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Transformationen und „direkte“ Erfolge am rechten Rand: Die Schweiz als Vorbild in Europa?

Im Dokument EUROPA AUF DEM „RECHTEN“ WEG? (Seite 173-195)

Am 29. November 2009 sprachen sich 57,5 Prozent der Schweizer Stimm-bürger für die Volksinitiative „Gegen den Bau von Minaretten“ aus. Da-mit sollte in der Bundesverfassung festgeschrieben werden, dass in der Schweiz keine Minarette mehr gebaut werden dürfen. In den interna-tionalen Medien wurde das Abstimmungsergebnis heftig diskutiert und als ausgrenzend, diskriminierend und fremdenfeindlich taxiert.1 Die

„New York Times“ nannte das Resultat„a vote for intolerance“ und sah in ihm „a strong and urgent message […] for all Western nations where Isla-mic minorities have been growing in numbers and visibility, and where fear and resentment of Muslim immigrants and their religion have be-come increasingly strident and widespread“.2 Bereits die im Vorfeld der Abstimmung durchgeführte Kampagne, die Symbole der Bedrohung ver-wandte, hatte für Empörung gesorgt. Besonders provozierend war ein Plakat, das raketenförmige Minarette auf einer Schweizer Flagge zeigte, mit einer Frau mit Niqab, einem Gesichtsschleier, im Vordergrund. Die rechtspopulistischen Parteien in Europa jedoch zeigten sich begeistert vom Abstimmungsergebnis und forderten ähnliche Maßnahmen in anderen Ländern.3 Auch das Anti-Minarett-Plakat fand Beifall und wurde in eigenen Kampagnen imitiert, so vom Front National in Frankreich und von der Partei Pro NRW in Deutschland.

Damir Skenderovic

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1 Siehe u. a. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30. November 2009; Süddeutsche Zeitung vom 30. November 2009; Der Standard vom 30. November 2009; Libération vom 30. November 2009; Le Monde vom 1. Dezember 2009.

2 New York Times vom 30. November 2009; [dt. Übersetzung: „eine Abstimmung für Intole-ranz“, „eine starke und dringende Botschaft […] an alle westlichen Nationen, wo islamische Minoritäten zahlenmässig zugenommenen haben und sich Angst und Ressentiments gegen muslimische Einwanderer und deren Religion zusehends verbreitet und verstärkt haben.“

3 NZZ am Sonntag vom 13. Dezember 2009.

Die Minarett-Initiative ist keine Ausnahme in der Schweiz: Es gibt eine lange Tradition des Rechtspopulismus. Die schweizerische direkte De-mokratie ist sehr wichtig für rechtspopulistische Mobilisierungen und es gibt immer wieder fremdenfeindliche Argumentationen in migrations-politischen Debatten. Die Initiative ist so vor dem Hintergrund histo-rischer Kontinuitäten zu sehen. Die federführenden Akteure kamen aus der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU), beide Teil des in der Schweiz seit den 1960er-Jahren beste-henden rechtspopulistischen Parteienlagers. Die im Rahmen der Anti-Minarett-Kampagne verwendeten Parolen wie die „schleichende Islami-sierung der Schweiz“ erinnern an die „Überfl utungsthesen“, die in den 1960er- und 1970er-Jahren von rechtspopulistischen Parteien gegen die Einwanderung aus Italien verwendet worden waren. Auch das Anti- Minarett-Plakat stand inhaltlich und grafi sch in der Tradition politischer Kampagnen, wie sie seit den 1990er-Jahren von der SVP geführt worden waren und die wegen ihres provokativen Stils und ihrer xenophoben Inhalte regelmäßig öffentliche Kontroversen ausgelöst hatten.4

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Wahlplakat der SVP

4 Zu erwähnen sind beispielsweise die „Schäfchen“-Plakate von 2007. Vgl. Artikel von Minken-berg in diesem Band, Abbildung S. 41.

Wie stark rechtspopulistische Kampagnen das Einstellungsklima in der Bevölkerung prägen und so das Entscheidungsverhalten der Wähler be-einfl ussen, zeigt die Analyse der Abstimmung über das Minarett-Verbot.

