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Struktureller Aufbau

Im Dokument TECHNISCHER BERICHT 02-03 (Seite 134-143)

2 Regionale geologische Untersuchungen im Rahmen des Entsorgungsprogramms für hochaktive Abfälle

3 Ergebnisse der erdwissenschaftlichen Untersuchungen in der Nordostschweiz

3.4 Struktureller Aufbau

Basierend auf den bisherigen Untersuchungen zur Tektonik der Nordschweiz (s. Kap. 2) soll im Folgenden ein Überblick über die wichtigen, regionalen Strukturen sowie deren Interpretation im Zusammenhang mit der geologischen Geschichte seit dem Paläozoikum (Kap. 3.2 und 3.3) vermittelt werden. Dabei werden auch neue Aspekte berücksichtigt, welche sich im Rahmen der lokalen Untersuchungen des Zürcher Weinlands (Bohrung Benken und 3D-Seismik) ergeben haben (Kap. 4.2). Mit einer tektonischen Übersichtskarte (Beil. 3.2-1) und massstäblichen geologischen Profilen im Streichen und im Fallen (Beil. 3.2-2 und 3.2-3) werden die Aus-führungen illustriert. Die Darstellungen dienen als Rahmen für das Verständnis der lokalen Strukturen im Untersuchungsgebiet Zürcher Weinland (Kap. 4.2) sowie als Grundlage für die Herleitung der geologischen Langzeitszenarien in Kapitel 8.3 und 8.4 (für die Lokalisierung geographischer Bezeichnungen s. Beil. 1 in Naef et al. 1995).

3.4.1 Übersicht der tektonischen Baueinheiten der Nord- und Nordostschweiz Die strukturelle Gliederung der Nordschweiz ist das Resultat dreier unterschiedlicher geo-logischer Epochen, die sich durch charakteristische Gesteinsabfolgen und Strukturelemente auszeichnen (Kap. 3.2 und Fig. 3.2-1). Entsprechend werden die tektonischen Baueinheiten definiert. Im Hinblick auf die Beurteilung der geologischen Langzeitsicherheit bedarf es zudem einer tektonischen Gliederung, welche dem aktuellen geodynamischen Konzept entspricht

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(Kap. 3.5.6). Dieses wird bestimmt durch die Annahme einer anhaltenden alpinen Kompression, welche die gesamte Vorlandkruste bis weit nach Norden erfasst und Teile des Deckgebirges durch Fernschub zunehmend kompressiv überprägt, abgeschert und nachhaltig deformiert hat.

Der nicht vom alpinen Fernschub betroffene Teil dieses Vorlands wird im Sinne von Trümpy (1980) als Mesoeuropa bezeichnet, die abgescherten Segmente des Deckgebirges sind dagegen bereits Teil des alpinen Orogens und damit Neoeuropas. Dieses übergeordnete Kriterium für die tektonische Gliederung ist in Figur 3.4-1 mit zwei schematischen, nicht massstäblichen Profilen durch die Nordschweiz dargestellt.

Fig. 3.4-1: Schematische geologische Profile durch die zentrale (A) und die östliche (B) Nord-schweiz.

Nicht massstäblich oder genauer lokalisiert.

steilstehende Störungen Trias

Mesozoikum

Sockel

Permokarbon wahrscheinlich, “Weiach-Trog”

Subalpine Molasse Mittelländische Molasse

Jura

Permokarbon vermutet

Kristallin und Grundgebirge im Allgemeinen

Überschiebungen

NNW

NNW

BÖstliche Nordschweiz

MESO-EUROPA NEO-EUROPA

AZentrale Nordschweiz

SSE

SSE

Front des Faltenjuras

Nordrand des Fernschubs (seismisch kartierbar) Nordrand des Fernschubs

Kompressionszone (gemäss neotektonischem Datensatz)

Schwarzwald-kristallin Tafeljura

Tafeljura

Vorfaltenzone

Abgeschertes Deckgebirge

Alpenvorland

Falten-jura

Ostschweizer Molasse Subalpine

Molasse Abgescherte Molasse

Alpennordrand

Alpen

Tertiär

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Die beiden Profile verdeutlichen die Grenze zwischen dem alpin überprägten und dem streng autochthonen Deckgebirge, zeigen aber auch, dass die Verhältnisse in der zentralen (Profil A) und der östlichen Nordschweiz (Profil B) verschieden sind. Während der Nordrand der Abscherung in der zentralen Nordschweiz durch eine bis ins Detail bekannte Zone mit Auf- und Überschiebung gut definiert ist (Faltenjura und Vorfaltenzone), scheint sie weiter östlich in Form einer mehrere Kilometer breiten Kompressionszone zu enden, deren Ausdehnung weniger genau bekannt ist.

