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3. Wirkungsaspekte von Bewegung & Sport zur Stimmungsregulation

3.4. Studienlage zum Einfluss von Bewegung & Sport auf die psychische Gesundheit

Der Zusammenhang zwischen körperlicher Gesundheit und Bewegung und Sport konnte in zahlreichen Einzel- und Übersichtsstudien nachgewiesen werden und ist in den letzten Jahren vermehrt in den Blickpunkt der Forschung gerückt. Analysiert man die Ergebnisse von Schüle und Huber (2012, S. 44-45) so lässt sich ein vermehrter Anstieg, sowohl von publizierten

„randomisiert kontrollierten Studien (RCT)“, als auch von allgemeinen Publikationen zum Thema „exercise & therapy“ ab der Jahrtausendwende auf der Datenbank „PubMed“, erkennen (vgl. Abbildung 9). Dabei ist vor allem die positive Wirkung von Bewegung und Sport auf das Herz-Kreislaufsystem unbestritten. Die protektive und therapeutische Wirkung von Bewegung und Sport ist bei Erkrankungen wie Feststoffwechselstörungen, Hypertonie, Adipositas, Erkrankungen der Koronararterien, Diabetes Typ II und Brust- und Dickdarmkrebs zahlreich empirisch nachgewiesen und beschrieben (Hartmann & Pühse, 2009, S. 924-925). Dies hat zur Folge, dass sich die Bewegungs- und Sporttherapie als anerkanntes Therapieverfahren für die genannten somatischen Erkrankungen etabliert hat und in sämtliche medizinische Leitlinien aufgenommen wurde (Markser & Bär, 2015, S. 5).

Abbildung 9: Anzahl der jährlichen Publikationen und randomisiert kontrollierten Studien (RCTs) zu „exercise & therapy“

(„MESH-Term“) in der Datenbank „PubMed“ (Schüle & Huber, 2012, S.44)

3.4.1. Studienlage zur Wirkung von Bewegung & Sport auf die psychische Gesundheit Dem Sport wird in der öffentlichen Wahrnehmung neben den positiven physischen Auswirkungen auch Vorteile auf die Psyche zugeschrieben. Diese sind allerdings vergleichsweise wenig erforscht. Hölter (2011, S. 59) bemängelt neben der geringen Studienlage auch, dass vielen Studien nicht der hohe Standard einer „randomisiert kontrollierten Studie (RCTs)“ zu Grunde liegt und diese somit nur beschränkt aussagekräftig sind. Dieses Studiendesign weist eine sehr hohe wissenschaftliche Evidenz auf, da hier die abhängige Variable sowohl bei der Interventions-, als auch bei der Kontrollgruppe untersucht wird und die Proband*innen einer der beiden Gruppen zufällig zugeteilt werden (Brand, 2010, S. 88).

Hartmann und Pühse (2009, S. 924) verweisen außerdem darauf, dass die Studien untereinander schwer vergleichbar sind, da oftmals unterschiedliche Auffassungen für die Begriffe

„psychische Gesundheit“ oder „Bewegung und Sport“ vorliegen.

Weigelt (2013, S. 66-70) kommt nach der Analyse und Zusammenfassung mehrerer Einzel- und Übersichtsstudien zum Schluss, dass von einer „tendenziell positiven Wirkung“ von sportlicher Betätigung auf die psychische Gesundheit ausgegangen werden kann. Allerdings ist der Studienautor der Auffassung, dass es mehr „randomisiert kontrollierte Studien (RCTs)“

braucht, um die Auswirkungen eindeutig zu belegen.

In zwei qualitativ hochwertigen Meta-Analysen konnte gezeigt werden, dass sich sportliche Betätigung, sowohl akut als auch langfristig positiv auf die Stimmung („affektive Komponente des Wohlbefindens-Zustand“), auswirkt. In beiden Studien errechneten die Autoren eine schwache bis mittlere Effektgröße für die Wirkung von Bewegung und Sport auf die psychische Gesundheit (Reed & Buck, 2009, S. 581-594; Reed & Ones, 2006, S. 477-514). Meta-Analysen haben eine besonders hohe Aussagekraft. Diese weisen eine sehr hohe wissenschaftliche Evidenz auf, da sie Primärstudien zusammenfassen und daraus eine statistische Effektgröße berechnen (Beelmann & Bliesener, 1994, S. 215-216).

