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Tödliche Arbeitsunfälle in Sachsen-Anhalt

1 Zur Situation im Arbeitsschutz und technischen Verbraucherschutz

1.3 Tödliche Arbeitsunfälle in Sachsen-Anhalt

Dipl.-Ing. Joachim Lüderitz

Der Fachbereich Arbeitsschutz des Landesamtes für Verbraucherschutz (LAV) untersucht tödliche und schwere Arbeitsunfälle meist unmittelbar nach dem Bekanntwerden. Dies ist nach wie vor eine sehr wichtige Aufgabe der Arbeitsschutzverwaltung. Über das sonstige Arbeitsunfallgeschehen führt der Fachbereich Arbeitsschutz keine Statistik. Sonstige Unfälle, z. B.

tödliche Unfälle im öffentlichen Straßenverkehr oder Wegeunfälle, werden nicht erfasst.

In der Zuständigkeit des LAV wurden 2013 12 Ereig-nisse untersucht, bei denen Beschäftigte während ihrer beruflichen Tätigkeit ums Leben kamen. Im Vergleich dazu kam es 2012 bei 10 Ereignissen zu 13 tödlichen Arbeitsunfällen.

Auf Baustellen gab es 7 tödliche Arbeitsunfälle.

Unterteilt man das Geschehen nach den jeweils äu-ßeren Bedingungen, ergibt sich, dass 3 der tödlichen Arbeitsunfälle sich in landwirtschaftlichen Betrieben er-eigneten. Ein Beschäftigter eines Gartenbaubetriebes verstarb bei Verladearbeiten auf einer innerstädtischen Baustelle. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Baugewerbe mit 4 Ereignissen. Neben der Recycling-Branche (2 Ereignisse) gab es je einen tödlichen Arbeitsunfall in der Metallindustrie und in der Lagereiwirtschaft. Eine eindeutige Zuordnung der Tätigkeiten der Verunfallten zu Branchen bzw. Wirtschaftsklassen und dem Träger der zuständigen gesetzlichen Unfallversicherung ist nicht immer möglich. Ausländische Beschäftigte waren 2013 nicht unter den Unfalltoten.

Eine sehr grobe zusammenfassende Betrachtung der Ereignisse ergibt, dass sich 3 der tödlichen Unfälle im Jahr 2013 aufgrund fehlender bzw. nicht genutzter persönlicher Schutzausrüstung gegen die Gefahr des Absturzes ereigneten. Ebenfalls mit 5 tödlich endenden Arbeitsunfällen ist der Aufenthalt im Gefahrenbereich zu nennen. Hierzu sind der Aufenthalt im Bereich von sich drehenden Teilen sowie Verlade-, Demontage-, Abriss- und Reparaturarbeiten zu nennen. Es kam zu 2 Ereignissen beim Umgang mit Fahrzeugen (Bagger, Radlader). Die übrigen tödlichen Arbeitsunfälle ereigne-ten sich in der Landwirtschaft beim Umgang mit Tieren und durch ungenügende Standsicherheit des Beschäf-tigten am Arbeitsplatz. Die Unfallursachen sind sehr vielschichtig. Sie liegen teilweise in der Missachtung von Vorschriften oder der fehlenden konkreten Arbeits-auftragserteilung durch die Unternehmer, aber auch im Fehlverhalten der verunfallten Beschäftigten.

An dieser Stelle sei bemerkt, dass es für einige der im Folgenden beschriebenen Unfälle keine Augenzeu-gen gab, sodass sich die Ermittlung des Unfallhergangs bzw. der Unfallursachen sehr schwierig gestaltete.

Im Bereich der landwirtschaftlichen Unternehmen ereigneten sich 3 tödliche Arbeitsunfälle.

Im Rahmen der Aufräumarbeiten nach dem Elbe-Hochwasser 2013 sollte ein Beschäftigter mit einem Radlader das auf der Grünfläche liegengebliebene Treibgut zusammentragen und zum Sammelcontainer bringen. Dazu befuhr er den gepflasterten Wirtschafts-weg auf einer ca. 3 m hohen Böschung. Aus ungeklärten Gründen kam er in einer Linkskurve vom Weg ab und fuhr die Böschung hinunter. Dabei kippte der Radlader um. Bei der Bergung des Verunfallten stellte man fest, dass die Tür des Fahrzeuges offen gewesen sein muss und der verunfallte Beschäftigte das vorhandene Rück-haltesystem (Beckengurt) nicht genutzt hatte. In der Schaufel des Radladers war keine Ladung. Der Verun-fallte war am Tag zuvor in die Aufgabe und in den Um-gang mit dem Radlader eingewiesen worden. Warum er die Böschung abwärts befahren hat, konnte nicht ge-klärt werden. Ein Gutachten ergab, dass das Fahrzeug keine technischen Mängel hatte. Eine Gefährdungsbe-urteilung konnte für die Arbeitsaufgabe nicht vorgelegt werden.

