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Als problematisch für die Analyse der Umsetzung der ZNW wird die uneingeschränkte Übertra-gung der Verhaltensprämisse „rationaler Nutzenmaximierer“ auf den Akteur Waldbesitzer ange-sehen (Kapitel 4.1). Waldbesitzer haben unterschiedliche Ziele, die nicht zwangsläufig auf Nut-zenmaximierung im Sinne des Homo oeconomicus ausgerichtet sind (Kapitel 5.2). Des Weiteren sind Waldbesitzer, insbesondere Kleinprivatwaldbesitzer, wahrscheinlich nur eingeschränkt hsichtlich der Bewirtschaftungsmöglichkeiten (inkl. Naturschutz und Förderung) ihres Waldes in-formiert, aber mehr oder weniger stark durch ihre Erfahrungen/soziales Umfeld ge-prägt/beeinflusst. Deshalb wird der Agency-Ansatz durch die Theorie des geplanten Verhaltens ergänzt.

Die Theorie des geplanten Verhaltens (Theory of Planned Behaviour, TPB) wurde entwickelt, um menschliches Verhalten in konkreten Situationen erklären und vorhersagen zu können (Ajzen, 1991). Das Verhalten wird durch Ziele, Informationsstand, Neigung zu Opportunismus usw. beein-flusst (Ajzen, 1991). Grundannahme ist, dass sich Menschen vorhersehbar verhalten, d. h. sie beziehen verfügbare (oft unvollständige) Informationen und (aus ihrer Sicht) mögliche Auswir-kungen ihres Verhaltens in die Entscheidung zur Ausführung ein (Ajzen, 1988). Dies kann implizit oder explizit geschehen.

Abbildung 4 stellt das Theoriegebilde der TPB schematisch dar. Der TPB folgend wird das Verhal-ten von der VerhalVerhal-tensinVerhal-tention und diese wiederum von den drei DeterminanVerhal-ten

• Einstellung zum eigenen Verhalten,

• subjektive Norm und

• wahrgenommene Verhaltenskontrolle

beeinflusst. Ob das Verhalten dann tatsächlich ausgeführt wird, hängt neben der Verhaltensin-tention von der tatsächlichen Verhaltenskontrolle ab (Ajzen, 1991). Die TPB wurde aus der Theo-rie des überlegten Handelns von Fishbein & Ajzen entwickelt (Frey et al., 1993). In der TPB wird zusätzlich zur Einstellung zum eigenen Verhalten und der subjektiven Norm die Verhaltenskon-trolle als Erklärungsgröße aufgenommen. Sonst sind beide Theorien identisch. Im Folgenden werden die einzelnen Elemente der TPB näher erläutert.

Abbildung 4: Theorie des geplanten Verhaltens

Quelle: Verändert nach Ajzen (1991), Ajzen (2012) und Vogel (1997).

Einstellung zum eigenen Verhalten

Die Einstellung zum eigenen Verhalten umfasst die Überzeugung hinsichtlich möglicher Verhal-tenskonsequenzen und die Bewertung dieser Konsequenzen (Ajzen, 2012).

Die Überzeugung hinsichtlich der Konsequenzen des Verhaltens entsteht durch die Assoziation mit bestimmten Eigenschaften eines bekannten Objektes, Erfahrungen oder Ereignissen. Die As-soziation mit Bekanntem, bereits positiv oder negativ Bewertetem, führt dazu, dass diese Bewer-tung automatisch auf das zur Frage stehende Verhalten übernommen wird. Die Stärke der sich ergebenden Einstellung hängt von der Stärke der persönlichen Überzeugung hinsichtlich der Kon-sequenzen ab (Ajzen, 1991).

Zusätzlich zu den evaluativen Einstellungskomponenten Beurteilung und Bewertung wird der Ansatz der TPB in der vorliegenden Arbeit im Anhalt an Vogel (1997) um eine weitere, stärker wissens- bzw. handlungsorientierte Komponente ergänzt: die Handlungsleitung. Diese dritte Komponente der Einstellung ist angelehnt an den klassischen Ansätzen der Einstellungsfor-schung. Damit soll die Einstellung zum Verhalten stärker mit dem tatsächlichen Verhalten ver-knüpft werden.