Für die tektonische Gliederung sind also die lithologischen Grosseinheiten:

- Sockel (Kristallines Grundgebirge inkl. paläozoische Sedimente) - Mesozoisches Deckgebirge und

- Molasse (Tertiäres Deckgebirge)

sowie deren Beeinflussung durch die alpine Kompression zu berücksichtigen. Daraus ergibt sich die Definition der in Beilage 3.2-1 abgegrenzten tektonischen Einheiten. Diese Baueinheiten sind durch Strukturzonen oder lithologische Grenzen und Diskordanzen von überregionaler Bedeutung gegeneinander abgegrenzt und lassen sich intern durch grossräumige Struktur-elemente (Beil. 3.2-1 bis 3.2-3) weiter gliedern. Zwei dieser tektonischen Elemente, welche mehrere der in Beilage 3.2-1 abgegrenzten Einheiten betreffen, sind im Hinblick auf den lokalen Bau des Untersuchungsgebiets Zürcher Weinland wichtig, nämlich:

- der Freiburg–Bonndorf–Hegau–Bodensee-Graben und - der Nordschweizer Permokarbontrog (Weiach-Trog)

Im Folgenden werden alle Baueinheiten, welche projektbezogen von Bedeutung sind, kurz charakterisiert.

3.4.2 Die Bedeutung des Sockels

Wie die Untersuchungen über das Kristallin und die Permokarbontröge der Nordschweiz gezeigt haben, ist das gesamte Strukturinventar dieses Gebiets die Folge einer mehrphasigen Grundgebirgstektonik, welche sich auch im Bruchmuster des Deckgebirges abzeichnet (Thury et al. 1994). Kenntnisse über den mesoeuropäischen Sockel zwischen Schwarzwald–Oberrhein-graben und der Alpenfront sind deshalb von grundlegender Bedeutung für das Verständnis der geologischen Geschichte der Nordostschweiz und damit auch für die Herleitung von Langzeit-szenarien (s. Kap. 8.2). Vieles deutet darauf hin, dass die wichtigen Strukturelemente bereits während der variskischen Gebirgsbildung im jüngeren Paläozoikum entstanden sind und später lediglich – je nach Orientierung des herrschenden Spannungsfelds – in unterschiedlichem Mass reaktiviert wurden.

Dabei sind folgende Überlegungen wichtig (Diebold et al. 1991): Das Grundgebirge des Schwarzwalds und seine Fortsetzung unter dem Tafeljura und dem Ostschweizer Molasse-becken ist ein Teil des ehemaligen variskischen Gebirgsgürtels, dessen europäischer Teil von Südfrankreich bis nach Polen verlief. Dabei dürfte es sich um ein kompliziertes Deckengebirge mit Überschiebungen und zahlreichen Scherzonen gehandelt haben (z.B. Eisbacher et al. 1989).

Wichtig für die Tektonik der Nordschweiz sind die jüngeren, während der spät- bis postkine-matischen Zerscherung und Zerblockung des variskischen Gebirgskörpers im Permokarbon entstandenen Strukturelemente. Dies sind bevorzugt steilstehende, kakiritische Störungszonen, welche als eigentliche Schwachstellen des Grundgebirges zu betrachten sind. Ihre Reaktivierung im frühen Mesozoikum und dann v.a. während des jüngeren Tertiärs bildet deshalb das

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muster des heutigen tektonischen Baus der Nord- und Ostschweiz. Diese Zergliederung des paläozoischen Sockels zeigt im Wesentlichen drei unterschiedliche Strukturtrends, die sich im Sinne von Typlokalitäten anhand bedeutender Grabenzonen (Beil. 3.2-1) charakterisieren lassen:

- Das rheinische, etwa NNE-SSW-streichende System beherrscht den Oberrheingraben und seine Randzonen (Dinkelberg und westlicher Tafeljura); weiter östlich spielen rheinische Elemente nur noch eine untergeordnete Rolle.

- Die herzynisch, d.h. etwa WNW-ESE-streichenden Brüche sind typisch für den Süd-schwarzwald und die Verwerfungen des östlichen Tafeljuras; bestimmende Strukturzone ist der Freiburg–Bonndorf–Hegau–Bodensee-Graben.

