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Organische Geochemie

Im Dokument TECHNISCHER BERICHT 02-03 (Seite 118-122)

2 Regionale geologische Untersuchungen im Rahmen des Entsorgungsprogramms für hochaktive Abfälle

3 Ergebnisse der erdwissenschaftlichen Untersuchungen in der Nordostschweiz

3.3 Versenkungs- und Temperaturgeschichte .1 Zielsetzung, Datenbasis

3.3.7 Organische Geochemie

Das organische Material verschiedener toniger Formationen der Bohrung Benken sowie des Felslabors Mont Terri wurde zunächst qualitativ untersucht. Die Zielsetzung war einerseits die Abklärung der Herkunft des organischen Materials (marin, kontinental) und andererseits eine Aussage über die relative Reife des Opalinustons von Benken im Vergleich zum Mont Terri.

Anschliessend wurde ein ausgedehntes experimentelles Programm zur künstlichen Maturation an zwei Proben aus der Bohrung Benken durchgeführt, mit dem Ziel einer Quantifizierung der Temperaturgeschichte. Eine ausführliche Beschreibung von Probenmaterial, Methoden und Resultaten ist in Elie & Landais (2000) zu finden. Der Interpretation unterliegt die Annahme, der grösste Teil des organischen Materials sei authigen entstanden und stamme nicht aus aufgearbeiteten älteren Sedimentgesteinen.

Charakterisierung des organischen Materials

Untersucht wurden Proben aus der Bohrung Benken (Opalinuston, Posidonienschiefer, Murchisonae-Schichten, Jurensis-Mergel) sowie aus dem Felslabor Mont Terri (Opalinuston, Posidonienschiefer, Obtusus-Ton).

Der Gehalt an löslichem organischem Material (Chloroform-Extrakt) ist mit 0.1–0.2 mg/g Ge-stein durchwegs tief, wobei die Posidonienschiefer mit 4–7 mg/g GeGe-stein die erwartete Aus-nahme bilden. Die Zusammensetzung der Extrakte ist in Figur 3.3-2 dargestellt und lässt folgende Schlüsse zu:

- Die Posidonienschiefer enthalten nur einen kleinen Anteil polarer Kohlenwasserstoffe, was auf eine marine Herkunft des organischen Materials hinweist.

- Der vom Opalinuston eingenommene Bereich ist charakteristisch für eine Mischung von marinem und kontinentalem organischem Material (Typ II/III, s. Tissot & Welte 1984).

Eine Probe mit sehr hohem Anteil an polaren Kohlenwasserstoffen entstammt der sandige-ren Fazies aus der Bohrung Benken (s. Kap. 5.3) und bestätigt die Dominanz von kontinen-talem Detritus in dieser Fazies.

- Zwischen den Proben aus der Bohrung Benken und dem Felslabor Mont Terri sind keine systematischen Unterschiede erkennbar.

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Fig. 3.3-2: Zusammensetzung der Chloroform-Extrakte an Kernmaterial der Bohrung Benken und des Felslabors Mont Terri.

Aus Elie & Landais (2000). KW = Kohlenwasserstoffe.

Die totalen Alkane sowie die aromatischen Kohlenwasserstoffe wurden mittels Gaschromato-graphie untersucht und quantifiziert. Aus diesen Messungen lassen sich eine Reihe von Indizes (z.B. Carbon Preference Index CPI) berechnen, welche einerseits die Art des organischen Materials und andererseits dessen Maturität charakterisieren. Wiederum zeigen die Daten eine gemischt marin/kontinentale Herkunft des organischen Materials im Opalinuston, im Gegensatz zu den rein marinen Posidonienschiefern. Die Indizes deuten ausserdem auf eine geringe Reife des organischen Materials hin; die thermischen Bedingungen für die Entstehung von Erdöl wurden nicht erreicht. Wiederum bestehen keine Unterschiede zwischen Material aus der Bohrung Benken und dem Felslabor Mont Terri.

