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COM(2012) 130 Streikrecht

„frame“-Analyse

V. Medialer politischer Diskurs – eine empirische Betrachtung

1. COM(2012) 130 Streikrecht

Anlass zur Diskussion des „frame“ Streikrecht stellt die Stellungnahme des polnischen Parla-ments463 bezüglich der Verordnung des Rates über die Ausübung des Rechts auf Durchführung kollektiver Maßnahmen im Kontext der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit, COM(2012) 130 vom 21.03.2012464, dar. Die Frage die sich hier stellt, lautet: Inwieweit hängt die mediale Darstellung des Streikrechts mit der oben dargestellten parlamentarischen Stel-lungnahme zusammen und welche Bedeutung hat dies für die Europäische Öffentlichkeit? Da-raus lässt sich, entsprechend der Argumentationslinie, eine Erwartung ablesen. Danach müsste die mediale Präsentation der Materie in Polen in die gleiche oder sehr ähnliche Richtung ge-hen, wie die parlamentarische Stellungnahme des polnischen „Sejm“. Ein solcher zustimmen-der Zusammenhang wird hingegen bei einer Abwesenheit zustimmen-der parlamentarischen Stellungnah-me nicht erwartet, weil der Stellungnah-mediale politische Diskurs in Frankreich und Deutschland dem Argument zur Folge in eine andere Richtung gehen würde. Der Streik wird der Erwartung zur Folge im Fokus des Diskurses in den drei Mitgliedstaat stehen und somit wird eine europäische Öffentlichkeit für das konkrete Thema entstehen. Bei der Ermittlung der Diskursrichtung wer-den die induktiv gewonnenen Schlüsselbegriffe eingesetzt, nach wer-denen die Anzahl der Artikel eingeschränkt wird. Mit dem Reduktionsverfahren konnte die Gesamtanzahl der Artikel von 10142 auf 5704 (A. 6. und A. 7. Tabelle (Anhang A)) eingeschränkt werden.

Im nächsten Schritt wird die Deutungsanalyse anhand der Schlüsselbegriffe für jedes der drei Länder vorgenommen.

a. Polen COM(2012) 130 Streikrecht

In dem untersuchten Zeitraum (21.03.2012 - 11.05.2012, siehe 2. Tabelle (Anhang A): Zeit-raum der Untersuchung) wurde die Materie des Streikrechts in den zwei einflussreichen polni-schen Tageszeitungen „Gazeta Wyborcza“ und „Rzeczpospolita“ entsprechend analysiert. Vor der Untersuchung sollen an dieser Stelle die sprachlichen Herausforderungen angesprochen

463 Polnischer Sejm, 2012b., S. 1 ff.

464Europäische Kommission, 2012b., S. 1 ff.

werden. Die polnische Sprache liefert eine breite Palette an Deklinationsformen. Die A. 8. Ta-belle (Anhang A) stellt einige polnische Wörter und deren deklinierte Formen dar. Um dieser sprachlichen Feinheit bei der Deutungsanalyse gerecht zu werden, wurde versucht die meisten Schlüsselbegriffe automatisch auf ihre Grundform zurückzuführen. Da für die polnische Spra-che leider kein R-Paket existiert, mit dem dies durchgeführt werden könnte, wurde die Proze-dur selbst entwickelt und mit Hilfe des statistischen Programms R umgesetzt.

aa. „Gazeta Wyborcza“

Für die Fragestellung dieser Untersuchung sind 73 Artikel der „Gazeta Wyborcza“ relevant.

Auf Grund der geringen Anzahl der Artikel ist eine computergestützte Konkurrenzanalyse in diesem einzelnen Fall nicht notwendig.

(1) Streik als zu schützendes nationales Gut

Gerade der Streik hat in Polen auf Grund der Ereignisse in neuerer Geschichte eine Sonderstel-lung, weil die Streikbewegung „Solidarność“ eine wichtige Rolle während des Kampfes gegen den Kommunismus gespielt hat. Umso interessanter ist es, wie diese Materie im medialen poli-tischen Diskurs gedeutet wird. Da die Anzahl der Artikel nach dem selbst entwickelten Reduk-tionsverfahren gering ist, wurden nicht nur die 73 Artikel betrachtet. Zusätzlich wurden alle Artikel, die in dem Untersuchungszeitraum publiziert wurden, in ihrer jeweiligen Kurzform zusätzlich gelesen. Die Ergebnisse dieser Vorgehensweise fasst die V. 1. Tabelle zusammen.

