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6. Klettern als begleitende Maßnahme therapeutischer Intervention bei psychischen

6.1. Methodische Vorgangsweise

Durch das Zusammenführen bestehender Studien, die Einbindung relevanter deskriptiver Praxisberichte und der Analyse einschlägiger Übersichtsarbeiten wird versucht die in Kapitel 3.6 präsentierte Problemstellung in Form einer Literaturrecherche zu beleuchten. Um die

formulierte Forschungsfrage („Kann Klettern als begleitende Maßnahme der Intervention bei psychischen Erkrankungen, mit besonderem Augenmerk auf Depression und Angststörung, eingesetzt werden?“) bestmöglich zu beantworten war es wichtig möglichst alle relevanten Publikationen der letzten Jahre bis zum Verfassen dieser Arbeit (Stand: 1.4.2020) zu berücksichtigen. Vorrangig wurden für die Recherche die beiden Datenbanken „PubMed“ und

„GoogleSchoolar“ verwendet und mit den im Vorfeld definierten Suchtermini (vgl. Tabelle 2) gespeist. Des Weiteren wurden auch die Literaturverzeichnisse eingeschlossener Publikationen überprüft und gegebenenfalls zitierte Studien in diese Arbeit übernommen.

Tabelle 2: Verwendete Suchtermini bei der Auswahl der Studien (eigene Darstellung (eigene Darstellung) Klettern

Insgesamt wurden in beiden Datenbanken ca. 300 relevante Studien gefunden. Nach Analyse der Publikations-Titel bzw. der Abstracts und nach Ausschluss von Duplikaten verringerte sich die Studienanzahl auf 34. Im abschließenden Schritt wurden die vorausgewählten Studien anhand einer Volltext-Analyse auf ihre Eignung überprüft (vgl. Abbildung 20). Dazu wurden die Studien auf die im Vorfeld der Literaturrecherche definierten Einschlusskriterien durchgesehen:

• Vorrangig diagnostizierte Angststörung oder Depression nach internationalen Standards (Standardisierte Fragebögen: DSVM, ICD-10, etc. oder ärztlich diagnostiziert) oder Untersuchung charakteristischer Parameter psychischer Gesundheit (wie zum Beispiel: Auswirkung von Klettern auf die Selbstwirksamkeit, soziale Kompetenz, etc.)

• Klettern als alleinige therapeutische Intervention oder in Kombination mit anderen Behandlungsmethoden (Psychopharmaka bzw. Psychotherapie)

• Nachvollziehbares Studiendesign

Schlussendlich wurden anhand der geschilderten methodischen Vorgehensweise 15 Publikationen ausgewählt bzw. als relevant für diese Arbeit erachtet. Zwei eingeschlossene Publikationen sind dabei Überblicksarbeiten, welche versuchen den Ist-Stand der Literatur

bezüglich der Wechselwirkung zwischen Klettern und dem psychischen Wohlbefinden zusammenfassen. Zehn Publikationen sind wissenschaftliche Studien mit geringer (Pilotstudie) bis hoher wissenschaftlicher Evidenz (randomisiert kontrollierte Studie). Weitere drei Publikationen sind deskriptive Praxisberichte.

Abbildung 20: Methodische Vorgehensweise bei der Publikationsauswahl (eigene Darstellung)

6.2. Studienlage zur Wirksamkeit des therapeutischen Kletterns bei psychischen Erkrankungen

Betrachtet man die Kennzeichen einer depressiven Symptomatik bzw. einer Angststörung erscheint es auf den ersten Blick widersprüchlich Patient*innen mit einer intensiven körperlichen Belastung, wie sie beim Klettern auftritt, zu konfrontieren bzw. dafür zu motivieren (vgl. Kapitel 2). Typische Merkmale einer depressiven Symptomatik wie Nieder-geschlagenheit, sozialer Rückzug, und Antriebslosigkeit legen die Vermutung nahe, dass die Bereitschaft für fordernde Bewegungseinheiten nicht gegeben ist (Hölter, 2011, S. 186-187).

