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Rechtsextremismusbekämpfung als Aufgabe europäischer Politik 1

Im Dokument EUROPA AUF DEM „RECHTEN“ WEG? (Seite 31-41)

Martin Schulz, MdEP

1 Dieser Beitrag geht auf eine Eröffnungsrede zurück, die Martin Schulz am 30.11.2009 auf der

waren nachzuhaken, wer was an welchem Ort und zu welchem Zeitpunkt gesagt hatte und inwieweit das von der Geschäftsordnung gedeckt war.

Das permanente Brechen der Konventionen wurde von der neuen faschistischen Fraktion zum System erhoben. Wenn keine Sanktion auf eine rassistische, fremdenfeindliche oder antisemitische Äußerung folgte, wurde sie als erlaubt und damit für den Zukunftsfall als nicht mehr verfolgbar oder sanktionierbar dargestellt. Mithilfe des bewussten Tabu-bruchs drangen rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Äußerungen in die Normalität des parlamentarischen Alltags vor. Das war und ist in unseren Augen eine extrem gefährliche Entwicklung.

Erfolge und Versagen europäischer Abwehrmechanismen Ich will versuchen, das Problem „Rechtsextremismus in Europa“ und die schleichende Normalisierung rechtsextremer Äußerungen in der Politik sowohl aus der Perspektive des parlamentarischen Alltags des Europa-Parlaments zu erläutern, als auch die Ebene der nationalen Parlamente und Regierungen in der Europäischen Union mit einzubeziehen: Wir haben uns damit abgefunden, dass in EU-Regierungen offen fremden-feindliche, extremistische oder gar antisemitische Parteien sitzen, ohne dass es einen Aufschrei des demokratischen Lagers gibt. Im Jahr 2000, als Jörg Haiders Partei, die FPÖ, durch den Christdemokraten Wolfgang Schüssel in die österreichische Regierung geholt wurde, war das noch anders. Als Jörg Haider durch Wolfgang Schüssel in Österreich salonfähig gemacht wurde, hallte ein Aufschrei durch Europa und die Europäische Union verhängte Sanktionen gegen Österreich. Das ist jetzt elf Jahre her.

Der österreichische ÖVP-Bundespräsident Klestil sah sich damals dazu ge-zwungen, Herrn Haider eine Erklärung zusätzlich zum Koalitionsvertrag unterschreiben zu lassen, in der stand, dass sich die zukünftige Regierung an alle europäischen und internationalen Menschenrechtskonventionen halten wird. Dass der Bundespräsident eines demokratischen Landes, ei-nes EU-Mitgliedstaats, die Regierungsparteien nochmals extra auf diese Grundsätze verpfl ichten muss, ist ein einmaliger Vorgang. Was in

Öster-reich im Jahr 2000 mit einem Sonderpapier zusätzlich zur Koalitionsver-einbarung unterschrieben werden musste, das ist eigentlich die Selbstver-pfl ichtung jeder demokratischen Regierung!

Als in Polen die Liga Polnischer Familien (LPR) den Kultusminister stellte, sagte der Vorsitzende dieser Partei, Herr Giertych, anlässlich einer Debat-te im Europäischen Parlament über die Befreiung Spaniens, Portugals und Griechenlands von den faschistischen Diktaturen Salazars, Francos und der Obristen in Athen wörtlich: „Franco und Salazar müsste man Denkmäler in Europa bauen. Diese Helden haben unseren Kontinent vor dem Bolschewismus geschützt.“ Der Sohn dieses Mannes und der stell-vertretende Parteivorsitzende der Liga war der damalige Kultusminister Polens, der in die Lehrbücher für Biologie den Kreationismus verbindlich aufnehmen und homosexuelle Lehrer/innen aus dem Schuldienst entfer-nen wollte. In Italien regiert eine Partei mit, die Lega Nord, deren Partei-vorsitzender Umberto Bossi im italienischen Parlament anlässlich einer Debatte über die Bootsfl üchtlinge im Mittelmeer den Satz sagte: „Wenn ich diese Bötchen sehe, will ich Kanonendonner hören.“