Aus Nummer 1. und 2. der genannten Tabelle wird deutlich, dass die Streikthematik auffällig der Kriegsthematik ähnelt. Offensichtliche Beispiele für eine solche Ausrichtung des Diskurses sind solche Begriffe wie „Krieg“ oder „Ansturm“.

Zum einen suggerieren die Termini eine Ernsthaftigkeit der Materie, weil das Thema „Krieg“

grundsätzlich mit ernsthafter Thematik assoziiert wird. Zum anderen soll eine derartige Formu-lierung den Leser an das Nationale erinnern und somit das Thema zusätzlich emotionalisieren.

Besonders in Polen sind solche Konstruktionen sehr wirkungsvoll, weil die Erinnerungen an die Überwindung der kommunistischen Herrschaft im Lande in der kollektiven Wahrnehmung sehr präsent sind. Dadurch angesprochen werden Materien wie die Existenz und Identität als polnische Nation. Der Grund für diesen Umstand ist das mehr als 300 Jahre andauernde Stre-ben Polens nach Freiheit und Unabhängigkeit. Obwohl diese schwierigen Erlebnisse seit 1989 der Vergangenheit angehören, ist das Thema Krieg und Freiheitskampf daher im Bewusstsein der Polen präsent. Mithin wird der Streik durch diese mediale Darstellung mit den gerade dar-gestellten nationalen Wahrnehmungen assoziiert. Interessant ist, dass der Streik in diesem Kontext zum nationalen Gut stilisiert wird. In Verbindung mit den geschichtlichen

Erfahrun-gen wird der Streik zum symbolischen nationalen Besitz. Nur einen kleinen Schritt entfernt liegt der Gedanke, dass nationaler Besitz verteidigt werden muss. Der oben dargestellte euro-päische Vorschlag des grenzüberschreitenden Streikrechts fügt sich an keiner Stelle in die ge-rade diskutierte Ausdrucksform im medialen politischen Diskurs ein. Denn statt der europäi-schen integrativen Sichtweise für das Streikrecht wird in der polnieuropäi-schen Presseberichterstat-tung ein nationaler Weg propagiert.

V. 1. Tabelle: Ergebnisliste der „Gazeta Wyborcza“- Analyse

Nr. Polnischer Titel Übersetzung

3. "S" czepia się przywilejów467 „S“ mäkelt an den Privilegien 4. Emerytalna sztama związkowców468 Renteneinigung der Gewerkschaftler

5. "Solidarność" nie odpuszcza rządowi469 „Solidarność“ lässt die Regierung nicht in Ruhe

6. "S" pilnuje Tuska470 „S“ passt auf Tusk auf 7. Bojkot czy dyplomacja? 471 Boykott oder Diplomatie?

8. PiS gra w bojkot euro472 PiS spielt mit dem Boykott der Europa-meisterschaft

9. O bojkocie Euro w Polsce473 Über den Boykott der Europameister-schaft in Polen

10. Janukowycz milczy w sprawie bojkotu Euro przez polityków europejskich474

Janukowycz schweigt bezüglich des Boykotts der Europameisterschaft durch die europäischen Politiker

11. Bojkoty się nie opłacają Boykotte lohnen sich nicht475

465 Duda/ „S“ jest na wojnie, GW, 11.05.2012.

466 Emerytalny najazd „Solidarności“ na rząd, GW, 28.03.2012.

467 "S" czepia się przywilejów, GW, 9.05.2012.

468 Emerytalna sztama związkowców, GW, 4.04.2012.

469 "Solidarność" nie odpuszcza rządowi, GW, 9.05.2012.

470 "S" pilnuje Tuska, GW, 27.03.2012.