Auch bei einer Angststörung lässt sich mutmaßen, dass sich das körperlich fordernde Klettern kontraproduktiv auswirkt. Insbesondere die Anpassungserscheinung des Herz-Kreislaufsystem aufgrund einer intensivierten körperlichen Belastung, wie zum Beispiel erhöhte Herzfrequenz und die dadurch intensivere Atmung, geben Anlass zur Skepsis. Diese Anzeichen könnten von den Patient*innen als sich anbahnende Panikattacke gedeutet werden. Es ist also davon

Methodische Vorgehensweise bei der

Studienauswahl

1. Gefundene Publikationen anhand der vordefinierten

Suchtermini n<300

2. Titel- bzw.

Abstract-Analyse &

Ausschluss von Duplikaten

n=34

3. Vorausgewählte Publikationen nach Volltext-Analyse

n=15

auszugehen, dass Patient*innen gezielt versuchen diese Situation zu vermeiden und so in weiterer Folge auch die Klettertherapie ablehnen (Oertel-Knöchel et al., 2016, S. 196-197).

Neben den beschriebenen Wirkungsfeldern des therapeutischen Kletterns (vgl. Kapitel 5), welche positiv auf die beiden psychischen Erkrankungen einwirken, zeichnen auch die eingeschlossenen Studien, Praxisberichte und Überblicksarbeiten ein anderes Bild.

Nachfolgend werden die ausgewählten Publikationen beschrieben und die wichtigsten Ergebnisse im Hinblick auf die Beantwortung der Forschungsfrage präsentiert und zusammengefasst (vgl. Kapitel 3.6).

6.2.1. Interventionsstudien

In diesem Kapitel werden die in dieser Arbeit eingeschlossenen Interventionsstudien vorgestellt. Aufgrund der geringen Anzahl an verfügbaren Untersuchungen werden nicht nur, dem „Goldstandard“ der Wissenschaft entsprechend, „randomisiert kontrollierte Studien (RCTs)“, sondern auch nicht randomisiert kontrollierte Studien (Pilotstudien, Experiment-Studien, etc.) präsentiert.

6.2.1.1. „Indoor rock climbing (bouldering) as a new treatment for depression: study design of a waitlist-controlled randomized group pilot study and first results” (Luttenberger, Stelzer, Först, Schopper, Kornhuber & Book, 2015, S. 1-10)

Luttenberger et al. (2015, S. 1-10) untersuchten in einer „randomisierten Wartelisten-kontrollierten Studie (RCT)“ die Auswirkungen einer Bouldertherapie im „Gruppen-Setting“

auf die depressive Symptomatik. Zusätzlich eruierten sie auch die Wirksamkeit auf das allgemeine Angst- und Selbstwirksamkeits-Empfinden. Insgesamt nahmen 47 Teilnehmer*innen (n=47; 43.91±11.91 Jahre) mit einer entweder diagnostizierten Depressionserkrankung durch eine*n Psychiater*in, oder mit einem Ergebnis von weniger als 13 Punkten beim standardisierten „WHO-Depression-Fragebogen“, teil. Die Teilnehmer*innen wurden zu Beginn der Studie zufällig in Interventions- (IG) und Wartelisten-Gruppe (WL) eingeteilt, wobei die Interventionsgruppe mit der Bouldertherapie begann. Nach acht Wochen wurden die Rollen der beiden Gruppen getauscht und die Intervention mit der Wartelisten-Gruppe durchgeführt (vgl. Abbildung 21). Die Studienautor*innen gaben an, dass 70% der Teilnehmer*innen ergänzend zur Intervention Antidepressiva einnahmen, und sich ca. die Hälfte ebenso in psychiatrischer Behandlung befand. Nur vier Personen erhielten keine

zusätzliche Therapie. Die Bouldertherapie fand also überwiegend ergänzend zu herkömmlichen Behandlungsmethoden statt.

Die Intervention bestand aus einer dreistündigen Boulder-Einheit und wurde einmal pro Woche über einen Zeitraum von acht Wochen, unter Anleitung zwei erfahrener Therapeut*innen in Kleingruppen von maximal 15 Personen in einer Indoor-Boulderhalle, durchgeführt. Jede Einheit hatte dabei den identen Aufbau. Als Einstieg wurde eine kurze Mediation bzw.

