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Die Literaturgattung „De modo docendi et studendi“ als Keimzelle für die

A) Einleitung

II. Die Literaturgattung „De modo docendi et studendi“ als Keimzelle für die

Ein Ausgangspunkt für die darzustellende Entwicklung liegt bereits im Mittelalter des 14. Jahrhunderts, in dem Unterrichtsschriften mit der Idee eines „modus studendi“, also eines speziellen Lehr- und Lernsystems für die juristischen Studenten der Universitäten in Europa erstmals verstärkt auftraten.

Allerdings kann man die Wurzeln einer Klassifizierung „Unterrichtsschrift“

auch vorher bei den Glossatoren und damit letztlich schon bei Justinian ( um 482 – 565) finden, dessen „Omnem rei publicae“ von Albericus de Rosciate (1290 – 1354 oder 1360) als „modus generalis legendi libros iuris civilis“

bezeichnet wurde.5 Die dort in der Spätantike zu findenden Gedankengänge entstammten ursprünglich dem sogenannten „Gaius-System“, das primär in der Stoffanordnung eines Kurzlehrbuchs einen Zusammenhang von Didaktik und Systembildung reflektierte.6

Dennoch wurde erst wesentlich später gezielt versucht, eine Anleitung für das juristische Studium zu erstellen. Dabei galt ab dem 14. Jahrhundert die neue Prämisse, dass den Studienanfängern eine zeit- bzw. kostspielige Eingewöhnungsphase in der jeweiligen Bildungsanstalt erspart bleiben sollte.7 Im Sinne dieser Überlegungen entstand die Literaturgattung „De modo docendi et studendi“, bei der für den Rechtsbereich der Kanonistik Simone da Borsano (um 1310 – 1381) als Begründer angesehen werden muss, obwohl er letztlich keine wissenschaftliche Schule ins Leben gerufen hat.8 Diesem Vorbild nacheifernd folgten rasch weitere Studienanleitungen

5 Burmeister, Karl Heinz - Das Studium der Rechte im Zeitalter des Humanismus im deutschen Rechtsbereich, Wiesbaden 1974, S. 235.

6 Hübner, Heinz - Jurisprudenz als Wissenschaft im Zeitalter des Humanismus, in: Paulus, Gotthard / Diederichsen, Uwe / Canaris, Claus Wilhelm (Hrsg.), Festschrift für Karl Larenz zum 70. Geburtstag, München 1973, S. 41 – 62 (47).

7 Girgensohn, Dieter - Unterweisung für einen Studenten der Jurisprudenz im 15.

Jahrhundert, in: Studia Gratiana XXVIII., Roma 1998, S. 357 – 371 (357).

8 Becker, Hans-Jürgen - Simone da Borsano, ein Kanonist am Vorabend des Großen Schismas, in: Festschrift für Adalbert Erler, Aalen 1976, S. 179 – 195 (191).

für angehende Juristen, die seit Anfang des 15. Jahrhunderts sehr beliebt waren.9 Als Wissenschaftsmedium diente dafür häufig auch der Brief, der den gelehrten Gedankenaustausch erleichterte.10 Dementsprechend versuchte Martinus de Fano (+ nach 1272)11 mit seinen „L„ Epistola de regimine et modo studendi“ dem Mangel an praktischen Anweisungen für das Studium, den die Methode der scholastischen Theologie mitverursacht hatte, durch pädagogische bzw. didaktische Erörterungen in Bezug auf Lehr- und Studienfragen entgegenzutreten.12 Neben derartig ausführlichen Anleitungen existierten auch kleinere Werke, wie etwa eine Schrift des Bohussius de Zwola, die sowohl Kurioses als auch Nützliches aus dem Studienalltag offenbarte.13 Grundsätzliches Ziel aller „Unterrichtsschriften“

war eine Verbesserung des juristischen Studiums zu veranlassen. Dieser Intention verpflichtet folgte ebenso das später erschiene Werk „De modo studendi“ des Jacobus Canis (+ 1490).14 Fast zeitgleich brachte schließlich Johannes Baptista de Caccialupis de Sancto Severino (+ nach 1472)15 mit seiner Schrift „De modo studendi in utroque iure“ basierend auf den Werken von da Borsano und de Fano einen weiterentwickelten Studienführer heraus, dessen Erstdruck vom Jahre 1467 zu Beginn des 16. Jahrhunderts in einer Neuveröffentlichung durch Sebastian Brant (1457 oder 1458 – 1521) zu einem literarischen Bestseller wurde.16 Der Basler Professor Sebastian Brant war aber nicht nur wegen der Weitergabe vorhandenen Wissens, sondern auch hinsichtlich neuer didaktischer Ideen für künftige Unterrichtsschriften ein Wegbereiter. So entwarf er mit seinen „Expositiones sive declarationes omnium titulorum juris“ ein aus dem Universitätsunterricht erwachsenes Lehrbuch des römischen und des kanonischen Rechts, welches erstmals 1490 veröffentlicht wurde und bis 1622 in mehr als 50 Ausgaben verlegt