Wir haben es mit vereinten Kräften, allerdings nicht unumstritten, geschafft zu verhindern, dass zu Beginn dieser Wahlperiode Jean Marie Le Pen Alterspräsident des Europäischen Parlaments geworden ist. Le Pen wurde mehrfach in Frankreich rechtskräftig wegen Volksverhetzung ver-urteilt und ist Urheber des Satzes: „Auschwitz ist ein Detail der Weltge-schichte“ – dem sein Stellvertreter Bruno Gollnisch hinzufügte: „Und zwar ein zu vernachlässigendes.“

Verdrängung und Gewöhnung in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus

Wir haben eine besorgniserregende Gewöhnung an Tabubrüche zu ver-zeichnen – nicht allein in der rechtsextremen Szene, sondern in der Mitte der demokratischen Institutionen. Das ist in meinen Augen die wirklich

dramatische Entwicklung in Europa. Das ist übrigens auch deswegen ge-fährlich, weil sich westeuropäische Politiker/innen eine Zeit lang bequem zurückgelehnt haben und den neu aufkeimenden Antisemitismus und Rassismus als ein osteuropäisches Phänomen darzustellen versuchten.

Mit der Erweiterung der Europäischen Union seien demnach aus Mittel- und Osteuropa unreife Demokratien in die Union hineingeholt worden.

Man müsse vorübergehend damit leben, dass in diesen Gesellschaften zum einen die demokratischen Institutionen und zum anderen das demokra-tische Bewusstsein in der Bevölkerung noch nicht so ausgebildet seien wie im Westen der EU. Deshalb müsse man eine Zeit lang mit solchen demokratiefeindlichen, grundrechtsfeindlichen, antisemitischen, homo-phoben und islamohomo-phoben Phänomenen leben. Diese Argumentation habe ich vom ersten Tag an abgelehnt, weil ich die Zahlen vor Augen hatte: Die größte rechtsextreme Partei Europas ist die Front National aus Frankreich. Deren Chef ist bei der Präsidentenwahl 2002 immerhin in den zweiten Wahlgang gekommen und war im ersten Wahlgang bereits stärker als die zerstrittene französische Linke. Auch im zweiten Wahlgang hat er gegen Chirac noch 18 Prozent der Stimmen geholt! 18 Prozent für einen Mann, der sagt, Auschwitz sei ein Detail der Weltgeschichte! Ähnlich die Lage in Belgien: Die größte Partei in der größten Stadt Flanderns, in Antwerpen, ist der Vlaams Belang. Dieses ist eine offen fremdenfeind li-che, rassistische und teilweise neofaschistische Partei.

Rechtsextremismus – ein europaweites Phänomen

Rechtsextremismus ist ein gesamteuropäisches Phänomen. Wir verzeich-nen ein besorgniserregendes Maß antidemokratischer Einstellungen – von den rechtsextremen Rändern der Gesellschaft bis hin zur gut betuch -ten bürgerlichen Mitte – sowie einen fatalen Anstieg von offen auftre-ten- auftreten-dem, gewalttätig-aggressivem Extremismus. Letzterer ist gefährlich, aber identifi zierbar und damit auch besser repressiv zu bekämpfen. Was mir größere Sorgen macht, ist der kontinuierliche, der permanente Tabu-bruch, der die Ideologie des Rechtsextremismus im Gewand von demo-kratischer Legitimation salonfähig macht. Für besonders gefährlich halte

ich es, wenn Leute, die in demokratischen Institutionen arbeiten, dazu beitragen, diese Ideologie hoffähig zu machen. Im November 2009 haben wir mit der Minarett-Initiative in der Schweiz ein „gutes“ Beispiel hierfür gesehen. Allerdings sind entsprechende Einstellungen kaum mehr messbar für Meinungsforscher/innen, weil in einem großen Teil unserer Gesellschaft unterschwellige Ängste nicht mehr ausgedrückt werden, auch nicht in Meinungsumfragen. Diese unterschwelligen Ängste sind in der Schweiz kanalisiert worden durch die offen fremdenfeindliche rechtsex treme Schweizerische Volkspartei des Herrn Blocher. Diese Partei gilt in der allgemeinen Wahrnehmung als rechtskonservative Partei. Ihr Ziel ist es, das christliche Abendland und seine Werte gegen eine angebli-che, eine bedrohliche Islamisierung zu stellen. Kampagnenplakate wie die des schwarzen Schafs oder das von einer Burka tragenden Frau vor Mi-naretten veranschaulichen dies auf schauerliche Weise. Blocher drückt sich so aus: „Wir hatten die Türken schon mal vor Wien, das brauchen wir kein zweites Mal mehr.“