Vor dem Hintergrund des in der Arbeit im Fokus stehenden Verhaltens (Durchführen von ELER-ZNW-Maßnahmen) kann folgendes Beispiel konstruiert werden: Wenn ein Waldbesitzer glaubt, die forstliche Förderung sei mit viel Bürokratie und einem hohen Sanktionsrisiko verbunden, weil er es zum Beispiel von der landwirtschaftlichen Förderung so kennt, und er bewertet beides als negativ, dann wird er das auch für einen konkret von ihm gestellten Förderantrag glauben. Je stärker diese Überzeugung ist, desto mehr wird sie Einfluss auf sein Verhalten (Förderantrag stel-len oder nicht) haben. Im Rahmen der Handlungsleitung kann gefragt werden, wie stark er sich von der Möglichkeit, Förderung bekommen zu können, in seinen Bewirtschaftungsentscheidun-gen beeinflussen lässt. Stimmt die Antwortrichtung mit den zuvor geäußerten Einstellungskom-ponenten überein, spricht das für eine sehr stabile Einstellung.

Subjektive Norm

Die subjektive Norm im Hinblick auf das zur Frage stehende Verhalten umfasst die Erwartung des Handelnden zur Meinung seines sozialen Umfeldes bezüglich des jeweiligen Verhaltens und die Motivation, sich entsprechend dieser Meinung zu verhalten.

Es geht also darum: was glaubt der Handelnde, erwarten für ihn als Referenz dienende Personen oder Gruppen in Bezug auf das jeweilige Verhalten und in welchem Ausmaß ist der Handelnde bereit, diesem Umfeld zu folgen. Die subjektive Norm ergibt sich aus der Normüberzeugung und der Stärke der Motivation, dieser Norm zu folgen (Ajzen, 1991).

Beispiel: Einem Waldbesitzer ist die Meinung des benachbarten Waldbesitzers sehr wichtig. Er ist in hohem Maße bereit, sich der Meinung dieses benachbarten Waldbesitzers entsprechend zu verhalten. Wenn er glaubt, dieser Nachbar sei der Meinung, Alt-/Totholz habe im Wald nichts zu suchen, dann wird er Fördermaßnahmen, die zur Mehrung von Alt-/Totholz im Wald führen, eher ablehnen.

Wahrgenommene und tatsächliche Verhaltenskontrolle

Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle ist innerhalb der Theorie des geplanten Verhaltens die dritte Determinante der Verhaltensintention. Damit gemeint ist die subjektive Überzeugung des Handelnden, ob er ein Verhalten erfolgreich durchführen kann und welche Faktoren die erfolg-reiche Durchführung des Verhaltens behindern oder fördern.

Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle ergibt sich aus der Überzeugung des Individuums, wie-viel Kontrolle es über die eigenen Handlungen hat und wie sicher es sich bezüglich dieser Kon-trollstärke ist (Ajzen, 1991). Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle kann am besten als ein Kontinuum beschrieben werden, mit dem einen Extrem, dass die Kontrolle über das Verhalten komplett beim Handelnden verortet ist und dem anderen Extrem, dass der Handelnde überhaupt keine Kontrolle über sein Verhalten zu haben meint (z. B. bei fest in der Person verankerten Ge-wohnheiten). In den meisten realen Situationen wird die wahrgenommene Verhaltenskontrolle zwischen diesen beiden Extrempunkten liegen (Ajzen, 1988). Beispiel: Glaubt ein Waldbesitzer, für die Durchführung bestimmter Maßnahmen im Wald seien viel Zeit und spezielle Kenntnisse nötig, die er seiner Meinung nach nicht hat, hat er eine geringe wahrgenommene Verhaltenskon-trolle. Dabei ist es unerheblich, ob objektiv betrachtet tatsächlich so viel Zeit und Kenntnisse nö-tig sind.

Die Kontrollüberzeugungen hinsichtlich des jeweiligen Verhaltens basieren zum einen auf eige-nen Erfahrungen, sie sind aber auch durch Freunde, Bekannte und andere Faktoren positiv oder negativ beeinflusst. Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle eines Handelnden ist in der Regel umso ausgeprägter, je mehr Ressourcen und Möglichkeiten er glaubt zu beherrschen und je we-niger Hemmnisse und Hindernisse er wahrnimmt (Ajzen, 1991). Nach Frey et al. (1993) kann zwi-schen internalen (z. B.: Willensstärke, Gewohnheiten, Selbstbewusstsein aber auch Informatio-nen, Fertigkeiten, Fähigkeiten) und externalen (z. B.: verfügbare Ressourcen, unerwartete

Ereig-nisse, Verhalten Anderer) Faktoren unterschieden werden. Bei den internalen Faktoren Informa-tionen, Fertigkeiten und Fähigkeiten kann man davon ausgehen, dass sie beeinflusst oder geän-dert werden können (Ajzen, 1988). Eine Veränderung dieser Faktoren ist über Informationsmate-rial oder -veranstaltungen, Lehrgänge, entsprechende praktische Übungen usw. zumindest theo-retisch gut möglich. Viel schwerer zu verändern sind die sonstigen internalen Faktoren, die tief in der Person verwurzelt sind, v. a. psychologische Zwänge. Ebenso ist das Handeln in sehr stark emotional belastenden Situationen nur schwer durch die Person oder auch von außen zu kontrol-lieren (Ajzen, 1988).