Die Behauptungen der Initiatoren, Minarette seien „Symbole der Islami-sierung“ und es gehe um die „Verteidigung des christlichen Glaubens“, wurden von 38 Prozent der Befürworter/innen des Verbots als Haupt-motive für ihr Entscheidung angegeben. 81 Prozent der Ja-Stimmenden waren mit der Begründung einverstanden, mit der Initiative müsse ein Zeichen gegen die zunehmende Verbreitung des Islams in der Schweiz und in Westeuropa gesetzt werden.5

Alle Strömungen am schweizerischen rechten Rand blicken auf eine lange Geschichte zurück, insbesondere die kulturell-diskursiv agierende, sogennannte Neue Rechte, die sich wie auch in anderen westeuropä-ischen Ländern Ende der 1960er-Jahre formierte und deren Entwicklung sich immer wieder mit der rechtspopulistischer Parteien überschnitten hat. Auch die Anfänge der extremen Rechten reichen in die unmittelbare Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurück, wobei sie bis in die 1980er-Jahre hinein vor allem im Untergrund agierte und kaum von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Seither hat sich die extreme Rechte als Subkultur etabliert, die jugendkulturelle Dimensionen auf-weist und durch einzelne Organisationen, Ideologen und Publikationen eine gewisse Struktur erhält.

Die rechtspopulistischen Parteien, die Neue Rechte und die extremen Rechten schöpfen mit ihren ausgrenzenden und antiegalitären Ideen alle aus ähnlichen ideologischen Quellen. Verschieden sind ihre Aktivitäten und die Strategien, die sie anwenden, um ihre politischen und ideolo-gischen Ziele zu verfolgen, sowie die Positionen, die sie in der Gesell-schaft und im politischen System der Schweiz einnehmen.

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5 Hirter, Hans; Vatter, Adrian (2009): Analyse der eidg. Abstimmung vom 29. September 2009.

Bern, S. 31, 33.

Rechtspopulistische Außenseiterparteien mit direktdemokratischer Macht

Am 2. Juni 1970 votierten 46 Prozent der Stimmbürger für die Volksini-tiative „Gegen die Überfremdung“, die eine Beschränkung des Ausländer-anteils auf 10 Prozent forderte, was die Ausreise eines Drittels der Schwei-zer Bevölkerung zur Folge gehabt hätte. Nach heftigen Debatten im Vorfeld beteiligten sich ganze 74,1 Prozent der Stimmberechtigten an der Abstimmung, die höchste Beteiligung seit 1947. Frauen durften damals noch nicht wählen. Die Initiative war von der Nationalen Aktion gegen die Überfremdung von Volk und Heimat (NA) eingereicht worden, einem 1961 gegründeten Bürgerkomitee, das sich im Laufe der 1960er-Jahre zu einer politischen Partei mit festen Strukturen entwickelt hatte und sich bis heute in der schweizerischen Parteienlandschaft hält. 1967 eroberte die NA mit James Schwarzenbach, einer der ersten rechtspopulistischen Füh-rungsfi guren im Nachkriegseuropa, erstmals einen Sitz im nationalen Parlament. Hauptziel der NA war die Eindämmung der Einwanderung und die Verringerung des Ausländeranteils. Ihre Begründung laut dem Parteiorgan 1968: Die Schweiz werde von „fremdländischen Arbeitern“

überschwemmt und die hohe Natalität der Migrantinnen führe dazu, dass das Land von „einer ausländischen Geburtenlawine“ überrollt werde.6 Die Abstimmung von 1970 gilt als politisches Initialereignis für den Rechtspopulismus in der Schweiz. Zum einen setzte er sich damit, wenn auch noch mit wenigen Wählerstimmen, in der schweizerischen Partei-enlandschaft fest. Zum anderen hatten die rechtspopulistischen Akteure die Macht der direkten Demokratie im Zusammenhang mit migrations-politischen Fragen entdeckt. Zum Lager der Rechtspopulisten gehörten neben der NA die seit 1964 in Genf als Anti-Establishment-Partei auftre-tende Vigilance und die 1971 als Abspaltung von der NA von James Schwarzenbach gegründete Schweizerische Republikanische Bewegung (SRB).

