Lucien Kroll, Leipzig 1995
3.4.3 Ökostation /GrünWerkstatt
(1) Die derzeitigen Einrichtungen und Ver
fahrensinstrumente der Stadtverwaltung sind für die Aufgaben des ökologischen Stadtum
baus im allgemeinen wenig geeignet. Die Rathäuser sind zu bürokratischen Veranstal
tungen geworden, denen die erforderliche Bürgemähe fehlt. Sie sind in voneinander getrennte, eher gegeneinander als miteinan
der arbeitende Verwaltungsressorts geglie
dert, die den ökologischen Problemlagen nicht gerecht werden. Hinzu kommt die schwierige Situation der öffentlichen Haus
halte und die Überlastung der Verwaltung mit Routineaufgaben.
Die eigentlichen Akteure und Ressour
centräger des Ökologischen Stadtumbaus sind, wie die Beispiele Grünradiale und Quartiersentwicklung zeigen, die Bewoh
ner der Quartiere, die lokale Wirtschaft und andere m it örtlichen Belangen befaßte pri
vate und öffentliche Interessenträger. Die Maßnahmen sind, hinsichtlich Anschub und Realisierung, auf privates Engagement und privates Kapital angewiesen. Dieses ist aber nur dann mobilisierbar, wenn die Bewohner einen persönlichen Vorteil darin erkennen, ihr Einkaufs-, Investitions-, Ver
kehrs- und Freizeitverhalten darauf auszu
richten. Es muß sich lohnen, Energie und Wasser einzusparen, anders mit Stoffen, Pro
dukten und Abfällen umzugehen und sich an
„integriertem Ressourcenmanagement“ zu beteiligen.
Es müssen also überzeugende ökonomi
sche Vorteile oder andere Anreize erkennbar sein. Wenn die Bewohner und andere lokale Akteure für Engagement und Beteiligung bei der Grünradiale oder bei Verkehrsmaß
nahmen gewonnen werden sollen, wird dies nur gelingen, wenn es in ihrem ureigensten
Interesse liegt, d.h. eindeutige Verbesserun
gen für die eigene Wohn-, Lebens- Freizeit
qualität zu erwarten sind.
Interesse und Kooperationsbereitschaft von Stadtverwaltung und städtischen Ent
scheidungsträgem können allerdings, wie die Leipziger Erfahrungen zeigen, in dem Maße geweckt werden, wie es gelingt, mit den Maßnahmen des ökologischen Stadtum
baus ohne großen Eigenaufwand überzeu
gende Problemlösungen anzubieten. Insge
samt ist aber weiterhin eher von einer passi
ven Rolle der Verwaltung auszugehen.
(2) Diese Akteurssituation hat weitgehende Konsequenzen für die Gestaltung der Ver
fahrensinstrumente und der Rahmenbedin
gungen für den Prozeß des ökologischen Stadtumbaus. Eine zentrale Rolle spielen effektive Information, Kommunikation und Steuerung, die auf lokale Initiativen, die wirtschaftlichen Eigenkräfte und Entwick
lungspotentiale der jeweiligen Quartiere und Stadtteile ausgerichtet sind. Sie müssen Ent
faltungschancen bieten für neue Formen der Kooperation und Koproduktion zwischen den verschiedenen Akteuren bei der Planung und Realisierung von gemeinsam gewollten Maßnahmen. Es gilt, geeignete Rahmenbe
dingungen und unterstützende Einrichtun
gen zu schaffen, die geeignet sein, Experi
mentierlust und den Möglichkeitsinn zu wecken, die einladen zur Beteiligung am Umbau der sozialen und örtlichen Struktu
ren. Es gilt, Lemmilieus zu schaffen, Erfah
rungsräume für das Zurückgewinnen von Eigenverantwortung zu eröffnen und Spiel
räume für Fehler vorzusehen. Es darf und soll Lust und Spaß an der Mitgestaltung des eigenen Quartiers entstehen.
