• Keine Ergebnisse gefunden

1 Einführung

1.4 Therapie

Abbildung 6: Landmarken (Punkte Aa, Ba, C, D, Bp und Ap), Hiatus genitalis (gh), Perinealkörper (pb) und totale Länge der Vagina (tvl), um das Ausmaß des Prolaps zu definieren

Bump et al. 1996

1.4 Therapie

Nicht alle Frauen mit einer Genitalsenkung benötigen eine Therapie. Für die Diagnostik und Therapie bei symptomatischer Senkung gibt es Leitlinien (10). Eine operative Intervention sollte nur nach Ausschöpfen der konservativen Möglichkeiten erfolgen, kann aber auch primär bei Wunsch der Patientin nach einer operativen Versorgung erfolgen. Zu den konservativen Optionen gehören das durch speziell ausgebildete Physiotherapeuten angeleitete Becken-bodenmuskulaturtraining und/oder die Pessartherapie sowie eine Lifestyle-Änderung (Ernäh-rung, Bewegung) (17). Die Erfolgsraten der konservativen Therapie sind in der Literatur sehr unterschiedlich beschrieben (18). Die Domänen der Physiotherapie sind am ehesten die Prophylaxe und die leichten Senkungszustände. Eine Pessartherapie kann bei Frauen im fertilen Alter eine sehr gute Prophylaxe oder Therapie sein und hilft vielen Patientinnen, gerade im hohen Alter, eine Operation zu vermeiden (19).

Die operative Therapie des Deszensus hat eine lange Historie. Bis in die 1990er Jahre hinein galt die Raffung des Eigengewebes (Kolporrhaphie) teils mit Fixation der Gebärmutter oder des Scheidenapex am Lig. sacrospinale oder der totale Scheidenverschluss als Goldstandard der chirurgischen Versorgung. In den letzten 25 Jahren hat die Vielfältigkeit der operativen Möglichkeiten zugenommen. Abb. 5 zeigt die Entwicklung in den letzten 200 Jahren.

15

Abbildung 7: Entwicklung der operativen Versorgung des Descensus genitalis, Cadenbach-Blome 2020

Gerade im Hinblick auf den demografischen Wandel ist das Streben nach einer rezidiv- und komplikationsarmen operativen Therapie, falls die konservativen Methoden versagen, unabdingbar. Im Rahmen der hier dargestellten Studie liegt der Fokus auf den vaginalen Operationstechniken.

Die operative Rekonstruktion des vorderen Kompartiments durch die herkömmliche Kolporrhaphia anterior zeigt Rezidivraten von bis zu 50 % (10, 20-21). Das Risiko, nach erfolgtem Eingriff erneut einen Deszensus zu erleiden, steigt u. a. mit dem Ausmaß des

16 Primärdefektes, vorhandenen Avulsionen des M. levator ani, der Belastung des Becken-bodens im Alltag (Beruf, Vorerkrankungen) und der OP-Methode. Die Implantation von allo-plastischem Material (vaginales Netz) verbessert signifikant das anatomische Resultat und verringert signifikant die Rezidivrate (10, 22- 23). Allerdings gingen die Netzimplantationen zunächst mit einer hohen Komplikationsrate bzw. unerwünschten Ereignissen wie Arrosionen von Netzanteilen in die Scheide, schmerzhaftem Schrumpfen des Implantats, Dyspareunie, chronischen Schmerzen im Becken und auch Spätinfektionen einher (22). War es in den 50er Jahren noch ein Tantalnetz (oxidiertes Metall), welches implantiert wurde, begann ab den frühen 60er Jahren der Vormarsch der Kunststofffäden und -netze, zunächst in der Hernien-chirurgie, dann auch in der Deszensuschirurgie (24- 27). Anfang der 2000er Jahre galt ein Polypropylennetz mit teilresorbierbaren, monophilen Fäden und einer Porengröße von 2,5 mm als optimales Material für den alloplastischen Gewebeersatz im Beckenboden (28- 29). Daher wurde diese Materialart von vielen Herstellern aufgegriffen und war in verschiedenen Zuschnitten und mit verschiedenen Einführtechniken auf dem Markt erhältlich. Bei anhaltender Diskussion aufgrund der beschriebenen Komplikationen kam es zur stetigen Weiterentwicklung der Implantate (30-31). Die hohe Komplikationsrate führte zu zwei Warnmeldungen bezüglich der vaginalen Implantate durch das US Department of Health and Human Services, Food and Drug Administration (FDA) (32- 33). Viele Hersteller nahmen zunächst ihr Produkt vom Markt, teils aufgrund der besonderen rechtlichen Lage nur in den Vereinigten Staaten, teils weltweit. Mittlerweile sind die alloplastischen Implantate in den angloamerikanischen Ländern zur Therapie des Descensus genitalis vorübergehend verboten (34). Langzeitdaten sind gefordert und sollen bald veröffentlicht werden.