1975 kam die EDU hinzu, die im Laufe der 1980er-Jahre zu einer protes-Schweiz

6 Volk + Heimat, Nr. 7, Juli 1968, S. 3.

tantisch-fundamentalistischen Partei mutierte und zunehmend gegen muslimische Migranten und den Islam im Allgemeinen Stellung nahm.7 Die Zersplitterung des rechtspopulistischen Parteienlagers verstärkte sich, als 1985 die Autopartei Schweiz (APS) und 1991 die Lega dei Ticinesi ge-gründet wurden. Während Anti-Establishment-Haltung, radikale Kritik an der Migrationspolitik der Regierung und die Ablehnung des Beitritts der Schweiz zu supranationalen Organisationen gemeinsame Charakte-ristika der Parteien waren, zeichneten sie sich durch programmatische Spezialisierungen aus. So hatte die APS eine antiökologische Speerspitze, die EDU wollte christlich-religiöse Werte stärker in Politik und Gesell-schaft einbringen und die Lega betrieb eine regionalistisch orientierte Identitätspolitik. Das bis dahin beste Wahlergebnis erreichte das rechts-populistische Lager bei den Nationalratswahlen von 1991, als die vier Parteien APS, Lega, EDU und NA, die sich 1990 in Schweizer Demokraten (SD) umbenannt hatten, auf einen Wähleranteil von 10,9 Prozent und 16 der 200 Sitze im Nationalrat kamen.

Die Außenseiterrolle in der parlamentarischen Arena kompensierten die rechtspopulistischen Splitterparteien durch den regelmäßigen Gebrauch der Mittel direkter Demokratie. Damit gelang es ihnen trotz ihrer margi-nalen parteipolitischen Stellung, sowohl bestimmte Themen breit zu dis-kutieren und ihre Anliegen in weiten Teilen der Bevölkerung bekannt zu machen, als auch Agenda-Setting zu betreiben und Druck auf politische Entscheidungsprozesse auszuüben. Direktdemokratische Aktivitäten wa-ren auch Mobilisierungsmomente, die zur Stärkung der Identität und der internen Kohäsion der Parteien beitrugen. Sie ermöglichten Kooperatio-nen innerhalb des Parteienlagers, was besonders für die Kleinparteien mit

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7 So warnte ihr Parteipräsident 1990 anlässlich der Abstimmung über eine Liberalisierung des Kirchengesetzes im Kanton Bern davor, es sei „geradezu gefährlich, die islamische Gefahr für unser Land herabzuspielen“; EDU-Standpunkt, Nr. 5, Mai 1990, S. 1. Siehe auch Skenderovic, Damir (2006): Feindbild Muslime: Islamophobie in der radikalen Rechten. In: Altermatt, Urs;

Delgado, Mariano; Vergauwen, Guido (Hg.): Der Islam in Europa. Zwischen Weltpolitik und Alltag. München, S. 79–95.

ihren relativ schwachen Parteiorganisationen und dem begrenzten Kreis von Parteiaktivisten wichtig war. Von 1968 bis 1990 lancierten die rechts-populistischen Parteien allein zu migrationspolitischen Fragen neun Volksinitiativen, von denen sechs zur Abstimmung kamen. An der Urne wurden sie zwar alle abgelehnt, zum Teil sogar mit überaus großen Mehr-heiten, aber auf den Verlauf der schweizerischen Migrationspolitik hat-ten sie durchaus Einfl uss. Das verdeutlicht beispielsweise die Volksinitia-tive von 1970, die dazu beitrug, dass die Regierung von der eher liberalen Rotations- zur restriktiveren Stabilisationspolitik überging.8

Wandel und Aufstieg der Schweizerischen Volkspartei (SVP) Seit Anfang der 1990er-Jahre hat sich das rechtspopulistische Lager in der Schweiz grundlegend verändert. Es weist mit der Dominanz der SVP erst-mals ein hohes Maß an parteipolitischer Kohäsion auf. Die seit den 1910er-Jahren als rechtskonservative Kraft im schweizerischen Parteien-system agierende SVP vollzog ab 1991/1992 einen strukturellen und pro-grammatischen Wandel, der mit jenem der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) nach der Machtübernahme 1986 durch Jörg Haider zu vergleichen ist.9 Der außergewöhnliche Aufstieg der SVP zur weitaus wählerstärksten Partei der Schweiz macht sie zu einem Erfolgsbeispiel des neuen Rechts-populismus in Europa.

Nach über 50 Jahren langer Stagnation erhöhte die SVP ihren Anteil in den Nationalratswahlen von 11,9 Prozent (25 Sitze) im Jahr 1991 auf 28,9 Prozent (62 Sitze) im Jahr 2007, ein in der schweizerischen Wahlge-Schweiz

8 Mahnig, Hans; Piguet,Etienne (2003): Die Immigrationspolitik der Schweiz von 1948 bis 1998.

Entwicklung und Auswirkungen. In Wicker, Hans-Rudolf; Fibbi, Rosita; Haug, Werner (Hg.):

Migration und die Schweiz. Ergebnisse des Nationalen Forschungsprogramms „Migration und interkulturelle Beziehungen“. Zürich, S. 65–108, hier 78ff.