Zu einem weiteren Ereignis mit tödlichem Ausgang kam es in einer Rinderanlage. 3 Rinder sollten von 2 Beschäftigten aus einem Freilaufgehege in den Stall getrieben werden. Entgegen der Arbeitsanweisung be-trat ein Beschäftigter alleine und ungesichert das Gehe-ge. Der Bulle attackierte den Verunfallten dort schwer.

Von herbeieilenden Mitarbeitern konnte der Bulle nur mit Hilfe von Stalltechnik abgedrängt werden. Der Ver-unfallte erlag seinen schweren Verletzungen. Ursäch-lich war in diesem Fall die Missachtung der Weisung, den Tiertrieb nur zu zweit und unter Einhaltung festge-legter Sicherheitsmaßnahmen durchzuführen.

Der dritte tödliche Arbeitsunfall im Bereich der Land-wirtschaft ereignete sich bei Abbrucharbeiten in ei-nem landwirtschaftlichen Gehöft, zu dem auch 2 zum Teil einsturzgefährdete Einfamilienhäuser gehörten.

2 Beschäftigte hatten vom Inhaber des bäuerlichen Betriebes per E-Mail den Auftrag erhalten, mit ersten Abrissarbeiten an einem der baufälligen Gebäude zu beginnen. Eine Woche vor dem tragischen Ereignis begannen sie die Dachziegel abzutragen. Daraufhin erhielten sie wieder per E-Mail den Auftrag, dass sie mit dem Abbruch der gesamten Dachkonstruktion fort-fahren sollten. Dafür kam ein Radlader mit Teleskop-arm zum Einsatz, der vom Verunfallten bedient wurde.

Nachdem die beiden Beschäftigten die Dachlatten ent-fernt hatten, wollten sie mit dem Radlader und Hebe- bändern die Dachkonstruktion herunternehmen. Ein Querbalken brach durch und fiel auf den Radlader.

Der Fahrer verließ den Radlader, um diesen vom he-rabgefallenen Balken zu befreien bzw. die verschlun-genen Hebebänder zu lösen, als der Schornstein umkippte und ihn tödlich verletzte. Inwieweit der

frei-stehende, wahrscheinlich auch schon vorgeschädigte Schornstein dabei so erschüttert wurde, dass er seine Standfestigkeit verlor und daraufhin umfiel, kann nur vermutet werden. Der andere Beschäftigte war zwischenzeitlich auf dem Dachboden tätig und konnte den Unfallhergang nicht sehen. Bei der Untersuchung des Ereignisses stellte sich heraus, dass von diesem landwirtschaftlichen Betrieb keine Gefährdungsbe- urteilung vorgelegt werden konnte. Auch für die Durch-führung der Abrissarbeiten gab es keine speziellen An-weisungen oder Technologievorgaben.

2 Beschäftigte verunfallten auf einer innerstädtischen Abbruchbaustelle. Ein Arbeitnehmer verstarb am Un-fallort, ein weiterer erlitt leichte Verletzungen. Es sollte eine Abbruchschere mit einem Gewicht von 1,9 t von einer Baustellenrampe auf ein am Straßenrand stehen-des Containerfahrzeug verladen werden. Die Rampe bestand aus einem Haufwerk aus dem Betonmaterial des Abbruchobjektes. Sie diente als erhöhter Stand-platz für den Kettenbagger mit Abbruchausleger und gerippten Sortiergreifer. Zum Arbeitsende gegen 17.30 Uhr wurde die zu verladene Abbruchschere mittels Lasthakenkette an eine Rippe des Sortiergreifers ange-schlagen. Dann hob der Baggerfahrer die Last an und schwenkte sie in Richtung des bereitstehenden Contai-nerfahrzeuges. In diesen Container sollte die Schere abgeladen werden. Zu diesem Zeitpunkt stieg der Lkw-Fahrer aus seiner Lkw-Fahrerkabine. Er wollte vermutlich die Abbruchschere im Container abschlagen. Zeit-gleich kam der Bagger ins Kippen und erschlug mit dem Ausleger den neben dem Lkw stehenden Fahrer.

