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2. LITERATUR

2.4. Selen

2.4.1. Funktion von Selen im Säugetierorganismus

Selen ist ein essentielles Spurenelement. Als funktionelle Komponente von Selenoproteinen und Enzymen dient es unter anderem dem Oxidationsschutz und hemmt eine vermehrte Radikalbildung. Als Bestandteil des Enzyms Glutathion–

Peroxidase (GPx) unterstützt es die Umwandlung von Hydroperoxiden in Hydroxyfettsäuren in Zellen, Plasma und dem Gastrointestinaltrakt (ROOKE et al.

2004; BICKHARDT 2009). Bislang werden bei Menschen fünf verschiedene selenhaltige GPx beschrieben, die GPx 1-4 und die GPx 6. Während die GPx 1 ubiquitär verbreitet ist und bei adäquater Selenversorgung in allen Zellen exprimiert wird (BRIGELIUS-FLOHE 1999), liegt die GPx 2 überwiegend im Gastro-intestinaltrakt vor. Die Plasma-GPx (GPx 3) wird in der Niere synthetisiert und ins Plasma sezerniert. Die GPx 4 ist die Einzige, die auch mit Lipidhydroperoxiden reagiert, sie wird auch Phospholipidhydroperoxid-GPx genannt (Übersicht bei BRIGELIUS-FLOHE 1999, BRIGELIUS-FLOHE u. KIPP 2009). Für die fünfte selenhaltige GPx, die GPx 6, wurden bislang keine kinetischen Analysen angefertigt (BRIGELIUS-FLOHÉ u. MAIORINO 2013).

Selen ist ein Bestandteil der Jodothyronin Deiodinase, welche als Selenoenzym relevant für den Metabolismus von Schilddrüsenhormonen ist und den Umbau von Thyroxin in Triiodthyronin katalysiert (BEHNE et al. 1990; ROOKE et al. 2004).

Selenoprotein P wird als das Haupttransportprotein von Selen im Serum angesehen.

8% der Gesamtmenge an Selen im Körper sind im Selenoprotein P enthalten (READ et al. 1990). Dieses Protein wird zu 90% in Hepatozyten gebildet. In einer Selenmangelsituation fällt die Konzentration an Selenoprotein P im Serum weniger stark ab als dies bei der GPx der Fall ist. Da Selenoprotein P Selen in andere Gewebe des Körpers transportiert, wird somit gewährleistet, dass dieser Mechanismus auch in Mangelsituationen aufrecht erhalten bleibt (HILL et al. 2012).

Letztlich ist Selen in der Thioredoxinreduktase auch in Wachstum, Regulation der Zellapoptose und Aufrechterhaltung des Redoxstatus einer Zelle involviert. In der Unterstützung des Immunsystems spielt Selen ebenfalls eine relevante Rolle, wie beispielsweise dem Oxidationsschutz (ROOKE et al. 2004).

PETERS et al. (2006) konnten nachweisen, dass höhere Serumselen-konzentrationen bei Menschen mit einem niedrigeren Risiko für Colorektaladenome einhergehen. Dass häufiger Raucher von diesem Adenom betroffen sind, wird im Zusammenhang mit dem oxidativen Stress durch Rauchen vermutet. Die Interaktionen mit Selen können in einem Zusammenhang mit der antioxidativen Wirkung der Selenoenzyme stehen (PETERS et al. 2006 ).

Hinsichtlich des Selenmetabolismus scheint es wenig Unterschiede zwischen Wiederkäuern und anderen Tierarten zu geben. Sowohl in der oralen als auch in der parenteralen Supplementation wird Selen bei Nutztieren häufig in Kombination mit Vitamin E verabreicht. Eine Supplementierung von Selen zusammen mit Vitamin E führt zu signifikanten Anstiegen der Selenkonzentration in Muskulatur und Leber.

Eine reine Gabe von Vitamin E hingegen führt zu sukzessivem Abfall der Selenkonzentrationen in den genannten Geweben (AMMERMAN u. MILLER 1975), was die weitgehende Unabhängigkeit der beiden Stoffwechselsysteme unterstreicht.

Vitamin E selbst stellt ein effektives Antioxidanz dar, welches in Membranen vorliegt und Lipide vor Peroxidation schützt (BUETTNER 1993; ROOKE et al. 2004). Pro 100-1000 Phospholipiden liegt ein Molekül Vitamin E vor. Nach wie vor ist unklar, ob bestimmte Phospholipide durch Vitamin E besser als andere vor Oxidation geschützt werden (ATKINSON et al. 2008). Phospholipide bilden den überwiegenden Bestandteil von Surfactant (WELSCH u. DELLER 2010).