Achtsamkeitsübungen gewählt, gefolgt von einem Block Psychoedukation über spezifische krankheitsrelevante Themen wie zum Beispiel „Umgang mit Angst“, „Selbstwirksamkeit: Die Kraft von kleinen Schritten“ oder „Furcht, Angst und Panik: Was mache ich in diesen Situationen?“. Anschließend wurde spezifische Boulderübungen und -spiele zum jeweiligen Thema der Einheit bearbeitet. Abschließend hatten die Teilnehmer*innen der Interventionsgruppe die Möglichkeit in Kleingruppen gemeinsam an Boulderproblemen zu arbeiten, welche ihrem individuellen Leistungsniveau entsprachen.

Abbildung 21: Studiendesign der Studie „Indoor rock climbing (bouldering) as a new treatment for depression: study design of a waitlist-controlled randomized group pilot study and first results (Luttenberger et al., 2015, S. 4)

Um die Effektivität der Intervention auf die depressive Symptomatik zu beurteilen wurden insgesamt vier Messungen durchgeführt. Eine Ausgangsmessung (t0) zu Beginn der Studie und anschließende Testungen nach acht (t1), nach sechzehn (t2) und nach vierundzwanzig Wochen (t3). Dabei wurden folgende Parameter mittels verschiedener standardisierter Fragebögen ermittelt: Depression (BDI-II; SCL-90-R), Angst (SCL-90-R), soziale Kompetenz (SCL-90-R;

FERRUS), Selbstmanagement (FERRUS) und Konzentrationsfähigkeit (Shapiro-Wilk Test).

Nach der achtwöchigen Bouldertherapie, also im Zeitraum zwischen t0 und t1, verbesserte sich die depressive Symptomatik bei den Teilnehmer*innen der „initialen“ Interventionsgruppe (IG) gegenüber der Wartelisten-Gruppe (WL) nach Auswertung des BDI-II-Fragebogens signifikant (p=0.012) (=eine Reduktion um 6.27 Punkte nach BDI-II). Zwischen den Messpunkten t1 und

t3 blieben Werte der ehemaligen Interventionsgruppe (IG) konstant auf diesem Niveau (vgl.

Abbildung 22).

Nach dem Wechsel der beiden Gruppen verringerte sich der BDI-II-Score im Zeitraum t1 und t2 in der „neuen“ Interventionsgruppe ebenfalls signifikant (p<0.05) (=Reduktion um 6.00 Punkte nach BDI-II). Auch die Auswertung des „SCL-90-R-Fragebogens“ bei der Unterkategorie „Depression“ ergab eine signifikante Verbesserung der depressiven Symptomatik in der Interventionsgruppe gegenüber der Wartelisten-Gruppe im Zeitraum t0 und t1 (p=0.036). Ebenso wurde in der Unterkategorie „Angst“ des Fragebogens eine signifikante Verbesserung festgestellt (p=0.048). Des Weiteren verbesserte sich im selben Zeitraum auch die Selbstwirksamkeit (FERRUS) sowie die sozialen Fertigkeiten (FERRUS) signifikant (p=0.037 bzw. p=0.01).

Abbildung 22: Entwicklung der depressiven Symptomatik (nach BDI-II-Score): Die Interventionsgruppe führte die Intervention im Zeitraum t0 und t1 durch, anschließend Follow-Up im Zeitraum t1 bis t3 (n=22); Die Warteliste-Gruppe führte die Intervention im Zeitraum t1 bis t2 durch, anschließend Follow-Up im Zeitraum von t2 bis t3 (n=20) (Luttenberger et al., 2015, S. 7)

Interessant bei den präsentierten Ergebnissen ist, dass die errechnete Effektstärke nach Cohen‘s (d=0.77) in Bezug auf die Verbesserung der depressiven Symptomatik nach BDI-II vergleichbar mit anderen gängigen Behandlungsmethoden, wie zum Beispiel der (Gruppen-)

Psychotherapie, ist. Des Weiteren wirkte der Effekt nicht nur akut nach Beendigung der Intervention, sondern blieb auch nach 16 Wochen bestehen.