In Europa ist die Situation eine andere. Obwohl es auch hier zur Abnahme der Gesamtzahl der Implantationen kam, bleiben die Zahlen bei den Anwendern, welche regelmäßig vaginale Netzoperationen durchführten, konstant, wie eine Umfrage unter Mitgliedern der IUGA ergab (35). Auch in Deutschland bleiben die Zahlen der netzgestützten Operationen konstant (36).

Durch die fortschreitende Weiterentwicklung der Implantate (Vergrößerung der Poren, Reduzierung des Gesamtgewichts, Erhöhung der Flexibilität), Zunahme der Erfahrung der Operateure und die Verbesserung der Präparier- und Fixationstechniken gelang es, die Zahl der Komplikationen zu verringern (10, 37- 38). In den letzten Jahren publizierte, nationale und internationale Studien zu diesen neuen Implantaten zeigten bereits eine deutlich verringerte Komplikationsrate, eine hohe anatomische Erfolgsrate im Vergleich zu den herkömmlichen Operationen und eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität, auch über einen langen postoperativen Zeitraum hinweg (10, 20, 39- 40). In aktuellen Stellungnahmen der Fachgesellschaften wird die vaginale Netzchirurgie als wichtige Therapieoption genannt (41).

17 1.5 Fragestellung

Die Vorgängerstudie der hier vorgestellten und diskutierten Studie mit dem titanisierten Polypropylennetz TiLOOP® Total 6 zeigte eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität nach Implantation des Netzes zur operativen Korrektur einer symptomatischen Zystozele (23, 39). Die Rezidiv- und Komplikationsraten waren gering, allerdings zeigte sich eine Arrosions-rate von 10,5% (23). Vor dem in der Einführung geschilderten Problem der anhaltenden Diskussion über die vaginalen Netzimplantationen und der geschilderten Datenlage wurde das Implantat optimiert. Das titanisierte Polypropylennetz TiLOOP® PRO A hat größere Poren und ist leichter als sein Vorgänger. Daraus ergaben sich die Annahmen,

− dass sich die Komplikationsrate, insbesondere bezogen auf die auftretenden Arrosionen, innerhalb von 12 Monaten postoperativ verringern würde,

− dass sich die Lebensqualität aber genauso signifikant verbessern würde wie in der Vorgängerstudie,

− dass sich die Ergebnisse bezogen auf das anatomische Resultat, die Veränderung der Symptome und die allgemeine Komplikationsrate bestätigen würden.

Dies wurde im Rahmen dieser multizentrischen Beobachtungsstudie untersucht.