- Das jurassische Streichen verläuft etwa parallel zum Molassebecken und der Alpenfront (deshalb auch alpines Streichen genannt) und ist im Nordschweizer Sockel durch den WSW-ENE-streichenden zentralen Teil des Nordschweizer Permokarbontrogs (s. Beil. 2.4 in Müller et al. 2002), dem Weiach-Trog charakterisiert.

Der Freiburg–Bonndorf–Hegau–Bodensee-Graben ist eine komplexe Störungszone des Sockels, die aus mehreren Teilgräben besteht; diese bilden keine durchgehende Senkungszone sondern sind gestaffelt angeordnet. Die Störungszone insgesamt lässt sich zweiteilen in einen Freiburg–Bonndorf-Graben, der ein wichtiges Element der jungen Horst- und Grabentektonik des Südschwarzwalds darstellt (s. Kap. 3.5) und einen Hegau–Bodensee-Graben, welcher projektbezogen von vorrangiger Bedeutung ist und deshalb in einem eigenen Abschnitt noch genauer beschrieben wird (s. Kap. 3.4.3). Die markante Bruchzone, welche sich vom zentralen Schwarzwald bis zum Westende des Bodensees erstreckt, ist Ausdruck einer spät- bis post-molassischen Zerrungstektonik, welche die junge Heraushebung des Schwarzwalddoms be-gleitet (Müller et al. 2002).

Sprecher & Müller (1986) haben aufgrund der Seismikkampagne 1982 und den ersten Erkennt-nissen aus den Tiefbohrungen den Nordschweizer Permokarbontrog definiert und festgestellt, dass dessen Randverwerfungen wichtige Leitlinien für die Strukturen des Deckgebirges, insbe-sondere auch der Ketten des Faltenjuras darstellen (vgl. Laubscher 1985). Die Ausdehnung und Gliederung dieser wichtigen Grabenzone des Nordschweizer Sockels wurde mit Hilfe von Bohrungen und weiterer geophysikalischer Untersuchungen in Diebold et al. (1991) detailliert beschrieben.

Wichtigste beckenparallel streichende Struktur der Nordostschweiz ist das Baden–Irchel–

Herdern-Lineament, welches den Südrand des Weiach-Trogs markiert (Beil. 3.2-1 und 3.2-2, Profile 2 bis 4); dieser Südrand war offenbar während des Mesozoikums wie auch während der Ablagerung der Molasse im jüngeren Tertiär wiederholt aktiv (Kap. 4.2).

Die Reaktivierung der paläozoischen Sockelstrukturen während des Tertiärs wird im Wesent-lichen auf zwei Prozesse zurückgeführt, a) die Absenkung des Molassebeckens, wobei bevor-zugt beckenparallele Verwerfungen reaktiviert, und b) die Aufdomung des Schwarzwalds, durch welche v.a. die herzynischen Strukturen wiederbelebt wurden.

Obwohl der regionale Bau des Nordschweizer Sockels in seinen Umrissen wohl bekannt ist, bleiben im Detail aber zahlreiche Fragen offen. In den geologischen Übersichtsprofilen der Beilagen 3.2-2 und 3.2-3 ist der Sockel deshalb nur schematisch dargestellt. Die Abgrenzung der vermuteten Permokarbonvorkommen entspricht derjenigen in Müller et al. (2002, Beil. 2.4), die gegenüber früheren Darstellungen im Bereich Benken korrigiert werden musste. Es wird unterschieden zwischen:

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- Kristallingebieten, d.h. der direkten Fortsetzung des Schwarzwälder Grundgebirges unter dem Tafeljura und den Hochzonen von Benken (s. Birkhäuser et al. 2001), Herdern und Kreuzlingen, wo Kristallin direkt erbohrt wurde,

- der gut belegten Permokarbon-Zone des Weiach-Trogs,

- weiteren vermuteten Permokarbon-Vorkommen südlich und nördlich des Weiach-Trogs und - Sockel im Allgemeinen, d.h. Gebieten, über welche keine lithologisch auswertbaren

Infor-mationen verfügbar sind.