6.2.1.2. „Rock climbing and acute emotion regulation in patients with major depressive disorder in the context of a psychological inpatient treatment: a controlled pilot trial”

(Kleinstäuber, Reuter, Doll & Fallgatter, 2017, S. 277-281)

Kleinstäuber et al. (2017, S. 277-281) untersuchten in ihrer nicht-randomisiert kontrollierten Studie den Zusammenhang zwischen einer einmaligen Klettereinheit und akuter Emotions-regulation bei einer depressiven Symptomatik (n=40; 40.56±12.82 Jahre). Teilnahmeberechtigt waren Personen, welche die Kriterien einer depressiven Symptomatik („major depressive disorder“) oder einer bipolaren Störung mit zuletzt aufgetretener Depression, gemäß der vierten Auflage des „Diagnostischen und Statistischen Handbuchs Psychischer Störungen (DSM-IV)“, erfüllten. Die Teilnehmer*innen konnten sich vor der Studie auf freiwilliger Basis entweder für die Experimentalgruppe (EG; n=20), welche eine einmalige Klettereinheit durchführte oder für die Kontrollgruppe (KG; n=20), welche eine „progressive Muskelentspannung (PMR)“ nach Jacobsen absolvierte, anmelden. Beide Gruppen füllten 30 Minuten vor Beginn der jeweiligen Einheit (t1) und direkt nach der Einheit (t2) den „Positive and Negative Affect - Fragebogen (PANAS)“ zur Ermittlung des negativen bzw. positiven Affekts aus. Zur Bestimmung der

„Depressivität“ und dem Attribut der „Bewältigung von Emotionen (=coping emotions)“ haben die Autor*innen den PANAS-Fragebogen leicht abgeändert und weitere Items hinzugefügt. Zur Zeit der Intervention befanden sich alle Teilnehmer*innen in stationärer psychiatrischer Behandlung. Die Intervention der „EG-Gruppe“ umfasste eine 2,5h-Seil-Klettereinheit in einer privaten Kletterhalle zu je 8-12 Studienteilnehmer*innen und wurde von zwei ausgebildeten

„Klettertherapeut*innen“ mit identem Ablauf in allen Kleingruppen durchgeführt. Gestartet wurde mit leichten Übungen zur Aktivierung des Herz-Kreislaufsystems, gefolgt von einer Einführung in die Kletterutensilien (Seil, Gurt, Schuhe, etc.). Anschließend fand eine spielerische Eingewöhnung an der Boulderwand statt, um kletterspezifische Bewegungen kennenzulernen. Nach einer kurzen Sicherheitsschulung hatten die Teilnehmer*innen die Möglichkeit, gesichert durch die zwei Klettertherapeut*innen, erste Erfahrungen im Seil-Klettern zu sammeln. Obwohl der Begehungsstil in der Studie nicht genannt wird, ist aufgrund der beschriebenen Übungen davon auszugehen, dass die Teilnehmer*innen im Nachstieg kletterten. Abschließend fand eine Feedback-Runde zwischen Therapeut*innen und Teilnehmer*innen statt. Hier wurden insbesondere aufgetretene Gefühle und Eindrücke während des Kletterns besprochen wurden.

Die Intervention in der „KG-Gruppe“ dauerte 25 bis 35 Minuten und wurde von einem*r Psycholog*in durchgeführt. Nach den Entspannungsübungen fand auch in dieser Gruppe eine abschließende Feedback-Runde über aufgetretene Gefühle und Eindrücke während der progressiven Muskelentspannung (PMR) statt.

Abbildung 23: Statistische Auswertung der Haupt- und Interaktionseffekte durch eine univariate gemischte 2×2-

Varianz/Kovarianz-Analyse für alle abhängigen Variablen und Effektgrößen mit 95% Konfidenzintervallen (Kleinstäuber et al., 2017, S. 280)

Für die abhängigen Variablen „Depressivität“ und „Bewältigung von Emotionen“ wurden große Effektgrößen nach „Hedges‘ g“ für die Experimentalgruppe im Vergleich zur Kontroll-gruppe errechnet (g=1.03 bzw. g=1.30). Für die abhängigen Variablen „positiver“ und

„negativer Affekt“ wurde eine mittlere Effektgröße nachgewiesen (g=0.74 bzw. g= 0.57) (vgl.