471 Bojkot czy dyplomacja?, GW, 8.05.2012.

472 PiS gra w bojkot euro, GW, 4.05.2012.

473 O bojkocie Euro w Polsce, GW, 5.05.2012.

474 Janukowycz milczy w sprawie bojkotu Euro przez polityków europejskich, GW, 4.05.2012.

475 Bojkoty się nie opłacają, GW, 2.05.2012.

Quelle: selbst erstellt anhand der Daten des Zeitungsarchivs der polnischen Zeitung „Gazeta Wyborcza“, letzter Zugriff: 04.03.2014. *Die Gruppierung der Titel spiegelt die Struktur der Absätze wider.

Ein weiterer in der medialen Darstellung wichtiger Begriff ist der der Gewerkschaft. Bereits die in 3. und 4. Zeile der oberen Tabelle genannten Titel sprechen die Aufsichtsrolle der Ge-werkschaft (vor allem „Solidarność“) an. Zum einen kritisieren die GeGe-werkschaften, dass eini-ge Unternehmen Privilegien haben. Zum anderen soll eine aktive eini-gewerkschaftliche Rolle in Bezug auf die Erhöhung des Rentenalters signalisiert werden. Dadurch soll mit hoher Wahr-scheinlichkeit der Eindruck erweckt werden, dass die Gewerkschaft auf jede Eventualität vor-bereitet ist und entsprechend agieren kann. Zu der gerade diskutierten Aufsichtsrolle tritt die Führungsrolle der sehr aktiv agierenden „Solidarność“ in den Titeln 5. und 6. hinzu. Gegen-über der Regierung erscheint die genannte Gewerkschaft nach dieser medialen Deutung als eine „Macherin“ und eine „Aufpasserin“. Ihre Rolle wird mithin als ein unverzichtbarer Teil der Politik gedeutet. In wissenschaftlicher Literatur wird allerdings auf die stets rückläufigen Mitgliederzahlen verwiesen476 und somit die medial starke Gewerkschaftsposition entkräftet.

An dieser Stelle lässt sich eine Diskrepanz zwischen der Realität und den Medien sichten.

Aus den sechs Titeln ergibt sich zusammenfassend das Bild einer streitenden nationalen Ge-werkschaft, die sich für ein gerechteres Polen kompetent einsetzen kann. Hier kommt die Kul-mination der medialen Darstellung zum Ausdruck, indem die „Solidarność“ untrennbar mit den Fundamenten des polnischen Staates durch die oben diskutierte Emotionalisierung der Presse-berichterstattung in Verbindung gebracht wird.

Interessant ist darüber hinaus, dass die Titel 7. bis 11. zwar eine andere Materie, nämlich die Fußballeuropameisterschaft in Polen und der Ukraine, behandeln. In dieser Hinsicht wird ein Boykott der Europameisterschaft in der Ukraine wegen der Inhaftierung von Julia Tymoszenko thematisiert. Die angewendeten Begriffe verleihen allerdings auch dem Streik auf europäischer Ebene eine besondere Facette. Das Schlüsselwort lautet an dieser Stelle „Boykott“. Beim Streik wird in der Regel eine als ungerecht empfundene Lage oder Vorschrift bzw. ein be-stimmtes Handeln boykottiert. In den oben genannten Artikeln wird zwar der Boykott der Eu-ropameisterschaft diskutiert. Der Begriff wird an dieser Stelle allerdings in eine bestimmte Richtung gedeutet, die für den EU-Vorschlag eines europäischen Streikrechts Konsequenzen hat. Aus den Artikeln geht nämlich hervor, dass ein Boykott auf europäischer Ebene negative Konsequenzen hätte, da damit Großprojekte verhindert werden können. Im 11. Titel wird sogar direkt zum Ausdruck gebracht, dass sich eine solche Vorgehensweise nicht lohne. Mithin

476 Ziemer, Klaus, 2013., S. 251.

steht ein Deutungsrahmen, nach dem ein grenzüberschreitender Streik als nicht effizient darge-stellt wird.

