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Umfangreiche Missstände im Universitätswesen

B) Die Entwicklungstendenzen für die Reformen im 18. Jahrhundert

III. Umfangreiche Missstände im Universitätswesen

Trotz der bereits geschilderten Reformansätze waren im 18. Jahrhundert noch zahlreiche und schwere Missstände an den verschiedenen Hochschulen vorhanden. So war nicht nur eine vollkommen unzureichende finanzielle Ausstattung der Bildungsanstalten festzustellen, sondern es waren häufig auch umfangreiche Verfallserscheinungen der Universitäten hinsichtlich Organisation, Lehrbetrieb oder Unterrichtsstoff anzutreffen.114 Fundamental dabei war, dass der akademische Unterricht den Entwicklungen in der Wissenschaft nicht folgen konnte und sich weiter im inzwischen wieder veralteten Muster des ausgehenden 16. Jahrhunderts bewegte.115 Insgesamt waren in diesem Zusammenhang die dem gegenreformatorischen Geist treuen katholischen Universitäten, die hauptsächlich der jesuitisch geprägten Studienordnung, der reaktionären „ratio studiorum“ von 1599, folgten, den protestantischen Universitäten bis ins 18. Jahrhundert hinein wissenschaftlich hoffnungslos unterlegen.116 Das primäre Ziel der Jesuiten war ohnehin eine Renaissance des Katholizismus, so dass zuletzt unter anderem die Rechtswissenschaft stark vernachlässigt wurde.117 Die rechtliche Durchsetzung des katholischen Glaubens sowie die Bekämpfung einer diesem Zweck entgegenstehenden missbräuchlichen und willkürlichen Ämterführung standen folglich im Mittelpunkt. Ganz im Sinne dieser Intentionen war in der „ratio studiorum“ unter anderem das römische Recht überhaupt nicht erwähnt, obwohl in der jesuitischen Ordnung ansonsten zahlreiche Regeln für sämtliche Fragen des Studiums erörtert wurden.118 Ohne die entsprechenden theoretischen Vorgaben, waren die katholischen Hochschulen verständlicherweise relativ ratlos, wie sie der juristischen Modernität hinsichtlich Lehre, Unterricht oder neuer Disziplinen begegnen sollten.119 Die zeitweise hochgeschätzte rationalistische Methode der Jesuiten, die mithilfe des Verstandes auch in der Rechtswissenschaft die Sachverhalte genau beschreiben, die Rechtsprinzipien ableiten sowie die

114 Coing, Helmut, wie Fn. 31, S. 3 (25 ff.).

115 Schug, Karl, wie Fn. 29, S. 58.

116 Hammerstein, Notker - Jus und Historie, Göttingen 1972, S. 295 ff.

117 Hammsterstein, Notker - Aufklärung und katholisches Reich, S. 27.

118 Koch, Hans-Albrecht, wie Fn. 17, S. 92.

119 Hammsterstein, Notker - Aufklärung und katholisches Reich, S. 27.

Gesetze formulieren konnte, war in strikter Anlehnung an die scholastische Philosophie nicht mehr in der Lage, aktuelle Inhalte zu vermitteln.

Daneben waren insgesamt neuartige Unterrichtsfächer der Jurisprudenz, wie das Öffentliche Recht, bezüglich ihrer Darstellungsarten, ihrer Schwerpunktbildungen oder ihrer thematischen Vorlieben in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts an allen Hochschulen äußerst ungleich verteilt und lediglich das pädagogische Konzept des in bunter Vielfalt auftretenden Protestantismus führte sowohl zu Konkurrenz als auch zu geistiger Anregung.120 Diese Tatsachen hatten beim Jure publico besonders mit seiner starken Konfessionsgebundenheit zu tun.121 Demnach wurde die überwiegende Mehrzahl neuer juristischer Lehrfächer an den katholischen Universitäten im alten Geist gelesen, so dass statt einem freien Unterricht Pauken, Auswendiglernen und kritikloses Nachbeten von verstaubten Autoritäten auf der Tagesordnung waren.122 Meistens wurden noch Jahrhunderte alte Lehrbücher benutzt.123 Wegen der restriktiven Einstellung zu freier Lehre bzw. Forschung wurden nämlich so gut wie keine eigenen katholischen Lehrbücher, Kompendien und wissenschaftliche Arbeiten mehr publiziert.124 Anstatt den Forderungen der Epoche nach sachgemäßer Literatur nachzukommen, verschärften die katholischen Universitäten die Zensur, um die aus ihrer Sicht schädlichen Strömungen zu unterbinden.125 Die erste päpstliche Zensurvorschrift überhaupt hatte Papst Sixtus IV. (1414 – 1484) bereits 1479 erlassen und die Ausführung des Zensurrechtes der Universität Köln übertragen, so dass seit dieser Zeit meistens die theologischen Fakultäten von Hochschulen, zunehmend in Verbindung mit einem weltlichen Herrscher, die Wissenschaft kontrollierten.126 Teilweise verboten die Jesuiten ihren Mitgliedern dann sogar, sich mit der Rechtswissenschaft lehrend zu beschäftigen.127 Soweit dann doch eine

120 Stolleis, Michael - Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. I, wie Fn. 30, S. 248 ff.

121 Neumaier, Klaus - Ius publicum, Studien zur barocken Rechtsgelehrsamkeit an der Universität Ingolstadt, Berlin 1974, S. 114.