Abbildung 23).

Abbildung 24: Getrennte statistische Auswertung für Experimental- (climbing group) und Kontrollgruppe (relaxation group) (Kleinstäuber et al., 2017, S. 280)

In Bezug auf den Unterschied zwischen „Prä- und Post-Messungen“ in der“ Experimental- sowie in der Kontrollgruppe“ wurden kleine bis sehr kleine Effektstärken nach „Cohen’s d“ bei allen vier Variablen identifiziert (vgl. Abbildung 24).

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse der Studie, dass Klettern im Gegensatz zu einer Entspannungsintervention signifikant stärker mit einem positiven emotions-regulatorischen Effekt in Bezug auf die depressive Symptomatik, dem negativen und positiven Affekt, sowie der Bewältigung von Emotionen verbunden ist. Allerdings muss festgehalten werden, dass die Studie folgende Limitationen aufweist: Keine Randomisierung bei der Zuteilung der Teilnehmer*innen zu den beiden Gruppen, kleine Stichprobengröße, fehlende Kontrollgruppe mit keiner Intervention, fehlende Kontrolle über die bisherigen Klettererfahrungen der Teilnehmer*innen, Fehlen eines objektiven Maßes für die körperliche Fitness der Teilnehmer*innen, fehlende Nachuntersuchungen („Follow-Up”), Verwendung von Skalen ohne ausreichende Validierung und Unterschiede in der Interventionszeit bei Experimental- und Kontrollgruppe.

6.2.1.3. “Bouldering psychotherapy is more effective in the treatment of depression than physical exercise alone: results of a multicentral randomized controlled study” (Karg, Dorscht, Kornhuber & Luttenberger, 2020, S. 1-13)

Karg et al. (2020, S. 1-13) evaluierten in ihrer „randomisiert kontrollierten Studie (RCT)“ die Wirksamkeit einer angeleiteten Boulder-Psychotherapie bei Depression im Vergleich zu einem heimbasierten Bewegungsprogramm (n=133; 42±12.5 Jahre). Des Weiteren wurden die Auswirkungen auf die Parameter Angst, Coping-Strategien bzw. Selbstmanagement-Fähigkeiten, globales Selbstwertgefühl, Körperbild und zwischenmenschliche Sensibilität getestet. Zur Teilnahme an der Studie war eine nachgewiesene depressive Symptomatik nach

„PHQ-9“-Fragebogen, sprich ein Score von mehr als acht Punkten, erforderlich. Anschließend wurden die Proband*innen zufällig in „Experimentalgruppe (n=64; BPT=Bouldering psychotherapy)” bzw. „Kontrollgruppe (n=69; EP=Exercise program)” eingeteilt. Zusätzlich erhielt eine dritte Gruppe eine klassische kognitive verhaltenstherapeutische Gruppentherapie (CBT=Cognitive behavioral therapy).

Die Intervention in der „Experimental-Gruppe“ wurde einmal pro Wochen zu je 2 Stunden über einen Zeitraum von zehn Wochen in Kleingruppen von max. 10 Personen durchgeführt und von zwei ausgebildeten Klettertherapeut*innen angeleitet. Der Interventionsablauf wurde dabei von der Studie Luttenberger et al. (2015, S. 1-10) übernommen (vgl. Kapitel 6.2.1.1). Jede Einheit folgte demnach einem genauen Ablauf bestehend aus Achtsamkeitsübungen, psychoedukativen Elementen (Psychotherapie), themenbezogenen Boulderübungen unter therapeutischer Anleitung, individuellem Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmer*innen, Transfer der aufgetretenen Erlebnisse in den Alltag (Feedback-Runden), körperbezogenen

Entspannungs-übungen und ausgiebigem „freien Bouldern“ in der Gruppe. Ziel der BoulderEntspannungs-übungen war es, unterschwellige Emotionen (z.B. Angst) zu wecken, charakteristische Muster der Patient*innen zu enthüllen (z.B. Vermeidungsverhalten) und die Patient*innen zu neuen Erfahrungen zu befähigen (z.B. Exposition: Bouldern mit verbundenen Augen).

