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Theorie der Photoionisation

3 Helium-Nanotr¨ opfchen und Photoionisation

3.2 Theorie der Photoionisation

Photoionisation bezeichnet die Ionisation von Atomen oder Molek¨ulen durch die Wechsel-wirkung mit Photonen bzw. einer elektromagnetischen Welle. Eine solche kann durch ein Vektorpotenzial beschrieben werden [Fli08]. Dabei ist A0 die Amplitude der Welle,~kder Wellenvektor,ω die Kreisfrequenz, t die Zeit und ˆε ein normierter Polarisationsvektor mit ˆε·~k = 0. Die Richtung von~kentspricht der Ausbreitungsrichtung der Welle, der Betragk=ω/c= 2π/λ (cist die Lichtgeschwindigkeit,λdie Wellenl¨ange) wird alsWellenzahl bezeichnet. Das f¨ur die allgemeine Beschreibung von elektromagnetischen Feldern zus¨atzlich ben¨otigte skalare

3.2. Theorie der Photoionisation 39 Feld Φ(~r,t) verschwindet auf Grund nicht vorhandener Raumladungen. Es gilt

E(~~ r,t) =−∂

∂tA(~~ r,t) (3.4)

B(~~ r,t) = rotA(~~ r,t) . (3.5) Unmittelbar folgt E~ kεˆund B~ ⊥ε.ˆ

Die Wechselwirkung eines solchen Feldes mit einem einzelnen, durch ein Coulombpoten-zial V(~r) an ein Atom gebundenen Elektron kann durch Modifikation des Einteilchen-HamiltonoperatorsH0 = ~p2/2me+V(~r) beschrieben werden. Der Hamiltonoperator f¨ur das wechselwirkende System ist gegeben durch

H= 1 Durch folgende Feststellungen bzw. Annahmen l¨asst sich dieser Term weiter vereinfachen:

1. In Coulomb-Eichung gilt divA~= 0. Damit vertauschen Impulsoperator und Vektor-potenzial

2. Die Amplitude A0 des Vektorpotenzials sei hinreichend klein, so dass die im Feld quadratischen Summanden vernachl¨assigt werden k¨onnen.

3. Es gilt die Langwellen-N¨aherung: exp h

i(~k·~r) i

= 1 + i~k·~r+. . .≈ 1. Anschaulich bedeutet dies, dass die Wellenl¨ange so groß gegen¨uber typischen Abmessungen des Systems ist, dass f¨ur dieses der Wellencharakter nicht in Erscheinung tritt. Selbst f¨ur die Wechselwirkung von UV-Licht (λ≈200 nm) mit Atomen oder einfachen Mo-lek¨ulen (r <1 nm) ist diese Annahme gerechtfertigt (~k·~r= 2πr/λ≈0,031)

Damit vereinfacht sichH1 zu:

H1 =− e

mecA0ε~ˆpexp (−iωt) . (3.8) Dieser Hamiltonoperator hat die Form einer periodischen St¨orung. Mit Hilfe der zeitab-h¨angigen St¨orungsrechnung kann die ¨Ubergangswahrscheinlichkeit des Systems aus einem Anfangszustand|iiin einen energetisch h¨oher liegenden Endzustand|fi(Absorption eines Photons der Energie ~ω) einfach berechnet werden [Fli05]. Es ergibt sich eine spezielle Form des Zusammenhangs, der allgemein alsFermis Goldene Regel bekannt ist:

W|ii−→|fi= 2π

~ |hf|H1|ii|2δ(εf −εi−~ω) . (3.9)

40 3. Helium-Nanotr¨opfchen und Photoionisation Ein Ionisationsprozess impliziert f¨ur|fieinen ungebundenen Zustand des Elektrons. Dies entspricht einer ebenen Materiewelle mit Wellenvektor ~κ. Die ungebundenen Zust¨ande sind bez¨uglich ihrer Energieeigenwerte kontinuierlich, so dass die f¨ur eine ¨ Ubergangswahr-scheinlichkeit W 6= 0 zu erf¨ullenden Bedingung εf −εi−~ω = 0 weder die Energie des Photons noch die des Photoelektrons festlegt. Sofern ~ω ≥ (εf −εi) gilt, kann die Be-dingung durch Emission eines Elektrons mit entsprechender kinetischer Energie erf¨ullt werden:

εf(~κ) = ~~κ2

2mei+~ω (3.10)

Dabei ist zu beachten, dass die Energie des gebundenen Zustandes |ii negativ ist, da der Nullpunkt der Energieskala ¨ublicherweise die Grenze zwischen gebundenen und ungebun-denen Zust¨anden markiert, also auf H¨ohe des Ionisationspotenzials liegt. Auf Grund der verglichen mit dem Elektron extrem großen Masse des Atoms kann jeglicher Energie¨ uber-trag auf dieses in guter N¨aherung vernachl¨assigt werden.

