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Theorie der Wahrheitsfunktionen

Im Dokument Elementare Logik (Seite 28-57)

1 Zu einer Analyse der umgangssprachlichen Konjunktion vgl. auch [24]

1.2 Theorie der Wahrheitsfunktionen

1.2.1 Symbolisierung aussagenlogischer Verknüpfungen

W i r haben oben einige einfache Beispiele aussagenlogischer Sat;z-verknüpfungen angegeben u n d gezeigt, wie sich aus den Prinzipien, d i e

den Gebrauch solcher Verknüpfungen regeln, einfache Schlüsse rechtfer-tigen lassen. W i r sind dabei aber schon auf zwei Schwierigkeiten gestoßen:

1. D i e untersuchten Satzstrukturen gehorchen i n der Umgangs-sprache keinen einfachen syntaktischen Regeln, m a n k a n n nicht eine einheitliche Gestaltung v o n Negationen, v o n Konjunktionen oder v o n Disjunktionen angeben. D i e B i l d u n g mehrfacher Verknüpfungen, etwa die B i l d u n g der Negation einer Disjunktion zweier Konjunktionen macht Schwierigkeiten. D i e S t r u k t u r solcher komplexer Sätze w i r d sehr schnell unübersichtlich, wie folgendes Beispiel zeigt: ,,Nicht F e r d i n a n d liebt M a r i a u n d M a r i a liebt K u r t oder K u r t liebt Maria u n d M a r i a liebt F e r d i n a n d " .

Soll das soviel besagen w i e :

„Ferdinand liebt M a r i a nicht. U n d : Maria liebt K u r t oder K u r t liebt Maria. U n d M a r i a Hebt F e r d i n a n d . " — oder: „Nicht: Ferdinand hebt M a r i a u n d M a r i a liebt K u r t . Oder: K u r t liebt Maria u n d Maria hebt F e r d i n a n d " — oder wie ist das Zusammenwirken der Verknüpfungen i n diesem Satz sonst z u verstehen?

2. D a s gleiche W o r t , wie z. B . das W o r t „oder" w i r d umgangs-sprachlich i n ganz verschiedenen Bedeutungen gebraucht. U m heraus-zufinden, i n welchem Sinn solche Worte gebraucht werden, muß m a n also den K o n t e x t analysieren, i n dem das W o r t vorkommt. E s ist aber nicht gesagt, daß der K o n t e x t immer eine eindeutige Interpretation des Wortsinns erlaubt.

Einen weiteren wesentlichen P u n k t haben w i r bisher noch gar nicht erwähnt:

3. D i e logisch gültigen Schlüsse sind formal gültig, d . h . sie sind unabhängig v o m materialen Gehalt der Sätze gültig. Daher eignet ihnen eine Allgemeinheit, die w i r umgangssprachlich nur auf kompli-zierten Umwegen wiedergeben können. So kann m a n n u r solche Aus-sagen machen wie etwa: E i n e Disjunktion, deren zweites Glied die Negation des ersten Gliedes ist, ist immer wahr (das ist das Prinzip tertium non datur). A b e r für komplexere Sätze w i r d das recht u m -ständlich. Ähnliche Gründe haben i n der Mathematik dazu geführt, daß m a n nicht schreibt:

„Die Summe zweier Brüche, subtrahiert v o n dem Produkt der Quadrate ihrer Nenner", sondern, unter Verwendung einer geeigneten Symbolik, kurz u n d übersichtlich „x2 - y2 — ( — + — j .

Eine solche einfache u n d übersichtliche Symbolik wollen wir uns jetzt auch für die Darstellung der a.l. Verknüpfungen verschaffen.

D a z u repräsentieren wir die Sätze der Umgangssprache durch die Buch-staben p, q, r, s, t u n d auch durch solche BuchBuch-staben mit angehängten Ziffernindices, also durch pJf q3, s97 usf., damit w i r einen hinreichend großen Vorrat solcher Satzsymbole haben. Diese Symbole bezeichnen wir als Satzvariable (kurz S V ) . Für die Wörter „nicht", „und" und für das nichtausschließende „oder" setzen w i r die Symbole „—i", „ A "

u n d „ v " und schreiben n u n „—i " statt „Nicht ",

„ A . . . " statt „ u n d . . . " u n d „ v . . . " statt ,, oder . . . " . Steht etwa^> für den Satz „Schmid kandidiert bei der W a h l des Vereinsvorstandes" u n d q für „Schulze kandidiert bei der W a h l des Kassenwartes", so steht nun —\p für „Schmid kandidiert nicht bei der W a h l des Vereinsvorstandes", p A q für „Schmid kandidiert bei der W a h l des Vereinsvorstandes u n d Schulze kandidiert bei der W a h l des Kassenwartes" u n d p v q für „Schmid kandidiert bei der W a h l des Vereinsvorstandes oder Schulze kandidiert bei der W a h l des Kassenwartes". D i e Symbole —i , A u n d v nennt man auch a.l. Opera-toren.