Die „Kontrollgruppe“ führte ein heimbasiertes Fitnessprogramm über einen Zeitraum von zehn Wochen jeweils dreimal pro Woche zu je 20 Minuten durch. Das Fitnessprogramm zielte dabei auf dieselben Muskelgruppen ab, welche auch primär bei der Experimentalgruppe beansprucht wurden. Die Übungen wurden selbstständig von den Teilnehmer*innen durchgeführt. Die benötigten Trainingsmaterialien (Theraband, Unterarmtrainer, etc.) wurden ebenso zu Verfügung gestellt wie eine „Trainings-DVD“, welche die genaue Ausführung der einzelnen Übung beinhaltete. Als Motivationshilfe wurden in regelmäßigen Abständen Telefonate geführt um den Trainingserfolg der Teilnehmer*innen zu überblicken und motivierend zur Seite zu stehen.

Abbildung 25: Studienablauf mit Messzeitpunkten (BPT=Bouldering psychotherapy; CBT=Cognitive behavioural therapy;

EP=Exercise program) (Karg et al., 2020, S. 3)

Laut beschriebenen Studiendesign wurden die relevanten Daten an fünf Messzeitpunkte erhoben. Wobei die Messzeitpunkte t0 und t1 direkt vor bzw. unmittelbar nach der Intervention stattfanden. Anschließend wurden nach drei Monaten (t2), nach sechs Monaten (t3) und nach zwölf Monaten (t4) drei „Follow-Up Messungen“ durchgeführt (vgl. Abbildung 25). Zur Bestimmung des Schweregrads der Depression wurde der standardisierte „Montgomery-Asberg Depression (MADRS)“- Fragebogen verwendet. Des Weiteren wurde die Unter-kategorie „interpersonal sensitivity“ des „SCL-90-Fragenbogen“ zur Bestimmung der zwischenmenschlichen Sensibilität, der „GAD-7“-Fragebogen zur Ermittlung vom Angst-empfinden, der „FKB-20“-Fragebogen zur Bestimmung des individuellen Körperbilds, der „R-SES“-Fragebogen zur Selbstwert-Evaluation und die Unterkategorie „coping“ des „FERUS“-Fragenbogen für Coping-Strategien verwendet.

Die Auswertung der Ergebnisse zeigte einen signifikant stärkeren Rückgang der depressiven Symptomatik laut „MADRS-Fragebogen“ in der BPT-Gruppe verglichen zur EP-Gruppe zwischen den Messzeitpunkten t0 und t1 (Rückgang um 8,4 vs. 3,0 Punkte; p=0.002;

Effektstärke nach Cohen's d=0,55) (vgl. Abbildung 26). Ebenso konnten signifikante Effekte in der „BPT-Gruppe“ gegenüber der „EP-Gruppe“ im Angstempfinden (p=0.046, d=0.35), im Körperbild (p=0.018; d=0.42) und globalem Selbstwertgefühl (p=0.011; d=0.45) im Zeitraum t0 und t1 festgestellt. Keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen im Zeitraum t0 und t1 konnten für die Attribute Coping-Strategien und zwischenmenschlich Sensibilität festgestellt werden (vgl. Abbildung 27).

Abbildung 26: Änderung der Depressionswerte zwischen t0 und t1 laut „MADRS-Fragebogen“ (BPT=Boulder-Psychotherapie, CBT= kognitive Verhaltenstherapie, EP=Bewegungsprogramm (Karg et al., 2020, S. 9)

Die Studienergebnisse zeigen, dass eine angeleitete „Boulder-Psychotherapie“ wirksamer ist als ein herkömmliches Fitness-Programm oder eine klassische kognitive Verhaltenstherapie.

Ebenso ist festzustellen, dass die depressive Symptomatik nachweislich reduziert wurde. Die positive Wirkung konnte anhand der Parameter Angstempfinden, Körperbild und globales Selbstwertgefühl nachgewiesen werden. Dies lässt auch die Schlussfolgerung zu, dass die Boulder-Psychotherapie eine wirksame Behandlungsmethode bei Angststörung sein kann.