(2) Zwischenergebnis: Instrumentalisierung nationaler Empfindungen und Streik

Die Materie des Streiks wurde an mehreren Stellen gedeutet. Aus dieser medialen Darstellung ergibt sich ein Bild der Gewerkschaften in Polen, das zunächst rein nationalen Charakter auf-weist. In diesem Kontext ist in der Berichterstattung oft die geschichtliche Thematik angespro-chen. Darüber hinaus wird die Materie mit der unter anderem mit dem Krieg assoziierten Be-griffswahl dargestellt. Dieser Schritt emotionalisiert das Thema Streik auf eine in Polen beson-dere Art. Gleichzeitig werden die Aufsichtsrolle und das aktiv schaffende Handeln der Ge-werkschaft in Polen medial betont. Zudem erscheint die Europäisierung der Streikmaterie me-dial in eher negativem Licht.

Somit ergibt sich ein mediales Bild der Gewerkschaft, die als „unsere“ und „nationale“ natio-nalistisch geprägt ist. Zusätzlich wird medial betont, dass das Streiken einer Gewerkschaft re-levant für ein besseres Polen sei. Das Problem, das mit solchem „framing“ aufgezeigt wird, ist nicht zuletzt die angeblich bedrohte Freiheit. Als Lösung dafür wird der nationale polnische Streik gedeutet. Mit einer derartigen Ausrichtung des medialen Diskurses wird die von der EU vorgeschlagene Harmonisierung des Streikrechts abgelehnt. Diese Ablehnung wird diskursiv, anders als dies in der Stellungnahme der Fall war, auf eine indirekte Weise zum Ausdruck ge-bracht. Durch die dargestellte mediale Deutung wird der Streik in Polen nämlich mit dem Na-tionalstaat und nicht mit Europa verbunden. Somit indiziert die aufgezeigte Deutung für das Thema Streik sowohl in der parlamentarischen Stellungnahme als auch in der medialen Präsen-tation der „Gazeta Wyborcza“ durch die Deutung im betrachteten Fokus des Diskurses eine europäische Öffentlichkeit für das Thema Streik. Da die parlamentarischen und medialen Deu-tungen stets den Streik im Zentrum haben und damit zusammenhängen, ist die Betrachtung des Streiks unter gleichen Gesichtspunkten zu bejahen. In dieser Hinsicht ist nicht von Bedeutung, dass der eigentliche europäische Vorschlag in dem untersuchten Diskurs abgelehnt wird, weil diese Ablehnung gleichzeitig auf eine diskursive Aktivität hinsichtlich der Harmonisierung des Streiks in der EU hindeutet. Damit indizieren die untersuchten Artikel eine europäische Debat-te, obwohl sie zunächst wie eine nationale Diskussion aussieht.

bb. „Rzeczpospolita“

Sollte die Ausgangsthese stimmen, müsste es einen Zusammenhang zwischen der Richtung des medialen Diskurses bei der „Rzeczpospolita“ und der parlamentarischen Stellungnahme geben.

Die Suche richtet sich somit nach der folgende Frage: Inwieweit ist eine Ablehnung der

stärke-ren Europäisierung des Streikrechts in Polen in der Berichterstattung der Zeitung zu sehen? Für die Kookkurrenzanalyse wurden 2486 Artikel der Zeitung herangezogen. Im Folgenden wird die Kookkurrenzanalyse anhand ausgewählter Schlüsselbegriffe durchgeführt. Im nächsten Schritt folgt eine qualitative Überprüfung der Ergebnisse, die allerdings auch unabhängig von der Kookkurrenzanalyse erfolgt ist.

(1) Wichtigkeit einer Gewerkschaftsvorstellung in Polen

Im Folgenden werden die Begriffe „Protest“ und „Solidarität“ näher untersucht, weil sie eine starke gemeinsame Facette in der Berichterstattung aufweisen.

Erstens stellt die A. 9. Tabelle (Anhang A) die interessanten Kookkurrenzen des Begriffes

„Protest“ dar. Der Vorteil dieser Auflistung ist die Möglichkeit den Korpus anhand der für die Fragestellung relevanten Begriffe einzuschränken. Aus diesen Gründen wird der Begriff „Ge-schichte“ in die nähere Untersuchung herangezogen.