3.4.3 Das autochthone Deckgebirge (Mesoeuropa)

Das autochthon über dem Sockel liegende, mesoeuropäische Deckgebirge umfasst den Tafeljura s.str. sowie den nicht kompressiv überprägten Teil des Molassebeckens, der v.a. den süddeut-schen Raum betrifft und deshalb als Süddeutsche Molasse (s. Beil. 3.2-1) bezeichnet wird; auch der Oberrheingraben ist zum autochthonen Deckgebirge zu rechnen. Die Abgrenzung zum liegenden Sockel ist zumindest teilweise als stratigraphische Diskordanz ausgebildet. Wo der basale Buntsandstein des Deckgebirges über Perm liegt, ist diese aber schlecht definiert oder nicht vorhanden (keine genaue Abgrenzung möglich, Kap. 3.2). Gegenüber dem kompressiv überprägten Deckgebirge ist die Abgrenzung durch die basale Abscherung im Niveau des Mittleren Muschelkalks sowie die Randüberschiebung des Faltenjuras und der Vorfaltenzone gegeben (s. Fig. 3.4-1, Beil. 3.2-1). Östlich der Lägeren verliert sich diese klare Trennung aller-dings zunehmend; gute seismische Indizien für kompressive Deformation des Deckgebirges sind bis in die Gegend des zentralen Zürcher Weinlands zu erkennen. Das Gebiet östlich und nördlich dieses seismisch kartierbaren Fernschub-Nordrands wird als Teil einer nicht genauer abgrenzbaren Kompressionszone betrachtet, welche zwischen dem abgescherten und dem autochthonen Deckgebirge vermittelt. Sie lässt v.a. aufgrund neuester Erkenntnisse der neo-tektonischen Untersuchungen (Kap. 3.5) sowie der Resultate der Bohrung Benken (s. Nagra 2001) grob abgrenzen. Der nicht genauer definierbare Nordrand dieser Kompressionszone ver-läuft nördlich der Hochzone von Benken nach ENE in den süddeutschen Raum hinein. In der Beilage 3.2-1, sowie den Figuren 3.5-4, 4.2-1 ist er mit einer grün gestrichelten Linie einge-zeichnet.

Auf Beilage 3.2-1 wurden folgende Teilelemente des autochthonen Deckgebirges unter-schieden:

- Oberrheingraben,

- Tafeljura und Dinkelberg, - Hegau–Bodensee-Graben, - Schwäbische Alb und - Süddeutsche Molasse.

Aufgrund der Projektrelevanz werden im Folgenden der Tafeljura und der Hegau–Bodensee-Graben genauer beschrieben, für die anderen Teilgebiete des autochthonen Deckgebirges sei auf Müller et al. (2002) sowie dort zitierte Arbeiten verwiesen.

Der Tafeljura

Das Störungsinventar im mesozoischen Deckgebirge des Schweizer Tafeljuras beschränkt sich weitgehend auf zumeist steilstehende Zerrungsstrukturen (Abschiebungen), die Ausdruck einer mehrphasigen Sockeltektonik sind. Ihre Orientierung verläuft im Westen bevorzugt rheinisch,

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d.h. steht im Zusammenhang mit der tertiären Einsenkung des Oberrheingrabens (vgl. Thury et al. 1994). Der östliche Tafeljura ist generell weniger von Brüchen zergliedert; hier streichen die grösseren Störungen überwiegend herzynisch bis flachherzynisch (d.h. drehen in eine W–E-Richtung ab; Thury et al. 1994) und werden von einem wenig systematischen Muster von Kleinstörungen begleitet. Ein derart klarer Strukturtrend wie im westlichen Teil ist nicht erkennbar, und die beobachteten Verwerfungsbeträge beschränken sich überwiegend auf wenige bis einige Dekameter (s. z.B. die neue Karte von Bausch & Schober 1997; Beil. 3.2-2 und 3.2-3, Profile 2 bis 5).

Je mächtiger die Schichten des Mesozoikums im Tafeljura sind, desto weniger Strukturen können an der Oberfläche kartiert werden, d.h. viele Verwerfungen keilen innerhalb des Meso-zoikums aus, was durch die Befunde aus Seismiklinien bestätigt wird. Wie die neuen Erkennt-nisse aus der 3D-Seismik zeigen, beruht diese engmaschigere Strukturierung des tieferen Meso-zoikums aber nicht nur auf einem generellen Dämpfungseffekt durch die inkompetenten Schichtpakete des Mittleren Muschelkalks, des Keupers und des Opalinustons. Vielmehr muss mit einer mindestens zweiphasigen Bruchtektonik gerechnet werden. Eine frühe Verwerfungs-aktivität betrifft die synsedimentäre Zerrung während der Trias, die im Keuper/Lias auch in eine kompressive Phase übergehen kann (Kap. 4.2, Tab. 4.2-1). Diese triadische Bruchtektonik steht möglicherweise im Zusammenhang mit Ausgleichsbewegungen im Randbereich von Permo-karbon-Vorkommen und wurde auch im unteren Aaretal nachgewiesen (Diebold et al. 1991;