A u s den S V als a.l. einfachen Sätzen können wir also m i t den a.l.

Operatoren zusammengesetzte Sätze bilden. A u s diesen zusammen-gesetzten Sätzen können w i r dann mit Hilfe der a.l. Operatoren neue Sätze bilden, usf. Dabei müssen wir n u n eine Regelung treffen, wie solche mehrfach zusammengesetzten Formeln z u verstehen sind. F ü r den gleichen Zweck verwendet m a n i n der Mathematik K l a m m e r -zeichen. So bedeutet etwa „ 7 - (8 + 3)" das P r o d u k t aus 7 u n d der Summe 8 + 3. Hingegen bedeutet ,,(7-5) + 3" die Summe aus dem Produkt 7 • 8 u n d der Z a h l 3. D a der erstere Ausdruck 77, der letztere 59 bedeutet, so kann m a n nicht einfach beidesmal „7 • 8 + 3" schreiben, wenn m a n Mehrdeutigkeiten vermeiden will, wie das die Aufgabe jeder brauchbaren Symbolik ist.

E s liegt also nahe, auch i n der a.l. Symbolik Klammerzeichen z u verwenden u n d festzulegen, daß ein Satz unserer a.l. Symbolik, der durch K l a m m e r n eingeschlossen ist, als Einheit gilt bzgl. der a.l. Opera-toren, die unmittelbar vor oder hinter i h m stehen. So ist (p A q) v r eine Disjunktion, deren erstes Glied p A q ist, p A (q v r) ist hingegen eine K o n j u n k t i o n , deren zweites Glied q v r ist. —\{p A q) ist eine N e -gation, i n der die K o n j u n k t i o n p A q verneint wird, hingegen ist (—\p) A q eine K o n j u n k t i o n , deren erstes Glied —\p ist.

D a m i t m a n n u n nach dieser Grundregel nicht z u viele K l a m m e r n setzen m u ß u n d die Formeln durch ein Klammerdickicht unüberschaubar werden, führt m a n besondere Regeln ein, die Klammereinsparungen erlauben. Ebenso wie m a n i n der Mathematik durch die Festsetzung, daß das Zeichen ,, * " stärker bindet als das Zeichen „ + " die K l a m m e r i m A u s d r u c k „(7 • 8) + 3" einsparen k a n n u n d dafür ,,7 • 8 + 3"

schreibt, so k a n n m a n durch die Festsetzung, daß —i stärker bindet als A u n d v , u n d A stärker als v , K l a m m e r n einsparen. M a n k a n n dann z. B . statt {-\p) A q auch —\fl A q schreiben, statt (~$) v q auch

—\p v q, u n d statt (p A q) v r auch p A q v r. N i c h t entbehrlich sind hingegen die K l a m m e r n i n den Sätzen —i(p A q), —\(p v q) u n d (p v q) A r.

Ausgehend v o n den S V können w i r i n unserer Symbolsprache durch a.l. Verknüpfungen etwa folgende Sätze bilden:

P

-np r, p -\p A q, r v p (—ip A q) A (r v p)

- I (HA { ) A {rvp))t usf.

I m folgenden verwenden w i r auch die Buchstaben A , B , C, D , . . . , u m nicht näher spezifizierte F o r m e l n unserer Symbolsprache anzudeuten, i m gleichen Sinn, i n dem wir oben Striche ,, " u n d P u n k t e „ . . verwendet haben, u m Sätze anzudeuten, deren syntaktische Gestalt offen blieb. W i r können dann z. B . sagen: eine Negation hat i n unserer Symbolsprache die Gestalt —»A, eine K o n j u n k t i o n die Gestalt A A B , eine D i s j u n k t i o n die Gestalt A v B . A A B deutet also einen Ausdruck an, der besteht aus einer F o r m e l A , gefolgt v o n dem Zeichen A , gefolgt von einer F o r m e l B . Steht A z . B . i n einem bestimmten K o n t e x t für die F o r m e l ^ v -iqt B für q A —I—ir, so steht A A B für (p v —iq) A (q A -I—ir).