(3) Bei der für diese Aufgaben vom Autor Ekhart. Hahn bereits in den 8Oiger Jahren entwickelten Konzeption von quartiersbe
zogenen „Ökostationen“ handelt es sich in diesem Sinne um neue prozeßorientierte Infrastrukturen für ökonomische, organisa
torische, soziale und kulturelle Innovatio
nen. Es müssen Einrichtungen sein, die auf Dauer keine zusätzlichen Kosten verursa
chen, sondern sich durch die mit ihnen rea
lisierbaren wirtschaftlichen Einsparungen und neuen Dienstleistungen selbst finan
zieren. Die praktische Erprobung einer ersten solchen Ökostation war wichtiges Ziel des Leipziger Modellprojekts.
(4) Der ehemalige Lokschuppen bot für die
se Einrichtung ideale Voraussetzungen hin
sichtlich Standort, baulichen Gegebenheiten und städtebaulichem Symbolgehalt. Hier, an zentraler Stelle im Modellgebiet, übernimmt die Ökostation maßgebliche Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit, Information und Begegnung. Die Ökostation im ehemaligen Lokschuppen wird ausgebaut als Ort für Kommunikation und gemeinsame Entschei
dungsfindung, für Prozeßinitiierung und Prozeßsteuerung, also für neue Formen lokaler Demokratie und Bürgersinns. Hier sollen Diskussionen, Feste und Veranstaltun
gen, Vorträge, Ausstellungen und Seminare stattfinden, sollen Werkstätten und andere Einrichtungen zur Unterstützung aktiver Bürgerarbeit entstehen. Durch die Art ihrer baulichen Umgestaltung soll die Ökostation selbst zum Demonstrationsprojekt für ener
gieeffizientes und ökologisches Bauen wer
den, für “Ökologie zum Anfassen“.
(5) In der ersten Hälfte der Projektlaufzeit wurden folgende Realisierungsschritte durchgeführt: Im Frühjahr 1995 wurden bereits erste Flächen für Veranstaltungen des
OSTRAUM-FORUMS angemietet, für Aus
stellungen, Seminare, Hearings, und Projekt
sitzungen provisorisch umgebaut und seit
dem erfolgreich genutzt. Im Herbst dessel
ben Jahres konnte zusätzlich ein Vor-Ort- Büro für die Projektsteuerung und Koordi
nierung der Öffentlichkeitsarbeit eingerich
tet werden. In Vorverhandlungen mit dem Eigentümer wurde die Übernahme des gesamten Gebäudes für Funktionen der Ökostation noch im Jahre 1996 vereinbart.
Die städtebaurechtliche Absicherung dieses Standortes als „Umweltzentrum“ konnte im Sanierungszielplan und inzwischen auch im Bebauungsplan erreicht werden. Der Erwerb des Grundstückes aus Städtebaufördermit
teln ist für 1998 vorgesehen.
(6) Der Anfang 1996 erreichte Diskussions
stand zum Nutzungskonzept der Ökostation sah im einzelnen folgende Nutzungen vor:
• Ausstellungs-, Seminar- und Veran
staltungsräume,
• Umweltstation der Volkshochschule;
• Umweltbibliothek mit Lesecafe,
• Vollwertrestaurant mit emährungsöko- logischer Beratungsstelle und Lehr
küche,
• Büro und Koordinierungsstelle „Loka
le Agenda 21“,
• Informations- und Beratungsagentur für ökologische Stadtsanierung,
• Energieagentur zur Betreuung und Umsetzung des quartiersbezogenen Energiekonzepts,
• Wasser- und Abfallagentur entspre
chend,
• Mobilitätsagentur (Car-Sharing, Statt
auto-Gemeinschaften, Car-Pooling, Fahrradzentrum mit Verleih und Selbsthilfewerkstatt, Koordinierung von Jobticket-Konzepten,
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