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Kreide und Alttertiär

Im Dokument TECHNISCHER BERICHT 02-03 (Seite 104-108)

2 Regionale geologische Untersuchungen im Rahmen des Entsorgungsprogramms für hochaktive Abfälle

3 Ergebnisse der erdwissenschaftlichen Untersuchungen in der Nordostschweiz

3.2 Geologische und paläogeographische Entwicklung der Nordostschweiz Seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts konnten die Kenntnisse über die Geologie der

3.2.4 Kreide und Alttertiär

In den Sedimentabfolgen des Nordostschweizer Deckgebirges klafft eine grosse Schichtlücke, welche etwa den Zeitraum zwischen Ende Malm und Mitte Eozän umfasst (ca. 144–45 Ma).

Kreideablagerungen sind heute SW einer Linie Biel–Besançon und in den Alpen erhalten. Die Studie über die Beckenentwicklung (Kap. 3.3) lässt vermuten, dass auch in der Nordostschweiz über dem heute noch vorhandenen Malm rund 500 m Kreidesedimente abgelagert, aber noch vor der Transgression der ältesten Molasseablagerungen wieder erodiert wurden. Während dieser spätkretazisch(?)–alttertiären Erosions- und demnach auch Hebungsphase wurde offenbar auch ein Teil der obersten Malmablagerungen abgetragen, was sich in den stark unterschied-lichen Gesamtmächtigkeiten und der heterochronen Obergrenze des Nordschweizer Malms ab-zeichnet. Überreste dieser Malm–Kreide-Sedimente, wahrscheinlich vorwiegend Flachwasser-karbonate ohne wesentlichen Anteil an siliziklastischem Material, sind die besonders im Randengebiet verbreiteten Bolustone mit Bohnerz, welche als ton- und eisenreiche Verwit-terungsresiduen in Karsttaschen und -spalten vorkommen und unter dem Begriff Siderolithikum zusammengefasst werden. Der regionale Grundwasserspiegel lag bis zu mehreren Dekametern unter der Geländeoberfläche, wodurch die tiefgründige Verkarstung ermöglicht wurde (Pasquier

& Persoz 1977). Auf zahlreichen Seismiklinien am Nordrand des Molassebeckens ist die diskordante Auflagerung der Molasse über einer erosiven Malmoberfläche zu sehen.

Auch in der 3D-Seismik des Zürcher Weinlands ist dies gut zu sehen: Mit einer Detailstudie konnte Ringgenberg (2001) die von SE nach NW zunehmende prämolassische Erosion der Malmoberfläche verfolgen; auffallende Deformationen des Reflektors Top Malm, welche als Abbild von Dolinen und damit Hinweis auf eine fortgeschrittene Verkarstung interpretiert werden, wurden vor allem im Südosten des 3D-Seismik-Messgebiets, d.h. im Bereich der Permokarbon-Vorkommen beobachtet.

Siderolithische Bildungen des Eozäns sind in den Einheiten des Helvetikums, im Malm des Aarmassivs und im Autochthon des nördlichen Alpenvorlands weit verbreitet. Sie widerspiegeln damit den bedeutenden Rückzug des alpinen Meeres im frühen Tertiär. Diese Phase der Hebung und Erosion wird als Folge der alpinen Kollision und Krustenverkürzung interpretiert, wobei im Bereich einer Vorland-Hebungszone ("Vorlandschwelle", s. Fig. 3.2-1) bedeutende Erosion stattfand (z.B. Crampton & Allen 1995); Hebungen von bis zu 500 m sind allerdings durch diese Prozesse allein schwer zu erklären, weshalb zusätzliche Argumente gefunden werden mussten.

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Fig. 3.2-7: Chronostratigraphischer Querschnitt durch das Ostschweizer Molassebecken.

Die jüngste USM zeigt in Form der weit verbreiteten "Oberaquitanen Mergelzone" (OAM) eine verminderte Detrituszufuhr und damit bedeutende Veränderungen im tektonischen Geschehen an.

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3.2.5 Molasseablagerungen

Vom späten Eozän bis zum Ende des frühen Oligozäns (Priabonian–Latdorfian) transgredierte das alpine Meer wieder weit nach Norden und Westen (helvetische Flysche) und im Verlauf des mittleren Oligozäns (Rupelian) erfolgte der Übergang von der Flysch- zur Molassesedimen-tation. Lithologie, Fazies und Paläogeographie der Molasseablagerungen lassen vier Gross-zyklen erkennen, die mit entsprechenden tektonischen Vorgängen der entstehenden Alpen kor-reliert werden können (Fig. 3.2-7, Kempf et al. 1999).

