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Die Konzepte zur Therapie von Patienten mit Störungen des Sozialverhaltens sind in der Literatur bis heute sehr umstritten, zumal es nach Kazdin (1997) noch keine Behandlung gibt, die Dissozialität nachweislich heilen und die schlechte Langzeitprognose verbessern kann. Die meisten der über 200 aktuell verwandten Behandlungsarten sind empirisch nicht evaluiert und validiert (Kazdin, 1988; Kazdin et al., 1990b). Dazu gehören beispielsweise die psychodynamische-, die Erlebnis- und die Spieltherapie sowie die Erziehungsberatung. Des Weiteren ist umstritten, ob die Kinder- und Jugendpsychiatrie für die Behandlung der Dissozialität zuständig ist. In der Marburger Kinder- und Jugendpsychiatrie werden dissoziale Kinder und Jugendliche nur bei vorliegender Komorbidität und auch dann nur zum Zweck der Krisenintervention aufgenommen (Martin, 2001). Die Therapieform der Krisenintervention bedeutet, dass die eigentliche Therapie erst nach dem kinder- und jugendpsychiatrischen Aufenthalt durch psychosoziale Therapieformen seitens der Jugendämter etc. stattfindet. Katamnestische Daten aus Langzeituntersuchungen mit einer Dauer >12 Monaten zeigen nach Behandlungsende eine weitaus schlechtere Beibehaltung des Therapieeffektes als Nachuntersuchungen mit einer Dauer unter sechs Monaten (Dumas, 1989;

Eyberg et al., 2002; Kazdin et al., 1990; McMahon & Wells, 1989). Dadurch wird die Effektivität eines stationären Aufenthaltes in Frage gestellt. In der vorliegenden Arbeit liegen keine Informationen über die Art der Therapie nach Entlassung vor. Auch die in der Literaturübersicht dargelegten gesicherten

Therapieformen sowie die wahrscheinlich wirksamen Therapieformen können nicht im Einzelnen auf ihre Anwendung überprüft werden, da unsere Studie die Therapieformen nur in allgemeiner Form dokumentierte. Generell zeigen Befunde von Malone et al. (1997), dass chronisch bzw. schwerst aggressive, dissoziale Kinder allein vom Krankenhausmilieu sowie seiner Struktur profitieren. Damit wäre eine Verbesserung der Situation dissozialer Patienten auf unspezifische Maßnahmen jenseits konkreter Therapien zurückzuführen, die jedoch ebenso auf die Vergleichsstichprobe einwirken.

Nach Steinhausen & Aster (1993) brechen 50-75% der Kinder und Jugendlichen, denen eine Therapieempfehlung ausgesprochen wurde, eine Therapie vorzeitig ab oder beginnen sie erst gar nicht. Dies wird durch unsere Studie nicht bestätigt, in der vielmehr Patienten der Vergleichsstichprobe ihre Behandlung häufiger vorzeitig beenden. Bei Patienten mit Störungen des Sozialverhaltens wird die Therapie häufiger durch den Therapeuten beendet.

Dieser Befund hängt wahrscheinlich mit der unklaren Zuständigkeit psychiatrischer Einrichtungen bei der Behandlung von dissozialen Personen zusammen. Entsprechende Patienten werden frühzeitig in andere Therapiemaßnahmen übergeleitet. Weiter besteht eine eingeschränkte Finanzierung der Behandlung durch die Krankenkassen, die eine Behandlung nur bei Vorhandensein einer komorbiden Symptomatik erstatten (Martin, 2001).

Die Daten hinsichtlich der Kooperationsbereitschaft von Eltern und Patienten zeigen, dass Eltern dissozialer Patienten und dissoziale Patienten selbst signifikant schlechter als Eltern der Vergleichsgruppe Bereitschaft zur Kooperation zeigen. Dies hat einen negativen Effekt auf den Behandlungserfolg. Nach Steinhausen & Aster (1993) ist es jedoch auch Ziel einer Therapie, die Kooperation der Patienten zu verbessern. Ursachen für die schlechte Kooperation können Desinteresse an Therapie bei subjektiv guter Lebensqualität sein. Hier ist die Zufriedenheit mit der Behandlung durch die Patienten und Eltern ein wichtiger Faktor für gute Kooperation. Anhand der im FBB getesteten Zufriedenheit von Eltern und Patienten mit der Behandlung ergibt sich jedoch sowohl vier Wochen nach Therapieende als auch zum Katamnesezeitpunkt kein signifikanter Unterschied zwischen den Stichproben,

so dass dieser Faktor den Unterschied der Stichproben bezüglich ihrer Kooperation nicht erklärt. Es ist aber möglich, dass dissoziale Kinder und Jugendliche nur einen geringen Leidensdruck verspüren und damit keine ausreichende Therapiemotivation haben.