M a n beachte dabei, daß die F o r m e l n A u n d B bzgl. der K o n j u n k t i o n i n A A B eine Einheit bilden, so daß m a n wie i m Beispiel ev. neue K l a m m e r n setzen muß, u m diese E i n h e i t hervorzuheben. M a n darf also i m Beispiel die K o n j u n k t i o n A A B nicht als p v —\q A q A — schreiben, was j a nach den Klammerregeln wie p v (—\q A (q A - m r ) ) , d. h . als Disjunktion z u lesen wäre.

D a die Buchstaben A u n d B i m allgemeinen für unspezifizierte Formeln stehen, versteht sich eine Aussage etwa über die K o n j u n k t i o n A A B i m Sinn der Behauptung: S i n d A u n d B irgendwelche Sätze der

Symbolsprache, so gilt die Aussage über A A B für die K o n j u n k t i o n

dieser Sätze. A A B ist also i m allgemeinen ein Satzschema, nicht ein bestimmter Satz.

D u r c h die Verwendung der a.l. Symbolik sind wir nun der Mängel der Umgangssprache enthoben, die w i r eingangs hervorgehoben hatten:

1. D i e Satzverknüpfungen gehorchen einfachen syntaktischen Ge-setzen. Jeder negierte Satz hat die Gestalt —iA, jede K o n j u n k t i o n die Gestalt A A B u n d jede Disjunktion die Gestalt A v B . D i e K l a m m e r -regeln legen die a.l. S t r u k t u r jedes Satzes eindeutig fest, so daß keine Mehrdeutigkeiten auftreten können. Jedem Satz läßt sich also sofort ansehen, ob er eine Negation, K o n j u n k t i o n oder Disjunktion ist, welche Struktur seine Teilsätze haben, usf. Gehen w i r auf den Satz zurück

a) „Nicht Ferdinand liebt Maria u n d M a r i a liebt K u r t oder K u r t Hebt M a r i a u n d Maria hebt F e r d i n a n d " ,

so können wir die Intention dieses mehrdeutigen Satzes n u n durch die Ubersetzung i n unsere Symbolik genau fixieren. Setzen w i r die B u c h -staben p, q, Y, s für die Sätze „Ferdinand liebt M a r i a " , „Maria liebt K u r t " , „Kurt liebt M a r i a " , „Maria liebt F e r d i n a n d " i n dieser Reihen-folge, so erhalten w i r folgende Ubersetzungsmöglichkeiten:

-\{p A q v r A s), —\(p A (q v r A S)), —\(p A ((q v r) A s)),

~-i{p A q v r) A s, —\(p A (q v r)) A S, -}(p A q) v r A S,

—\p A qv r A s, —ip A ((q v r) A S), ((—\p A q) v r) A S.

Die Vielzahl dieser möglichen Aufgliederungen der Satzstruktur v o n (a) zeigt deutlich die Überlegenheit der Symbolsprache v o r der U m -gangssprache.

2. A u c h die Vieldeutigkeiten der a.l. Verknüpfungswörter der U m -gangssprache wird i n der Symbolsprache vermieden. D i e a.l. Operatoren gehören j a der Umgangssprache nicht an u n d sind zunächst bedeutungs-lose Zeichen.. Ihnen w i r d dann kraft Festsetzung n u r eine bestimmte Bedeutungsfunktion zugeordnet u n d n u r i n dieser einen B e d e u t u n g werden sie dann verwendet. So w i r d das Zeichen v nur i n der B e d e u t u n g des nichtausschließenden „oder" verwendet, die durch das P r i n z i p 1.1.2.3.2 festgelegt ist, n i m m t also a n der Mehrdeutigkeit des umgangs-sprachlichen „oder" nicht teil.

3. I n der Mathematik stehen Variable i n manchen K o n t e x t e n für bestimmte Zahlen. Ebenso repräsentieren die S V i n gewissen K o n

-texten, i n denen bestimmte Interpretationen dieser S V durch umgangs-sprachliche Sätze zugrunde gelegt werden, Sätze eines bestimmten Inhalts. D i e V a r i a b l e n werden i n der Mathematik v o r allem aber auch dazu verwendet, die Allgemeingültigkeit eines Satzes auszudrücken.

So besagt z. B . die Gleichung:

b) (x + y)2 = X2 + 2xy + y2, daß diese Identität gilt, gleich welche Zahlen die Variablen ,,x" u n d „y" repräsentieren mögen, d . h . daß die Identität für alle Zahlen x u n d y gilt. Ebenso können w i r durch die V e r w e n d u n g v o n Satzvariablen eine Allgemeingültigkeit ausdrücken.