Die geschichtliche Thematik wurde in dem untersuchten Zeitraum mehrmals angesprochen.

Zum einen hat die RP den aktuellen Protest zur Änderung des Geschichtsunterrichts in der Schule477 präsentiert. Zum anderen wurde der Umgang mit der Geschichte im Allgemeinen thematisiert.478 Zudem wurde die Aufmerksamkeit auf eine direkte Art auf die Geschichtspoli-tik479 gelenkt.

V. 1. Abbildung: Kookkurrenzen: pl. Begriff „protest“ (Protest)

477 z.B. Rząd ma problem z historią, RP, 24.03.2012.

478 Magister historii który żyje z opluwania historii, RP 6.04.2012.

479 Debilizacja historii, RP, 7.04.2012.

Quelle: selbst erstellt anhand der Daten des Zeitungsarchivs der polnischen Zeitung „Rzeczpospolita“, Zugriff:

09.2014.

Um ein breiteres Bild zu erhalten, wurde in der V. 1. Abbildung die nähere Umgebung des Schlüsselbegriffs „Protest“ präsentiert. Auf diese Weise konnten zwei weitere für die Frage-stellung interessanten Begriffe, nämlich Polen („Polska“) sowie Gewerkschaft („związek“) sichtbar gemacht werden. Der erste Begriff wurde mit der Modernisierung des Staates im Zeit-alter des Internets480 in Verbindung gebracht. Der zweite Begriff trat mit dem gewerkschaftli-chen Protest gegen die Rentenreform481 auf.

480 Cyfrowa Polska 2 0 czy pała z e państwa, GW, 22.03.2012.

481 S chce rozliczać posłów, GW, 9.05.2012.

Der Schwerpunkt der Darstellung dieses Begriffes lag jedoch, wie oben dargestellt, auf der geschichtlichen Thematik. Die Geschichte ist in Polen ein sensibles Thema, das oft mit schmerzhaften Erfahrungen unter anderem in der kollektiven Wahrnehmung verbunden ist.

Zweitens werden nach der A. 10. Tabelle (Anhang A) drei für die Fragestellung interessante Kookkurrenzen des Schlüsselbegriffes „Solidarität“ sichtbar. Es handelt sich dabei um die Be-griffe: „Polen“, „Protest“ und „Gewerkschaft“. Somit lässt sich der erste Hinweis auf eine für die Fragestellung relevante Verbindung festhalten. Anhand der genannten Begriffe wird der Korpusausschnitt entsprechend eingeschränkt und die Artikel mit den ausgewählten Wörtern diskutiert.

Der Begriff „Polen“ („Polska“) wird auf verschiedene Art und Weise mit dem Begriff „Soli-darność“ zusammengeführt. Die wichtigste, weil wirkungsvollste Verbindung scheint über die polnische geschichtliche Schiene zu laufen.482 Zudem wird diese Verbindung auch im Bereich der internationalen Politik präsentiert, indem diesbezügliche Allianzen483 oder deutsche Sym-pathien gegenüber Polen484 thematisiert werden. Nicht zuletzt wird die aktuelle Lage und somit auch die aktuelle Verbindung zwischen der „Solidarność“ und Polen thematisiert.485 Ferner spiegelt sich diese Materie in der polnischen künstlerischen Darstellung wieder, z.B. in einem Film.486 Nicht ausgelassen werden auch die aktuellen Politikinhalte, wie zum Beispiel die Pro-teste gegen die Schulreform487, in der es unter anderem um die Modularisierung der Schulleh-re488 ging. Nach der Auffassung der „Rzeczpospolita“ würde die gerade zitierte Reform die Reduzierung der Anzahl der Stunden des Geschichtsunterrichts mit sich bringen. 489

Der Begriff „Protest“ rückt in die nähere Betrachtung. Die Proteste gegen das ACTA-Abkommen, die Gentechnik490 sowie die Schulreform491 werden an dieser Stelle in den Blick genommen.

