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Europäische Öffentlichkeit in den diskursiven „frames“?

Im Folgenden wird die Wichtigkeit der Sprache im Diskurs und ihre Deutung thematisiert so-wie der Untersuchungsgegenstand weiter präzisiert.

a. Bedeutung der Sprache im Diskurs

Die Verbände oder politische Parteien gelten als Träger einer kritischen Publizität, die mit staatlichen Bürokratien um Macht und Interessenausgleich konkurrieren244. Solche Auseinan-dersetzungen werden nicht zuletzt durch die Sprache als Kommunikationsmittel transportiert.

241 http://ec.europa.eu/dgs/secretariat_general/relations/relations_other/npo/index_en.htm, Zugriff am 3.04.2014.

242 Dziennik Ustaw Rzeczpospolitej Polskiej (Gesetzblatt Der Republik Polen), 2016.

243 Dziennik Ustaw Rzeczpospolitej Polskiej (Gesetzblatt Der Republik Polen), 1992.

244 Habermas, Jürgen, 1990., S. 32.

Daher ist es folgerichtig innerhalb des durch die verschiedenen sprachlich geäußerten Argu-mente entstehenden Diskurses nach der europäischen Öffentlichkeit zu ermitteln. Die Verbän-de und Parteien mögen nämlich als national gelten, aber dies schließt nicht aus, dass sie durch das Ansprechen europäischer Materien für diese Öffentlichkeit schaffen. Daher werden in der folgenden Untersuchung weniger die Akteure gesucht, die europäische Inhalte ansprechen.

Vielmehr wird die europäische Materien nennende Diskurssprache ermittelt. Den ersten Anlass dazu liefern die neueren explizit europäischen Aktivitäten nationaler Parlamente, die sich über Stellungnahmen in EU-Angelegenheiten äußern. Vom besonderen Interesse ist unter anderem die damit angeblich zusammenhängende Strahlung der europäischen Materien in den Medien.

Dabei geht es nicht immer darum, ob im Parlament und in der Presse die gleichen Themen an-gesprochen werden. Vielmehr wird untersucht, ob der diesbezügliche Diskurs den gleichen Fokus hat und somit eine europäische Öffentlichkeit ermöglicht. Die Studie spricht somit ei-nerseits das Handeln des nationalen Parlaments in europäischen Materien und andererseits das diesbezügliche „Sprechen“ der Medien an. Die folgende Studie widmet sich dem Zusammen-hang zwischen den beiden Organen der Öffentlichkeit245. Mit dieser Ausrichtung ermöglicht die Studie eine spätere Untersuchung der Akteure der europäischen Öffentlichkeit, weil sie zunächst diese Öffentlichkeit sprachlich lokalisiert. Eine umgekehrte Forschungsstrategie mit der Untersuchung der Akteure an erster Stelle wäre selbstverständlich denkbar, allerdings wür-de sie die Gefahr wür-der Unvollständigkeit wür-der untersuchten Verbänwür-de, Parteien, etc. laufen. Die mediale politische Darstellung europäischer Materien findet nämlich nicht immer in Verbin-dung mit der Nennung der entsprechenden Akteure statt.

In der Wissenschaft existieren bereits einige Studien, die sich dem medialen und politischen Diskurs246 und somit dem Zusammenhang zwischen dem, „was getan, und dem, was gesagt wird“247 widmen. In der linguistischen Forschung wurde beispielsweise der internationale Kri-sendiskurs in der deutschen Presse analysiert.248 In der Politikwissenschaft wurde der politi-sche Diskurs an einigen Stellen untersucht.249 Schmidt typologisiert die Arten des Diskurses.250 Busch analysiert den Diskurs im Falle der Bankenreformen.251 Der politische Diskurs wird allerdings erst mit der Studie von Lupato252 explizit in Verbindung mit Parlamenten gebracht.

Im Projekt zu Postdemokratie und Neoliberalismus wird unter anderem die diesbezügliche

245 Ibid., S. 55.

246 Überblick: Nullmeier, Frank, 2001., S. 285 ff.