Auch Fuchs (2003, S. 1-34) fasste zahlreiche Einzelstudien zusammen und kam zum Schluss, dass sich körperliche Aktivität positiv auf „die Stimmung“ auswirkt. Des Weiteren attestierte er körperlicher Aktivität eine stressregulierende Wirkung. Allerdings deckt sich die Meinung des Autors mit den vorhergehenden Aussagen. Auch er kritisiert die teilweise sehr geringe wissenschaftliche Qualität von relevanten Einzelstudien.

In einer sehr groß angelegten Überblicksarbeit konnten Biddle, Mutrie und Gorely (2015, S.

393-404) ebenfalls einen positiven Effekt von Bewegung und Sport auf die psychische Gesundheit nachweisen. Sie kamen zum Schluss, dass sich sportliche Betätigung sowohl auf

die Stimmung als auch auf den Affekt positiv auswirkt und Bewegung und Sport allgemein eine stressreduzierende Wirkung haben. Außerdem konnte eine Verbesserung der Selbstwahrnehmung und des Selbstbewusstseins nachgewiesen werden. Über die dahinterstehenden Wirkmechanismen waren sich die Autor*innen allerdings uneinig und wollten keine allgemeine Schlussfolgerung tätigen. Sie sind der Auffassung, dass dies noch in weiteren Untersuchungen erforscht werden muss. Des Weiteren stellten sie fest, dass jegliche sportliche Betätigung, also sowohl moderate als auch intensive Belastungen positive Auswirkungen zeigen und sich keine Tendenz bezüglich einer zu präferierenden Intensitätswahl ablesen lässt.

Holz und Michael (2013, S. 61-64) kamen in ihrer Übersichtsarbeit nach Analyse mehrerer Einzelstudien zum Schluss, dass sich Bewegung Sport nicht nur positiv auf die körperliche Gesundheit, sondern auch positiv auf das psychische Wohlbefinden auswirken. Nach Meinung der Autor*innen ist tendenziell auch davon auszugehen, dass Bewegung und Sport insbesondere bei einer depressiven Symptomatik in Kombination mit bewährten Therapieverfahren positive Effekte liefern können. Sie sprechen aber lediglich von einer Tendenz. Derzeit mangelt es an methodisch hochwertigen Studien, welche diesen Sachverhalt untersuchen.

3.4.2. Studienlage zur Wirkung von Bewegung & Sport auf die depressive Symptomatik Die Anzahl an Studien, welche die spezifische Wirkung von Bewegung und Sport bei psychischen Störungen untersuchen stieg in den letzten Jahren ebenfalls an. Im Hinblick auf die Wirksamkeit von Bewegung und Sport bei einer depressiven Symptomatik liegen einige Überblicksarbeiten vor. Exemplarisch werden nachfolgend einige relevante Überblickstudien vorgestellt.

Rethorst, Wipfli und Landers (2009, S. 491–51) untersuchten in ihrer qualitativ sehr hochwertigen Meta-Analyse die Auswirkung von Bewegung und Sport auf die depressive Symptomatik. Dazu werteten sie insgesamt 58 „randomisiert kontrollierte Studien (RCTs)“ aus.

In allen Studien wurde entweder die Wirksamkeit eines aeroben Trainings oder eines angeleiteten Krafttrainings untersucht. Nach Auswertung aller eingeschlossenen Studien errechneten die Autor*innen eine große Effektstärke. Aus dieser errechneten Effektstärke leiteten die Studienautor*innen ab, dass Bewegung und Sport als eine sinnvolle Behandlungsmethode bei dem Krankheitsbild der depressiven Symptomatik angesehen werden kann. Für eine gezielte Angabe der idealen Trainingsparameter, wie zum Beispiel der präferierten Bewegungsart, der idealen Interventionsdauer oder der perfekten Intensität, um die

bestmöglichen Therapieerfolge zu erzielen, waren die analysierten Studien zu wenig aussagekräftig. Interessant ist jedoch, dass sie keinen signifikanten Unterschied bezüglich der Wirksamkeit von Bewegung und Sport und anderen gängigen Behandlungsmethoden bei einer depressiven Symptomatik, wie zum Beispiel einer Psychotherapie oder einer Behandlung mit Psychopharmaka, errechneten. Angemerkt werden muss, dass diese Schlussfolgerung nur auf Grundlage einer sehr geringen Anzahl an Einzelstudien basiert und daher erst in weiteren Studien verifiziert werden muss.