Beil. 3.2-3 Profil 6). Die auch höhere Schichten des Mesozoikums durchtrennenden Brüche des Tafeljuras setzen sich z.T. nach SE in die angrenzende Molassezone fort und sind deshalb als Ausdruck postmesozoischer Bewegungen zu werten. Insgesamt gilt der östliche Tafeljura bis zur Neuhauser Störung jedoch als ein nur wenig gestörtes, mit 2 bis 5 Grad nach SE geneigtes Deckgebirge in autochthoner Lage.

Der Hegau–Bodensee-Graben

Im Einflussbereich des Hegau–Bodensee-Grabens mit den bedeutenden herzynisch streichenden Störungszonen ist die tektonische Zergliederung des Deckgebirges deutlich engmaschiger als im angrenzenden Tafeljura und der Schwäbischen Alb (Naef et al. 1995). Es scheint deshalb gerechtfertigt, diese Grabenzone im Randen–Hegau-Gebiet als eigenständige tektonische Ein-heit des autochthonen Deckgebirges abzugrenzen.

Wichtigste Struktur ist die Randen-Verwerfung mit einem Maximalversatz von ca. 250 Metern (Ra in Beil. 3.2-1, 3.2-3, Profil 5; Fig. 4.2-1). Dabei handelt es sich um eine vielgliedrige Störungszone mit zahlreichen, wenig systematisch orientierten Begleitstörungen (Hofmann et al. 2000). Die geologischen Karten zeigen, dass es sich trotz des bedeutenden Versatzes keines-wegs um eine über mehrere Kilometer zusammenhängende Einzelstörung handelt, sondern dass sie sich zumindest im aufgeschlossenen Niveau des Malms aus zahlreichen Elementen mit stark unterschiedlichem Streichen zusammensetzt. Weiter im NW, wo sie im Niveau des tieferen Mesozoikums aufgeschlossen ist, scheint die Fortsetzung der Randen-Störung eher eine zu-sammenhängende Einzelverwerfung zu sein. Diese Feldbefunde scheinen die Vermutung zu bestätigen, dass sich die Randen-Störung und wahrscheinlich auch weitere, aus dem Sockel auf-steigende, grössere Verwerfungen, nach oben zunehmend verästeln und aufgliedern, sodass bis zu einige hundert Meter breite, komplexe Störungszonen entstehen (Müller et al. 2002).

Die östlich des Zürcher Weinlands nach SE streichende Neuhauser Störung ist eine analoge, junge Störungszone, welche als Westbegrenzung des Hegau–Bodensee-Grabens zu betrachten ist (Ne in Beil. 3.2-1). Diese Verwerfungszone mit einem maximalen Vertikalversatz von ca.

100 m ausserhalb des 3D-Seismik-Messgebiets (Beil. 3.2-3: Profil 6b; Naef et al. 1995) hat eine vorrangige Bedeutung, weil sie unmittelbar östlich an das Untersuchungsgebiet Zürcher

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land angrenzt. Nördlich des Rheins besitzt die Neuhauser Störung den Charakter einer breiten Störungszone mit deutlichen Anzeichen kompressiver Überprägung (Beil. 3.2-3: Profil 5; Naef et al. 1995). Diese Beobachtungen bestätigen, dass das Gebiet des Hohen Randens zwischen Neuhauser und Randen-Störung zumindest noch zur Grabenzone s.l. gehört. Eine eingehende Beschreibung der Neuhauser Störung folgt in Kapitel 4.2.

Der zentrale Graben mit den miozänen Vulkanvorkommen (Beil. 3.2-3: Profil 5) ist nach SE von einer fast E–W streichenden Abschiebungszone begrenzt, welche dort den Hauptver-werfungsbetrag aufnimmt (Schiener-Berg-Störung, s. Beil. 3.2-3: Profil 6b). Über die Existenz eines eigentlichen Bodensee-Grabens, der vom Hegau nach SE weiterführt, sind sich die ver-schiedenen Bearbeiter nicht einig (Schoop & Wegener 1984, Schreiner 1992). Einziger konkreter Hinweis ist die erwähnte, auf Profil 7b in Beilage 3.2-3 eingezeichnete, ostvergente Abschiebung, welche mit einem Verwerfungsbetrag von ca. 200 m an der Basis Mesozoikum klar zur Geltung kommt.