247 Foucault, Michel, 1976., S. 118.

248 Scholz, Rony and Kuck, Kristin, 2013.

249 Szczerbak, Paweł, 2014b.

250 Schmidt, Vivien A., 2008.

251 Busch, Andreas, 2004.

252 Lupato, Fabio Garcia, 2012.

diale Sprache untersucht.253 Zudem untersucht Kantner die mediale diskursive Sprache bezüg-lich der militärischen Interventionen.254 Der mediale politische Diskurs bleibt in der Politik-wissenschaft allerdings weitgehend unerforscht. Darüber hinaus wird in der Literatur angege-ben, dass eine explizite Methode der Analyse des Diskurses mit einem Fokus auf die „frame“-Analyse, die die diskursive Beschaffenheit einer Gesellschaft im Fokus hat, trotz einzelner Versuche nicht vorliege.255 Aus diesem Grund wird unten ein Konzept zur Deutungsanalyse mit Hilfe der Kookkurrenzanalyse erarbeitet. Bevor man sich jedoch der Untersuchung der sprachlichen Deutung politischer Inhalte widmet, sollte die Bedeutung der Sprache im politi-schen Diskurs geklärt werden.

Der Streit über die Trennung zwischen Staat und Gesellschaft ist nicht zuletzt in der diskurs-analytischen Debatte über die Bedeutung der Sprache wiederzufinden. Es existieren in der For-schung viele konkurrierende Verständnisse des Diskurses und seiner Sprache. Ohne den An-spruch auf Vollständigkeit zu erheben, sollen im Folgenden einige davon kurz geschildert wer-den. Viele der Beiträge werten die Bedeutung des Diskurses und seiner Sprache ab. Ein Bei-spiel dafür liefert die in der Geschichtswissenschaft umstrittene256 Einordnung der Sprache „als Dekoration, als bloßer Zusatz“257. Auf eine ähnlich polarisierende Art258 wird in gleichem Kontext die Diskussion stellenweise in der Linguistik259 geführt. Eine derartige abwertende Vorstellung hinsichtlich der sprachlichen Bedeutung macht eine mediale Deutungsanalyse na-hezu unmöglich. Der dynamische interaktive Streit um die Deutung wird zudem verneint, in-dem der Diskurs auf eine Präsentation der zeitgeschichtlichen Denkweisen reduziert wird. Da-bei sei die Aufgabe der Analyse lediglich die Rekonstruktion der Denkströmungen260 und nicht der Art ihrer Präsentation. Die tiefere Bedeutung der im Diskurs transportierten Inhalte wird abgelehnt, indem der Diskurs lediglich als die spezifischen Verbindungen von sprachlichen Handlungen verstanden wird.261 Der Diskurs kann in diesem Sinne „über die Kombinatorik von Sprechsituationen“262 „als über den Zusammenhang von Zwecken konstruierte Musterfol-gen, die sich an der sprachlichen Oberfläche als Abfolge sprachlicher Handlungen darstel-len“263 verstanden werden. Wenn die Sprache als Kommunikationsmittel allerdings keine

253 Schaal, Gary S. and Heyer, Gerhard, 2012.

254 Kantner, Cathleen, 2014.

255 Jäger, Siegfried, 2004., S. 111.

256 Sarasin, Philipp, 2011., S. 81.

257 Ibid., S. 62.

258 Koselleck, Reinhart, 1972., S. XIV.

259 Wegeler, Martin, 2003., S. 14.

260 Maas, Utz, 1984.

261 Ehlich, Konrad, 2007., S. 18.

262 Ibid., S. 18.

263 Ibid.S. 19.

deutung hätte, würde die oben angesprochene öffentliche Kommunikation und Öffentlichkeit nicht möglich sein. Eine Folge davon wäre die Unmöglichkeit der von Habermas skizzierten und oben diskutierten Überwindung der Trennung zwischen Staat und Gesellschaft durch die sprachliche Kommunikation. Gerade durch die Sprache wird die Kommunikation ermöglicht und durch ihre Bedeutung erhält der dazugehörige Diskurs einen öffentlichen Sinn, der Öffent-lichkeit schafft. Wenn somit die Sprache tatsächlich keine Bedeutung hätte, würde die von Bö-ckenförde vertretene Trennung zwischen Staat und Gesellschaft durch ihre Alternativlosigkeit zementiert sein. In diesem Fall dürfte eine Öffentlichkeit durch öffentliche Kommunikation gar nicht entstehen.