18

2 Material und Methoden

2.1 Studiendesign

Diese prospektive, multizentrische Beobachtungsstudie (TiLOOP®-PRO-A-Studie) wurde an fünf deutschen Kliniken durchgeführt. Es wurden Daten in einem Zeitraum von 12 Monaten nach der Implantation des TiLOOP®-PRO-A-Netzes erhoben. Die Studie wurde nach § 23b des deutschen Medizinproduktegesetzes sowie gemäß der Guten Klinischen Praxis (DIN EN ISO 14155:2012) konzipiert. Sie wurde beim Register der National Institutes of Health [NIH]

(clinicaltrials.gov: NCT02690220) und dem Deutschen Register Klinischer Studien [DRKS]

(DRKS00010001) registriert. Die Studienhypothese fordert, dass sich 12 Monate nach der Implantation des alloplastischen Netzes TiLOOP® PRO A die Lebensqualität der Patientinnen mindestens um die Hälfte der Standardabweichung im Vergleich zum präoperativen Zustand verbessert hat. Dieser Unterschied ist als minimaler klinisch relevanter Unterschied (minimal clinical important difference [MCID]) bekannt (42- 44). Daher wurde folgende Nullhypothese definiert:

Die Lebensqualität der Patientinnen 12 Monate nach der Implantation von TiLOOP® PRO A verbessert sich um weniger als den MCID im Vergleich zum Zustand vor der Operation.

Um die Nullhypothese zu verwerfen und die Studienhypothese zu bestätigen, wird der Wilcoxon-Test für gepaarte Gruppen mit einem Signifikanzlevel von α = 0.05 angewandt.

2.2 Primäre Studienendpunkte

Als primärer Studienendpunkt wurde die Verbesserung der Lebensqualität 12 Monate nach Implantation des TiLOOP®-PRO-A-Netzes im Vergleich zu vor der Implantation definiert.

2.3 Sekundäre Studienendpunkte

Als sekundäre Studienziele wurden das Auftreten von (schweren) Komplikationen (serious adverse events [SAEs], adverse events [AEs]) im Beobachtungszeitraum, die Durchführbarkeit der Operation und die Lebensqualität sechs Monate nach der Implantation definiert.

2.4 Einschlusskriterien

Das Einschlusskriterium für Probandinnen war der symptomatische Descensus genitalis im anterioren Kompartiment, d. h. eine Zystozele ≥ II° nach Klassifikation der ICS unter Zuhilfenahme des POP-Q-Systems (14- 16). Die Probandinnen mussten volljährig sein und kognitiv in der Lage, Art, Fragestellung, Ziel, Nutzen und Risiken der Studie bzw. der Studienteilnahme zu verstehen und die notwendigen Fragebögen selbstständig auszufüllen.

19 2.5 Ausschlusskriterien

Patientinnen, welche eines der folgenden Merkmale aufwiesen, konnten nicht in die Studie eingeschlossen werden:

− nicht abgeschlossene Familienplanung, Schwangerschaft, Stillzeit

− aktuelle onkologische Erkrankung im Bereich des Beckenbodens/der Beckenorgane (vergangene 12 Monate)

− aktuell durchgeführte oder stattgehabte Bestrahlung des Beckenbodens/der Becken-organe

− bekannte Allergie/Unverträglichkeit auf die im Protokoll verwendeten Netzimplantate

− bereits zuvor implantiertes Netz im anterioren Kompartiment

− Teilnahme an einer anderen interventionellen klinischen Prüfung

− fehlende unterschriebene Patienteneinwilligung

− fehlende Bereitschaft der Patientin zur Datenerfassung, Behandlung oder Nachunter-suchungen im Rahmen des Protokolls

− Patientin ist auf gerichtliche oder behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt (MPG

§ 20.3).

2.6 Studienablauf

Die Studie umfasste eine Rekrutierungsphase, die Implantation inklusive des postoperativen Krankenhausaufenthalts und Follow-up[FU]-Untersuchungen sechs Wochen, sechs und 12 Monate postoperativ. Die Zeitpunkte der Datenerhebungen sind Tabelle 1 zu entnehmen:

20

Tabelle 1: Zeitpunkte der Datenerhebung im Verlauf des Prüfzeitraums

Klinische Untersuchung Rekrutierungs-phase

OP /

Krankenhausauf-enthalt

6 Wochen FU 6 Monats FU 12 Monats FU

Zeitraum -28 bis -1 Tag 0 ≥ 1 Tag 4-12 Wochen 6 ± 2 Monate 12 ± 3 Monate

8. Follow Up Untersuchungen X X X

9. Abschlussuntersuchung (X) (X) (X) (X) X

10. Komplikationen (X) (X) (X) (X)

wenn erforderlich

2.7 Studienrelevante Daten

Präoperativ wurden anamnestische Daten zu den Bereichen Demografie, Gesundheits-zustand, vorherige Therapien und Lebensumständen abgefragt. Ebenso wurden prä- und postoperativ die Ergebnisse der Blut- und Urinuntersuchung erfasst. Die klinische Beurteilung des Deszensus bzw. des postoperativen, anatomischen Ergebnisses erfolgte standardisiert mittels des POP-Q-Systems (15) präoperativ, im 6-Wochen-FU und sowohl im 6- als auch 12-Monats-FU. Die Daten des 6-Wochen-FU wurden nicht in die Auswertung mit einbezogen. Als Rezidiv wurde ein Deszensus im anterioren Kompartiment ≥ II° definiert.

Um die Lebensqualität inklusive der aktuellen Symptome der Senkung, die Schwere der Beeinträchtigung und die Auswirkung auf den Alltag der Patientinnen prä- und postoperativ zu erheben und zu vergleichen, wurde der validierte deutsche Prolapse-Quality-of-Life(P-QoL)-Fragebogen genutzt (45-46). In 40 Fragen werden der Gesundheitszustand, die Beeinträchti-gung der Psyche und des Körpers durch die Senkung, die BeeinträchtiBeeinträchti-gung des Rollen-empfindens und der Partnerschaft sowie u. a. der Sexualität erhoben. Die Ergebnisskala reicht von 0 (keine Beeinträchtigung) bis 100 (maximale Einschränkung der Lebensqualität). Um die Entwicklung der Sexualität genauer zu erfassen, wurden weitere acht Fragen zur Sexualität, z. B. nach Empfinden, Dyspareunie oder Lokalisation des Schmerzes während des Geschlechtsverkehrs, aus dem validierten deutschen Beckenbodenfragebogen ergänzt (47).

Den Patientinnen stand es frei, einzelne oder alle Fragen zu ihrer Lebensqualität nicht zu

21 beantworten. Sexuell inaktive Patientinnen beantworteten die Fragen zur Sexualität mit „keine Angabe möglich“.

2.8 AEs und Clinical Event Committee [CEC]

AEs wurden zu jedem Zeitpunkt der Studie dokumentiert. Die Bewertung der unerwünschten Ereignisse erfolgte unter Zuhilfenahme der Common Terminology Criteria for Adverse Events (CTCAE, Version 0.4) durch ein unabhängiges externes CEC (48). Die teilnehmenden Experten haben zuvor durch Offenlegung ihrer (finanziellen) Interessen ihre Unabhängigkeit bestätigt und wurden aufgrund ihrer wissenschaftlichen und medizinischen Expertise ausgewählt.

2.9 Datenerhebung und Qualitätssicherung

Die Sammlung der relevanten Studiendaten erfolgte mittels eines elektronischen Prüfbogens (electronic case report form [eCRF]) auf der Basis des FDA Code of Federal Regulations [CFR]

21, Teil 11, welche eine Grundlage für den Ersatz von Papierdokumenten durch elektronische Informationen u. a. in klinischen Studien schafft. Folgende Punkte konnten durch ein 100%-Monitoring des Prüfplans sichergestellt werden:

− Einhaltung der Regeln der Good Clinical Practice

− Einhaltung des Prüfplans

− Vollständigkeit der Einverständniserklärungen

− Vollständigkeit der eCRF und Übereinstimmung der eingegebenen Daten mit den Originaldaten

− Einhaltung der Regeln für die Anzeige und Eingabe von (S)AEs

− Vollständigkeit der gesamten Dokumentation

Der Sponsor der Studie führte zusätzlich ein internes Studienaudit durch, in dem die Dokumentation in den Krankenhausakten der Probandinnen geprüft wurde.

