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2. LITERATUR

2.3. Surfactant

2.3.1. Funktion

Die größeren luftleitenden Wege haben knorpelige, hufeisenförmige Stützen, welche sie vor dem Kollabieren bewahren. Die kleineren Luftwege haben dies nicht (ENHORNING 2001). Surfactant bedeutet Surface active agent (HAMM et al. 1996).

Die wichtigste Eigenschaft von Surfactant ist, die Oberflächenspannung (OFS) schnell zu erniedrigen, in dem er zügig einen stabilen Film bildet, sobald die Oberfläche sich vergrößert (CLEMENTS 1997). Dieser Prozess ist beim ersten Atemzug eines Neugeborenen besonders relevant. Durch Surfactant ist die Ausdehnung der Lunge unmittelbar post partum relativ leicht. Bildet sich kein stabiler Oberflächenfilm, weil zu wenig Surfactant vorliegt oder dieser zu stark komprimiert ist, kommt es zum Kollabieren der Alveolen beim nächsten Atemzug. So entsteht das Atemnotsyndrom von Neugeborenen (BANKS 1986; CLEMENTS 1997; WELSCH u.

DELLER 2010).

Nachdem der Surfactant aus den Typ II Pneumozyten mittels Exozytose in das Alveolarlumen der Lunge ausgeschleust wurde, bildet er einen monomolekularen Film. Dieser kleidet die gesamte innere Oberfläche der Lunge bis zu den Bronchiolen aus und bildet den Oberflächenfilm (WELSCH u. DELLER 2010). Die Surfactant-produktion beim Menschen wird auf 0,1-0,5 ml/kg geschätzt (DIETL u. HALLER 2005). Surfactant ermöglicht, die OFS der Alveolen 5-10fach zu erniedrigen (LIEBICH 2004). Dadurch wird die Gefahr eines endexpiratorischen Kollapses der Lunge gesenkt und das erneute Ausdehnen der Alveolen während der Inspiration erleichtert (CLEMENTS 1997; WELSCH u. DELLER 2010).

Surfactant hält die Alveolen offen, sauber und trocken. Er verhindert, dass es aufgrund eines zu großen Druckgradienten durch eine zu hohe OFS zum Eintreten von Flüssigkeit aus den Gefäßen in das Alveolarlumen kommt (OCHS 2006).

2.3.2. Zusammensetzung

80-90% des Surfactants bestehen aus Phospholipiden, überwiegend Dipalmitoyl-Phosphatidylcholin und Cholesterin. Weitere ca. 10% bestehen aus Protein, bei dem die hydrophilen Glykoproteine (SP A und SP D) neben den hydrophoben Proteinen (SP B und SP C) die wichtigsten Anteile darstellen. Die SP B und C tragen zur Stabilisierung des Phospholipidfilms bei, während die SP A und D eine antimikrobielle Wirkung haben (WELSCH u. DELLER 2010). Vermutlich fördert Surfactant die Anheftung von Bakterien an Makrophagen und damit deren Phagozytose (MORGENROTH 1986).

Die Einteilung der Surfactantuntergruppen wird von verschiedenen Autoren mit verschiedenen Ansätzen dargestellt:

Anhand ihrer Dichte lassen sich aus zellfreier BALF drei Surfactantgruppen bilden:

„ultraheavy“ bestehend aus überwiegend tubulärem Myelin, „heavy“ bestehend aus überwiegend lamellenkörperähnlichen Strukturen und „light“, worin überwiegend unilamelläre Vesikel aufzufinden sind. Die Ergebnisse von einer anderen Studie untermauern den Verdacht, dass Surfactantgruppen aus der Fraktion „ultraheavy“

frischer Surfactant sind, der aus Lamellenkörpern ausgeschleust wurde. Zusätzlich ist erwiesen, dass aus der „ultraheavy“ Gruppe die beiden anderen Surfactantgruppen entstehen (GROSS u. NARINE 1989a).

Durch Zentrifugation bei 40 000 x g kann Surfactant in small aggregats (SA) und large aggregats (LA) ebenfalls anhand deren Dichte unterteilt werden. Diese Methode ist weniger zeitaufwändig als die Differenzierung nach dem Saccharosegradienten, wie durch GROSS u. NARINE (1989a) beschrieben, jedoch mit geringerer Trennschärfe. Die Dichte der LA ist höher als die der SA.

Morphologisch unterscheiden sich die beiden Gruppen dahingehend, dass in den SA überwiegend unilamelläre Vesikel auftreten und kein tubuläres Myelin vorliegt.

Letzteres ist ausschließlich bei den LA anzutreffen (VELDHUIZEN et al. 1993).