Untere Meeresmolasse (UMM)

Die Tiefseeablagerungen des Nordhelvetischen Flyschs (spätes Eozän–frühes Oligozän) werden überlagert von den flachmarinen bis littoralen Schichten der UMM. Die sich aus dem Meer erhebenden Gebirgsketten der entstehenden Alpen bewirkten eine zunehmende Lieferung von Erosionsmaterial, das sich in Form von mächtigen Deltas in der nordalpinen Vortiefe ablagerte.

Entsprechend werden die Lithologien der UMM von tonreichen Sand- und Siltsteinen domi-niert; untergeordnet kommen Konglomeratschüttungen vor (Diem 1986). Die Schichten der UMM wurden in den Tiefbohrungen der Nordostschweiz nicht angetroffen; es wird deshalb vermutet, dass der Nordrand des UMM-Meeres unter der Ostschweizer Molasse wesentlich weiter im Südosten lag (Büchi & Schlanke 1977, Berger 1996), während das UMM-Meer in der Zentral- und Westschweiz und v.a. im süddeutschen Raum östlich des Bodensees bedeutend weiter nach Norden reichte (Geyer & Gwinner 1991).

Untere Süsswassermolasse (USM)

Mit zunehmender Abbiegung der Vorlandkruste infolge Zusammenschubs im Alpenkörper schritt die basale Transgression der Molassesedimente bis ins früheste Miozän sukzessive von SE nach NW voran, wobei etwa ab Ende des frühen Oligozäns (Rupelian) terrestrische Verhältnisse herrschten (Fig. 3.2-7). Im Querschnitt zeigt der keilförmige Sedimentkörper der USM eine typische Faziesanordnung mit grobklastischen Schuttfächerserien im alpennahen (proximalen) Bereich (Paläoschüttungen radial) und siltig-sandigen Ablagerungen von Flüssen und Überschwemmungsebenen im alpenfernen (distalen) Bereich; diese mündeten in ein breites, nach Nordwesten fliessendes axiales Entwässerungssystem, das durch die fortschreitende Absenkung ebenfalls immer weiter nach NW verlagert wurde; jenseits dieses beckenparallelen Stromsystems kommen teilweise limnische Bildungen vor (Knollen- und Krustenkalke). Die jüngsten, von alpinem Material geprägten Schichten der Nordostschweizer USM findet man heute bis zu einer Linie Brugg–Schaffhausen–Hegau, an der sie sich teilweise mit konglome-ratischen Schüttungen aus dem Schwarzwaldgebiet verzahnen (ältere Juranagelfluh). Zusammen mit sedimentpetrographischen Befunden, v.a. Schwermineralanalysen, ergibt sich für die Schweizer USM das paläogeographische Bild von mächtigen, generell nach NW bis N progra-dierenden Schuttfächerserien mit jeweils charakteristischem Sedimentspektrum und einem vorgelagerten, 10–20 km breiten, generell nach NE bis E entwässernden axialen Flusssystem (Füchtbauer 1958, Büchi & Schlanke 1977, Berger 1996).

Obere Meeresmolasse (OSM)

Das Burdigalian (spätes Frühmiozän) war zumindest in seinem externen Teil, der heutigen Mittelländischen Molasse, von marinen Sanden und bedeutenden Schichtlücken geprägt. Diese marinen Sequenzen der OMM werden nach NW deutlich geringmächtiger und fehlen am Aussenrand des Molassebeckens vollständig. Die Analyse der seismischen Fazies von USM und OMM unter dem Ostschweizer Molasseplateau (Meier 1994a,b) zeigt überdies deutliche

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keldiskordanzen zwischen Top USM und basaler OMM; letztere liegt zudem häufig in grob-detritischer Fazies vor (transgressives Basiskonglomerat). Zwischen Top USM und Basis OMM scheint hier eine grössere Schichtlücke vorzuliegen, die aber biostratigraphisch nicht genauer abgrenzbar ist (Berger 1996).

Erosionsdiskordanzen und ungewöhnliche Mächtigkeits- und Fazieswechsel über kleine Distan-zen prägen auch die jüngeren OMM-Ablagerungen (Helvetian) am Aussenrand des Molasse-beckens, die zwischen Aare–Limmat und dem Hegau aus zahlreichen Aufschlüssen und Bohr-profilen bekannt sind (Brandenberger 1925, von Braun 1953, Büchi & Hofmann 1960, Schreiner 1992). Allerdings liegt die Klifflinie, d.h. der Aussenrand des noch vom OMM-Meer erreichten Gebiets, bedeutend weiter nordwestlich als die heute noch erhaltenen externsten USM-Vorkommen. Entsprechende Ablagerungen sind aber nur örtlich als Erosionsrelikte von jeweils wenigen Metern Mächtigkeit erhalten und liegen direkt auf Malmkalken. Diese Befunde legen nahe, dass die relativ uniforme spätoligozän–frühmiozäne Subsidenzgeschichte der alpi-nen Vortiefe im späteren Frühmiozän durch Hebungen und kleinräumige Differenzialbewegun-gen zumindest im gut bekannten externen Teil unterbrochen wurde (Fig. 3.3-6).

