaubwürdig erlebbar.

Schaffen Sie die für die Digitale Transformation notwen-digen Strukturen und Ressourcen und investieren Sie in die Stärkung der Veränderungskompetenzen Ihrer Mitarbeitenden.

Bedenken Sie, dass sich eine veränderungsbereite Kultur im Gleichgewicht zwischen Stabilität und Dynamik entwickelt.

Literatur

Grubendorfer, C. (2016). Einführung in systemische Konzepte der Unterneh-menskultur. Heidelberg: Carl Auer Verlag.

Schein, E. H. (2010). Organizational Culture and Leadership. 4. Auflage.

San Francisco: Jossey-bass.

Schönfeld Unternehmensberatung (2016). Unternehmenskultur, Innovati-onskultur, Besprechungskultur, etc.

URL: www.schoenfeld-unternehmensberatung.de/blog/

unternehmenskultur-innovationskultur-besprechungskultur.html.

Online Plattformen und flexible Arbeit –