9 Zur Entwicklung der SVP seit Anfang der 1990er-Jahre siehe Mazzoleni, Oscar (2008): Nati-onalisme et populisme en Suisse. La radicalisation de la „nouvelle“ UDC. 2. überarb. Aufl ., Lausanne 2008; Skenderovic, Damir (2009): The Radical Right in Switzerland. Continuity and Change, 1945–2000. New York, Oxford, S. 123–172.

schichte nach 1919 einmaliger Wählerzuwachs. Auch in kantonalen Par-lamentswahlen verdoppelte die SVP nahezu die Anzahl ihrer Sitze von 297 (1991) auf 554 (2010). Die Gewinne in den Nationalratswahlen gin-gen zum einen auf Kosten der beiden Mitte-Rechts-Parteien, der Freisin-nig-Demokratischen Partei (FDP) und der Christlichdemokratischen Volkspar-tei (CVP), die seit 1991 zusammen 8,7 Prozent verloren hatten, zum anderen auf Kosten der SD, APS und Lega, deren Wählerstärke insgesamt ebenfalls um 8,7 Prozent zurückgegangen war und die von der SVP weit-gehend verdrängt worden waren. Die Führungsriege der Freiheits-Partei Schweiz (FPS), wie sich die APS ab 1994 nannte, trat zudem in den späten 1990Jahren großteils zur SVP über. Angesichts dieser Wahlerfolge er-langte die SVP 2003 vorübergehend einen zweiten Bundesratsitz und sprengte damit die seit 1959 bestehende „Zauberformel“, die einen festen Regierungsproporz zwischen den vier Großparteien FDP, CVP, SVP und der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SPS) festgelegt hatte. Gegen den rechtspopulistischen Kurs der Partei, auf den die Landespartei unter der Ägide von Christoph Blocher und der Zürcher Kantonalpartei ein-geschwenkt war, regte sich zwar regelmäßig parteiinterner Widerstand, insbesondere aus den Kantonen Bern und Graubünden. Dabei ging es jedoch in erster Linie um Fragen des Stils und Auftretens und weniger um politische Inhalte und eine ideologische Neuausrichtung der Partei. Eine interne Flurbereinigung fand mit der Gründung der Bürgerlich-Demokra-tischen Partei Schweiz (BDP) 2008 statt, der sich dissidente SVP-Mitglieder anschlossen und die inzwischen in 14 der 26 Kantone vertreten ist.

Im Vergleich zu den Splitterparteien besaß die SVP bedeutend bessere Voraussetzungen bezüglich organisatorischer Strukturen, parteiinterner Kohäsion und Mobilisierungsfähigkeit. Da die SVP keine neu gegründete Partei war, verfügte sie am Anfang ihres Transformationsprozesses bereits über feste Parteistrukturen, die sie dann stark ausbaute. Neben zahllosen neuen lokalen Parteisektionen gründete sie zwischen 1991 und 2001 zwölf neue Kantonalparteien und war damit in allen Kantonen vertreten.

Die Ausdehnung der ursprünglich vor allem in den protestantischen Re-gionen der deutschsprachigen Schweiz verankerten Partei erstreckte sich auf katholische Gebiete und die Westschweiz. Im Gegensatz zu den oft

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durch interne Streitigkeiten geschwächten Splitterparteien überwand die SVP parteiinterne Divergenzen durch eine straffe Parteiführung und einen zuweilen autoritären Führungsstil der Parteispitze. Sie konnte zu-dem auf bedeutende fi nanzielle Ressourcen zurückgreifen, die weit über jene der anderen Großparteien hinausgingen. Die SVP setzte das Geld dafür ein, ihre Kampagnenführung und ihr politisches Marketing zu pro-fessionalisieren.10 Mit einer stark medienorientierten politischen Kom-munikation und provokativen Kampagnen lag die Partei auch im Trend der zunehmenden Medialisierung der Politik, die in der Schweiz im Ver-gleich zu anderen westlichen Demokratien später stattfand. Insgesamt ist es der SVP gelungen, eine für das schweizerische föderalistische Parteien-system außergewöhnliche „Nationalisierung“ der Partei durchzuführen, indem sie die nationale Parteiorganisation stärkte, eine gemeinsame politische Agenda profi lierte und die eidgenössischen Wahl- und Ab-stimmungskampagnen vereinheitlichte.