122 Hammerstein, Notker - Res publica litteraria, wie Fn. 43, S. 29 f.

123 Paulsen, Friedrich - Geschichte des gelehrten Unterrichts, Zweiter Band, unveränd.

photomech. Nachdruck der 3., erw. Auflage Leipzig 1921 - Berlin 1965 , S. 103.

124 Hammsterstein, Notker - Aufklärung und katholisches Reich, S. 29.

125 Haaß, Robert, wie Fn. 99, S. 14.

126 Weber, Wolfgang, wie Fn. 10, S. 146 f.

127 Hammsterstein, Notker - Aufklärung und katholisches Reich, wie Fn. 3, S. 31.

Unterrichtung in der Jurisprudenz erfolgte, wurde diese zum Teil, wie etwa beim Kirchenrecht ohne Schaffung eines separaten Lehrstuhls, von der theologischen Fakultät übernommen.128 Die allgemeine Rückständigkeit der katholischen Universitäten betraf auch die Hochschulen von Würzburg und Ingolstadt, an denen später Johann Adam von Ickstatt seine Lehrtätigkeiten ausüben sollte.

Der Universität Würzburg wurde etwa bereits in den Statuten vom 15.

Oktober 1587 ein „ausschließlich katholisch-theokratischer Charakter“

zugedacht.129 Nach der Besetzung Würzburgs durch die schwedischen Truppen (1631 – 1634) und der anschließenden Verwaltung der Hochschule durch die Herzöge von Weimar löste sich die Universität sogar kurzzeitig selbst auf und erfuhr nach ihrer Wiedereröffnung am 1. Oktober 1636 bis ins Jahre 1719 kaum wesentliche Veränderungen.130 Wie noch den Lektionskatalogen der Universität Würzburg aus den Jahren 1664/65, 1713/14, 1720/21 und 1724/25 zu entnehmen ist, war der zu behandelnde Lehrstoff ein äußerst beschränkter, der mittels breitspuriger und unerleuchteter Vorlesungen in mittelalterlichem Latein den Studenten durchwegs zur Diktion gegeben wurde.131 Dem Ansehen und der Anziehungskraft der Universität abträglich war ebenfalls, dass in jedem Jahr ganze fünf Monate lang keinerlei Kollegien stattfanden, wodurch sich bei den Studenten Wissenszersetzung und Sittenverfall einstellte.132

Kein großer Unterschied zu diesen Verhältnissen herrschte an der bayerischen Landesuniversität zu Ingolstadt. Lediglich gewisse staatliche Bemühungen um Reformen, wie etwa oben durch die genannte Verordnung des Kurfürsten aus dem Jahre 1647, setzten hier zunächst früher ein. Doch schon die miserablen Gesamtsituationen des Landes Bayern und seiner 1472 gegründeten Landesuniversität nach dem Dreißigjährigen Krieg sowie jeweils nach dem spanischen bzw. österreichischen Erbfolgekrieg verhinderten einen gedeihlichen Wissenschaftsbetrieb, welcher zudem seit der Vorherrschaft der Jesuiten im Jahre 1580 ohne eine Überwindung des

128 Koch, Hans-Albrecht, wie Fn. 17, S. 92.

129 Bamberger, Rudolf, wie Fn. 3, S. 13.

130 Ebd., S. 14.

131 Risch, Carl, wie Fn. 50, S. 13 ff.

132 von Wegele, Franz Xaver - Geschichte der Universität Würzburg, Teil 2 (Urkundenbuch), Neudruck der Ausgabe Würzburg 1882 – Aalen 1969, S. 342 (Urk. Nr. 136).

konfessionellen Weltverständnisses konsequent boykottiert wurde.133 Als Konsequenz der unbeachtet gewordenen bayerischen Lehranstalt hielten es selbst die bayerischen Herrscher für besser, wie ein Vermerk aus dem Jahre 1675 beweist, dass ihre Prinzen am Hofe und nicht mehr an der Universität Ingolstadt unterrichtet wurden.134

In Anbetracht der schlechten Zustände universitärer Einrichtungen nach dem Dreißigjährigen Krieg litt aber neben der Frequenz der Universität Ingolstadt allgemein der Zulauf an vielen deutschen Hochschulen.135 Neben dieser Art fehlender Mobilität war wegen der Konfessionalisierung und der Territorialisierung seit der frühen Neuzeit auch der traditionelle Austausch von Studenten sowie Professoren geschmälert worden.136

C) Die konkrete Kritik Ickstatts an den vorherrschenden