2.10 Datenschutz

Alle Daten wurden bundesdatenschutzgesetzkonform erhoben. Im eCRF wurden die Patientinnen ausschließlich über die Initialen, das Geburtsjahr und ihre individuelle Studien-identifikationsnummer identifiziert.

22 2.11 Statistik

Die statistische Analyse erfolgte mit IBM SPSS®. Der Wilcoxon-Test wurde für die statistische Analyse der Veränderung der Lebensqualität, inkl. Sexualität, zwischen dem prä- und post-operativen Zeitpunkt angewandt. Der Vergleich von zwei Stichproben erfolgte mit dem Chi-Quadrat- und dem exakten Test nach Fisher. Zur Analyse temporaler Progressionen von abhängigen Gruppen wurde der Wilcoxon-Test angewandt, z. B. zur Berechnung der Änderungen in den Domänen des P-QoL-Fragebogens. Der Vergleich unabhängiger Gruppen wurde mittels Kruskal-Wallis-Test, der gepaarte Vergleich mit dem Mann-Whitney-Test berechnet. Die demografischen Daten der Patientinnen, es wurden Angaben zu Alter, Größe, Gewicht und dem Body Mass Index [BMI] erhoben, und andere Ergebnisse wie z.B. zur Dranginkontinenz [DI] wurden mittels deskriptiver Statistik ausgewertet.

2.12 Ethikvotum

Vor Beginn der Studie wurde das Studienvorhaben, u. a. der Prüfplan sowie die Patienten-einwilligungserklärung von den in den jeweiligen Bundesländern der Studienzentren zustän-digen unabhängigen Ethikkommissionen geprüft und freigegeben.

2.13 Implantat

Bei dem Prüfprodukt handelt es sich um ein nicht-absorbierbares, alloplastisches Netz, TiLOOP® PRO A. Es besteht aus monofilamentärem, weiß und blau pigmentierten Polypro-pylen, an welches Titan kovalent gebunden ist. Die Titanisierung löst durch die Hydrophilie des Titandioxids an der Oberfläche eine geringere Immunreaktion auf Zellebene aus im Vergleich zu nicht-titanisierten Implantaten (49- 50). Das hier verwendete Netz hat sechs Arme, eine Porengröße von 3 mm und ein Gewicht von 24 g/m². Nach der Richtlinie 93/42/EWG der Europäischen Union [EU] ist das Implantat ein Medizinprodukt der Klasse IIb (Appendix IX/ III./2.4. Regel 8) und seit März 2015 für die pfm medical titanium gmbh CE zertifiziert (CE0124, DEKRA Certification GmbH). TiLOOP® PRO A wird in einer Behandlungs-einheit vertrieben (TiLOOP® PRO PLUS A), d. h. zu jedem Implantat gehört ein ebenfalls steriles Einmal-Implantationskit, bestehend aus den Einführhülsen und den Rückholschlaufen.

Das Prüfprodukt ist zur operativen Rekonstruktion des anterioren und apikalen Kompartiments im weiblichen Beckenboden indiziert. Die Implantation erfolgt transvaginal mittels Implan-tationskit, die Stabilisation erfolgt über eine Sechs-Punkt-Fixation.

23

Abbildung 8: TiLOOP® PRO A, inkl. Implantationskit pfm medical AG

Im Rahmen der Studie wurden die Implantate als Studienware gekennzeichnet und an den jeweiligen Studienzentren in einem Konsignationslager vorgehalten. Es wurde dokumentiert, welches Implantat (Serien-, Lotnummer) wann entnommen und implantiert wurde. Gleichzeitig wurde die individuelle Patientinnen-ID der Studie dem Implantat zugeordnet. Bei Bedarf konnten die Operateure postoperativ zu jedem Implantat Zuschnittbögen ausfüllen, wenn es zu einem Zuschnitt des Implantats durch den Operateur gekommen war.