D a n n besagt der Satz p v —yp, daß p v —\p wahr ist, gleich welche speziellen Sätze p repräsentieren möge, d . h . p v -np besagt, daß für alle Sätze das tertium non datur gilt. Tatsächlich geht es j a i n der Logik vor allem u m die Formulierung formal gültiger Sätze, so daß die D e u t u n g der S V , außer i m K o n t e x t v o n Beispielen, immer offen bleibt u n d die S V damit i n erster Linie dem Ausdruck der Allgemeingültigkeit dienen.

Die Gleichung (b) geht kraft ihrer Allgemeingültigkeit immer wieder in eine wahre Aussage über, wenn m a n für die Variablen „x" u n d ,,y(t spezielle Zahlnamen einsetzt. So gilt z. B . auch (7 + 3)2 = 12 + 2*1 -3 + 32 u n d (77 + 198)2 = 172 + 2-17- 198 + 1982. Ferner können wir auch für die Variablen Ausdrücke einsetzen, die selbst wieder Variablen enthalten, wie z. B . ,,z + 7" für „x" u n d ,,3u2" für „ y . W i r erhalten dann ((* + 7) + 3u2)2 = (z + 7)2 + 2(z + 7)3u2 + {3u2)2. Alle so aus (b) entstehenden Gleichungen müssen richtig sein, wenn (b) allgemeingültig ist. Ebenso erhalten w i r aus d e m allgemeingültigen Satz p v —ip durch Einsetzung v o n Sätzen für die Variable p immer wieder wahre Sätze. Setzt m a n z. B . q für p ein, so erhält man q v — setzt m a n q v r für p ein, so erhält m a n (q v r) v —\(q v r), usw. M a n beachte, daß bei solchen Einsetzungen, wie i m letzten Beispiel, wieder die nötigen Klammerzeichen einzufügen sind, damit die Satzgestalt A v - i A erhalten bleibt. A u s der Allgemeingültigkeit v o n p v —\p folgt also die Wahrheit aller Sätze der Gestalt A v —iA. Umgekehrt folgt aus der Wahrheit a l l dieser Sätze natürlich auch die Wahrheit v o n p v -ip, d a j a A speziell für p stehen k a n n , so daß wir also z u m Ausdruck der Allgemeingültigkeit neben d e m Satz p v —\p auch das Satzschema A v - i A verwenden können.

Zur Darstellung der Schlüsse führen wir nun das S y m b o l „ V ein.

Es ist dann der Ausdruck „ Ax, . . . , Am- * - B " z u lesen wie „Aus den

Sätzen Av. . . , Am folgt der Satz B " . I n dem Schluß Av. . . , Am- ^ B sind also A ^ . - ^ A ^ die Prämissen u n d B ist die Konklusion. Die einfachen a.l. Schlüsse aus 1.1.2 lassen sich dann wie folgt darstellen:

I) -\-ip p, oder - i - i A ->- A II) p -*- —i—\p, oder A —i—iA III) pAq + p, oder A A B - A IV) pAq+q, oder A A B - > B .

Die Verwendung der Satzvariablen p u n d q, b z w . der Buchstaben A u n d B drückt dabei die Allgemeingültigkeit dieser Schlüsse aus.

Übungsaufgaben :

1. Z u r Einübung der i n diesem Abschnitt entwickelten Symbolik übersetze m a n die folgenden Sätze i n die Symbolsprache. Dabei kürze m a n die nicht m i t „nicht", „und" oder „oder" zusammengesetzten Teilsätze durch S V ab, so daß immer verschiedene S V für verschiedene Teilsätze stehen. D i e umgangssprachlichen Sätze sind dabei, wo nötig, zuerst so umzuformen, daß die Wörter „nicht", , , u n d " , „oder" sich auf vollständige Teilsätze beziehen. S i n d die Sätze mehrdeutig, so gebe man die verschiedenen möglichen Übersetzungen an.

a) F r i t z studiert Chemie u n d Hans studiert nicht P h y s i k . b) F r i t z studiert Chemie oder Physik u n d Philosophie.

c) H a n s u n d F r i t z studieren Chemie oder P h y s i k .

d) F r i t z fährt nach Florenz u n d Pisa oder nach Florenz u n d Siena und nicht nach Pisa.

e) F r i t z fährt nach Florenz, Pisa oder Siena u n d nach R o m oder Neapel.

f) F r i t z fährt nicht nach Florenz oder Pisa, aber nach Siena u n d R o m1.

2. Bilde aus folgenden Ausdrücken durch Einfügung v o n K i a m m e r -zeichen alle möglichen symbolsprachlichen Sätze:

a) —\p v —\q A v v s v t, b) —\p A q v —ir A s v t, c) pAqv—\rvsAt.