Obere Süsswassermolasse (OSM)

Im spätesten Frühmiozän hatte sich das Meer weitgehend zurückgezogen und es bildete sich ein über den Hegau und Schaffhausen nach SW verlaufendes Flusssystem, das sich teilweise bis zu 100 m tief in die älteren Molasseablagerungen einerodierte und grobdetritisches Material aus dem Osten lieferte, die sogenannten Graupensande.

Ab Beginn des Mittelmiozäns herrschten im Ostschweizer Alpenvorland wieder durchgehend kontinentale Verhältnisse; es kam zu einer weiteren, ausgeprägten Subsidenzphase mit den ter-restrischen Ablagerungen der OSM. Ähnlich wie während der USM bauten sich am Alpenrand grosse Schuttfächer auf, die nach N und NW in ein breites, jetzt nach SW fliessendes Strom-system, die Glimmersandrinne mündeten (Hofmann 1960, 1969).

Die Nagelfluhen, Sandsteine und Mergel der Ostschweizer Molasse wurden im Bereich des Hörnli-Schuttfächers abgelagert, dessen Aussenrand sich etwa auf der Linie Konstanz–Frauen-feld–Winterthur–Zürich mit den Glimmersanden des axialen Stromtals verfingert. Am Beispiel des Hörnli-Schuttfächers kann die Faziesabfolge vom proximalen, konglomeratreichen Bereich über einen mittleren Teil mit stark wechselnden Konglomerat-, Sandstein- und Silt/Mergel-Assoziationen zum distalen Bereich mit dominierenden Überschwemmungsebenen anhand der Aufschlüsse in der Nordostschweiz im Detail nachgewiesen werden (Bürgisser 1980, Bolliger 1992).

In der Nordschweiz und im angrenzenden süddeutschen Molassenordrand, v.a. im Hegau, ver-zahnen sich die fluviatilen Glimmersande mit detritischen Schüttungen aus NW, dem heutigen Schwarzwald. Diese als jüngere Juranagelfluh bekannte Formation besteht aus einzelnen, konglomeratreichen Schuttfächern und dazwischenliegenden Stillwasserbereichen, wo vorwie-gend ton- und karbonatreiche, lakustrische Feinsedimente, z.T. als Helicidenmergel bezeichnet, dominieren.

Das Alter der jüngsten Molasseschichten wird in der Nordostschweiz und im Hegau mit Hilfe biostratigraphischer Befunde auf ca. 12–13 Ma geschätzt (Bolliger 1998), was mit absoluten Altersbestimmungen an Tuff- und Vulkanitlagen des Hegaus korreliert. In früheren Arbeiten wurde deshalb das Ende der Molasseablagerungen etwa an die Wende vom mittleren zum späten Miozän gestellt. Die neuesten Resultate der Beckenanalyse (Kap. 3.3) scheinen die Ver-mutung zu bestätigen, dass über den höchsten heute in der Nordostschweiz erhaltenen

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Schichten noch zusätzlich ca. 1'000 m Molasse abgelagert wurden, bevor die definitive Trend-wende zur postmolassischen Zeit der Nettoerosion stattfand. Dies führt dazu, dass das Ende der Molassezeit auf etwa 10 Ma vor heute verlegt werden muss, was Auswirkungen auf die Inter-pretation der jungtertiären Dynamik (Kap. 3.5) haben wird.

Lagerungsverhältnisse und Diskordanzen

Durch die auch im Miozän anhaltenden Hebungen im Gebiet des heutigen Schwarzwalds (Konglomerate der jüngeren Juranagelfluh) und die Absenkung am Alpennordrand wurden die mesozoischen Schichten schräggestellt, so dass sie heute generell mit ca. 5° nach ± SE unter die keilförmig mächtiger werdende Molasse einfallen. Die basalen Molasseablagerungen liegen leicht diskordant über dem Mesozoikum und fallen in ähnlicher Weise nach SE ein; ihre Neigung nimmt aber innerhalb des Molassekeils nach oben zusehends ab, so dass die höheren Lagen der OMM und besonders der OSM im ganzen Gebiet – abgesehen von lokalen tekto-nischen Störungen – praktisch horizontal sind.

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