Weitere Aufschlüsse über die Maturität des organischen Materials wurden aus Untersuchungen von Biomarkern gewonnen. Insbesondere wurden Hopane und Sterane (v.a. Bestandteile von Zellmembranen) untersucht, deren Molekülstrukturen sich während der Versenkung von den metastabilen, "biologischen" Konfigurationen zu den stabileren "geologischen" Strukturen um-wandeln. Der Grad dieser Umwandlung wird durch sogenannte Isomerisationsverhältnisse aus-gedrückt. Zwei solche Verhältnisse sind in Figur 3.3-3 dargestellt, mit folgenden Schluss-folgerungen:

- Die Isomerisationsverhältnisse zeigen eine geringe Maturität und liegen zum grossen Teil knapp unterhalb des Ölfensters. In einem rezenten, ungereiften Sediment dominiert im Falle von Hopan C30 die ββ-Struktur; mit zunehmender Reife bildet sich zunächst die βα-Form, welche mit steigender Temperatur in die αβ-Form übergeht. Somit sinkt im Verlauf der Maturation das in Figur 3.3-3 dargestellte βα/αβ-Verhältnis von sehr grossen Werten auf

B

B B

B B

B M

M

M M

Murchisonae-Schichten Opalinuston

Jurensis-Mergel Posidonienschiefer Obtusus-Ton

= Benken

= Mont Terri BM

40

60 0

100 0 60

30 30

70 polare KW saturierte

KW

aromatische

KW

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weit unter 1. Im Falle von Hopan C31 dominiert in einem rezenten Sediment die 22R-Form, so dass das in Figur 3.3-3 dargestellte Verhältnis 22S/(22S + 22R) nahe bei 0 zu liegen kommt.

- In der Bohrung Benken lässt sich ein Tiefentrend feststellen. Dies zeigt, dass die in der Figur dargestellten Reifeparameter im vorliegenden Maturitätsbereich sensitiv sind, d.h.

auch kleine Änderungen der Reife zu unterscheiden vermögen. Da die Daten aus dem Fels-labor Mont Terri nahezu identisch mit denjenigen von Benken sind, kann somit von sehr ähnlichen Reifegraden ausgegangen werden.

Fig. 3.3-3: Beispiele von Isomerisationsverhältnissen von Biomarkern an Material aus der Bohrung Benken und aus dem Felslabor Mont Terri.

Nach Elie & Landais (2000).

Künstliche Maturation und Abschätzung von Paläo-Temperaturen

Die Maturation des organischen Materials in geologischen Formationen ist ein kinetischer Prozess, welcher im Wesentlichen von der integrierten Temperaturgeschichte (Zeit-/Tempera-tur-Integral) abhängt. Eine lange Maturation bei geringerer Temperatur hinterlässt im organi-schen Material analoge Spuren wie eine kurze Maturation bei höherer Temperatur. In Pyrolyse-Experimenten im Labor wird das Gestein über kurze Zeiträume (z.B. Tage) auf sehr hohe Temperaturen (z.B. 300–400 °C) erhitzt und dadurch Zeit-/Temperatur-Integralen ausgesetzt, welche mit denjenigen der geologischen Versenkungsgeschichte vergleichbar sind. Durch experimentelle Bestimmung kinetischer Parameter lässt sich auf die Temperaturgeschichte der Formation schliessen. Hierbei wird angenommen, dass bei der Maturation im Labor dieselben Reaktionen ablaufen wie bei der natürlichen Versenkung der Formation. Diese Annahme ist die Basis für die Extrapolation der Labormessungen auf geologische Zeiträume.