1 Zur Kontrolle geben wir die Übersetzungen an: a) p A —\q, b) (p v q) A r oder p v q A r, c) (p v q) A (r v s) oder pArvqAs,d)pAqv (r A S) A -nq, e) (p v q v r) A ($ v t), f) —i(p v q) A (r A s).

3. Welche F o r m e l n entstehen aus a) p A —\q,

b) (p v q) A -ip,

c) -i{pvq) A - i ( ^ A g ) , d) p A (qv —ip)

d u r c h Einsetzung v o n

(1) r v —is für p, (2) —i(r v q) A—\q für (3) —1(—\p A r) für p u n d v o n

—0 für q, (4) —i(r v p) A (S V -tf) für p u n d von (r v —1*7) für q?

1.2.2 Wahrheitstabellen

N a c h d e m w i r n u n eine einfache Symbolik zur Darstellung v o n a.l.

Schlüssen aufgebaut haben, wollen wir eine Systematisierung der Gebrauchsprinzipien für aussagenlogische Verknüpfungen vornehmen, wie w i r sie i n 1.1.2.1.1,1.1.2,2.1,1.1.2.3.1 u n d 1.1.2.3.2 angegeben haben.

Diese Prinzipien haben folgende Eigentümlichkeit: N a c h ihnen hängt die Wahrheit oder Falschheit des Satzkompositums ausschließlich von der Wahrheit b z w . Falschheit der komponierten Sätze ab, nicht hingegen v o n deren materialem Gehalt. So ist ein Satz —iA falsch immer dann, wenn A wahr ist, u n d —iA ist wahr immer dann, wenn A falsch ist — gleichgültig, worüber der Satz A i m einzelnen F a l l sprechen mag.

D a ß nicht alle Satzbildungen v o n dieser A r t sind, zeigt etwa die B i l d u n g eines Satzes durch Voranstellen v o n ,,Hans glaubt, d a ß . . D e n n wenn H a n s nicht genau die wahren Sätze für wahr, oder genau die falschen Sätze für wahr hält, so besagt die Wahrheit bzw. Falschheit eines Satzes A allein nocht nichts darüber, ob der Satz ,,Hans glaubt, daß A " wahr ist.

E s liegt n u n nahe, diese an Negation, K o n j u n k t i o n u n d Disjunktion beobachtete Eigentümlichkeit ins Zentrum der Aufmerksamkeit der A . L . z u stellen u n d den Gegenstand der A . L . , den w i r a m Eingang dieses Kapitels durch den Hinweis auf Satzstrukturen gekennzeichnet haben, deren nähere Bestimmung noch etwas i m Vagen blieb, n u n genauer z u umreißen u n d festzulegen:

1.2.2.1 D i e A . L . beschränkt sich auf das Studium solcher Satz-strukturen, für die der Wahrheitswert (d. h . die Wahrheit oder Falsch-heit) des Kompositums ausschließlich v o n den Wahrheitswerten der komponierten Sätze abhängt.

Solche Satzstrukturen wollen w i r n u n als aussagenlogische Satz-strukturen bezeichnen. D i e Wörter bzw. Symbole (wie —1, A , V ) m i t

denen diese Satzverbindungen dargestellt werden, nennen w i r dann allgemein aussagenlogische Operatoren.

Der semantische Gebrauch dieser a.l. Operatoren läßt sich n u n übersichtlich angeben i n F o r m v o n Tabellen, i n denen w i r den W a h r -heitswert des Kompositums aufzeichnen i n Abhängigkeit v o n den Wahr-heit swerten der Teilsätze. So erhalten w i r folgende Tabellen:

N) Negation

A - i A

to f

f ED

D a b e i stehe „ t o " für „wahr", „ f " für „falsch". D i e Tabelle ist z u lesen:

W e n n ein Satz A wahr ist, so ist - i A falsch (1. Zeile). U n d wenn A falsch ist, so ist —iA wahr (2. Zeile). N a c h unserer Voraussetzung der Wahrheitsdefinitheit 1.1.1.3 ist damit der Satz —iA für alle Fälle definiert, d a A n u r die Werte ro u n d f annehmen kann.

K) Konjunktion

A B A A B

to to to

to f f

f to f

f f f

H i e r hängt der Wahrheitswert eines Satzes der Gestalt A A B v o n zwei Argumenten ab, v o n dem Wahrheitswert v o n A u n d dem W a h r -heitswert v o n B .

D) Disjunktion

A B A v B

to to to

to f to

f to to

f f f

D e r Gebrauch des ausschließenden „entweder-oder", das w i r durch den Operator „ x " symbolisieren u n d als Kontravalenz bezeichnen, läßt sich d u r c h die Tabelle charakterisieren

J ) Kontravalenz - A ' < . U

A B

ro to f

ro f ro

f ro ro

f f f

W i r sagen n u n , daß durch solche Wahrheitstabellen Wahrheits-funktionen dargestellt werden.