9 Girgensohn, Dieter, wie Fn. 7, S. 357 (357).

10 Weber, Wolfgang - Geschichte der europäischen Universität, Stuttgart 2002, S. 148.

11 von Stintzing, Johann August Roderich - Geschichte der populären Literatur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland am Ende des fünfzehnten und im Anfang des

sechszehnten Jahrhunderts, Leipzig 1867, S. 4

12 Becker, Hans-Jürgen, wie Fn. 8, S. 179 (193 f.).

13 Girgensohn, Dieter, wie Fn. 7, S. 357 (362).

14 Burmeister, Karl Heinz, wie Fn. 5, S. 226.

15 von Stintzing, Johann August Roderich - Geschichte der populären Literatur, wie Fn. 11, S. 37.

16 Becker, Hans-Jürgen, wie Fn. 8, S. 179 (195).

wurde.17 Seit dem 16. Jahrhundert begünstigte die Erfindung des Buchdrucks die Verbreitung aller literarischen Gattungen.18 Dementsprechend folgten ab diesem Zeitabschnitt zahlreiche weitere Unterrichtsschriften zum Beispiel von Zasiusschülern, des Wittenberger Kreises um Melanchthon (1497 – 1560) und von verschiedenen anderen Verfassern, wobei die gemeinsamen pädagogischen Absichten aller Autoren in teilweise unterschiedlichen methodischen Ansätzen vertreten wurden.19 Inhaltlich ging es stets um allgemeine oder besondere Fragen des Studiums mit kritischen und reformatorischen Elementen, wobei gerade der „Dialogus de studio juris recte instituende“ von Johannes Apel (1486 – 1536) in charakteristischer Weise späterer Reformwerke die Stoffüberhäufung, die Endlosigkeit methodisch ungeordneter Vorlesungen, das planlose Studium und starre Grundlagen anprangerte.20 In bücherkundlicher Hinsicht allerdings waren geradezu alle Ausführungen bis ins 17. Jahrhundert hinein sehr spärlich, so dass erst danach den Studenten bis ins kleinste Detail umfassende Empfehlungen für ein zweckmäßiges Bücherstudium unterbreitet wurden.21 Wesentlich besser war hingegen die Situation hinsichtlich spezifischer Ratschläge zum gelehrten Lesen, wofür einige Anleitungen herausgegeben wurden.22 Diesen Feststellungen entsprechend erfolgten Veröffentlichungen von Schriften für den juristischen Unterricht auch im 17. Jahrhundert. So verfasste etwa Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716) im Jahre 1667 sein umfassendes Werk „Nova Methodus discendae docendaeque Jurisprudentiae“, in dem neben Anweisungen für den Studienanfänger ferner eine neue Methodenlehre für die Rechtswissenschaft publiziert wurde.23 Diesem Werk von Leibniz nachahmend führte Christian Thomasius (1655 – 1728) im Jahre 1699 mit

17 Koch, Hans-Albrecht - Die Universität, Darmstadt 2008, S. 81.

18 Weber, Wolfgang, wie Fn. 10, S. 152.

19 Burmeister, Karl Heinz, wie Fn. 5, S. 226 f.

20 Schubart-Fikentscher, Gertrud - Studienreform, in: Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig; Philologisch-historische Klasse, Band 116, Heft 4, Berlin 1973, S. 35.

21 Fuchs, Wilhelm - Juristische Bücherkunde in Göttingen vor hundert und hundertachtzig Jahren, Leipzig 1929, S. 16 f.

22 Weber, Wolfgang, wie Fn. 10, S. 144.

23 Heymann, Ernst - Leibniz' Plan einer juristischen Studienreform vom Jahre 1667, Berlin 1931, S. 4; zum Werk selbst siehe: Leibniz, Gottfried Wilhelm - Nova methodus discendae docendaeque iurisprudentiae, unveränd. Nachdruck der Ausg. Leipzig und Halle 1748, Glashütten i. T. 1974.

seiner Schrift „Summarischer Entwurff Derer Grund-Lehre die einem Studioso Juris zu wissen und auff Universitäten zu lernen nöthig“ ein neues pädagogisches Grundkonzept ein, bei welchem alle einzelnen Wissensgebiete, die einem Juristen vertraut sein sollten, enthalten waren.24 Die soeben genannten Werke von Leibniz und Thomasius waren bezüglich ihrer Ordnungen sowie hinsichtlich ihrer inhaltlichen Intentionen dann bereits die grundlegenden Vorbilder für die Unterrichtsschriften des 18.

Jahrhunderts.