Die Notwendigkeit eines breiten Bündnisses:

lokal wie in Europa

Wir sind als demokratische Parteien der Linken, ebenso wie auch die demokratischen Parteien des Zentrums und die christsozialen Parteien der rechten Mitte, nicht in der Lage, diese rechtskonservativ genannten, in Wirklichkeit aber rechtsextremen Parteien auf ihrem Feldzug der angst-fi xierten Versimpliangst-fi zierung der Politik zu stoppen. Die Frage, wie wir an die Menschen, die anfällig für diese angstfi xierte Politik sind, herankom-men können, ist eine der größten Herausforderungen. Wie komherankom-men wir an die Islamophoben, Homophoben, die Antisemit/innen ran? Das ist eine schwierige Frage, aber eine, der wir uns annehmen müssen.

Von meiner mehrjährigen Tätigkeit als Bürgermeister einer rheinischen Stadt weiß ich gut, wie man als Politiker in dieser Frage gefordert ist. 1989 musste ich erstmals einer Herausforderung durch die Republikaner in meiner Heimatstadt in Nordrhein-Westfalen entgegentreten. Zum ersten

Mal traten die Republikaner in Nordrhein-Westfalen in zwei Städten des Kreises Aachen fl ächendeckend mit eigenen Kandidat/innen an. Eine der Städte war meine Heimatstadt, eine Industriestadt mit 37.000 Einwoh-nern in der Nachbarschaft von Aachen. Warum traten sie bei uns an? Zu uns, in eine Stadt mit 37.000 Einwohner/innen, kamen 1989 innerhalb von sechs Monaten über 1.000 Flüchtlinge aus Zaire. Das führte dazu, dass ich als Bürgermeister Turnhallen von Schulen, Jugendheime, Sport-vereinsheime etc. nutzen musste, um dort Flüchtlinge unterzubringen.

Dies löste eine Welle der Empörung in der Stadt aus. „Warum tut der nichts gegen die ,Neger‘?!“ – das bringt die damalige Stimmung an den Stamm-tischen auf den Punkt. Ich war zu der Zeit 33 Jahre alt, der jüngste Bür-germeister Nordrhein-Westfalens, noch aktiver Jungsozialist und habe gesagt: „Ich bin verpfl ichtet, die Gesetze der Bundesrepublik Deutsch-land zu beher zigen. Solange ich Bürgermeister in dieser Stadt bin, werden die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland hier geachtet. Das Flücht-lingsaufnahmegesetz sieht nicht vor, dass ich frage, warum eine hierher kommt – dafür sind andere Institutionen zuständig. Ich bin verpfl ichtet, dass derjenige, der hierher kommt, hier betreut wird.“ Die Bürgermeister der Nachtbarstädte verwiesen auf meine Bereitschaft und hielten sich raus.

Das Ergebnis war ein über die Maßen strapaziertes Unterbringungspro-jekt. Binnen weniger Wochen hatten die Republikaner das schwelende Potenzial identifi ziert: Die Angst vor Überfremdung wurde geschürt – das wachsende fremdenfeindliche Potenzial sollte zum eigenen politischen Profi t genutzt werden.

Ich habe mich dagegen gestemmt und versucht, Tag und Nacht mit Men-schen zu diskutieren. Bei den Kommunalwahlen im Oktober 1989 haben wir sie am Ende aus dem Stadtrat heraushalten können – aber nur, weil Kirchen und Gewerkschaften mitgezogen haben. Das gesamte öffentliche Leben war von einem Thema beherrscht: Die sogenannten Meinungs-bildner/innen stellten sich gemeinschaftlich gegen diese Partei und hin-ter mich als Bürgermeishin-ter. Es gab einen Ruck in der Gesellschaft einer kleinen Stadt, wo alle – vom Pastor bis zum Gewerkschaftsfunktionär, vom Sportvereinsvorsitzenden bis zu Oppositionsführern im Gemeinderat – sag-ten: Wir machen das nicht mit! Es gab also eine gesellschaftliche

Mobili-sierung für den Erhalt gemeinsamer Grundwerte und gegen den Rassis-mus. Wenn eine solche Mobilisierung funktioniert, dann kann man Rechtsextreme ausgrenzen.