Basierend auf den Erkenntnissen dieser Studie kamen die Autor*innen zum Schluss, dass die Boulder-Psychotherapie bei psychischen Erkrankungen, insbesondere bei der Behandlung einer depressiven Symptomatik, als komplementärer therapeutischer Ansatz in Betracht gezogen werden sollte und in weiterer Folge auch als alternative Behandlungsmethode angesehen werden kann.

Abbildung 27 Gruppenunterschiede zwischen der BPT- und der EP-Gruppe zwischen den Messzeitpunkten t0 und t1 (Karg et al., 2020, S. 9)

6.2.1.4. “Psychophysical Benefits of Rock-climbing activity” (Gallotta et al., 2015, S. 675-689) Die kontrollierte Studie von Gallotta et al. (2015, S. 675-689) untersuchte über einen Zeitraum von drei Monaten die psychophysischen Auswirkungen des Seil-Kletterns bzw. eines beaufsichtigten Fitnesstrainings bei gesunden Erwachsenen (n=33; 32±7 Jahre). Im Vorfeld der Studie hatten die Teilnehmer*innen selbst die Möglichkeit sich in einer der beiden Gruppen

„Klettern“ (n=20) oder „Fitness“ (n=13) einzuteilen.

Die Gruppe „Klettern“ trainierte insgesamt über einen Zeitraum von drei Monaten jeweils zweimal pro Woche zu je 1,5h in einer Indoor-Kletterhalle. Dabei folgte jede Einheit dem gleichen Ablauf: 15 Minuten Aufwärmen, 60 Minuten kletterspezifisches Training zur Verbesserung spezifischer Klettertechnik (z.B. Verlagerung des Körperschwerpunkts, Sicherungstechniken, Seilknoten, Kommunikation mit dem Partner*in, Fußtechnik etc.) und ein abschließender 15-minütiger „Cool-Down“. Es wurden keine Angaben über den Begehungsstil während den Klettereinheiten gemacht.

Die Gruppe “Fitness“ trainierte ebenfalls über einen Zeitraum von insgesamt drei Monaten jeweils dreimal pro Woche zu je einer Stunde. Die angeleiteten Trainingseinheiten beinhalteten eine 15-minütige aerobe Belastung bei leichter bis moderate Intensität, ein 35-minütiges funktionelles ganzheitliches Krafttraining und ein 10-minütiges Dehnprogramm.

Neben den Effekten auf die konditionellen Parameter standen vor allem die Auswirkungen auf die Psyche im Vordergrund der Studie und wurden jeweils mit einer Messung vor bzw. nach der Intervention erhoben. Zur Evaluierung des Fitness-Zustands wurden Übungen aus der

„EURO-Fit Testbatterie“ ausgewählt. Der „POMS (Profile of mood states) - Fragebogen“

wurde zur Ermittlung der psychischen Effekte verwendet. Hierbei standen insbesondere die

Unterkategorien Anspannung („tension“), Niedergeschlagenheit („depression“), Missmut („anger“), Tatendrang („vigor“), Müdigkeit („fatigue“) und Verwirrung („confusion“) im Vordergrund. Zur Messung des Angstzustandes wurde der „STAI (State-trait anxiety inventory)“- Fragebogen verwendet.

Abbildung 28: Ergebnis des Stimmungszustands nach POMS in der Klettergruppe und in der Fitnessgruppe bevor (links) bzw.

nach (rechts) der Intervention (± SEM) (Gallotta et al., 2015, S. 683)

Nach Abschluss der Intervention verminderte sich in beiden Gruppen der Angstzustand laut

„STAI-Fragebogen“ signifikant (p<0.05). Beim Vergleich der beiden Gruppen konnte kein signifikanter Unterschied bei den Variablen Angespanntheit, Niedergeschlagenheit, Missmut und Verwirrtheit festgestellt werden. Einzig bei der Unterkategorie „Tatendrang“ des „POMS-Fragebogens“ konnte eine signifikante Verbesserung in der „Kletter- gegenüber der Fitness-Gruppe“ festgestellt werden (p=0.05) (vgl. Abbildung 28).