Richtungsverteilung der Photoelektronen

Die kinetische Energie des Photoelektrons ist gem¨aß (3.10) eindeutig definiert. Zur voll-st¨andigen Charakterisierung der das Elektron repr¨asentierenden Materiewelle ist noch die Richtung des Wellenvektors ~κ anzugeben. Die Richtungsverteilung ist vom gebundenen Zustand|iiabh¨angig aus dem heraus ionisiert wird. Dieser Zustand ist eine L¨osung der zeit-unabh¨angigen Schr¨odingergleichung des ungest¨orten Hamilton-Operators H0|Ψi=εi|Ψi in Kugelkoordinaten und von der Form

Ψinlm(r, θ, φ) =R(i)nl(r)Ylm(θ, φ) . (3.11) Der Zustand ist durch die drei Quantenzahlen n, l und m charakterisiert und ein Pro-dukt aus einem Radialanteil Rund den bekannten Kugelfl¨achenfunktionenYlm. In diesem Koordinatensystem bezeichnet θden Winkel zur durch die Polarisationsrichtung ˆε ausge-zeichneten Richtung des Raumes.

F¨ur die Richtungsverteilung der aus einem bestimmten Zustand |ii stammenden Photo-elektronen gilt [Bar08, Sta82]: mit den radialen bzw. Winkel-Matrixelementen

κLnl = Hierbei ist κder Betrag des Wellenvektors des auslaufenden Elektrons, welches außerdem uber die Quantenzahlen¨ L und M, die Winkel Θ und Φ sowie die Energie E = εf(κ)

3.2. Theorie der Photoionisation 41 charakterisiert werden kann.δLbeschreibt die Phasenverschiebung derL-ten Partialwelle, die Winkel beziehen sich wiederum auf das oben definierte Koordinatensystem.

Aus der Forderung ˜YlmLM 6= 0 lassen sich zus¨atzliche Auswahlregeln f¨ur die Quantenzahlen l,m,L und M herleiten [Bar08]:

∆l=L−l=±1 (3.15)

∆m=M−m= 0 . (3.16)

Damit kann (3.12) zu einer Summe aus nur zwei Termen vereinfacht werden:

Jnlm(Θ,Φ)∝

F¨ur|m|=list ohne Verletzung der Auswahlregel (3.16) lediglich der ¨Ubergang zuL=l+1 m¨oglich, denn der andere nach (3.15) erlaubte ¨Ubergang zu L = l−1 impliziert mit

|M| ≤ L sofort |M| < |m| und damit M 6= m. Dementsprechend f¨allt der linke der beiden Summanden weg. F¨ur alle andere F¨alle bleiben beide Summanden bestehen. Die gemessene Richtungsveteilung h¨angt dann entscheidend von den Phasenverschiebungenδ zwischen den Partialwellen und dem Verh¨altnis ihrer Amplituden ab.

Der Anisotropie-Parameter

In einem Ensemble sind die Atome und damit die Richtungen der Bahndrehimpulse der Elektronen zuf¨allig orientiert. Bei Auszeichnung einer Richtung ˆεdurch einen linear polari-sierten Laser treten s¨amtliche m¨oglichen Projektionen des Drehimpulses auf diese Richtung mit gleicher Wahrscheinlichkeit auf. Dementsprechend ergibt sich die gemessene Richtungs-verteilungJnl(Θ,Φ) aus einer Mittelung ¨uber alle beteiligten Verteilungen Jnlm(Θ,Φ).

F¨ur die Absorption eines linear polarisierten Photons ergibt sich so [CZ68]

Jnl(Θ,Φ) = 1 +βP2(cos Θ) . (3.18) Dabei ist P2 das zweite Legendre-Polynom gegeben durch P2(x) = 1,5x2 −0,5 und β ∈ [−1, + 2] der sog. Anisotropie-Parameter. Er ist durch die Forderung nach positiven Jnl auf das angegebene Intervall beschr¨ankt. Der Wert β = 0 entspricht einer vollst¨andig isotropen,β =−1 (+2) einer reinen sin2Θ cos2Θ

-Verteilung.