Wenn das nicht funktioniert, wenn sich die schweigende Mehrheit nicht engagiert oder gar soweit geht, die eigene Meinung zu verbergen, wie das in der Schweiz bei Meinungsforschungen 2009 geschehen ist – als Leute bei der Telefonbefragung sagten: „Nein, damit will ich nichts zu tun haben“ und im Wahllokal dann sagten: „Nein zu Minaretten!“ – dann funktioniert es nicht.

Zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in Europa brauchen wir ein Bewusstsein für bestimmte Grundwerte; Grundwerte, die von rechts bis links als unverletzbar gelten müssen! Diese Grundwerte müssen immer dann, wenn sie herausgefordert werden, gemeinschaftlich verteidigt wer-den. Der zivilisatorische Fortschritt der Europäischen Union besteht darin, dass es eben diese Grundwerte als gemeinsames Gut anerkennt und gemeinschaftlich verteidigt – und zwar als Gesamtgesellschaft und nicht mit einzeln dafür Beauftragten. Wenn man diese Herausforderung quer durch alle Bevölkerungsgruppen, durch alle Schichten, durch alle Mei-nungsbildner/innen der unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierun-gen ernst nimmt, dann kann man Europa auf dem richtiGruppierun-gen Weg halten.

Wenn das nicht geschieht, wenn Teile der Gesellschaft sich nicht wehren, weil sie im Inneren und im Stillen Thesen der Rechtsextremen hinnehmen oder gar billigen, dann haben die Rechtsextremen schon gewonnen.

Wir brauchen eine Debatte um Werte!

Deshalb ist eine unserer zentralen Aufgaben die Debatte um unsere Werte.

Dies ist jedoch nicht als Sonntagsrede zu betrachten, sondern sie muss Gegenstand der Alltagsdebatten sein. Die Würde des Menschen ist unan-tastbar, so steht es in Artikel 1 unserer Verfassung. Unser ehemaliger Par-teivorsitzender Franz Müntefering zitierte gerne Johannes Rau, der darauf hingewiesen hat, dass es hier nicht heißt „Die Würde des deutschen

Men-schen ist unantastbar“. Alle Bürger/innen unseres Landes, die sich zu den Grundwerten dieses Landes bekennen, sind genau auf diesen Satz ver-pfl ichtet: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das kann man sonn-tags schön sagen, aber darauf ankommen tut es am Montag, wenn man dem farbigen Nachbarn, der muslimischen Frau, dem behinderten Men-schen oder auch jedem anderen, den man durch Zufall irgendwo trifft und der erkennbar in der Minderheit des Schutzes der starken Mehrheit bedarf, diesen Schutz gewährt. Mit einem Wort: Zivilcourage. Zivil courage ist in meinen Augen einer der zentralen Werte zum Schutz und zur Reali-sierung des Anspruchs „die Würde des Menschen ist unantastbar“.

Doch wann diskutieren wir eigentlich in dieser Gesellschaft über Zivil-courage? Wann diskutieren wir in allen europäischen Gesellschaften über Zivilcourage? Der Mangel an gesellschaftlicher Debatte über die Grund-werte ist etwas, was alle europäischen Staaten in einem zunehmenden Maße prägt. Nach meiner Meinung: in einem beängstigenden Maße. Wir diskutieren nicht ausreichend über die Werte, die unsere demokratische Gemeinschaft bestimmen sollten.

Die extreme Rechte spürt das und setzt deshalb auch zum Angriff auf demokratische Institutionen an. Im Europäischen Parlament haben wir das bereits zweimal erlebt: mit der versuchten Bildung einer eigenen Fraktion. Denn mit dem Instrument einer eigenen parlamentarischen Fraktion in einem multinationalen Parlament – dessen Existenz Ausdruck des Willens zur Institutionalisierung dieser gemeinsamen Grundwerte ist – sollten genau diese Grundwerte zerstört werden. Das erinnert mich in fataler Weise an die Weimarer Republik, in der die nationalsozialistische Fraktion offen zugegeben hat, dass sie die Instrumente des Parlaments nutzen wolle, um die Demokratie mittels dieses Parlaments zu zerstören.

Das Ziel rechtsextremistischer Parteien im Europäischen Parlament ist die Zerstörung der Europäischen Union. Zum Glück sind alle bisherigen Versuche, dauerhaft eine Fraktion zu bilden, entweder an den eigenen inneren Widersprüchen oder schlicht an ihrer Unfähigkeit gescheitert.