Demgegenüber lassen sich sowohl in der kritischen Theorie264 als auch in den poststrukturalis-tischen Ansätzen265 solche Ideen finden, die die Bedeutung der sprachlichen Kommunikation nicht zuletzt in den Medien implizieren. Zwischen den genannten theoretischen Denkschulen bestehen allerdings deutliche Differenzen. Ein Beispiel in dieser Hinsicht stellt der Umgang mit der Rolle des Individuums im Diskurs. Habermas sieht in dem Individuum eine den Dis-kurs konstituierende Instanz, die durch öffentliche Kommunikation frei assoziierter Gesell-schaftsmitglieder zum Ausdruck kommt und die Überwindung der Trennung zwischen Staat und Gesellschaft voraussetzt.266 Demgegenüber schreibt Foucalt dem Menschen eine passive Rolle zu und stuft ihn eher als ein Effekt des Diskurses ein.267 Wenn allerdings der Mensch nur eine passive Rolle im Diskurs hätte, würde ihm die Überwindung der Trennung zwischen Staat und Gesellschaft wenig nutzen. Er wäre nämlich nach wie vor ein Produkt des Diskurses und könnte somit nicht eine aktive Rolle bei der Gestaltung einer selbstorganisierten Gesellschaft durch öffentliche Kommunikation übernehmen. Da in dieser Untersuchung die Überwindung der Trennung zwischen Staat und Gesellschaft durch die Kommunikation über die europäi-schen Materien im nationalstaatlichen Diskurs erforscht wird, liegt die von Habermas vertrete-ne Position eivertrete-ner aktiven Gestaltung der Kommunikation dieser Arbeit näher. In dieser Hin-sicht pointiert Wehling, dass die Sprache und die darin enthaltenen Wörter viel mehr Bedeu-tung tragen, als wir bisher annehmen.268 Die Ambiguität der Begriffe ist daher kein Problem für die Deutung, sondern vielmehr eine ihrer Voraussetzungen. Es wäre nämlich ein Fehler Artikel, die auf den ersten Blick thematisch weit entfernt von dem eigentlichen Thema der Stellungnahme liegen, von der Analyse auszuschließen. Mit solchen Ausschlusskriterien wären

264 Enzensberger, Hans Magnus and Glotz, Peter, 1997, Habermas, Jürgen, 1981, Habermas, Jürgen, 1982, Horkheimer, Max and Adorno, Theodor W., 2006., S. 1 ff.

265 Foucault, Michel, 1993.

266 Vgl. Habermas, Jürgen, 1990.S. 21.

267 Vgl. Foucault, Michel, 1993.S. 10, 21 f.

268 Wehling, Elisabeth, 2016., S. 20 f.

nämlich die in der Empirie vorhandene vielfältige Bedeutung der Begriffe und im Endeffekt die zu entdeckende „frames“ von Anfang an eingeschränkt.

Beide Theorieschulen liefern nichtsdestotrotz wertvolle Hinweise für die Untersuchung der im Diskurs verwendeten Sprache. In dieser Hinsicht gibt es in der Literatur normative Idealvor-stellungen von einem Diskurs, für den „ausschließlich der eigentümlich zwanglose Zwang des besseren Argumentes“269 prägend sei. Überdies und in einem Diskursverständnis, das auf eine linguistische Perspektive zurückgeht, werden Diskurse zwar als sprachliche Ereignisse begrif-fen. Sie stellen allerdings auch Handlungen dar, durch die ideelle und symbolische Konstrukte in der sozialen Welt aktualisiert und realisiert werden. Der Begriff des Diskurses verweist in diesem Verständnis auf alle Formen sozialen Dialogs, wie er innerhalb und zwischen Instituti-onen, zwischen Individuen und sozialen Gruppen, Organisationen und den politischen Institu-tionen im Besonderen stattfindet.270 Ferner wird ein Diskurs als ein Ort verstanden, an dem ideelle Elemente wie Ideologien, Glaubenssysteme, Meinungen erscheinen.271 Der Diskurs ist somit nicht zuletzt „dasjenige, worum und womit man kämpft“ 272 oder „die Macht, derer man sich zu bemächtigen sucht“273. Dies erinnert im Übrigen an Foucaults Diskursbegriff, der die institutionellen Orte und Formen der Begriffskonstruktion in den Fokus nimmt.274 Allerdings kommt es bei der Untersuchung der Diskurssprache zudem auf die Art der Nutzung der Pro-duktivkraft Kommunikation an, die zunächst begründet und vermittelt werden muss:

„Dieser Diskursbegriff der Demokratie vertraut auf die politische Mobilisierung und Nutzung der Produktivkraft Kommunikation. Dann muss aber gezeigt werden, dass konfliktträchtige gesellschaftliche Materien überhaupt rational, d.h. im gemeinsamen Interesse der Betroffenen geregelt werden können; und zweitens muss erklärt werden, warum sich das Medium öffentli-cher Argumentation und Verhandlungen für diese vernünftige Willensbildung eignet. Sonst behielte das liberalistische Modell recht mit seiner Prämisse, dass der „Ausgleich“ unversöhn-lich aufeinanderstoßender Interessen nichts anderes als das Ergebnis eines strategisch geführ-ten Kampfes sein kann.“275

Ein solches Verständnis der Kommunikation lässt die Entstehung europäischer Öffentlichkeit zu, weil der ausgleichende Dialog über konfliktträchtige europäische Themen hiermit nicht ausgeschlossen wird. Vielmehr ist vertretbar, dass die europäischen Streitfragen durch die

269 Habermas, Jürgen, 1971.

270 Donati, Paolo R., 2001., S. 147.

271 Ibid.S. 147.

272 Foucault, Michel, 2003., S. 11.

273 Ibid., S. 11.

274 Jäger, Siegfried, 2001., S. 86.

275 Habermas, Jürgen, 1990., S. 39.

onalstaatlichen Kommunikationskanäle kommuniziert werden und sich somit Öffentlichkeit schaffen.

Darüber hinaus korrespondiert der Diskurs als Dialog mit dem in angelsächsischem Sprachge-brauch etablierten Begriff „discourse analysis“, der auf die Gesprächs- und Konversationsana-lyse mit Fokus auf soziale Strukturierung des Diskurses verweist.276 Es existieren auch Vor-stellungen von Diskurs als konstitutivem Mechanismus der (Re-)Produktion von Gesellschaft durch die (kommunikativen) Interaktionen der Akteure. Andere Autoren neigen eher zu dem Verständnis des Diskurses als eines Ortes an dem jene ideellen Elemente produziert werden, durch die die Realität sinnhaft verstanden und gestaltet wird. An dieser Stelle ähnelt eine Ana-lyse der Deutung im Diskurs einer Untersuchung von Ideologien. Es gehe beim politischen Diskurs mithin um einen Wettbewerb bezüglich legitimer Interpretation einer Materie. Zudem soll die Position des ideologischen Gegners delegitimiert werden.277 Im gleichen Kontext be-tont Mehan, dass: „(...) the relations between voices in public political discourse take the form of a conversation (...). The process is essentially dialogic in that the actions of one speaker or voice are oriented to the (...) performances of the other voices – reacting, projecting, trans-forming, anticipating discourse of other speakers or voices (...)“278. Der politische Diskurs bezieht sich mithin auf: „the interactions of individuals, interest groups, social movements and institutions through which problematic situations are converted to policy problems, agendas are set, decisions are made and actions are taken“.279 Ein solches aufwertendes Diskursver-ständnis ermöglicht erst eine reflektierende Deutungsanalyse, weil es die Bedeutung der Dis-kurssprache impliziert.