Der Begriff „Gewerkschaft“ („związek“) erscheint in der genannten Tabelle als ein relevanter Bedeutungsträger. Und in der Tat werden mit diesem Begriff die parteipolitische Konflikte in

482 z.B. Solidarność stawia ultimatum albo Lenin albo Adamowicz, RP, 15.04.2012.

483 z.B. Sojusznik Polski i Polaków, RP, 7.05.2012.

484 Prezydent RFN docenia Polskę, RP, 27.03.2012.

485 Mieć swój rozum, RP, 4.04.2012.

486 Kino na kacu, RP, 14.04.2012.

487 B. Dzień Gniewu bez zagniewanych, RP, 22.03.2012.

488 Polnisches Ministerium Für Bildung, 2012.

489 z.B. Dzień Gniewu bez zagniewanych, RP, 22.03.2012.

490 z.B. Związki czują siłę i czas, RP, 11.04.2012.

491 z.B. W skrócie, RP, 8.05.2012.

Polen492, sowie die aktuellen politischen Inhalte thematisiert, wie z.B. der Widerstand der „So-lidarność“ gegen die Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre.493

Somit ergibt sich ein Bild der „Solidarność“, das untrennbar sowohl mit der polnischen Ge-schichte als auch mit den aktuellen politischen Inhalten in Verbindung gebracht wird. Auf die-se Weidie-se wird die Gewerkschaft medial in das politische Zentrum des Landes platziert.

(2) Kriegsrhetorik, Nationalisierung, Oppositionsfunktion

Während der „Streik“ ein Schlüsselwort ist, sind die Begriffe „Polen“ und „Krieg“ als freie Bedeutungsträger für die Kookkurrenzanalyse ausgewählt worden. Auf Grund der Betrachtung des medialen politischen Diskurses konnten gemeinsame Indizien wie zum Beispiel kriegeri-sche Rhetorik im Titel494 identifiziert werden, nach denen eine Ausweitung der Palette mit den Schlüsselbegriffen während der Kollokationsanalyse für sinnvoll erschien. Auch aus diesem Grund werden die ausgesuchten Begriffe im Folgenden nacheinander analysiert.

Erstens werden für den ersten Begriff „Streik“ die interessanten Kookkurrenzen in der A. 11.

Tabelle (Anhang A) dargestellt. Für eine weitere Einschränkung des Korpusausschnittes wird der Kookkurrent „Regierung“ („rząd“) ausgewählt, weil er, der Erwartung nach, Relevanz für die Fragestellung mit sich bringt. Es müssen auch nicht immer alle Begriffe aus der A. 11. Ta-belle (Anhang A) betrachtet werden, da ein breiter Analysefokus bereits durch die Liste mit den Schlüsselbegriffen gewährleistet ist. Aus diesem Grund ist es möglich nur die jeweils inte-ressantesten Verbindungen zu betrachten.

Die polnische Gewerkschaft „Solidarność“ ist in dieser Begriffskonstellation als unverzichtba-re außerparlamentarische Opposition präsentiert. In dieser Funktion setzte sie sich, wie zum Beispiel im Falle der Rentenreform495, für den Bürger ein. In dieser medialen Darstellung des gerade zitierten Zeitungsbeitrags sticht die Kriegsrhetorik ins Auge, die mit dem Begriff

„wojny“ (von: „wojna“, Krieg) zum Ausdruck kommt. Das Bild, das auf diese Weise entsteht, zeigt die Gewerkschaften, die die neue Rentenreform „bekriegen“. Durch die oppositionsähnli-che Funktion erhält die Gewerkschaft einen zentralen Platz in dem polnisoppositionsähnli-chen politisoppositionsähnli-chen Spiel. Die Kriegsrhetorik verleiht der „Solidarność“ eine zusätzliche themenfremde Facette, die die mediale Vorstellung über ihre Position weiter verstärkt.

492 z.B. Duda Z SLD łączy nas wspólna sprawa, RP, 2.04.2012.

493 z.B. S chce rozliczać posłów, RP, 27.04.2012.

494 z.B. Solidarność nie kończy emerytalnej wojny, RP, 31.03.2012.