3.4.4 Das kompressiv überprägte Deckgebirge (Neoeuropa)

Wie bereits im vorherigen Abschnitt erwähnt, ist der Rand des durch alpine Kompression und entsprechende megaskopische, d.h. seismisch kartierbare Strukturen geprägten Deckgebirges im Westen ziemlich klar definiert, verliert sich aber nach Osten immer mehr. Gemäss Figur 3.4-1 und Beilage 3.2-1 können folgende Elemente unterschieden werden:

- Faltenjura als an der Oberfläche sichtbarer Ausdruck der frontalen Auf- und Überschie-bungszone des abgescherten Deckgebirges,

- Vorfaltenzone als in sich weniger deformierter, aber von seiner Unterlage abgescherter Teil des Tafeljuras vor der Randüberschiebung des Faltenjuras,

- Abgescherte Molasse als beckenwärts liegender Teil des abgescherten Deckgebirges zwi-schen Faltenjura und Subalpiner Molasse

- Ostschweizer Molasse als kompressiv überprägte, aber nicht sichtbar abgescherte Zone zwi-schen der abgescherten Molasse und der nördlich anschliessenden Süddeutzwi-schen Molasse.

Der Faltenjura und die abgescherte Molasse

Der Faltenjura ist sichtbarer Ausdruck des Fernschubs, d.h. der Abscherung des Deckgebirges im Alpenvorland, wie es von Laubscher (z.B. 1997) mehrfach beschrieben und in zahlreichen Publikationen anderer Autoren bestätigt wurde (z.B. Müller & Hsü 1980, Jordan 1992, Sommaruga 1997). Der östliche Faltenjura ist im Wesentlichen eine Schuppenzone mit zahl-reichen Aufschiebungen und quer dazu verlaufenden Scherzonen sowie seitlichen Rampen, wie dies z.B. von Bitterli (1992) analysiert und dargestellt wurde.

Profil 1 in Beilage 3.2-2 ist eine Interpretation der reflexionsseismischen Linien 83-NF-15 und 78-SE-26 (Diebold et al. 1991), welche diesen Schuppenbau im Raum Schinznach–Wildegg zeigt. Dabei wird auch der Zusammenhang zwischen den Verwerfungen an der Basis Meso-zoikum, den sogenannten Sockelsprüngen, und den darüber aufsteigenden Überschiebungs-rampen deutlich, was eine direkte Beziehung zwischen der Sockeltektonik und den Strukturen im abgescherten Deckgebirge nachweist (Sprecher & Müller 1986, Laubscher 1985, Diebold et al. 1991, Diebold & Noack 1997). Wie das Profil zeigt, besteht diese Beziehung auch weiter beckenintern, wo das mesozoische Deckgebirge von einer zunehmend mächtigeren Molasse überdeckt wird. Die Struktur unter Villmergen wird im tieferen Mesozoikum als Zone mit beckenwärts gerichteten Aufschiebungen gedeutet, welche über einem Sockelsprung entstanden

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ist. Das höhere Mesozoikum und besonders die darüberliegende Molasse wurden dagegen ohne grössere Scherzonen zu einer Antiform gestaucht, die in Oberflächennähe nur noch als sanfte Antiklinale erkannt werden kann. Im Bereich der abgescherten Molasse zwischen dem internen Rand des Faltenjuras und dem Alpenrand werden mehrere solcher Molasseantiklinalen beobachtet; sie dürften gemäss Konzept generell mit analog verlaufenden Strukturen im Sockel korrelierbar sein (Beil. 3.2-1).

Position und Ausrichtung der Juraketten und Molasseantiklinalen sind also in erster Näherung als Ausdruck der Sockeltektonik zu deuten. Ein Vergleich zwischen den an der Basis Meso-zoikum, d.h. im Top des Sockels kartierten Verwerfungen und den Strukturen des darüber-liegenden Faltenjuras zeigt diesen Zusammenhang deutlich (Thury et al. 1994). Die Aufschie-bungen des östlichen Faltenjuras weisen dabei zwei bevorzugte Strukturtrends auf, nämlich in erster Linie die jurassisch (WSW–ENE) und untergeordnet die herzynisch (WNW–ESE) streichende Richtung. Überwiegend sinistrale Lateralverschiebungen innerhalb der Juraketten zeigen v.a. rheinisches (N–S bis NNE–SSW) Streichen (Diebold & Noack 1997). Damit wird klar, dass die im Südschwarzwald und im Tafeljura dominierenden Strukturtrends auch im Fal-tenjura vorherrschen.