Artikuliert wird überdies, dass die Wirklichkeit und das Wissen in einem ununterbrochenen Zyklus konstruiert werden.280 Donati betont, dass solche Materien wie politische Themen oder

„policy“-Probleme den Ausdruck von konkurrierenden Interpretationen der Realität repräsen-tieren.281 Swidler gibt in dem Kontext an, dass sich mit so einem Diskursverständnis die Kultur und Ideologie weniger als fertige Konstruktionen begreifen, denn als unfertige Werkzeugkas-ten. Diesen gebrauchen die Akteure gemäß ihrer Bedürfnisse (und Interessen).282 In dieser Stu-die wird von einem dynamischen Konstruieren des Diskurses ausgegangen. Gerade Stu-dieses Ver-ständnis erlaubt erst das Erfassen der Dynamik der medialen politischen Berichterstattung. Das

276 Brown, Gillian and Yule, George, 1983, Corsaro, William A., 1985, Deppermann, Arnulf, 1985, Jäger, Siegfried, 2001, Keller, Reiner, 1997.

277 Donati, Paolo R., 2001., S. 147.

278 Mehan, Hugh, Nathanson, C. E., and Skelly, James M., 1990., S. 135.

279 Rein, Martin, 1986., S. 1.

280 Berger, Peter L. and Luckmann, Thomas, 1969/2012., S. 64 f.

281 Donati, Paolo R., 2001.S. 148.

282 Swidler, Ann, 1986., S. 273.

Parlamentsverhalten in EU-Angelegenheiten hängt somit der Idee zur Folge argumentativ mit dem Handeln von kollektiven oder individuellen Interessen283 auf diskursiver Ebene zusam-men. Habermas pointiert in dieser Hinsicht, dass der Diskurs zwar viel mit Macht zu tun, aber er herrscht nicht:

„Die kommunikativ verflüssigte Souveränität bringt sich in der Macht öffentlicher Diskurse zur Geltung, die Themen von gesamtgesellschaftlicher Relevanz entdecken, Werte interpretie-ren, Beiträge zur Problemlösung leisten, gute Gründe produzieren und schlechte entwerten. (...) Diskurse herrschen nicht. Sie erzeugen eine kommunikative Macht, die die administrative nicht ersetzt, sondern nur beeinflussen kann. Dieser Einfluss beschränkt sich auf Beschaffung und den Entzug von Legitimation.“284

Daraus ergibt sich der Mehrwert einer Deutungsanalyse für die Politikwissenschaft. Die Idee ist, dass bestimmte Interessen im politischen Diskurs zum Ausdruck kommen und ihn größten-teils ausmachen. Bei der Deutungsanalyse geht es demnach nicht zuletzt um die Betrachtung der Art der Präsentation, in welcher die diskursiven Mittel eingesetzt wurden. Zudem ist zu ermitteln, wie die Wirklichkeit anhand solcher symbolischer Darstellung definiert wird. Eine solche Ausrichtung der Analyse ermöglicht die Suche nach der sprachlich entstehenden euro-päischen Öffentlichkeit. Im Sinne von Habermas seien die euroeuro-päischen Inhalte im Diskurs als relevant oder irrelevant dargestellt, interpretiert, mit Lösungen versehen und mit guten Grün-den untermauert. Die Herausforderung dieser Untersuchung ist es eben gerade solche sprachli-chen Darstellungen, die auf die Entstehung europäischer Öffentlichkeit hindeuten, zu lokalisie-ren.

Es ist in der Forschung umstritten, ob ein solches diskursanalytisches Verständnis als eine Me-thode oder vielmehr als eine Theorie zu verstehen ist. Einerseits wird die Analyse der Deutung im Diskurs als Methode verstanden, indem sie als ein Verfahren, eine Technik oder eine „Len-kung des Blicks“ bezeichnet wird285. Andererseits wird eine theoretische Relevanz einer sol-chen Analyse betont, weil diskursanalytisch auf die sprachliche Konstruktion der Wirklichkeit verwiesen wird.286 Da in dieser Studie die Diskursdeutung und ihre Bedeutung für die europäi-sche Öffentlichkeit im Vordergrund stehen, wird vertreten, dass die Deutungsanalyse sowohl methodische als theoretische Aspekte enthält. Da bei der Analyse des Diskurses grundsätzlich auf alles zu achten ist, was in irgendeiner Form relevant sein könnte, wird in der vorliegenden Analyse der Diskursdeutung im Voraus nur eine nach den Schlüsselwörtern ausgerichtete