Unfallursache war Überlast. Die ange schlagene Ge-samtlast von 3,87 t (Abbruchschere mit 1,9 t und Sor-tiergreifer mit 1,97 t) war für den ausge fahrenen Bag-gerausleger zu groß. Die angeschlagene Gesamtlast überschritt das maximale Anbaugerätege wicht von 3 t bei Frontauslage erheblich. Der Bagger war mit einer Überlastwarneinrichtung (sog. Overload Warning) aus-gerüstet. Beim Erreichen eines definierten Druckes in den Hubzylindern (Überlast) ertönt ein akustisches Si-gnal in der Kabine. Dieses SiSi-gnal war zum

Unfallzeit-Abb. 1 Eingestürzter Dachstuhl des landwirtschaftlichen Gehöftes Abb. 2 Umgestürzter Bagger auf einer innerstädtischen Abbruchbaustelle

punkt nicht aktiviert. Die fehlende Standsicherheit des Baggers auf der unverdichteten Rampe begünstigte das Kippen. Des Weiteren wurde der 18-m-Abbruch-ausleger entgegen den Bestimmungen zum Heben und Transportieren von Lasten benutzt. Für den Trans-port der Abbruchschere war ein spezielles Hebezeug vorgesehen. Dieses befand sich auf der Baustelle, wurde aber nicht benutzt. Letztendlich musste auch festgestellt werden, dass sich der tödlich verunfallte Lkw-Fahrer im Gefahrenbereich (Schwenkbereich des Baggers) aufgehalten hatte. Der Baggerfahrer, welcher beim Umkippen des Baggers in seiner geschützten Kabine verblieb, erlitt zusätzlich einen Schock. Eine Gefährdungsbeurteilung war zwar vorhanden, aber nicht an die aktuelle Situation auf der Baustelle ange-passt.

Welche weiteren Ereignisse auf Baustellen im Land Sachsen-Anhalt endeten 2013 tödlich?

Es sollten Sanierungsarbeiten an 2 Schornsteinen eines Mehrfamilienhauses durchgeführt werden. Für den Materialtransport wurde ein Anlegeaufzug verwen-det, der bis zum First des Daches reichte. Im Bereich der Schornsteine waren auf dem Dach Laufstege. Zur Sanierung sollte eine elektrische Rüttelglocke mit einer manuell zu betätigenden Seilwinde vom Schornstein-kopf in den Schornstein herabgelassen und anschlie-ßend wieder heraufgezogen werden. Vor dem Herauf-ziehen wurde in den Schornstein von oben Leichtbeton eingefüllt. Beim Hochziehen der Rüttelglocke wird der Leichtbeton an der Schornsteinwandung verdichtet.

Allerdings blieb die Glocke beim Heraufziehen im Schornstein stecken. Der alten Handwerkerregel getreu

„Der Handwerker hat unheimlich Kraft, wenn er mit Ver-längerung schafft“ nahm der dann Verunfallte ein Rohr und steckte es auf die Kurbel der Seilwinde. Die Rüttel-glocke löste sich aber nicht, sondern die Befestigungs-schrauben der Kurbelaufnahme rissen ab. Dadurch entspannte sich schlagartig die Kraft an der Kurbel und der Beschäftigte stürzte über den Dachfirst aus ca.

8 m Höhe vom Dach. Dieser Unfall wäre sicher in seiner Schwere vermeidbar gewesen, wenn

Sicherungsmaß-nahmen, z. B. eine Arbeitsbühne am Schornsteinkopf oder Geländer am Laufsteg, getroffen worden wären.

Auch die Verwendung einer persönlichen Schutzaus-rüstung gegen Absturz in Form eines Auffanggurtes hätte wahrscheinlich Schlimmeres verhindern können.

Im Rahmen der Unfalluntersuchung wurde festge-stellt, dass sich diese persönliche Schutzausrüstung im Firmenfahrzeug vor dem Haus befand. Eine Gefähr-dungsbeurteilung konnte vom Unternehmer nicht nach-gewiesen werden.