E i n e Funktion ist eine Zuordnung v o n Elementen einer Menge M (dem Werlj$ereich der Funktion) z u den Elementen einer Menge N (des Definitionsbereiches der Funktion), so daß jedem Element v o n N genau ein Element v o n M zugeordnet ist. Dieser Funktionsbegriff ist aus der elementaren Mathematik geläufig, x2 ist z. B . eine F u n k t i o n , deren D e -finitionsbereich u n d deren Wertebereich Zahlen sind. Sie ordnet jeder Z a h l das Quadrat dieser Z a h l z u . D i e Elemente v o n N nennt m a n auch Argu-mente der Funktion., das zugehörige Element v o n M den Funktionswert für dieses A r g u m e n t . F ü r das Argument 4 n i m m t die F u n k t i o n x2 also den Wert 16 an. D i e Menge der Werte, welche die F u n k t i o n annimmt, wenn ihre Argumente den Definitionsbereich durchlaufen, nennt m a n den Wertevorrat der F u n k t i o n . D e r Wertbereich einer F u n k t i o n braucht sich mit ihrem Wertevorrat nicht z u decken, d a nicht alle Elemente des Wertevorrats v o n der F u n k t i o n als Funktionswerte angenommen werden müssen. I m Beispiel ist der Wertevorrat der F u n k t i o n x2 die Menge der Quadratzahlen. D i e Menge der Quadrat zahlen deckt sich, wenn w i r an die natürlichen Zahlen 0, 1, 2, 3,... denken, nicht m i t der Menge der natürlichen Zahlen, dem Wertebereich der F u n k t i o n . Neben einstelhgen Funktionen betrachtet m a n auch mehrstellige Funktionen, wie z. B . die F u n k t i o n (x + y)2. Hier hängt der Funktions-wert v o n zwei Argumenten ab, die unabhängig voneinander variieren können. D i e Stellenzahl einer F u n k t i o n wird symbolisch repräsentiert durch die A n z a h l der verschiedenen Variablen, die i n einem A u s d r u c k für diese F u n k t i o n vorkommen. Jeder Variablen ist ein eigener Defi-nitionsbereich zugeordnet. Fallen die DefiDefi-nitionsbereiche einer

mehr-stelligen F u n k t i o n zusammen, so sprechen wir auch bei mehrmehr-stelligen

; Funktionen von dem Definitionsbereich der F u n k t i o n .

1.2.2.2 Eine Wahrheitsfunktion ist nun eine F u n k t i o n , deren De-finitions- u n d Wertebereich die Menge der beiden Wahrheitswerte ist.

D a eine Wahrheitstabelle die Zuordnung der Wahrheitswerte des Satzkompositums z u den Wahrheitswerten der Argumente (der Teil-sätze) festlegt, definiert sie eine solche Wahrheitsfunktion. W i r können demnach die A . L . gemäß der Präzisierung ihres Gegenstandes nach 1.2.2.1 auch als Theorie der Wahrheitsfunktionen aufbauen.

Mit dieser Betrachtungsweise haben wir uns von der Analyse u m -gangssprachlicher Satzverknüpfungen schon recht weit entfernt u n d haben uns auf eine abstraktere Betrachtungsebene begeben, die uns nun neue Freiheitsgrade eröffnet: W i r brauchen nicht mehr den verschlun-genen u n d unübersichtlichen Wegen der Umgangssprache z u folgen u n d ihren historisch gewordenen Eigenarten nachspüren, sondern w i r können eine Untersuchung der Wahrheitsfunktionen i n abstracto vornehmen u n d haben damit nicht nur einen präzise abgegrenzten, sondern auch einen, wie sich zeigen wird, systematisch leicht faßbaren Gegenstand.

Verlieren wir aber, indem w i r den Leitfaden der Umgangssprache so preisgeben, nicht die Anwendungsmöglichkeiten für unsere L o g i k ? Sicherlich nicht: Die Erfahrung hat gezeigt, daß der Schritt von der Umgangssprache als Maßstab der L o g i k zur Logik als Maßstab der Umgangssprache (was ihren wissenschaftlichen Gebrauch angeht) sehr fruchtbar ist. Die moderne L o g i k hat i m Gegensatz zur traditionellen Logik diesen Schritt ganz bewußt vollzogen. F R E G E formulierte die neue Einstellung so:

,,Es kann nicht die Aufgabe der L o g i k sein, der Sprache nachzugehen u n d z u ermitteln, was in den sprachlichen Ausdrücken liege. Jemand, der aus der Sprache Logik lernen will, ist wie ein Erwachsener, der von einem K i n d e denken lernen w i l l . A l s die Menschen die Sprache bildeten, befanden sie sich i n einem Zustand des kindlichen bildhaften Denkens. Die Sprachen sind nicht nach dem logischen Lineale gemacht.