Der systematische Review von Hu et al. (2020, S. 1-11) kam zu einem ähnlichen Schluss. Die Studienautor*innen werteten dabei acht Meta-Analysen mit insgesamt 134 Einzelstudien aus.

Sie kamen zum Schluss, dass regelmäßige körperliche Aktivität einen positiven Effekt auf die depressive Symptomatik, unabhängig vom Alter, hat. In sechs der acht Meta-Analysen konnte sogar gezeigt werden, dass regelmäßige körperliche Aktivität Depressivität signifikant reduziert. Sie fordern daher die Aufnahme von Bewegung und Sport als anerkannte Therapieformen bei dem Krankheitsbild der depressiven Symptomatik.

Krogh, Nordentoft, Sterne und Lawlor (2011, S. 529-538) werteten in ihrer Meta-Analyse insgesamt 13 randomisiert kontrollierte Einzelstudien (RCTs) aus. Dabei kamen sie zum Schluss, dass Bewegung und Sport einen kurzfristig positiven Effekt auf die depressive Symptomatik mit sich bringen. Demnach konnten sie eine signifikante Reduzierung der Depressivität unmittelbar nach der Intervention in den untersuchten Studien statistisch nachweisen. Sie verweisen allerdings darauf, dass ausgehend von den in der Meta-Analyse eingeschlossenen Studien nicht davon ausgegangen werden kann, dass dieser positive Effekt auch langfristig anhält. Dies muss erst in zukünftigen Studien untersucht werden. Sie gehen allerdings davon aus, dass Bewegung und Sport eine sinnvolle Behandlungsmöglichkeit bei einer depressiven Symptomatik darstellen und idealerweise ergänzend zu den gängigen Behandlungsmethoden, wie zum Psychotherapie, eingesetzt werden sollen.

Im systematischen „Cochrane-Review“ von Mead et al. (2009, S. 1-63) wurden insgesamt 25

„randomisiert kontrollierte Studien (RCTs)“ zur Wirksamkeit von Bewegung und Sport auf die depressive Symptomatik ausgewertet. Die Studienautor*innen merkten an, dass zwar zahlreiche Studien die positive Wirkung von Bewegung und Sport auf die depressive Symptomatik belegen, diese jedoch oftmals grobe qualitative Mängel aufweisen. Nach Auswertung der eingeschlossenen Studien kamen die Studienautor*innen zum Schluss, dass Bewegung und Sport nur einen moderat positiven Effekt auf die depressive Symptomatik haben. Jedoch ist die errechnete Effektgröße nicht statistisch signifikant. Demnach kann nur von einen moderaten Effekt ausgegangen werden.

3.4.3. Studienlage zur Wirkung von Bewegung & Sport bei Angststörungen

Rebar et al. (2015, S. 366-378) fassten in ihrer Meta-Analyse insgesamt 92 Einzelstudien zusammen und untersuchten die Auswirkungen von körperlicher Aktivität auf eine klinisch relevante Angststörung. Die Studienautor*innen kamen zum Schluss, dass sich die gemessene Ängstlichkeit um eine kleine Effektgröße verringerte. Nach Ansicht der Autor*innen bestätigen die Ergebnisse das sehr große therapeutische Potenzial von körperlicher Aktivität bei den Krankheitsbildern der Angststörung. Sie führen weiter aus, dass dieser Zusammenhang jedoch weiter untersucht werden sollte. Sollten diese Ergebnisse auch in zukünftigen Studien bestätigt werden, können Bewegung und Sport als alternative Behandlungsmöglichkeiten bei Angst-störungen angesehen werden.

Herring, O’Connor und Dishman (2010, S. 321-331) kamen in ihrem systematischen Review zu einem ähnlichen Schluss. Sie werteten alle im Zeitraum von 1995 bis 2007 publizierten Studien aus, welchen den Zusammenhang zwischen Angststörungen und Bewegung und Sport untersuchten. Die Studienautor*innen errechneten dabei eine mittlere Effektgröße. Demnach reduzieren Bewegung und Sport signifikant die Symptomatik einer Angststörung. Aber auch sie verwiesen darauf, dass es weitere Untersuchungen bedarf, um genauere Schlussfolgerungen zu machen. Dennoch sind die Studienautor*innen der Auffassung, dass Bewegung und Sport eine sinnvolle Behandlungsmethode bei Angststörungen darstellen.