Auf einer Straßenbaustelle setzte sich in einem et-was abschüssigen Bereich ein zuvor abgestellter Mo-bilbagger selbständig in Bewegung. Ein Beschäftigter sah dies und wollte auf den führerlosen Bagger auf-springen, um ihn zum Stehen zu bringen. Dabei wurde er vom Bagger erfasst und überrollt. Ursächlich für das Ereignis war, dass der Verunfallte sich in den Gefahren-bereich des rollenden Baggers begab. Vorausgegangen war das unsachgemäße Abstellen des Baggers auf der abschüssigen Straße. Es wurde lediglich der Ausleger-greifer auf den Straßenasphalt aufgesetzt. Die Fest-stellbremse war nicht eingelegt und das Schiebeschild nicht fest auf dem Boden gedrückt. Laut Unfallunter- suchung war der Baggerfahrer zum Führen von Erdbau-maschinen ausgebildet und speziell für diesen Bagger eine Woche vor dem Unfall unterwiesen worden. Für diese Baustelle lag eine Gefährdungsbeurteilung vor, auch wurde ein Sicherheits- und Gesundheitsschutz-plan erstellt und ein Koordinator nach Baustellenver-ordnung bestellt.

Bei der Demontage einer Regalanlage zur Lagerung von Betonpflastersteinen kam es zu einem weiteren töd-lichen Arbeitsunfall. Der Verunfallte hatte den Arbeits-auftrag, die Regalreihen nacheinander mittels eines Schneidbrenners zu demontieren. Dazu trennte er zu-nächst die oberen Verbindungen und Aussteifungen der jeweiligen Regalreihe, um dann die waagerechten Regalsegmente (ca. 6 m breit) auf den Boden ablegen zu können. Zur Fixierung der Fallrichtung schnitt er danach die senkrechten Stützen einseitig bis ca. zur Hälfte ein. Abschließend wurde das Regal-

segment mit Hilfe eines Teleskopladers auf dem Hallen- boden abgelegt. Als es zu dem Unfall kam, war be-reits die Hälfte der Regalanlage auf diese Art und Weise demontiert. Da der Verunfallte zum Unfall-zeitpunkt allein in der Lagerhalle tätig war, wird an-hand der vorliegenden Beweise davon ausgegangen, dass er in Begriff war, die letzte senkrechte Stütze des vorbereiteten Regalsegmentes einzuschnei-den als dieses ungeplant in die vorgesehene Fall- richtung umstürzte. Obwohl er noch versuchte den Gefahrenbereich zu verlassen, wurde er vom oberen Teil des Regalsegmentes erfasst und tödlich verletzt.

Unfallursächlich waren die nicht fachgerecht ausge-führte Demontage des Regalabschnittes, fehlende Sicherungsmaßnahmen des Regalabschnittes sowie der Aufenthaltsort des Verunfallten beim Einschneiden der Regalstützen. Eine Gefährdungsbeurteilung sowie eine schriftliche Abbruchanweisung lagen am Unfallort nicht vor. Der Verunfallte wurde vor Beginn seiner Tä-tigkeit mündlich in seine Arbeitsaufgabe eingewiesen.

Die beiden weiteren Baustellenunfälle ereigneten sich auf der gleichen Baustelle im Abstand von 5 Wochen. Die beiden Verunfallten stürzten jeweils vom Flachdach einer Produktionshalle. Das Flachdach be-steht aus Trapezblech, in dem nicht durchtrittsichere lichtdurchlässige Kunststoffprofile eingebaut sind. Die Lichtbänder waren teilweise weiß beschichtet und so kaum von den Trapezblechen zu unterscheiden. Auf dem Flachdach sollten Solarmodule für eine Photovol-taikanlage installiert werden. Bei dem ersten Unfall hatte eine Gerüstbaufirma den Auftrag übernommen, vor Beginn der Solarmodulmontage die Lichtbänder des Flachdaches gegen Absturz mit Netzen zu sichern.

Während der Ausführung der Sicherungsarbeiten trat der Beschäftigte auf eines der Lichtbänder, brach durch und stürzte ins Halleninnere. Zu diesem Unfall kam es, weil jegliche Maßnahmen gegen Absturz fehlten. Es war weder ein kollektiver Schutz der Beschäftigten, z. B. Auffangnetze, noch persönliche Schutzausrüs-tung gegen die Gefahr des Absturzes vorgesehen. Die durch das Gerüstbauunternehmen vorgelegte