Der Anisotropie-Parameter l¨asst sich zun¨achst f¨ur Einelektronen-Systeme prinzipiell be-rechnen [Bet33]. Der sich ergebende Ausdruck ist unabh¨angig von allen Winkeln. Es zeigt

42 3. Helium-Nanotr¨opfchen und Photoionisation sich, dass er auch auf Mehrelektronen-Systeme angewandt werden kann [CZ68]:

β = A−B

Bei der Ionisation mit einem linear polarisiertem Laser wird nur eine einzige Richtung, die Polarisationsrichtung ˆε ausgezeichnet. Die sich ergebende Verteilung muss allein auf Grund dieser Tatsache rotationssymmetrisch sein. Dies zeigt sich hier explizit in der Un-abh¨angigkeit der Verteilung (3.18) von Φ. Diese grundlegend vorhandene Symmetrie ist die Basis des in Abschnitt 2.1.2 beschriebenen Rekonstruktionsverfahrens.

3.2.1 Mehrphotonen-Prozesse

Neben der Ionisation mit einem Photon sind auch Prozesse m¨oglich, an denen zwei oder mehr Photonen beteiligt sind. Dabei ist zwischen nicht-resonanten und resonanten Pho-toionisationsprozessen zu unterscheiden (Abbildung 3.5).

Bei einem nicht-resonanten Prozess wird das Elektron direkt aus dem Grundzustand ins Kontinuum bef¨ordert. Die an diesem Prozess beteiligten Photonen m¨ussen alle gleichzeitig mit dem Atom wechselwirken. Es handelt sich also um einen klassischen Vielteilchenpro-zess, dessen Wahrscheinlichkeit mit steigender Anzahl wechselwirkender Teilchen stark abnimmt. Zur Realisierung ist daher eine große Dichte an Photonen, also eine hohe Laser-intensit¨at notwendig.

Schon mit weitaus geringeren Intensit¨aten ist eine sog.Resonanz-¨uberh¨ohte Mehrphotonen-Ionisation (REMPI2) m¨oglich. Die Existenz eines zur Energie der Photonen resonanten Zwischenniveaus, in das das Elektron zun¨achst angeregt werden kann schafft ein gewis-ses Zeitfenster f¨ur die Wechselwirkung mit dem zweiten Photon. Dieses kann das Atom innerhalb der Lebensdauer des Zustandes ionisieren. Die Resonanz erh¨oht somit die Wahr-scheinlichkeit des Gesamtprozesses signifikant. Im einfachsten Fall besitzen beide Photonen die selbe Energie (Einfarben-Prozess) und Polarisation. Die kinetische Energie der Elek-tronen ist gem¨aß (3.10) durch die Resonanzbedingung auf εf(~k) = εi + 2~ω = εR+~ω festgelegt, wobei εR<0 die Energie des resonanten Zwischenniveaus bezeichnet.

F¨ur einen solchen Zweiphotonen-Prozess l¨asst sich (3.18) in einfacher Weise erweitern [Rei03]:

Jnl(Θ) = 1 +β2P2(cos Θ) +β4P4(cos Θ) . (3.20) Mit β2 und β4 existieren nun zwei freie Parameter, P4(x) = 4,375x4 −3,75x2 + 0,375 bezeichnet das vierte Legendre-Polynom. Auch diese Verteilung bleibt unabh¨angig von Φ.

2Resonance-EnchancedMulti-PhotonIonization (engl.) - Resonanz-¨uberh¨ohte Mehrphotonen-Ionisation

3.2. Theorie der Photoionisation 43

Abb. 3.5: Beispiele f¨ur Einfarben-Ionisationsprozesse: a) Einphotonen-Prozess, b) nicht-resonanter Zweiphotonen-Prozess, c) resonanter Zweiphotonen-Prozess (REM-PI) ¨uber ein Zwischenniveau. Die Forderung nach Resonanz zwischen der Energie der Photonen und dem ¨Ubergang in das angeregte Zwischenniveau legt die kinetische Energie der Elektronen fest.