Ähnliche Ergebnisse brachte auch die Meta-Analyse von Long und Stavel (1995, S. 167-189).

Nach Auswertung von insgesamt 40 Einzelstudien errechneten sie eine geringe bis mäßige Effektstärke. Bewegung und Sport reduzieren demnach nachhaltig das Angstniveau bei den Proband*innen in den untersuchten Studien und haben somit auch positive Auswirkung auf die Symptomatik der Angststörung. Die Autor*innen verweisen allerdings darauf, dass es noch genauere und spezifischere Forschung braucht, um den in ihrer Studie nachgewiesenen positiven Effekt weiter zu bekräftigen.

3.4.4. Zusammenführung der Ergebnisse zur Wirkung von Bewegung & Sport auf die psychische Gesundheit, auf die depressive Symptomatik & bei Angststörungen

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sehr viele Einzelstudien einen positiven Effekt von Bewegung und Sport auf die psychische Gesundheit nachweisen. Legt man allerdings bei der Qualität der Studien strengere Maßstäbe an und analysiert man hochwertige Übersichtsarbeiten so sinkt die Anzahl der Arbeiten und somit auch die wissenschaftliche Evidenz. Dennoch kann aufgrund der Ergebnisse dieser Arbeiten von einer tendenziell positiven Wirkung von Bewegung und Sport auf die psychische Gesundheit ausgegangen werden. Limitierend muss

angemerkt werden, dass die Vergleichbarkeit der Studien teilweise nicht gegeben ist. Oftmals werden unterschiedliche Begriffe verwendet oder verwendete Begriffe von den Studienautor*innen nicht klar definiert. So werden zum Beispiel für die sportliche Betätigung Begriffe wie Bewegung, Sport, körperliche Arbeit oder Training verwendet. Hier würden durch eine genauere Beschreibung der gewählten Intervention und durch das Anführen von trainingswissenschaftlichen Parametern, wie zum Beispiel Intensität, Dauer und Umfang, mehr Transparenz geschaffen werden. Dies trifft ebenfalls auf den Zustand der psychischen Gesundheit zu. Auch hier werden unterschiedliche Begriffe wie Affekt, Stimmung oder Wohlbefindlichkeitszustand verwendet, wodurch die Vergleichbarkeit zusätzlich erschwert wird.

Im Hinblick auf die Wirkung von Bewegung und Sport bei einer depressiven Symptomatik ist festzuhalten, dass aus den analysierten Studien ebenso eine positive Wirkung herauszulesen ist (vgl. Kapitel 3.4.2). Die Wirksamkeit schwankt dabei von einem sehr geringen Effekt, bis hin zu einer signifikanten Reduktion der depressiven Symptomatik. Auffallend ist, dass ein positiver Effekt vor allem unmittelbar nach einer sportlichen Intervention sehr gut dokumentiert ist. Überblicksstudien, welche Bewegung und Sport eine langfristig signifikante Wirkung attestieren fehlen allerdings noch. Dennoch wird in allen Studien die Behandlung einer depressiven Symptomatik mit Bewegung und Sport, zumindest als Ergänzung zu herkömmlichen Behandlungsmethoden, empfohlen.

Meta-Analysen belegen ebenso die positive Wirkung von Bewegung und Sport auf die Symptomatik der Angststörung. Auch hier schwanken die Effektgrößen zwischen gering und moderat. Im Vergleich zum Effekt von Bewegung und Sport bei einer depressiven Symptomatik ist die Studienlage zur Wirksamkeit bei Angststörungen geringer. Dennoch wurde in allen untersuchten Studien ein positiver Effekt beschrieben und Bewegung und Sport als Behandlungsmethode bei Angststörungen empfohlen. Jedoch werden weitere Unter-suchungen gefordert, um diese Hypothese weiter zu verifizieren.

3.5. Wirkungsmechanismen von Bewegung & Sport auf die psychische Gesundheit