Gefähr-Abb. 3 Weg des abgestellten Baggers zur Unfallstelle Abb. 4 Ansicht der umgestürzten Regalanlage

dungsbeurteilung war für diesen Arbeitsauftrag nicht angepasst worden. Durch das LAV wurde verfügt, dass die Arbeiten auf dem Dach erst fortgesetzt werden dür-fen, wenn entsprechende Sicherungsmaßnahmen ge-troffen sind. In Folge dieses Unfalls wurden nun Si-cherungsmaßnahmen für zukünftige Arbeiten auf dem Flachdach fest installiert. So wurden je Dachseite 3 Reihen mit Sekuranten mit durchgängigen Stahlseilläu-fen montiert. Auch die Traufkanten des Daches waren mit derartigen Seilläufen gesichert. Zusätzlich wurden die Absturzkanten an den Lichtbändern mit Flatterband markiert und den Beschäftigten persönliche Schutz-ausrüstung gegen Absturz (Anseilschutz) zur Verfü-gung gestellt. Und dennoch: Bei den Montagearbeiten der Solarmodule stürzte ein Beschäftigter durch ein Lichtband. Da technisch alle Maßnahmen ergriffen wa-ren, kam nur noch in Betracht, dass der Beschäftigte die persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (An-seilschutz) nicht bestimmungsgemäß benutzte. Diese Vermutung bewahrheitete sich, tatsächlich trug der Ver-unfallte einen Auffanggurt mit Falldämpfer und Karabiner- haken. Im bestimmungsgemäßen Gebrauch muss der Karabinerhaken an den Seilläufen der Sekuranten auf dem Dach eingehakt sein, um den Beschäftigten

wirk-sam vor der Gefahr des Absturzes zu sichern. Im Rah-men der Unfalluntersuchung wurde allerdings festge-stellt, dass der Verunfallte zum Unfallzeitpunkt den Karabinerhaken nicht am Seillauf der Sekuranten, sondern am Auffanggurt selbst eingehakt hatte. Damit war die persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz unwirksam. Beim Betreten eines der nicht durchtritt-sicheren Lichtbänder kam es dann zum tödlichen Ab-sturz. Der Beschäftigte hatte die in der Gefährdungs-beurteilung festgelegten Maßnahmen missachtet und damit selbst gegen die Arbeitsschutzvorschriften ver-stoßen.

An einer Brecheranlage eines Recyclingunterneh-mens sollten Reparaturarbeiten ausgeführt werden. Die Anlage war ausgeschaltet, das Austragsband stand still und der Verunfallte stellte sich auf das Band (Gummi-material), welches ca. 60 cm über dem Boden war, um eine Schraube an einem Magnetband zu befestigen.

Plötzlich stürzte der Beschäftigte vom Band und schlug auf die rechte Körperseite. Er wurde sofort von einem anderen Beschäftigten versorgt und mit dem Notarzt ins Krankenhaus gebracht. Dort verstarb er eine Wo-che nach dem Unfall. Die Arbeitsschutzverwaltung er-hielt erst nach dem Tod des Beschäftigten Kenntnis von dem Unfall. Bei der Ereignisuntersuchung konnte nur gemutmaßt werden, dass der Standort auf dem Trans-portband nicht sicher gewesen sein muss. Ein Gummi-band gibt bei Belastung nach, sodass es wahrschein-lich ist, dass es unter dem Gewicht des Verunfallten nachgegeben hat. Dadurch kann er das Gleichgewicht verloren haben und stürzte vom Band. Es ist auch nicht auszuschließen, dass Schneeanbackungen unter den Schuhen des Verunfallten auf dem geneigten Gummi-band begünstigend für ein Rutschen auf dem Band ge-wirkt haben könnten.

Ein weiterer Todesfall war nach einem zweitägigem Großeinsatz der Polizei, der eine Vermisstenmeldung der Ehefrau vorausgegangen war, zu beklagen. Die Po-lizei fand den Mann auf dem Betriebsgelände der Firma, bei der er beschäftigt war. Er wurde mit Ganzkörperquet-schungen in einer Papierballenpresse gefunden. Die