3.2.2 REMPI-Ionisation von Rubidium ¨uber das 62P3/2-Niveau

Abbildung 3.6 zeigt neben dem Grundzustand 52S1/2 die untersten angeregten Ener-giezust¨ande von atomarem Rubidium. In Tabelle 3.1 sind die entsprechenden Energi-en aufgef¨uhrt. Rubidium kann effektiv ¨uber einen Einfarben-REMPI-Prozess 52S1/2 −→

62P3/2 −→ Rb+ ionisiert werden. Der verwendete Zwischenzustand ist mit einer Vaku-umwellenl¨ange von λ = 420,299 nm entsprechend einer Wellenzahl von 23792,591 cm−1 anregbar. Die mit dem zweiten Photon aus dem 62P3/2-Zustand ionisierten Photoelektro-nen besitzen eine Energie von etwa 1,7227 eV. Vor der Ionisation kann das System durch spontane Emission von Photonen entsprechender Wellenl¨ange prinzipiell aber auch in einen energetisch tieferen Zustand relaxieren, wodurch sich auch die Energie der beobachteten Elektronen entsprechend verringert.

Tabelle 3.2 zeigt die ¨Ubergangsraten zwischen den Zust¨anden. Die Strahlungs-Lebensdauer des 62P3/2-Zustands ergibt sich aus dem Kehrwert der Summe aller Zerfallsraten in ener-getisch niedrigere Zust¨ande zu τ = 109,17 ns. Genaue Informationen ¨uber die zeitliche Entwicklung des Systems nach der Anregung, also die Population der einzelnen Zust¨ande zu jedem Zeitpunkt t nach der Anregung in 62P3/2 liefert ein entsprechendes Ratenglei-chungsmodell. Jeder Zustand erh¨alt durch spontane Emission mit einer gewissen Rate Population von energetisch h¨oher liegenden Zust¨anden und gibt seinerseits Population an energetisch tiefer liegende ab.

Werden die acht Zust¨ande mit |0i(52S1/2) bis |7i(62P3/2) bezeichnet, ergibt sich f¨ur die PopulationNi(t) jedes Zustandes |ii eine Differentialgleichung folgender Form:

dNi

44 3. Helium-Nanotr¨opfchen und Photoionisation

Abb. 3.6: Die untersten atomare Energiezust¨ande von Rubidium mit ber¨ucksichtigter Feinstruktur. Zus¨atzlich eingezeichnet ist der Einfarben-REMPI-Prozess 52S1/2 −→

62P3/2 −→ Rb+ sowie die m¨ogliche Ionisation des Systems nach (teilweiser) Re-laxation aus einem der unteren Zust¨ande. Die jeweiligen Bindungsenergien sind in Tabelle 3.1 aufgef¨uhrt, die im Bild verwendete Energieachse gibt die tats¨achlichen Verh¨altnisse maßstabsgetreu wieder.

Tab. 3.1: Bindungsenergien der in Abbildung 3.6 gezeigten atomaren Zust¨ande von Rubidium [San06].

Zustand Konfiguration Energie εi εi−ε(52S1/2)

eV eV cm−1

62P3/2

[Kr]6p1 -1,2272229 2,9499051 23792,591 62P1/2 -1,2368329 2,9402951 23715,081 62S1/2 [Kr]6s1 -1,6810150 2,4961130 20132,510 42D3/2

[Kr]4d1 -1,7773335 2,3997945 19355,649 42D5/2 -1,7773888 2,3997392 19355,203 52P3/2

[Kr]5p1 -2,5880790 1,5890490 12816,545 52P1/2 -2,6175371 1,5595909 12578,950

52S1/2 [Kr]5s1 -4,177128 0 0

3.2. Theorie der Photoionisation 45

Abb. 3.7: Zeitabh¨angige Population der Zust¨ande nach Anregung des Rubidiumatoms in den 62P3/2-Zustand. Dargestellt ist das Ergebnis eines Ratengleichungsmodells ba-sierend auf theoretisch berechneten ¨Ubergangsraten zwischen den einzelnen Zust¨anden (Tabelle 3.2). Der Zustand 62P1/2 bleibt in diesem Modell stets unbesetzt da kein er-laubter, ihn populierender ¨Ubergang existiert.

Dabei l¨auft die erste Summe ¨uber alle Zust¨ande|ji, die energetisch ¨uber|iiliegen, die zwei-te dementsprechend ¨uber die tiefer liegenden Zust¨ande.Anmbezeichnet die ¨Ubergangsrate, den Einstein-Koeffizienten f¨ur spontane Zerf¨alle f¨ur den ¨Ubergang vom Zustand|niin den Zustand |mi. Theoretische Werte f¨ur diese Raten sind in Tabelle 3.2 aufgef¨uhrt.

Zum Zeitpunkt t = 0 soll das System nun vollst¨andig angeregt sein, d.h. N7(0) = 1, Ni(0) = 0 ∀i ≤ 6. Die zeitliche Entwicklung des Systems aus diesem Anfangszustand ergibt sich aus der L¨osung des Differentialgleichungssystems (3.21) und ist in Abbildung 3.7 dargestellt.