Teufe[m]Benken Teufe[m]Benken

0.2 0.2

Hopan C :30 Hopan C :31 22S

640 640

620 620

600 600

580 580

560 560

540 540

660 660

680 680

0 0.1 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0 0.1 0.3 0.4 0.5 0.6

22S + 22R

Murchisonae-Schichten Opalinuston

Jurensis-Mergel Posidonienschiefer Obtusus-Ton

Ölbildung BeginnderÖlbildung

Mont Terri Mont Terri

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Die Pyrolyse-Experimente wurden in einem geschlossenen System (verschweisste Goldkapseln) durchgeführt, was den natürlichen Bedingungen näher kommt als Experimente in offenen Systemen (z.B. Rock-Eval-Verfahren), da sowohl das primäre Cracking (Volatilisierung des festen organischen Materials) wie auch das sekundäre Cracking (d.h. die weitere Maturation des bereits volatilisierten organischen Materials) simuliert werden. Bei den Pyrolyse-Experimenten wurden Gesteinspulver je einer Opalinuston- und einer Posidonienschiefer-Probe aus der Bohrung Benken über 24 h auf Temperaturen von 250–390 °C erhitzt, anschliessend rasch abgekühlt und gaschromatographisch analysiert. Für jede Pyrolysetemperatur wurde analog den natürlichen, thermisch nicht behandelten Proben eine Reihe von Maturitätsindizes sowie die Isomerisationsverhältnisse von Biomarkern (Sterane, Hopane) berechnet. Hierbei fällt auf, dass im Temperatur-Bereich 250–ca.280 °C die Änderungen der Maturitätsindizes im Vergleich zu den naturbelassenen Proben sehr gering sind. Bedeutende Maturationsphänomene sind oberhalb von 280 °C erkennbar, insbesondere durch die nun einsetzende Zunahme des in Chloroform löslichen organischen Materials sowie durch die ändernden Isomerisations-Verhältnisse der Biomarker.

Für die Sterane und Hopane wurden anschliessend die kinetischen Reaktionsparameter A (Fre-quenzfaktor) und E (Aktivierungsenergie) berechnet, welche die Reaktionsraten der jeweiligen Isomerisationsreaktionen charakterisieren. Diese Parameter gehen in eine Arrhenius-Gleichung vom Typ

Reaktionsrate = A exp(-E/(RT)) ein, wobei:

R = Gaskonstante [J/(molK)]

T = absolute Temperatur [K] (vgl. z.B. Denbigh 1984).

Da bei den Pyrolysen sowohl Zeit wie auch Temperatur bekannt sind, lassen sich für alle Experimente Zeit-Temperatur-Integrale berechnen.

Wie oben erwähnt, werden Maturationsphänomene erst in Experimenten ab ca. 280 °C manifest.

Daraus wird gefolgert, dass das Zeit-Temperatur-Integral der bei 280 °C durchgeführten Experi-mente dem natürlichen (d.h. geologischen) Temperatur-Integral entspricht. Erst bei Zeit-Temperatur-Integralen, welche höher sind als das natürliche, sind wesentliche Änderungen der Maturitätsparameter zu erwarten. Diese Abschätzung des natürlichen Zeit-Temperatur-Integrals erlaubt bei gleichzeitiger Kenntnis der zeitlichen Entwicklung der Versenkung (Form der Ver-senkungskurve) die Berechnung der maximal erreichten Temperatur. Figur 3.3-4 zeigt ein Bei-spiel einer symmetrischen, V-förmigen Versenkung (d.h. mit zeitlich konstanten Versenkungs-und Hebungsraten). Bei einer 10 Ma andauernden Versenkung/Hebung (t in Fig. 3.3-4) wird eine Maximaltemperatur von ca. 75–78 °C erreicht; über eine Zeitspanne von 100 Ma erzeugt eine Maximaltemperatur von 59–63 °C dieselbe Maturation. Versenkungs-/Hebungsereignisse im zeitlichen Rahmen von 10–100 Ma decken für den Opalinuston den plausiblen Rahmen (Fig.

3.3-6) ab, so dass aufgrund der Pyrolyse-Experimente auf eine maximale Versenkungs-temperatur von 59–78 °C geschlossen wird. Ob der Effekt hauptsächlich der mesozoischen oder der jungtertiären Versenkung zuzuschreiben ist, kann mit den Methoden der organischen Geochemie nicht beurteilt werden. Da die Reaktionsrate sich ca. alle 10 °C verdoppelt, ist diese Abschätzung nicht sehr sensitiv auf die Form der Versenkungskurve (V-förmig, U-förmig o.ä.), da der höchsttemperierte Teil der Versenkungskurve die Maturation stark dominiert.

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Fig. 3.3-4: Zusammenhang zwischen Zeit und Versenkungstemperatur, berechnet aufgrund von experimentell bestimmten Zeit-Temperatur-Integralen für Biomarker.

a) Schematischer Verlauf von Versenkung und Hebung.

b) Tmax als Funktion der Dauer der Versenkung/Hebung.

3.3.8 Apatit-Spaltspuranalysen

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