2.14 Implantation

Der operative Zugangsweg erfolgt von vaginal. Zur Implantation des Prüfprodukts wurde zunächst die Zystozele klassisch präpariert. Anschließend wurden über transobturatorische und ischiorektale Tunnelung die Einführhülsen gelegt.

Abbildung 9: Implantation eines TiLOOP®-PRO-A-Netzes, OP-Situs nach Einbringen der Einführhülsen.

Foto: T. Cadenbach-Blome

24 Nach Einfädeln der Netzarme wurde das Netz an verschiedenen Punkten über Einzelknopf-nähte fixiert, je nach Operateur mit zwei oder drei FixationsEinzelknopf-nähten. So erfolgte die Fixation des Netzes distal in der Fascia obturatoria, lateral am Arcus tendineus in direkter Nähe der Spina ischiadica und apikal im Lig. sacrospinale jeweils rechts wie links.

Abbildung 10: Fixationspunkte des TiLOOP®-PRO-A-Netzes.

Modifiziert aus: Anatomische und chirurgische Grundlagen zur Netzrekonstruktion des Beckenbodens, T. Wedel, F. Pauli, Stuttgart, Thieme 2010

Alle Patientinnen erhielten eine perioperative Antibiotikagabe, zusätzlich ließ das Studien-protokoll Begleiteingriffe wie z. B. die Hysterektomie, eine herkömmliche Kolporrhaphia posterior, eine Netzimplantation im hinteren Kompartiment und/oder die suburethrale Schlingenanlage zu. Postoperativ wurde eine lokale vaginale Östrogenisierung verordnet.

25

3 Ergebnisse

3.1 Patientinnenkohorte

Die Patientinnenkohorte ist in Abb.11, einem Schaubild nach dem Consolidated Standards of Reporting Trials [CONSORT] Statement dargestellt (51).

Abbildung 11: Patientinnenkohorte im Studienverlauf

Die Zeitpunkte und Anzahl der Nachuntersuchungen sind in Tab. 2 dargestellt.

Tabelle 2: Zeitpunkte und Anzahl der erhobenen Follow-up-Untersuchungen

Klinische Untersuchung Rekrutierungs-phase

OP /

Krankenhausauf-enthalt

6 Wochen FU 6 Monats FU 12 Monats FU Zeitraum -28 bis -1 Tag 0 ≥ 1 Tag 4-12 Wochen 6 ± 2 Monate 12 ± 3 Monate

Anzahl der Patientinnen 52 52 52 49 49

26 3.2 Demografie

Im Mittel waren die teilnehmenden Patientinnen 67,5 Jahre alt, 162,9 cm groß und 73,6 kg schwer mit einem Body Mass Index [BMI] von 27,7:

Tabelle 3: Demografische Daten der Studienpopulation

N = 52 Mittelwert und welche mit der gleichen Indikation operiert wurden, wurden die Altersverteilung und andere demografische Parameter der Studienpopulation mit den Daten des Zensus bzw. der durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) bereitgestellten Diagnosis-Related-Groups-(DRG)Daten für deutsche Kliniken verglichen (52- 53). Es wurden die Diagnose-gruppen N06Z, N13A, N04Z und N14Z (N06Z: Komplexe rekonstruktive Eingriffe an den weiblichen Geschlechtsorganen, N13A: Große Eingriffe an Vagina, Zervix und Vulva außer bei bösartiger Neubildung oder kleine Eingriffe an Vagina und Douglasraum oder bestimmter Eingriff an der Harnblase, Alter > 80 Jahre oder äußerst schwere oder schwere CC, N04Z: Hysterektomie außer bei bösartiger Neubildung, mit äußerst schweren oder schweren CC oder mit komplexem Eingriff, N14Z: Hysterekt. auß. b. BNB m. Beckenbodenpl. od. Brachyth. b. Krankh./Stör. weibl.

Geschl.Org., > 1 BT, m. äuß. schw. CC/selekt. Gefäßembol. od. Ovariekt./kompl. Eingriffe an den Tubae uterinae auß. bei BNB, ohne äuß. schwere od. schwere CC, Alter < 16 Jahre) ausgewählt.