Abb. 5 Absturzstelle - Dach mit Lichtband

Abb. 6 Hallendach mit Solarmodulen, Sekuranten und gesicherten

Be-schäftigten Abb. 7 Teilansicht der Brecheranlage

ermittelten Umstände wie es zum Tod des Vermissten kam, ließen den Schluss auf einen Arbeitsunfall zu. Zeu-gen gab es für den Unfall nicht, sodass auch in diesem Fall nur Vermutungen über den Unfallhergang ange-stellt werden konnten. Zu den Arbeitsaufgaben des verunfallten Beschäftigten gehörte das gelegentliche Bedienen der Kanalballenpresse, mit der leere Karton- umverpackungen gepresst werden. Nach dem die Presse in Betrieb gesetzt wurde, legte er Kartonagen auf das sehr langsam laufende Muldenband. Das Material gelangt dann über das schräg verlaufende Zuführ-band in die Vorpresse (25 t Presskraft) und von dort in die Hauptpresse (40 t Presskraft). Offenbar hat-te es einen Mahat-terialstau im Bereich der Einfüllöffnung am oberen Ende des Zuführbandes gegeben, den er versuchte zu beseitigen. In diesem Bereich gibt es ein Revisionspodest, von dem aus 2 Revisionstüren zu-gänglich sind, welche durch einen kräftigen Feder-mechanismus geschlossen gehalten werden. Sie sind nicht elektrisch verriegelt. Wenn die Revisionstüren ge-öffnet sind, konnte man mit einer Stange einen Materi-alstau beseitigen. Da die Unterkante dieser Türen kurz über dem Podest liegt, ist es nicht ausgeschlossen, dass der Verunfallte von hier in die Presse gefallen ist. Denkbar wäre auch, dass er zur Materialentflech-tung auf das Zuführband stieg und in den Einfüllschacht fiel. Die Ursachen für den Unfall sind überwiegend im Verhalten des Verunfallten selber zu finden. Er hat-te zur Störungsbeseitigung lediglich das Zuführband abgeschaltet, nicht aber die Kanalballenpresse. Da-mit verstieß er gegen die allgemeine Betriebsanwei-sung und gegen mündlich erteilte Verhaltensregeln an der Anlage. Eine spezielle Anweisung für die Störungs-beseitigung gab es nicht. Die Kanalballenpresse hatte

auch technische Mängel aufzuweisen. So waren die genannten Revisionstüren nicht elektrisch verriegelt.

Auch gab es keine technische Lösung, die das Betre-ten der laufenden Bänder verhindert hätte. Der Unter-nehmer gab gegenüber dem LAV eine Selbstverpflich-tungserklärung ab, dass die Presse stillgelegt wird.

Auf einer Langdrehmaschine sollte ein Aluminium-rundmaterial vom 260 mm auf 203 mm Durchmesser abgedreht werden. Das Drehteil hatte eine Länge von 5.000 mm. Der Dreher kam aus ungeklärten Gründen mit dem Oberkörper zu nah an das Drehteil. Er wurde von ihm erfasst und zwischen Werkstück und Maschi-nenbett gezogen. Ein herbeigeeilter Kollege drückte den Not-Aus-Schalter, die Maschine kam nach einer halben Umdrehung zum Stillstand. Begünstigend für den Unfall war, dass der Dreher einen Pullover trug, der durch seine Faserstruktur leicht vom Drehteil er-fasst werden konnte (Klettverschlussprinzip). Es ist je-doch nicht erklärbar, warum der Verunfallte dem sich drehenden Werkstück so nah kam. Vermutlich wollte er den Spanabtrag näher beobachten. Im Unternehmen lag für diesen Arbeitsplatz eine „aktuelle“ Gefährdungsbe-urteilung vor, die allerdings nach dem Ereignis zu über- arbeiten war. Hierzu gehörte u. a. die nochmalige Un-terweisung der Beschäftigten hinsichtlich der Einhal-tung von organisatorischen Maßnahmen (Abstand von sich drehenden Teilen, enganliegende Berufskleidung tragen, nur bei Stillstand des Drehteils messen). Das Unternehmen suchte auch nach technischen Lösun-gen für eine sichere Gestaltung des Arbeitsplatzes, die

Abb. 8 Ansicht der Kanalballenpresse Abb. 9 Unfallstelle an der Langdrehmaschine

allerdings für diese spezielle Maschine nicht gefunden werden konnte. Der Verunfallte war ein ausgebildeter und erfahrener Dreher, der die Gefahren und Verhal-tensanforderungen bei derartigen Arbeiten kannte, sich aber in diesem Moment nicht umsichtig genug verhielt.

Die Abbildung 10 zeigt die Entwicklung des Unfall-geschehens in den Jahren 2003 bis 2013. Eine Aus-wertung der Entwicklung der tödlichen Arbeitsunfälle

Die Abbildung 10 zeigt die Entwicklung des Unfall-geschehens in den Jahren 2003 bis 2013. Eine Aus-wertung der Entwicklung der tödlichen Arbeitsunfälle