2.4.2. Auswirkungen von Selenmangel bei Schafen

Ein Mangel an Selen kann bei Schafen eine nutritive Muskeldystrophie, Lebernekrosen, verminderte Erythrozytenstabilität, verminderte Fertilität und Störungen der Immunabwehr verursachen. Subklinische Mängel können nicht leicht

erkannt werden, führen jedoch zu Leistungseinbußen. Jungtiere sind davon in der Regel häufiger betroffen (AMMERMAN u. MILLER 1975; BICKHARDT 2009).

Bezüglich des Körpergewichts stellt sich bei adulten Schafen keine Veränderung durch marginale Selenversorgung ein. Die Serumselenkonzentration sinkt kontinuierlich bei einer über 2 Jahre andauernden marginalen Selenversorgung.

Bereits innerhalb von 10 Tagen kann bei Umstellung auf eine bedarfsgerechte Selenversorgung ein Anstieg der Plasmaselenkonzentration verzeichnet werden, welche dann bereits eine Plateauphase erreicht hat. Ähnlich verhalten sich die Selenkonzentrationen in der Leber. Diese sinken jedoch bei marginaler Selenversorgung nicht kontinuierlich ab, wie es in der Serumselenkonzentration der Fall ist. Die Ursache dafür wird darin vermutet, dass ein Anpassungsprozess an die marginale Versorgung stattfindet, damit in der Leber ausreichend Selen für die Selenoproteinsynthese bereitgestellt werden kann (HUMANN-ZIEHANK et al.

2013b).

2.4.3. Rolle von Selen bei der Tumorentstehung

Die Proliferation von bereits ausgeprägter OPA kann in ihrem weiteren Verlauf nicht durch eine experimentelle Modulation des Selenstatus (marginal gegenüber bedarfsgerecht mit Selen supplementierte Schafe) beeinflusst werden (HUMANN-ZIEHANK et al. 2013a). Anhand von chemisch induzierten Hepatokarzinomen bei Ratten kann gezeigt werden, dass tägliche hochdosierte Selenzuführung (4mg/kg in Trinkwasser) die Tumorentstehung deutlich senkt. Dies bezieht sich sowohl auf die Anzahl der Tumorlokalisationen als auch auf die Größe der einzelnen Tumorknoten (ALWAHAIBI et al. 2010). Vermutlich hängt die Wirkung von Selen auf die Tumorgenese von mehreren Faktoren ab. Dazu zählen die ursprüngliche Selenversorgung, die Art des Tumors und der Zeitpunkt, ab dem Selen in der Tumorentstehung zugeführt wurde (BRIGELIUS-FLOHE u. KIPP 2009). Auch beim Menschen können Zusammenhänge zwischen Selenversorgung und Tumorinzidenz gezeigt werden (BUKALIS et al. 2007). Die Aktivitäten von GPx 1 & GPx 4 in

humanen Lungenadenokarzinomzelllinien können durch Selensupplementierung im Nährboden je nach Zelllinie um das Vielfache gesteigert werden. Nur mit einer Selensupplementierung im Nährmedium können die Zelllinien eine maximale Expression und Aktivität der GPx aufweisen. Diese Enzyme fungieren als Antioxidantien und haben vermutlich eine wichtige Rolle bei der Regulation reaktiver Sauerstoffspezies bei Lungentumoren. Es wird mit Blick auf humane Lungenadenokarzinomzellinien postuliert, dass Selen eine Rolle für das Risiko von Lungentumoren spielt (ROMANOWSKA et al. 2007).

In der Initialphase einer Krebserkrankung wirken alle GPx durch die Entfernung von Hydroperoxiden antikanzerogen. Zu diesem Zeitpunkt liegen zu hohe Hydroperoxid-konzentrationen vor, welche zu Tumorentstehung durch Mutation oder aufgrund von Zellschädigungen führen können. Während der Promotionsphase eines Tumors können die veränderten Zellen noch durch Apoptose daran gehindert werden, in die Progressionsphase über zu gehen. Während dieser Übergangsphase ist die Rolle von den reaktiven Sauerstoffspezies unklar, da sie einerseits Apoptose fördern und andererseits für die Tumorproliferation benötigt werden. Einerseits fördert anschließend die GPx 2 die Proliferation, während andererseits die GPx 4 diese hemmt. Eine Tumormetastasierung kann wiederum durch alle GPx gehemmt werden (BRIGELIUS-FLOHE u. KIPP 2009).

Selen besitzt eine sehr enge therapeutische Breite, weswegen es auch als

„zweiseitiges Schwert“ bezeichnet wird (STEINBRENNER u. SIES 2009). Ein sicherer Nachweis hinsichtlich der Schutzfunktion von Selen in Bezug auf die Tumorentstehung existiert nicht. Daher befassen sich Meta-Analysen mit diesem Thema. Die Autoren kommen zu dem Fazit, dass es keine eindeutigen Beweise dafür gibt, dass Selensupplementierung die Entstehung von Krebs bei Menschen verhindern kann (DENNERT et al. 2011; VINCETI et al. 2014).