Der Abschluss eines ELER-Naturschutzvertrages oder die Durchführung von Naturschutzmaß-nahmen im Wald ist keine Handlung in einer „sehr stark emotional belasteten Situation“. Die Handlung kann darüber hinaus wahrscheinlich eher durch relativ leicht anzusprechende Faktoren beeinflusst werden, weniger durch „tief in der Person verwurzelte Eigenschaften“. Die Beeinflus-sung dieser relativ leicht zu ändernden Eigenschaften könnte ein Ansatzpunkt zur Verbesserung der Inanspruchnahme der ELER-Naturschutzmaßnahmen sein.

Die tatsächliche Verhaltenskontrolle umfasst die objektiv vorliegenden Faktoren, die die Ausfüh-rung eines bestimmten Verhaltens behindern. Das können, müssen aber nicht dieselben Faktoren wie bei der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle sein. Dazu zählt das Auftreten einer günstigen Möglichkeit oder das Vorhandensein eines Initialfaktors und bei Handlungen, die von anderen abhängig sind, deren tatsächliches Verhalten. Fehlen die entsprechenden handlungsauslösenden Faktoren oder sind die Restriktionen zu hoch, wird die Handlung nicht ausgeführt. Für das oben genannte Beispiel könnte das heißen: Selbst wenn Zeit und spezielle Kenntnisse aus objektiver Sicht in ausreichendem Maße vorhanden sind und der Waldbesitzer dies auch weiß, könnte er auf die Mitarbeit seines Nachbarn angewiesen sein. Falls dieser aus anderen Gründen nicht mit-macht, wird die Maßnahme im Ergebnis nicht durchgeführt.

Verhaltensintention

Die Kombination der drei Determinanten (Einstellung zum eigenen Verhalten, subjektive Norm, wahrgenommene Verhaltenskontrolle) führt zur Herausbildung der Verhaltensintention (Abbildung 4). Als allgemeine Regel hinsichtlich der Stärke der Verhaltensintention lässt sich for-mulieren: je positiver die Einstellung und die subjektive Norm und je höher die wahrgenommene Verhaltenskontrolle, desto stärker ist die Intention, das zur Frage stehende Verhalten auszufüh-ren (Ajzen, 2012). Die Intention selbst sagt lediglich den Versuch einer Verhaltensausführung vorher, nicht notwendigerweise das tatsächliche Verhalten (Frey et al., 1993; Ajzen, 1988). Ob das Verhalten dann tatsächlich ausgeführt wird, hängt von der tatsächlichen Verhaltenskontrolle ab. An der zugrundeliegenden Verhaltensintention muss sich aber nichts ändern (Ajzen, 1988).

Um die Intention zu ändern, müssen sich die verhaltensbestimmenden Determinanten ändern.

Interventionen, z. B. Förderung, die das Verhalten ändern sollen, müssen also an einer oder meh-reren der drei verhaltensbestimmenden Determinanten (Einstellung, subjektive Norm, wahrge-nommene Verhaltenskontrolle) oder an der tatsächlichen Verhaltenskontrolle ansetzen. Durch

eine Veränderung der Determinanten kann modellgemäß die Verhaltensintention geändert wer-den und unter sonst unveränderten Bedingungen somit gegebenenfalls auch das Verhalten (Ajzen, 2012). Die Interventionen können umso effektiver sein, je mehr über die jeweiligen De-terminanten bekannt ist.

Eine Verhaltensintention kann sich im Zeitverlauf aber auch ohne gezielte Interventionen ändern.

Dies geschieht z. B. durch neu gemachte Erfahrungen oder hinzugewonnene Erkenntnisse, die zu einer Änderung der Einstellung, subjektiven Norm und/oder der wahrgenommenen Verhaltens-kontrolle führen (Frey et al., 1993). Beispielsweise könnte es zu einer positiveren Wahrnehmung der ZNW führen, wenn mehr Waldbesitzer positive Erfahrungen damit machen. Ebenso könnte es sich insgesamt positiv auf die Durchführung von Naturschutz auswirken, wenn mit Naturschutz nicht nur eine Einschränkung, sondern eine Erweiterung der Möglichkeiten der Nutzung des Wal-des verbunden wird, z. B. durch ein akzeptiertes ZNW-Instrument.

Demografische Charakteristika, globale Einstellungen und sonstige persönliche Merkmale haben als Hintergrundfaktoren Einfluss auf die Ausbildung der Verhaltensdeterminanten und damit auch auf das Verhalten (Ajzen, 1988; Sommer, 2011).

4.3 Verknüpfung der Agency-Analyse mit der Theorie des geplanten