Probleme der Rechtsextremen in Europa – Chancen für Gegenstrategien

Ich möchte mit einem Beispiel enden, das auch Hoffnung machen kann.

2007 formierte sich eine faschistische Fraktion im Europäischen Parlament und der bereits erwähnte Bruno Gollnisch, der Auschwitz als zu vernach-lässigendes Detail der Weltgeschichte bezeichnete, war ihr Fraktionsvorsit-zender. Gescheitert ist diese Fraktion noch im ersten Jahr ihres Bestehens daran, dass Alexandra Mussolini, die stellvertretende Fraktionsvorsitzen-de, nicht hinnehmen wollte, dass die Partei Romania Mare, die rechtsex-tremistische Groß-Rumänien-Partei, die auch in dieser Fraktion saß, sich gegen die „Stigmatisierung“ von Rumänen und ihre Gleichsetzung mit Roma in Italien wehrte. Das führte deutlich vor Augen, dass die Bildung einer internationalen Fraktion der Ultranationalisten nicht funktioniert.

Genau hier können wir ansetzen, um solche Parteien als extremistisch, ultranationalistisch, antisemitisch, fremdenfeindlich, islamophob und homophob kenntlich zu machen. Wir können festhalten, dass es diesen Parteien bisher kaum gelingt, sich im politischen Bereich auf eine Weise zu vernetzen, die es ihnen erlauben würde, die Instrumentarien einer transnationalen Demokratie gegen die transnationale Demokratie selbst einzusetzen. Das birgt auch eine Chance, die wir nutzen müssen. Damit möchte ich jedoch mitnichten die bereits vorhandene Vernetzung der gewaltbereiten, fl exiblen, im freien Europa relativ schnell einsatzfähigen multinationalen Faschistengruppen verharmlosen, auf die ebenfalls reagiert werden muss.

Wir haben im demokratischen Spektrum eine große Chance: Durch die Separierung der einzelnen Gruppen und die Offenlegung ihrer inneren Wi-dersprüche sowie durch ein klares Pochen auf eine geschlossene Verteidi-gungslinie für die demokratischen Grundwerte aller kann das Vordringen dieser Gruppen gestoppt werden. Das sind die wesentlichen Ansatzpunkte, die wir als Sozialdemokratische Fraktion mit den anderen demokratischen Fraktionen des Europäischen Parlaments umsetzen wollen.

“The spectre of Fascism is constantly hovering over America, but always seems to land in Europe.” (Tom Wolfe)

Das Gespenst des Faschismus schwebt fortwährend über den USA, aber landet immer in Europa – so die deutsche Übersetzung des Satzes von Tom Wolfe, einem amerikanischen Schriftsteller. In der Tat: Mehr als sechzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs in einem inzwischen weitgehend vereinten Europa gehören rechtsradikale, ultranationalisti-sche und fremdenfeindliche Bewegungen und Parteien zur politiultranationalisti-schen Normalität. Während es in den USA bislang keine nennenswerte Partei in diesem Spektrum gibt, scheint sich das Phänomen in Europa zu ver-vielfachen. Länder, die lange Zeit durch die Abwesenheit solcher Parteien glänzten, wie etwa die Niederlande und Bulgarien, ziehen inzwischen mit dem Rest Europas gleich. Besondere Beachtung verdient hierbei der Umstand, dass auch die neuen EU-Mitgliedsländer in Mittel- und Ost-europa eine Vielfalt rechtsradikaler Bewegungen und Parteien auf wei-sen – und das, obwohl hier das Schlüsselthema des westeuropäischen Rechtsradikalismus, die Immigration, noch gar nicht auf der Tages-ordnung steht. Das deutet an, dass sich hier etwas in den neuen EU-Mitgliedsländern verändert. Dieses Ost-West-Verhältnis des euro pä ischen Rechtsradikalismus soll den Mittelpunkt meiner Ausführungen bilden. Die Analyse soll verdeutlichen, dass wir es mit einer Vielzahl recht unterschiedlicher ideologischer und organisatorischer Varianten des Rechts radikalismus zu tun haben, die eine differenzierte Umgangsweise erfordern.

Im Dokument EUROPA AUF DEM „RECHTEN“ WEG? (Seite 31-41)