A u c h das Logische i n der Sprache erscheint unter Bildern versteckt, die nicht immer zutreffen. D i e Hauptaufgabe des Logikers besteht i n einer Befreiung von der Sprache u n d i n einer Vereinfachung1."

W e n n wir uns nun m i t einer Theorie der aussagenlogischen Opera-toren i m allgemeinen beschäftigen wollen, so können w i r auch davon

1 F R E G E im Brief an H U S S E R L vom 1. November 1906, unveröffentlicht.

absehen, welche a.l. Operatoren i n der Umgangssprache gebräuchlich sind. U n d w i r können insbesondere durch Wahrheitswerttabellen auch neue a.l. Operatoren definieren.

Geben w i r zuerst eine zweistellige aussagenlogische Verknüpfung an, die w i r als Implikation bezeichnen u n d durch den Operator „ 3 "

symbolisieren wollen! E i n e n Satz A D B lesen wir als , , A impliziert B " . D e n semantischen Gebrauch dieses neuen Operators definieren wir d u r c h folgende Wahrheitstabelle:

I) Implikation

A B A D B

to tu

ro f f

f ro XX)

f f to

D a m i t ist die Satzverknüpfung durch D vollständig u n d präzise definiert. G i b t es n u n für diese Verknüpfung i n der Umgangssprache ein Äquivalent ? I n gewisser Entsprechung zur Implikation verwenden wir umgangssprachüch das „wenn — d a n n " . A u c h diese umgangs-sprachliche Verknüpfung besagt, daß der ,,dann"-Satz, der dem Hinter-glied B der I m p l i k a t i o n A D B entspricht, immer dann wahr ist, wenn der „wenn"-Satz, der dem Vorderglied A der Implikation entspricht, wahr ist, wie das auch durch die ersten beiden Zeilen unserer Tabelle gefordert ist. D e n n wenn A wahr ist, so ist die ganze I m p l i k a t i o n nur dann wahr, wenn auch B wahr ist. D a m i t ist die Entsprechung aber auch schon am E n d e . D e n n das umgangssprachliche „wenn — d a n n "

dient z u m Ausdruck einer i m einzelnen nicht immer scharf präzisierten inhaltlichen Folgebeziehung zwischen „wenn"-Satz u n d ,,dann"-Satz, während davon bezüglich der Implikation, wie wir sie definiert haben, keine Rede sein k a n n . So ist nach den letzten beiden Zeilen unserer Tabelle jede Implikation wahr, deren Vorderglied falsch ist, also sind z. B . die Sätze

„Der Mond ist viereckig impliziert 2 - 2 = 4 "

u n d

„Der Mond ist viereckig impüziert 2 - 2 = 5 "

wahr, obwohl wir nicht geneigt wären z u sagen, daß die Sätze ,,Wenn der M o n d viereckig ist, dann ist 2 • 2 = 4",

,,Wenn der M o n d viereckig ist, dann ist 2 - 2 = 5 "

wahr seien. U n d auch bei einer wahren Implikation mit wahrem Vorder-glied besteht zwischen VorderVorder-glied u n d HinterVorder-glied nicht notwendig ein materiales Begründungsverhältnis, wie das Beispiel zeigt: ,,Goethe wurde 1749 geboren impliziert R o m hat den ersten Punischen K r i e g gewonnen". Das ist nach unserer Tabelle eine wahre Implikation, hingegen würde m a n den Satz ,,Wenn Goethe 1749 geboren wurde, dann hat R o m den ersten Punischen K r i e g gewonnen" nicht als wahren Satz ansehen, d a hier offenbar jedes Begründungsverhältnis fehlt.

Die Entsprechung zwischen Implikation u n d umgangssprachlichen ,,wenn — d a n n " ist also nur lose. Immerhin kann m a n einen gewissen Gebrauch des „wenn — d a n n " durch die Implikation darstellen u n d präzisieren u n d dieser Gebrauch ist so häufig, daß durch diese Präzi-sierung etwas Wichtiges geleistet wird.

W i r wollen noch zwei weitere a.l. Operatoren definieren, die wir durch die Symbole „ = " u n d ,,|" darstellen u n d als Äquivalenz bzw.

als Exklusion bezeichnen. Sätze der Gestalt A = B bzw. A | B lesen wir dann als , , A ist äquivalent mit B " bzw. als „A schließt B aus".