Wie für die Splitterparteien stellt die direkte Demokratie auch für die SVP eine bedeutsame Opportunitätsstruktur dar. 1992 lancierte sie mit der Volksinitiative „Gegen illegale Immigration“ erstmals in ihrer Partei-geschichte ein Volksbegehren und entwickelte sich in der Folge zu einer

„Abstimmungspartei“.11 Die SVP nutzt den politischen und diskursiven Handlungsspielraum, der sich durch die Instrumente der direkten Demo-kratie ergibt. Dieser ermöglicht der Partei, zu bestimmten Themen Argu-Schweiz

10 Zwischen 1996 und 1998 hat die SVP 8,8 Millionen Franken für ihre Kampagnen aufgewendet, während es bei der FDP 5,8 Millionen, der SPS 4,6 Millionen und der CVP 2,8 Millionen wa-ren. Laut Schätzungen hat die SVP allein für den Wahlkampf bei den Nationalratswahlen von 2007 10 Millionen Franken ausgegeben, was ein Mehrfaches der anderen Partei darstellte; siehe Neue Zürcher Zeitung vom 22. März 2000; Udris, Linards (2007): Medienwahlkampf 2007.

Alles drehte sich um die SVP. In: Medienheft, 28. Dezember 2007.

11 Hinzu kamen bisher die folgenden vier eidgenössischen Initiativen: „Überschüssige Goldreser-ven in den AHV-Fonds – Goldinitiative“ (Abstimmung 2002), „Gegen Asylrechtsmissbrauch“

(2002), „Für demokratische Einbürgerungen“ (2008), „Für die Ausschaffung krimineller Aus-länder (Ausschaffungsinitiative)“ (hängig). Daneben war die SVP federführend bei mehreren Referendumskampagnen, so bei den beiden Bürgerrechtsreformen (2004), dem Schengen-Ab-kommen (2005) oder der Ausweitung des PersonenfreizügigkeitsabSchengen-Ab-kommens auf Rumänien und Bulgarien (2009).

mente und Deutungen zu verbreiten und gesetzliche Lösungsvorschläge zu präsentieren, was sich insbesondere in der Migrationspolitik als erfolg-reich erwiesen hat. Außerdem gibt es im System der direkten Demokratie ein beträchtliches Potenzial an oppositioneller Politik. Es erlaubt gesell-schaftlichen und politischen Gruppen, punktuell und zielgerichtet ihren Widerstand anzubringen, ohne aber eine grundsätzliche Systemopposi-tion zu betreiben. Dies ermöglicht der SVP, eine Doppelrolle als Opposi-tions- und Regierungspartei zu spielen, indem sie Volksabstimmungen als symbolträchtige Momente nutzt, um sich als Kritikerin der classe poli-tique und als vertrauenswürdige „Vertreterin des Volkes“ zu präsentieren, gleichzeitig aber auch als Bundesratspartei an der politischen Macht zu partizipieren. Auch der nach der Abwahl von Christoph Blocher als Bun-desrat im Jahre 2007 von der Partei ausdrücklich erklärte „Gang in die Opposition“ erwies sich als vorübergehend und nicht prinzipiell, denn bereits 2008 kehrte die SVP mit der Wahl von Ueli Maurer, einer der Hauptfi guren der Transformation der Partei, in den Bundesrat zurück.12

Agenda und Wählerschaft der SVP

Wie bei anderen rechtspopulistischen Parteien besteht die winning formu-la der SVP in der Verbindung einer nationalistischen und identitätspoli-tischen Agenda in der Migrations- und Europapolitik mit neoliberalen Positionen in der Wirtschafts- und Steuerpolitik. Wie für den Populismus kennzeichnend, gehören der Appell an das „Volk“ und an ein „Wir-Ge-fühl“ sowie kontinuierliche Attacken gegen gesellschaftliche Eliten wie Politiker, Intellektuelle und Wissenschaftler zum strategischen Repertoire der SVP. Sie dienen ihr dazu, sich vom sogenannten Establishment abzu-grenzen und sich als einzig wahre Volksvertreterin zu präsentieren. Be-sondere Aufmerksamkeit schenkt die SVP seit Anfang der 1990er-Jahre der Einwanderung, nachdem dieses Thema sie bis dato augenscheinlich

Schweiz

12 Church, Clive H;. Vatter, Adrian (2009): Opposition in Consensual Switzerland: A Short but Signifi cant Experiment. In: Government and Opposition, 44/4, pp. 412–437.