283 Vgl. Niskanen, W.A., 1971.

284 Habermas, Jürgen, 1990., S. 44.

285 Busse, Dietrich, 2013b., S. 38.

286 Gardt, Andreas, 2007., S. 36.

duktion der Artikelmenge vorgenommen. Aus dem gleichen Grund wird eine solche Analyse des Diskurses nicht nur als Methode oder Theorie verstanden. Vielmehr wird sie darüber hin-aus als eine Kunst287 verstanden, weil im Folgenden nicht nur eine explorative methodische Vorgehensweise anhand der Kookkurrenzanalyse erarbeitet wird, sondern mit Hilfe dieses Ver-fahrens die mediale Konstruktion der in den Parlamentsstellungnahmen genannten Materien analysiert und interpretiert wird. Da die Kookkurrenzanalyse die Wortzusammenhänge in den Blick nimmt, ist sie mit den methodischen und theoretischen Vorstellung einer „kritischen“

Deutungsanalyse288 als einer Untersuchung der simultan auftretenden Wörter289, kompatibel.

Mit einem gerade formulierten aufwertenden Verständnis der Sprache lässt sich im nächsten Schritt nach dem relevanten Diskurs ermitteln.

b. Suche nach dem relevanten Diskurs

Für die Untersuchung wird zunächst das Modell von Donati290 und Gamson291 auf seine Taug-lichkeit für die folgende Untersuchung überprüft. Die erste Annahme des Modells ist, dass der konkrete Diskurs auf eine bestimmte Art die Öffentlichkeit erreicht und bei ihr eine gewisse Wirkung erzeugt. Dieser Effekt an sich wird allerdings nicht untersucht. Die zweite Annahme dieses Modells ist, dass der relevante Diskurs auf drei Ebenen stattfindet, nämlich zwischen dem Parlament, den jeweils sonstigen Akteuren (mit besonderen Interessen) sowie den Medi-en. Erstens ist nach diesem Modell die Herausforderung die Gruppen zu ermitteln, die an der konkreten Materie Interesse haben und sich zum Thema geäußert haben. Vorstellbar für die Untersuchung wären zwar die schriftlichen Äußerungen der Akteure. Im Falle des Parlaments würden die Protokolle der öffentlichen parlamentarischen Debatten zu analysieren sein, weil sie am besten die Vielfältigkeit der Meinungen zur Europäischen Integration aufzeigen und sich daraus im Nachhinein die nationale Position ergibt.292 Allerdings ist an dieser Stelle ein Vergleich auf Grund von den großen Unterschieden in Deutschland, Frankreich und Polen293 hinsichtlich der Behandlung und Formulierung der europäischen Stellungnahmen nicht mög-lich. Die parlamentarische Ausschussarbeit in Polen, Deutschland und Frankreich wird nicht untersucht, weil die Gremien grundsätzlich nicht öffentlich294 tagen. Zweitens können die je-weils sonstigen Akteure (wie zum Beispiel Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbände) sich

287 Hermanns, Fritz, ibid., S. 194.

288 Weiterführend: Fairclough, Norman and Wodak, Ruth, 1997.

289 Jäger, Siegfried, 2004., S. 158 ff.

290 Donati, Paolo R., 2001. S. 148.

291 Gamson, William A., 1985, Gamson, William A. and Modigliani, Andre, 1987, Gamson, William A., 1988, Gamson, William A. and Modigliani, Andre, 1989.

292 Hörber, Thomas, 2006. S.18.

293 Zur Länderauswahl siehe Kapitel II.4.a.

unabhängig von Parlament und Medien öffentlich äußern. Allerdings haben solche Äußerun-gen (PressemitteilunÄußerun-gen oder Publikationen) in den drei Mitgliedstaaten einen unterschiedlich systematischen Charakter und lassen sich somit schlecht vergleichen. Aus diesem Grund wer-den diese Ebenen des Diskurses im Folgenwer-den nicht untersucht und die EU-Stellungnahmen des jeweiligen Parlaments in den Untersuchungsfokus genommen.