6.2.1.5. “Effects of Short Practice of Climbing on Barriers Self-Efficacy within a Physical Education and Sport Intervention in Germany” (Krüger & Seng, 2019, S. 1-12)

Krüger und Seng (2019, S. 1-12) untersuchten in ihrer „randomisierten Wartelisten-kotrollierten Studie (RCT)“ die Auswirkungen einer angeleiteten Kletterintervention im Rahmen eines regulären Sportprogramms (Physical Education and Sport, PES) auf die Selbstwirksamkeit (SE) von Jugendlichen. An der Studie nahmen insgesamt 78 Personen (n=78; 14.41 ± 0.71 Jahre) teil, wobei 37 zufällig für die „Interventionsgruppe (=IG; n=37)“

und 41 für die „Kontrollgruppe (=KG, 41)“ zugewiesen wurden. Die Intervention bestand aus zwei halbtägigen Indoor-Wandkletterexkursionen mit einer Dauer von jeweils 180 Minuten.

Zum Ablauf der Intervention, wie zum Beispiel Gliederung der Einheiten oder Begehungsstil, wurden keine genaueren Angaben gemacht. Vorrangiges Ziel war dabei die Stärkung der

individuellen Selbstwirksamkeit durch die Schaffung einer Umgebung, in der die Jugendlichen (a) viele erfolgreiche Kletteraktivitäten durchführen können, (b) sehen können, wie Gleichaltrige Erfolgserlebnisse erleben, (c) (verbale) Unterstützung durch Gleichaltrige und/oder Erwachsene erfahren können und (d) emotionale Zustände regulieren können, um gewissenhaft den*die Partner*in sichern zu können und um die eigene Kletterleistung zu verbessern.

Die „Kontrollgruppe“ erhielt vor dem „Post-Test“ der „Interventionsgruppe“ keine Behandlung und führte anschließend, nach den „Prä- und Post-Tests“ der „Interventionsgruppe“, die idente Intervention durch. Die Selbstwirksamkeit („SE“) wurde sowohl im Hinblick auf das Klettern („Barriers SE of Climbing“), als auch auf das Sichern („Barriers SE of Belaying“) mittels eines eigens von den Studienautor*innen entworfenen Fragebogen ermittelt.

Abbildung 29: Ergebnisse der Ko-Varianzanalyse in Bezug auf die Selbstwirksamkeit beim Klettern („Barriers of SE of Climbing“) und Sichern („Barriers SE of Belaying“) (Krüger & Seng, 2019, S. 6)

Nach der Studie wurde bei der „Interventions-Gruppe“ eine signifikante Verbesserungen bei der Selbstwirksamkeit des Sicherns (F(1,76)=23,45, p=0.001 η2p=0,24) gegenüber der Kontrollgruppe festgestellt (vgl. Abbildung 29). Des Weiteren ermittelte die ANCOVA-Auswertung eine mittlere Effektgröße über die Zeit bei der Selbstwirksamkeit im Hinblick auf das Klettern sowohl in der Interventions-, als auch in der Kontrollgruppe (F(1,76)=5,58, p=0,021, η2p=0,07). Es wurden jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen im Hinblick auf die Selbstwirksamkeit beim Klettern ermittelt.

Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass eine Seilkletter-Intervention kurzfristige Auswirkungen auf die Selbstwirksamkeit des Sicherns und somit auch auf das Selbstwirksamkeits-Erleben hat. Allerdings gehören dazu noch weitere Studien mit größeren Stichproben und „Follow-Up-Messungen“ durchgeführt, um die gefundenen Effekte zu bestätigen.

6.2.1.6. “Effect of Indoor Wall Climbing on Self-Efficacy and Self-Perceptions of Children With Special Needs” (Mazzoni, Purves & Southward, 2009, S. 259-273)

Die „randomisiert Wartelisten-kontrollierte Studie (RCT)“ von Mazzoni et al. (2009, S. 259-273) untersuchte die Auswirkungen eines sechswöchigen Indoor-Wandkletterns auf die

Die „randomisiert Wartelisten-kontrollierte Studie (RCT)“ von Mazzoni et al. (2009, S. 259-273) untersuchte die Auswirkungen eines sechswöchigen Indoor-Wandkletterns auf die