BALIS et al. (1991) unterscheiden detailliertere Surfactantgruppen in BALF. Diese sind lamellenkörperähnliche Strukturen, multilamelläre Vesikel, tubuläres Myelin und unilamelläre Vesikel.

Unilamelläre Vesikel bestehen aus nur einer einzelnen Lamelle in unterschiedlichen Größen (BALIS et al. 1991; SCHMIEDL et al. 2003). Im Gegensatz zu den anderen Gruppen, zeigt die der unilamellären Vesikeln wenig Oberflächenaktivität (GROSS u.

NARINE 1989a).

Lamelläre Vesikel enthalten 2–3 voneinander klar abgegrenzte Lamellen. Aufgrund ihres Aufbaus wird eine Übergangsform zwischen multilamellären und unilamellären Vesikeln vermutet, bisher wurden diese in anderen Säugetierarten noch nicht beschrieben1.

Multilamelläre Vesikel enthalten viele locker gewickelte Lamellen, die von einander separat vorliegen (BALIS et al. 1991; SCHMIEDL et al. 2003).

Lamellenkörperähnliche Strukturen von Surfactant ähneln den intrazellulären Lamellenkörpern, jedoch ohne begrenzende Membran. Die Lamellen sind nicht klar voneinander getrennt (BALIS et al. 1991; SCHMIEDL et al. 2003).

Multivesikuläre Vesikel bestehen aus einer äußeren Membran und beinhalten mehrere innere Vesikel (LAKRITZ et al. 1992).

Tubuläres Myelin ist ein röhrenstrukturartiger Lipoproteinkomplex, welcher eine Reservefunktion einnimmt. Es wird aus Lamellenkörpern unmittelbar nach deren Exozytose aus den Typ II Pneumozyten gebildet, bei Bedarf in den Surfactantfilm eingespeist oder entfernt (WELSCH u. DELLER 2010). Tubuläres Myelin weist eine typische Gitterstruktur auf (BALIS et al. 1991).

Die Lamellenkörper wickeln sich während der Exozytose langsam ab, um dann vorzugsweise das tubuläre Myelin zu bilden (BALIS et al. 1991).

Innerhalb der Alveolen liegt frischer, oberflächenaktiver Surfactant (überwiegend tubuläres Myelin) neben inaktivem Surfactant (überwiegend unilamelläre Vesikel) vor (OCHS 2006).

1 Laut persönlicher Mitteilung von Herrn Prof. Dr. Dr. Schmiedl, Hannover am 24. Mai 2012

2.3.3. Auf- und Abbau

Die lamellenkörperähnlichen Strukturen lassen sich in vitro in tubuläres Myelin konvertieren. Dazu ist eine physikalische Manipulation nötig, welche das Ausdehnen und Zusammenziehen von der Alveolenoberfläche nachahmt. Ohne diese Stimulation entstehen keine Veränderungen in der Surfactantzusammensetzung. Es gelingt nicht, mit dieser Methode auch unilamelläre Vesikel zu konvertieren (GROSS u. NARINE 1989b).

Der Abbau von Surfactant erfolgt zum Teil vermutlich durch Alveolarmakrophagen und Typ II Pneumozyten (POULAIN u. CLEMENTS 1995; WELSCH u. DELLER 2010). In ihrem Zytoplasma kann phagozytiertes Material in Myelinfiguren nachgewiesen werden, welches Lamellenkörpern und tubulärem Myelin ähnelt (KAUP u. DROMMER 1985). Die biologische Halbwertzeit von Surfactant beträgt 17-20 Stunden (GROSS u. NARINE 1989b).

2.3.4. Rolle von Surfactant bei OPA

In dem für OPA typischen Lungenexsudat können mittels Immunoblotting hohe Mengen an SP A nachgewiesen werden (PLATT et al. 2002), wie es unter anderem in Surfactant auftritt (WELSCH u. DELLER 2010). Des Weiteren besteht diese Flüssigkeit aus Schleim und Lipiden (SUMMERS et al. 2005). SUMMERS et al.

(2005) halten das übermäßig auftretende Lungenexsudat und die vorliegenden Surfactantproteine für eine mögliche Ursache des unter 2.1.2.4. beschriebenen Scheiterns einer effektiven Immunantwort bei OPA.

Aus einer humanmedizinischen Studie geht hervor, dass Surfactant nicht in der Lage ist, das JSRV Onkogen env zu inaktivieren. Daher wird dieses Gen in Retrovirusvektoren eingesetzt, die zu therapeutischen Zwecken in der menschlichen Lunge bestehen bleiben müssen ohne abgebaut zu werden (COIL et al. 2001).