Hierbei erwies sich die Studienpopulation als vergleichbar mit der Normalpopulation. Einzig auffällig war, dass in der Studienpopulation die Gruppe der ≤ 49-Jährigen fehlte, welche in der Normalbevölkerung vertreten war. Zu begründen ist dies dadurch, dass eine Rekonstruktion mit Netzimplantation in der Regel erst bei älteren Frauen durchgeführt wird. Exemplarisch ist in Tab. 4 die Verteilung des BMI dargestellt:

Tabelle 4: BMI-Verteilung der Studienpopulation und der Normalbevölkerung

Anzahl Pat. % der Population

27 3.3 Allgemeine Anamnese

Es wurden Fragen zur medizinischen Vorgeschichte und zu den Lebensumständen gestellt.

Über die Hälfte der Probandinnen, 51,9% (27/52), gaben an, an arteriellem Hypertonus erkrankt zu sein, 26,9% (14/52) litten an einer Schilddrüsenunterfunktion. Über ein Drittel der Patientinnen (32,7%, 17/52) verrichteten früher schwere körperliche Arbeit, 19,2% (10/52) noch heute. 21,2% (11/52) konnten angeben, dass ihre Mutter ebenfalls an einem Deszensus litt. Tab. 5 gibt einen Überblick über die Antworten zur allgemeinen Anamnese:

Tabelle 5: Allgemeine Anamnese

Menopause

3.4 Gynäkologische Anamnese

Durchschnittlich haben die Patientinnen 2,3 ± 1,0 Kinder geboren (0-4 min/max) geboren, 90,4% (47/52) Patientinnen per Spontangeburt, 11,5% (6/52) per vaginal operativer Entbin-dung und eine Patientin (1,9%) per Kaiserschnitt. Das Durchschnittsalter bei Eintritt der Meno-pause war 49,4 Jahre (33-62 min/max). 32,7% (17/52) der Frauen hatten bereits eine Östrogentherapie erhalten (systemisch oder lokal), wobei die Streubreite der Dauer groß war und von null bis elf Jahre reichte. Eine konservative Ersttherapie des Deszensus wurde bei 51,9% (27/52) der Patientinnen durchgeführt, wobei 25% (13/52) eine Pessartherapie und 26,9% (14/52) ein Beckenbodentraining durchgeführt hatten. 30,8% (16/52) der Teilnehmerinnen waren hysterektomiert und 13,5 % (7/52) waren aufgrund einer Senkung bereits voroperiert.

3.5 Begleit- und Zusatzeingriffe

Bei 76,92% (40/52) der Patientinnen wurde ein Begleiteingriff bei der Implantation durch-geführt. 19,2% (10/52) erhielten zur Korrektur des hinteren Kompartiments eine zusätzliche vaginale Netzimplantation, ebenfalls mit einem titanisierten Polypropylennetz (TILOOP® PRO P, TiLOOP® Total 4), wobei 17,3% (9/52) diesen Eingriff parallel zur Implantation des Prüfprodukts erhielten und 1,9% (1/52) im Verlauf des Prüfintervalls. Bei 57,7% (30/52) der Patientinnen wurde parallel zur Implantation eine klassische Kolporrhaphia posterior durchgeführt. 13,5% (7/52) wurden hysterektomiert und 7,69% (4/52) der Patientinnen bekamen innerhalb des Prüfintervalls eine suburethrale Schlingenanlage

28 3.6 Anatomisches Ergebnis

3.6.1 Präoperative Daten, Ausgangswerte

Zum Rekrutierungszeitpunkt war der Mittelwert des ICS-Grades der Probandinnen 2,7 ± 0,5 (n = 52; erhoben nach dem POP-Q-Schema). 30,8% (16/52) zeigten einen kompartiment-übergreifenden Deszensus ICS-Grad II, 65,4% (34/52) Grad III und 3,8% (2/52) Grad IV. Im vorderen Kompartiment war der Mittelwert 2,7 ± 0,5 (n = 52). 32,7% (17/52) zeigten eine Zystozele Grad II und die übrigen 67,3% (35/52) eine Zystozele Grad III. Tab. 6 und Abb. 2 zeigen die Verteilung des Gesamtdeszensus und des Deszensus in den Kompartimenten zum Zeitpunkt der ersten klinischen Vorstellung.