Ä) Äquivalenz

A B A ==B

ro ro ro

ro f f

f ro if

f f to

E) Exklusion

A B AJB

to to f

to f to

f to to

f f to

F ü r die E x k l u s i o n gibt es i n der Umgangssprache kein direktes Äquivalent. D e r Äquivalenz entspricht, m i t analogen Einschränkungen, wie w i r sie für die I m p l i k a t i o n geltend gemacht haben, das „genau dann, w e n n " . D e n n die W a h r h e i t des einen Teilsatzes soll auch hier die W a h r -heit des anderen zur Folge haben, u n d die Falsch-heit des einen Teil-satzes die Falschheit des anderen. D i e folgenden Beispiele wahrer Äquivalenzen zeigen aber wiederum, daß dies wechselseitige Folge Ver-hältnis kein VerVer-hältnis einer materialen Begründung ist, wie m a n anhand einer Übersetzung des „äquivalent" i n ein „genau dann, w e n n "

sofort einsieht.

„2 + 2 = 5 äquivalent der M o n d ist viereckig",

„2 + 2 = 4 äquivalent der M o n d ist r u n d " .

I m H i n b l i c k auf unsere Klammerregeln wollen w i r n u n festsetzen, daß i n der Reihe - i , A , v , D , = , | alle links v o n einem Operator stehenden Operatoren stärker als dieser binden. Demnach können wir z. B . statt (p A q) D ((—1^>) = r) schreiben p A q D (—\p = r) u n d p v q = —ip D q statt (pwq) =((-!/>) D y ) .

Beispiele einfacher Schlüsse, i n denen die Operatoren "D, = u n d | vorkommen, sind folgende:

1) ~\p v q pZ> q,

2) (p^q) A (q-Dp) + p = q9 3) P\q + -i(pAq),

4) pZ^q -nqZ)-tp. ''••<•, v ....

Diese Schlüsse sind gültig. Hingegen gilt nicht:

5) pZ>q —vp D — 6) (pz>q)Z>q + p.

Das erkennt m a n wie folgt:

Z u (1): D i e Zeilen der ersten beiden Spalten der folgenden Tabelle enthalten die möglichen Wahrheitsannahmen für die Satzvariablen p u n d q. A u s der 1. Spalte ergibt sich m i t der Tabelle N die 3. Spalte, aus der 3. u n d 2. Spalte ergibt sich mit der Tabelle D die 4. Spalte.

Kutschera, Elementare Logik 3

p q ^P —\p V q

to ro f ro

ro f f f

f ro ro ro

f f ro ro

Die letzte Spalte stimmt nun mit der Wahrheitstabelle I überein, d. h.

p D q ist immer dann wahr, wenn —\p v q wahr ist. M . a. W . : Aus der Wahrheit des Satzes —\pvq folgt die Wahrheit des Satzes p D q} gleich welche Wahrheitswerte die Sätze p und q haben mögen, gleich also für welche Sätze p u n d q stehen mögen.

Z u (2):

p q p-Dq qZ>p (p-Dq) A (qZ>p)

ro ro ro to to

ro f f to f

f ro to f f

f f to to to

Diese Tabelle ist in analoger Weise zu verstehen: die Zeilen der ersten beiden Spalten enthalten die möglichen Wahrheitsannahmen über p und q. Daraus ergeben sich die Spalten 3 u n d 4 nach Tabelle I. Die 5. Spalte ergibt sich aus den Spalten 3 u n d 4 nach Tabelle K . D a die letzte Spalte mit der Wahrheitswertverteilung für p = q nach Tabelle Ä übereinstimmt, macht also jede Wahrheitsannahme über p u n d q, die (p D q) A (q D p) wahr macht, auch p = q wahr u n d somit ist die formale Gültigkeit des Schlusses (2) bewiesen.

Z u (3): N a c h Tabelle E ist p\q wahr, wenn p oder q falsch ist. In diesen Fällen ist aber nach K p A q falsch, also nach N -n(p A q) wahr.

Z u (4): N a c h I ist p Z> q wahr, wenn p falsch ist oder q wahr. Ist p falsch, so ist —\p wahr, also ist nach I auch —iq D —\p wahr. Ist q wahr,

Z u (4): N a c h I ist p Z> q wahr, wenn p falsch ist oder q wahr. Ist p falsch, so ist —\p wahr, also ist nach I auch —iq D —\p wahr. Ist q wahr,

Im Dokument Elementare Logik (Seite 28-57)