Plakat der Campagne

„Ja zum Minarettverbot“

in der Schweiz

nur wenig interessiert hatte.13 Neben den klassischen migrationspoliti-schen Themen wie Regulierung und Limitierung der Einwanderungszah-len fokussiert sich die SVP vor allem auf die Asyl- und Flüchtlingspolitik sowie auf Fragen der Integration. Die Vorstöße der SVP bezüglich Asyl und Asylsuchenden zielen darauf, die Thematik als problematisch und konfl ikt beladen darzustellen, was die stetige Verwendung der „Miss-brauchs“-Metapher verdeutlicht. Zudem operiert die SVP mit kulturalis-tischen Argumentations- und Deutungsmustern, die die Unvereinbarkeit kultureller und religiöser Identitäten hervorheben, um dann vor kulturel-len Konfl ikten zu warnen und die Nicht-Integrationsfähigkeit bestimm-ter Einwanderungsgruppen zu betonen.14

Verschiedene, seit den 1990er-Jahren durchgeführte Umfragen konsta-tieren, dass die Bedeutung tatsächlicher oder vermeintlicher kultureller Unterschiede in der Art und Weise, wie Migranten von der Schweizer Schweiz

13 Zur Migrationsagenda der SVP siehe Skenderovic, Damir; D’Amato, Gianni (2008): Mit dem Fremden politisieren. Rechtspopulismus und Migrationspolitik in der Schweiz seit den 1960er Jahren. Zürich.

14 Seit Ende der 1990er-Jahre wendet die SVP kulturalistische Argumentation insbesondere im Zu-sammenhang mit muslimischer Immigration an. Siehe dazu die von der SVP der Stadt Zürich 1999 herausgegebene programmatische Schrift „Konzept für eine Zürcher Ausländerpolitik“.

Bevölkerung wahrgenommen werden, zugenommen hat. So waren in einer Umfrage von 1994 34 bzw. 32 Prozent der Befragten der Ansicht, dass Ausländer aus Serbien bzw. Bosnien „in der Schweiz eigentlich fehl am Platz“ seien; 1997 stiegen die Anteile auf 43 und 42 Prozent. In einer 2000 veröffentlichten Umfrage geben 40 Prozent der befragten Schweizer an, keine Kosovo-Albaner als Nachbarn haben zu wollen. In einer Erhe-bung von 2007 meinten 45 Prozent der Befragten, sie hätten lieber kei-nen Kosovo-Al baner als Familienmitglied. Diese Hinweise auf weitver-breitete kultura listisch begründete Haltungen gegenüber Migration spiegeln sich auch in den Ergebnissen einer Umfrage von 2006 wider:

66 Prozent der Frauen und 59 Prozent der Männer waren skeptisch, dass ein modus vivendi mit Migranten, die einen anderen kulturellen Hinter-grund hätten, gefunden werden könne.15 Seit den 1990er-Jahren ist auch ein Anstieg generell skeptischer Haltungen gegenüber Migration festzu-stellen, was ebenso nicht zuletzt mit der Stärkung der SVP und ihren Antiimmigrationskampagnen zusammenhängt. Während in einer Um-frage von 1994 33 Prozent der Befragten Maßnahmen zur Reduktion des Ausländeranteils in der Schweiz forderten, waren es 1997 schon 46 Prozent. In einer 2006 publizierten Umfrage gaben 59 Prozent der Befragten an, dass die heutige Zahl der Ausländer „an Grenzen stoße“. In der gleichen Erhebung waren 43 Prozent der Ansicht, Ausländer würden den schweizerischen Sozialstaat ausnutzen. Das letzte Ergebnis ist ein Zeichen dafür, dass die erwähnte „Missbrauchs“-Rheorik der SVP Früchte trägt.16

Betrachtet man die Studien zur SVP-Wählerschaft, so zeigt sich, dass das Sozialprofi l im Laufe der 1990er- und 2000er-Jahre bedeutend vielfältiger geworden ist. Die Partei hat aufgrund ihrer massiven Stimmgewinne bei

Betrachtet man die Studien zur SVP-Wählerschaft, so zeigt sich, dass das Sozialprofi l im Laufe der 1990er- und 2000er-Jahre bedeutend vielfältiger geworden ist. Die Partei hat aufgrund ihrer massiven Stimmgewinne bei

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