Der Zustand 62P1/2 bleibt generell unbesetzt da kein erlaubter, ihn populierender ¨ Uber-gang existiert. Die Relaxation des Systems findet auf einer Zeitskala statt, die gegen¨uber der L¨ange der verwendeten Laserpulse von etwa 8 ns groß ist. In dieser kurzen Zeitspanne relaxiert das System nur wenig, die Ionisation findet n¨aherungsweise nur aus dem Zustand 62P3/2 statt. Im Experiment ist also zu erwarten, dass im Spektrum der Photoelektronen eine kinetische Energie (Ekin= 1,7227 eV) stark dominiert.

3.2.3 Photoionisation in Helium-Nanotr¨opfchen

Wie bereits erw¨ahnt, k¨onnen die typischen Matrixeffekte, eine Verschiebung und Verbreite-rung der Linien auch bei der Spektroskopie in Helium-Nanotr¨opfchen beobachtet werden.

46 3. Helium-Nanotr¨opfchen und Photoionisation

Tab. 3.2: In Dipoln¨aherung theoretisch berechnete ¨Ubergangsraten f¨ur spontane Zerf¨alle der Rubidiumzust¨ande [Hea61] sowie deren Lebensdauern.

Ubergang¨ RateA Verletzte Auswahlregeln Lebensdauer τ

[106/s] [ns]

3.2. Theorie der Photoionisation 47

Abb. 3.8: Photoelektronen-Spektra von Anilin aus der Gasphase und eingebettet in Heliumtr¨opfchen unterschiedlicher Gr¨oße. Ionisiert wurde mit einem REMPI-Prozess (Abschnitt 3.2.1) ¨uber den S1 ←− S0- ¨Ubergang. Deutlich zu erkennen ist die Ver-breiterung der Linien auf Grund der Tr¨opfchen-Matrix. Die Verschiebung um etwa 800cm−1 hin zu gr¨oßeren Energien kann einer entsprechenden Verschiebung des Io-nisationspotenzials zugeschrieben werden. Entnommen aus [LRD05].

Auf Grund der besonderen Eigenschaften der Tr¨opfchen sind in den meisten F¨allen rela-tiv klein. Allerdings wechselwirken die Tr¨opfchen nicht nur mit ihren anfangs neutralen Dotanten, sondern auch mit den Produkten der Photoionisationsprozesse, also den positiv geladenen Ionen und den Photoelektronen.

F¨ur die Konzeption des Spektrometers ist von großer Bedeutung, in welchem Bereich die erwarteten kinetischen Energien der Elektronen liegen. F¨ur Experimente aus der Gasphase sind diese durch (3.10) bestimmt. Abbildung 3.8 vergleicht ein Photoelektronen-Spektrum von Anilin aus der Gasphase mit einem entsprechenden Spektrum, welches aus Experi-menten in Helium-Nanotr¨opfchen erhalten wurde. Die oben angesprochene Verbreiterung der Peaks ist deutlich zu erkennen ebenso wie eine Verschiebung des Spektrums um et-wa 800 cm−1 hin zu h¨oheren Energien. Dies kann einer entsprechenden Verschiebung des Ionisationspotenzials zugeschrieben werden.

In der Abbildung nicht zu erkennen ist ein sehr hoher Peak bei verschwindender kinetischer Energie, der bei Messungen mit Heliumtr¨opfchen generell aufzutreten scheint [Dra10].

Diese sehr langsamen Elektronen wurden auch schon bei Ionisationsexperimenten an rei-nen Heliumtr¨opfchen mittels hochenergetischer Synchrotronstrahlung beobachtet. Abbil-dung 3.9 zeigt ein solches Photoelektronen-Spektrum. Es dominieren extrem langsame Elektronen mit Energien unter 6 meV. Die Energieverteilung l¨asst sich durch Variation

48 3. Helium-Nanotr¨opfchen und Photoionisation

Abb. 3.9: Photoelektronen-Spektrum bei Ionisation von undotierten Heliumtr¨opfchen.

Es dominieren extrem langsame Elektronen mit Energien von unter 6meV. Entnom-men aus [PLP03].

der Photonenenergie nicht signifikant verschieben wie es f¨ur einen einfachen Photoionisa-tionsprozess gem¨aß (3.10) zu erwarten w¨are.