Zu erwarten wäre, dass die Folge guter Kooperation unter anderem ein besseres Ansprechen einer Behandlung und damit ein höherer Therapieerfolg ist. Betrachten wir den Therapieerfolg hinsichtlich der Zielsymptomatik am Ende der Behandlung, so bessert sich die Zielsymptomatik zwar meist, dennoch bestehen signifikante Unterschiede zwischen den Stichproben. Nicht-Dissoziale beenden ihre Behandlung häufiger mit Erfolg, d.h. völlig oder deutlich gebessert. Dissoziale Patienten hingegen sind häufiger nur etwas gebessert oder unverändert bezüglich ihrer Zielsymptomatik.

Keine signifikanten Unterschiede zwischen den Stichproben finden sich in Bezug auf den Erfolg der Behandlung in den Elterninterviews bezüglich des Verlaufs der Zielsymptomatik vier Wochen sowie 1,5 Jahre nach Entlassung.

Sehr schlechte Verläufe kommen bei dissozialen Patienten sowohl vier Wochen als auch 1,5 Jahre nach Entlassung etwas häufiger als bei Patienten der Vergleichsgruppe vor. Auch sind Patienten der Vergleichsgruppe 4 Wochen und 1,5 Jahre nach Entlassung etwas häufiger in sehr gutem Zustand als dissoziale Patienten. Die Hypothese, dass der Therapieerfolg und die längerfristige Entwicklung bei dissozialen Kindern und Jugendlichen nach dem Elternurteil ungünstiger seien als in der Vergleichsgruppe, kann aber nicht bestätigt werden. Es ist davon auszugehen, dass alle psychiatrischen Störungen eine unterschiedlich stark ausgeprägte Chronizität oder Rückfallwahrscheinlichkeit zeigen, so dass der Vergleich mit der Nicht-Dissozialengruppe methodisch ungeeignet wäre. Insgesamt sind alle Patienten nach Entlassung durch den Wechsel des Settings vom Krankenhaus nach Hause oder in eine andere Einrichtung einer gewissen Belastung ausgesetzt. Einschränkend muss festgehalten werden, dass gerade bei den Untersuchungen 1,5 Jahre nach Entlassung sehr geringe Fallzahlen bestehen, so dass die Aussagekraft diesbezüglich eingeschränkt ist.

Zusammenfassend scheint neben der unklaren Zuständigkeit in der Behandlung das Hauptproblem des mangelnden Therapieerfolgs darin begründet zu sein, dass die Störung häufig für das Umfeld der Betroffenen negativere Auswirkungen hat, als für die Patienten selbst. Es muss daher zunächst eine Motivation zur Verhaltensänderung geschaffen werden, um Erfolge herbeiführen zu können. Die Ergebnisse Brestan & Eybergs (1998), die vor allem Eltern-, Familien-, kognitive- etc. Therapieformen als gesichert bzw.

wahrscheinlich wirksam werten, deuten in diese Richtung. Eine Änderung der Umwelt und damit der Erziehungsformen mit Belohnung und Bestrafung könnte eine Anpassung dieses Verhaltens an den Durchschnitt herbeiführen. Ob Eltern dissozialer Kinder und Jugendlicher dies zu leisten fähig sind, bleibt in weiteren Studien zu untersuchen. Unterstützung können dabei sowohl medizinisch-psychiatrische Institutionen wie die Kinder- und Jugendpsychiatrie als auch Jugendhilfeeinrichtungen mit der Durchführung psychosozialer Maßnahmen leisten.

7.5 Grenzen und kritische Würdigung der vorliegenden