495 z.B. Solidarność nie kończy emerytalnej wojny, RP, 31.03.2012.

Zweitens zeigt die Begriffsverbindung „Polen“ („Polska“) und „Gewerkschaft“ („związek“) sowie „Markt“ („rynek“), die in der A. 12. Tabelle (Anhang A) dargestellt wird, eine breite Palette an Ausdrucksformen.

Sichtbar wird eine inhaltsfremde Präsentation dieser Begriffsverbindung durch Erinnerungspo-litik bezüglich des tragischen Todes des polnischen Präsidenten Lech Kaczyński496 und die langandauernde Emigration junger Polen497. In diese Richtung weist auch die kriegerische Rhetorik in Bezug auf den Widerstand der Gewerkschaften gegen die Rentenreform498. Zudem werden manche sensible Materien hervorgehoben, wie das Polnisch sein in der polnischen Kunstgeschichte499 und das moderne Lehren der Geschichte mit Hilfe einer Museumsaustel-lung500. Ein klarer nationaler Zuschnitt wird in diesem Kontext sichtbar, wenn die Gewerk-schaft „Solidarność“ unmittelbar mit dem Begriff Polen in Verbindung gebracht wird.501 Durch die kriegerische Rhetorik und die Anbindung an schwierige sowie sensible nationale Themen wird die Wortverbindung zusätzlich emotional aufgeladen.

Untrennbar werden die beiden Begriffe mit den aktuellen politischen Inhalten. Die für die Ge-werkschaft genuinen Themen werden in der Berichterstattung mit Materien wie Arbeitsrecht502 und Gesundheitspolitik in Verbindung mit gewerkschaftlicher Thematik503 verbunden. Hinzu kommt die Darstellung der betrachteten Begriffskonstellation gemeinsam mit weiteren aktuel-len politischen Inhalten wie der Aufruf zur Produktion des Alkohols in Poaktuel-len nur aus polni-schen Erzeugnissen504, die leerstehenden neuen Wohnungen trotz großen Wohnungsbedürfnis-sen der Menschen505, ein Plädoyer zur Verbesserung der Lehre durch Qualität statt Quanti-tät506, die höheren Energiepreise507 und die Auskunft über die Autorenrechte508. Zudem wird medial in dem Kontext der Wirtschaftsbereich angesprochen, indem Materien wie die Informa-tionsfunktion der Gewerkschaften im Wirtschaftsbereich509, die Gefahren für polnische Klein-unternehmen510, der Ruf nach mehr Ethik in der Wirtschaft511, der Protest der

496 z.B Wielki marsz ku czci Lecha Kaczyńskiego, RP, 19.04.2012.

497 z.B Wyjechali z Polski na rok Zostali jednak na lata, RP, 2.05.2012.

498 z.B. Związki nie chcą nowej ustawy, RP, 22.03.2012.

499 z.B. Zbieram prace artystów z mojego pokolenia, RP, 5.04.2012.

500 z.B. Wystawa pod wspólnym niebem nowocześnie uczy historii, RP, 7.05.2012.

501 z.B. Związkowcy idą do prezydenta, RP 11.05.2012.

502 z.B MOP piętnuje Polskę setki tysięcy ludzi poza związkami, RP, 2.04.2012.

503 z.B. W szpitalach szykuje się praca dla kancelarii, RP, 10.04.2012.

504 z.B. Polska Wódka tylko z polskich surowców, RP, 25.04.2012.

505 z.B. Mieszkań przybywa a żyjemy w ciasnocie, RP, 23.03.2012.

506 z.B. Płacić za jakość kształcenia nie liczbę studentów, RP, 23.04.2012.

507 z.B Zanim zgaśnie nam światło, RP, 8.05.2012.

508 z.B. ZAiKS ogłasza abolicje, RP, 20.04.2012.

509 z.B. Firmy leasingowe miały niezły pierwszy kwartał, RP, 20.04.2012.

510 z.B. Małe firmy wypadną z rynku, RP, 30.04.2012.

511 z.B. Więcej etyki w biznesie i nie tylko w biznesie, RP, 23.03.2012.