Vorfaltenzone und Ostschweizer Molasse

Von besonderem Interesse ist die erstmals in Diebold et al. (1991) definierte Vorfaltenzone, die dem Ostende des Faltenjuras vorgelagert aber noch Teil des Tafeljuras s.l. ist. Westlich der Aare ist deren Rand und damit der Rand des Fernschubs durch die Mandacher Aufschiebung klar definiert (s. Beil. 3.2-1); dieser Rand des Fernschubs streicht aber östlich der Aare in den Nord-rand des Molassebeckens hinein und verliert seinen Charakter mit zunehmender Tertiärüber-deckung. Im Gebiet nördlich Lägeren konnte die Vorfaltenzone auf den 2D-Seismiklinien als leicht kompressiv überprägte Zone mit embryonalen Rampenfalten im Mesozoikum erkannt werden. Diese lässt sich bis ins südliche Zürcher Weinland verfolgen (Naef et al. 1995). Weiter östlich verlieren sich interpretierbare Strukturen in den verfügbaren Seismiklinien.

Aufgrund der neuesten Erkenntnisse dürfte sich der Rand des kompressiv überprägten Deck-gebirges vom Ostende der Mandacher Aufschiebung nach NE bis ins Zürcher Weinland erstrecken und von dort weiter nach ENE verlaufen (Kap. 3.5). Eine ausgeprägte kompressive Überprägung der Ostschweizer Molasse bis an den Bodensee wird auch durch die ausser-ordentlich hohen seismischen Geschwindigkeiten in den Molasseabfolgen der Ostschweizer Erdöl-Tiefbohrungen (Lohr 1967) oder die Deformation von Molassegeröllen belegt (Schrader 1988).

Im Bereich der Ostschweizer Molasse dürfte das ganze Deckgebirge, besonders aber die junge, diagenetisch noch wenig konsolidierte Molasse, einer penetrativen Überprägung ausgesetzt sein, die sich in zahlreichen, mit den verfügbaren Seismiklinien nicht extrapolierbaren Kleinstruk-turen ausdrückt. Dazu ist wohl auch die in der Bohrung Benken erfasste Störung im Bereich des Opalinustons zu rechnen (Bläsi et al. 1999, Nagra 2001). Bestehende megaskopische Ver-werfungen werden unter diesem Regime, je nach ihrer Ausrichtung gegenüber dem herrschen-den Spannungsfeld, ebenfalls kompressiv überprägt.

3.4.5 Struktureller Aufbau: Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse

Die heutigen Kenntnisse über die regionalen und lokalen Gesteinsabfolgen und deren Struk-turelemente im Raum zwischen Schwarzwald–Oberrheingraben und dem Alpennordrand

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lauben eine weitgehend klare Abgrenzung von genetisch und lithologisch definierten tektoni-schen Baueinheiten. Es können zwei Haupteinheiten abgegrenzt werden:

Der mesoeuropäische Sockel wird von einem autochthonen Deckgebirge überlagert. Im Norden ist er infolge einer jungen Aufdomung als Schwarzwaldmassiv aufgeschlossen. Entsprechend den an der Oberfläche anstehenden Formationen lässt sich das Deckgebirge gliedern in den mesozoischen Tafeljura resp. die Schwäbische Alb, den vorwiegend alttertiären Oberrhein-graben und die mehrheitlich jungtertiäre Süddeutsche Molasse. Das ganze Gebiet kann

Der mesoeuropäische Sockel wird von einem autochthonen Deckgebirge überlagert. Im Norden ist er infolge einer jungen Aufdomung als Schwarzwaldmassiv aufgeschlossen. Entsprechend den an der Oberfläche anstehenden Formationen lässt sich das Deckgebirge gliedern in den mesozoischen Tafeljura resp. die Schwäbische Alb, den vorwiegend alttertiären Oberrhein-graben und die mehrheitlich jungtertiäre Süddeutsche Molasse. Das ganze Gebiet kann

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