Tabelle 6: ICS-Grad vor der Implantation

N % N % N % N %

Total 52 100.0 52 100.0 52 100.0 52 100.0

ICS Grad Total Anterior Posterior Apical

Grafische Darstellung des ICS-Grades des Gesamtdeszensus vor der Implantation:

Abbildung 12: Verteilung des ICS-Grades des Gesamtdeszensus vor der Implantation 0

29 3.6.2 Anatomisches Ergebnis im Studienverlauf

Der ICS-Grad des Deszensus nach Implantation des TiLOOP®-PRO-A-Netzes wurde in allen Follow-up-Untersuchungen per POP-Q-Messung erhoben. Der Gesamtdeszensusgrad, wie auch die Grade des Deszensus in den Kompartimenten, verbesserten sich signifikant (p < 0,001).

Der Anteil der Patientinnen mit einem Gesamtdeszensus ICS-Grad ≥ 2 sank von 100% (52/52) vor der Implantation auf 2% (1/51) im Wochen-Follow-up und stieg auf 12,5% (6/48) im 6-Monats-Follow-up bzw. 19,6% (9/46) im 12-6-Monats-Follow-up. Im vorderen Kompartiment sank der Anteil von Patientinnen mit einem ICS-Grad ≥ 2 von 100% (52/52) auf 0% im 6- Wochen- und 6-Monats-Follow-up und stieg im 12-Monats-Follow-up auf 4,3% (2/46).

Präoperativ zeigten im hinteren Kompartiment 63,4% (33/52) der Probandinnen einen ICS-Grad ≥ 2. Sechs Wochen nach der Operation sank der Anteil auf 2% (1/51), stieg nach 6 Monaten auf 10,4% (5/48) und nach 12 Monaten auf 19,6% (9/46). Einen ICS-Grad ≥ 2 des apikalen Kompartiments zeigten 53,8% (28/52) der Probandinnen vor der Implantation. Sechs Wochen nach der Implantation sank der Anteil auf 0%, 6 Monate nach der Operation stieg er auf 4,2% (2/48) bzw. zeigten 4,3% (2/46) der Patientinnen 12 Monate nach der Implantation einen ICS-Grad ≥ 2. Nachfolgend sind die Veränderungen der anatomischen Befunde des anterioren und apikalen Kompartiments im Verlauf des Prüfzeitraums grafisch dargestellt (Abb.

13 und 14).

Abbildung 13: Entwicklung des ICS-Grades, anteriores Kompartiment

0

30

Abbildung 14: Entwicklung des ICS-Grades, apikales Kompartiment

3.7 Entwicklung der Prolapssymptome

Mindestens ein vaginales, durch den Prolaps verursachtes Symptom gaben vor der Implantation 96,2% (50/52) der Patientinnen an, wobei Fremdkörpergefühl (86,5%, 45/52) das häufigste Symptom war, gefolgt von Vorwölbung in die Vulva (84,6%, 44/52) und Druckgefühl im Beckenboden (61,5%, 32/52). Im 6-Monats-FU gab keine der 49 Patientinnen an, ein Fremdkörpergefühl oder eine Vorwölbung in die Vulva zu spüren. Ein Druckgefühl im Beckenboden verspürten noch 10,2% (5/49). Im 12-Monats-FU gaben 4,1% (2/49) an, ein Druckgefühl im Beckenboden zu verspüren, 2% (1/49) verspürten ein Fremdkörpergefühl.

Keine Patientin berichtete über eine Vorwölbung in die Vulva. Über die Hälfte der Patientinnen

Keine Patientin berichtete über eine Vorwölbung in die Vulva. Über die Hälfte der Patientinnen