In [PLP03] wird folgender Mechanismus zur Erkl¨arung herangezogen: Im Tr¨opfchen bilden sich vibronisch hochangeregte Hen-Rydberg-Zust¨ande welche auto-ionisieren und Elektro-nen ins Tr¨opfchen abgeben. Durch eine starke Wechselwirkung mit dem Tropfen werden diese Elektronen abgebremst und verlassen ihn nahezu ohne kinetische Energie. Diese Elektronen bilden den scharfen Peak in Abbildung 3.9. Die wenigen Elektronen mit etwas gr¨oßerer kinetischer Energie k¨onnen interpretiert werden als Elektronen, die n¨aher an der Oberfl¨ache ins Tr¨opfchen abgegeben und dadurch weniger stark gebremst wurden.

In Experimenten mit sichtbarem Licht ist die Anregung dieser Rydberg-Zust¨ande energe-tisch nicht m¨oglich. Trotzdem scheint die Wechselwirkung zwischen den aus den Dotanten stammenden Photoelektronen und dem Tr¨opfchen einen Anteil der Elektronen abzubrem-sen.

Eine m¨ogliche Erkl¨arung stellen sog.

”Blasenzust¨ande“ freier Elektronen in den Tr¨opfchen dar [RJ95, JR06]. Das Pseudopotenzial zwischen Elektron und einem Heliumatom ist auf kurzen Distanzen stark repulsiv, auf langen attraktiv. F¨ur ein freies Elektron gibt es am Tr¨opfchen zwei Arten gebundener Zust¨ande, die außenliegenden Oberfl¨achenzust¨ande so-wie die Blasenzust¨ande im Inneren. Bei diesen werden die Heliumatome in unmittelbarer Umgebung des Elektrons verdr¨angt. Elektronen mit einer Energie von gr¨oßer etwa 1 eV k¨onnen in die Tr¨opfchen eindringen und einen Blasenzustand einnehmen. Wie auch jene Elektronen, die in den Tr¨opfchen entstehen, relaxieren sie dann in einen energetisch

nied-3.2. Theorie der Photoionisation 49

Vakuum

e-E

V0 = 1 eV 0,7 meV

Abb. 3.10: Verschiedene Zust¨ande f¨ur ein Elektron am Helium-Nanotr¨opfchen. Es existieren schwach gebundene ¨außere Oberfl¨achenzust¨ande (links) und innere Blasen-zust¨ande (rechts). Elektronen von außerhalb oder innerhalb der Tr¨opfchen relaxieren in einen energetisch tief liegenden Blasenzustand. Durch einen Tunnelprozess errei-chen sie einen der extrem schwach gebundenen Oberfl¨achenzust¨ande und k¨onnen das Tr¨opfchen nahezu ohne kinetische Energie verlassen. Abbildung nach [JR06].

rigeren Zustand (Abbildung 3.10). Bevorzugt bei geringen Abst¨anden der Blase zur Ober-fl¨ache wird ein Tunnelprozess in einen der nur schwach gebundenen Oberfl¨achenzust¨ande m¨oglich. Auf diese Weise ließe sich das Auftreten der extrem langsamen Elektronen er-kl¨aren.

Allerdings bietet auch dieses Modell keine vollst¨andige Erkl¨arung des Ph¨anomens. Ein Elektron mit der zum Eindringen notwendigen Energie von 1 eV und dar¨uber durchquert Tr¨opfchen der typischen Gr¨oße von einigen Nanometern bei Vernachl¨assigung jeglicher St¨oße in wenigen Femtosekunden. Um die, f¨ur die Bildung eines Blasenzustandes notwen-dige Aufenthaltsdauer im Tr¨opfchen von Pikosekunden zu erreichen, sind weitere Wech-selwirkungsmechanismen, etwa eine Streuung der Elektronen innerhalb des Tr¨opfchens, notwendig. Dar¨uber hinaus treten langsame Elektronen auch bei Experimenten an Tr¨ opf-chen auf, die einen kleineren Durchmesser besitzen als dieser auf Grund der theoretisopf-chen Rechnungen f¨ur die Blasen selbst erwartet wird. Der genaue Prozess, der zum Auftreten der extrem langsamen Elektronen f¨uhrt, ist nach wie vor unverstanden.

Mit dem Spektrometer soll vorrangig der nicht abgebremste Anteil der Photoelektronen untersucht werden. F¨ur die Konzeption kann also davon ausgegangen werden, dass die auftretenden kinetischen Energien der Elektronen etwa jenen entsprechen, die aus der Gasphase bekannt sind.

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