Drittens verweist das generelle „value added-model“ nach Gamson neben den Äußerungen von sozialen Gruppen, Organisationen und Institutionen auf die Praktiken der Medien, die den In-put sozialer Akteure verbreiten und verändern.295 In seinen Worten ist das Ziel der Deutung-suntersuchung: „the interplay between the commentary that appears about a series of issues in the mass media and the way ordinary people make sense and talk about the same set of is-sues“.296 An dieser Stelle wird weniger auf das menschliche Handeln zum Beispiel im Sinne der Tätigkeitstheorie, die den Zusammenhang zwischen Sprechen, Denken, Wissen und Wirk-lichkeit hinsichtlich des Individuums betrachtet297, fokussiert. Vielmehr sind die, beispielswei-se diskursiv sichtbaren, Ergebnisbeispielswei-se des menschlichen Handelns für die Fragestellung interes-sant. Abgelehnt werden überdies die behavioristischen Konzepte, die das individuelle Verhal-ten in den Fokus nehmen und der Sprache zunächst nur eine eingeschränkte Wirkung zuspre-chen,298 weil nur ein aufwertendes Verständnis der Diskurssprache die Suche nach der sprach-lich entstehenden europäischen Öffentsprach-lichkeit ermögsprach-licht. Daher wird davon ausgegangen, dass die Interessen in den Medien entsprechend dargestellt werden. Somit steht nicht das menschliche Handeln, sondern die Darstellung seiner kommunikativen Ergebnisse und seiner Bedeutung im Zentrum dieser Studie. Damit wird die mediale Präsentationsart weniger als „le-diglich die sprachlich-schriftliche Seite einer diskursiven Praxis“299, sondern vielmehr als ein sie prägendes essentielles Teil gesehen. Im Gegensatz zu dem gegenwärtigen Schwerpunkt der parlamentarischen nationalen und europäischen Diskurs-Forschung hinsichtlich der Analyse des internen parlamentarischen Diskurses300, nimmt diese Untersuchung nicht nur den parla-mentarischen, sondern auch den medialen politischen Diskurs in den Blick, weil die

Drittens verweist das generelle „value added-model“ nach Gamson neben den Äußerungen von sozialen Gruppen, Organisationen und Institutionen auf die Praktiken der Medien, die den In-put sozialer Akteure verbreiten und verändern.295 In seinen Worten ist das Ziel der Deutung-suntersuchung: „the interplay between the commentary that appears about a series of issues in the mass media and the way ordinary people make sense and talk about the same set of is-sues“.296 An dieser Stelle wird weniger auf das menschliche Handeln zum Beispiel im Sinne der Tätigkeitstheorie, die den Zusammenhang zwischen Sprechen, Denken, Wissen und Wirk-lichkeit hinsichtlich des Individuums betrachtet297, fokussiert. Vielmehr sind die, beispielswei-se diskursiv sichtbaren, Ergebnisbeispielswei-se des menschlichen Handelns für die Fragestellung interes-sant. Abgelehnt werden überdies die behavioristischen Konzepte, die das individuelle Verhal-ten in den Fokus nehmen und der Sprache zunächst nur eine eingeschränkte Wirkung zuspre-chen,298 weil nur ein aufwertendes Verständnis der Diskurssprache die Suche nach der sprach-lich entstehenden europäischen Öffentsprach-lichkeit ermögsprach-licht. Daher wird davon ausgegangen, dass die Interessen in den Medien entsprechend dargestellt werden. Somit steht nicht das menschliche Handeln, sondern die Darstellung seiner kommunikativen Ergebnisse und seiner Bedeutung im Zentrum dieser Studie. Damit wird die mediale Präsentationsart weniger als „le-diglich die sprachlich-schriftliche Seite einer diskursiven Praxis“299, sondern vielmehr als ein sie prägendes essentielles Teil gesehen. Im Gegensatz zu dem gegenwärtigen Schwerpunkt der parlamentarischen nationalen und europäischen Diskurs-Forschung hinsichtlich der Analyse des internen parlamentarischen Diskurses300, nimmt diese Untersuchung nicht nur den parla-mentarischen, sondern auch den medialen politischen Diskurs in den Blick, weil die