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Stimmansatz und Artikulation

Im Dokument Gut bei Stimme bleiben (Seite 14-18)

5.1 Stimmfunktion

5.1.3 Stimmansatz und Artikulation

Unter Stimmansatz versteht man im Allgemeinen die Vorgänge, die bewir-ken, dass aus dem primären Stimmton, der im Kehlkopf entsteht, der end-gültige Stimmklang geformt wird. Die Definition von Stimmansatz nach Petzenburg lautet folgendermassen: «Stimmansatz bezeichnet […] die Ge-samtheit der resonatorischen Formung des primären Stimmschalls durch den Ansatzraum bzw. das sogenannte Ansatzrohr (alle luftdurchströmten Räume oberhalb der Glottis) und die darin enthaltenen Organe bzw. Organ-teile» (Petzenburg, 2013, S. 86).

5.1.3.1 Das Ansatzrohr

An der Formung des Primärklanges, welcher im Kehlkopf entsteht, sind die Räume des Ansatzrohres massgeblich beteiligt. Sie befinden sich oberhalb des Kehlkopfes und wirken als Resonanzraum. Der Mund- und der Rachen-raum sind die zwei Hauptresonanzräume (vgl. von Bergen, 2006, S. 57). In ihnen werden «die zugeführten Schwingungen aufrechterhalten und abge-strahlt (Resonanz); dieser Effekt wird als Verstärkung und Klangverede-lung wahrgenommen» (Hempel, 2008, S. 17). Unter Resonanz versteht man also konkret «das Mitschwingen eines schwingungsfähigen Systems bei An-regung durch Schwingungen in der Nähe seiner Eigenfrequenz»

(Petzenburg, 2013, S. 91). Das gesamte Ansatzrohr ist mit einer Schleim-haut überzogen und in der Form veränderbar (vgl. Habermann, 1978, S. 61).

Besonders der Rachenraum ist stark verformbar, was die emotionalen Kom-ponenten bei der Stimmgebung ermöglicht. Von Bergen schreibt dazu:

«Durch vielgestaltige, weitgehend unbewusst ablaufende Formveränderun-gen werden so die stimmlichen Gefühlsausdrücke erzeugt» (von BerFormveränderun-gen, 2006, S. 58). Das heisst konkret, dass bei Angst- oder Zorngefühlen der Ra-chenraum verengt wird; es entsteht ein harter oder gepresster Stimmklang.

Bei fröhlichem Sprechen wirkt die Stimme eher voll und dunkel, weil der Rachenraum weit ist. Der Mundraum kann dank den Lippen zu einem ge-schlossenen Resonanzraum gebildet werden. Von Bergen bezeichnet den Mundraum «im Gegensatz zum Rachenraum als den intellektuellen Reso-nanzraum», denn hier geschieht die Artikulation (vgl. von Bergen, 2006, S.

58).

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Abbildung 3: Das Ansatzrohr (von Bergen, 2006, S. 57)

Das Gaumensegel begrenzt die Schlundenge nach oben hin, was in der Ab-bildung 3 gut ersichtlich ist. Durch Muskelzüge ist es mit dem hinteren Teil der Zunge und den Rändern des Schildknorpels verbunden. Das Gaumense-gel kann nach hinten und nach oben angehoben werden. Auf diese Weise werden die Nasenräume von den übrigen Resonanzräumen abgekoppelt. Die Nase selber ist Sitz des Geruchssinnes und zuständig für die Befeuchtung, Erwärmung und Reinigung der Atemluft. Ausser für die nasalen Klinger m, n und ng haben die Nasenhaupthöhlen jedoch keinen Einfluss auf die Reso-nanz, es sei denn, das Gaumensegel ist zu schlaff oder hängt zu stark herab, sodass die Schallabstrahlung durch Mund und Nase nach aussen führt (vgl.

von Bergen, 2006, S. 60).

Ursprünglich waren jedoch auch die im Ansatzrohr ansässigen Organe und Räume anderen Aufgaben zugedacht. Doch neben den Primärfunktionen At-mung und Nahrungsaufnahme haben sich die Sekundärfunktionen der Klang- und Sprachformung entwickelt (vgl. von Bergen, 2006, S. 58). Das Ansatzrohr funktioniert jedoch nicht nur als Resonator und Artikulator, sondern wirkt sich auch auf den Kehlkopf aus. «Verschiedene Muskeln, die im Bereich des Ansatzrohres ansetzen, sind untereinander und ausserdem

16 mit dem Kehlkopf eng verbunden.» (Petzenburg, 2013, S. 90) Falls Verspan-nungen im Ansatzrohr auftreten, kann sich das aufgrund der bestehenden Verbindung zum Kehlkopf problematisch auf die Stimmqualität auswirken.

«Gepresster Stimmklang wird in der Sprechstimmtherapie häufig auch mit hohem Kehlkopfstand in Verbindung gebracht. Dabei setzt die Therapie u.a.

auch an der Senkung von Tonhöhe und Kehlkopf an. Die Senkung des Kehl-kopfes geht meist mit einer gewissen Entspannung einher, die Hebung mit einer Anspannung.» (Petzenburg, 2013, S. 100)

5.1.3.2 Artikulation und Bildung von Sprachlauten

Die Zunge und die Lippen spielen eine wichtige Rolle bei der Bildung von Sprachlauten, denn beide Organe sind fähig, sich in vielfältiger Weise zu verändern. Durch viele verschiedene Muskeln können Verschlüsse und Eng-pässe gebildet und die Form der Mundhöhle laufend verändert werden (vgl.

von Bergen, 2006, S. 60). Neben dem Gaumensegel ist auch der Unterkiefer, der sowohl zur Seite als auch nach unten und vorne bewegbar ist, an der Artikulation beteiligt. Je nach dem welcher Vokal oder Konsonant geformt werden soll, ist die Öffnung des Kiefers unterschiedlich. Der Kiefer beein-flusst zudem auch den Kehlkopf, weil einige Muskeln vom Kiefer direkt mit dem Kehlkopf verbunden sind. Dies gilt allerdings auch für die Zunge, wel-che ebenfalls direkte Muskelverbindungen zum Kehlkopf hat. Verspannun-gen im Kiefer oder der Zunge können sich daher ebenfalls ungünstig auf die Stimmqualität auswirken (vgl. von Bergen, 2006, S. 60f). Konsonanten ent-stehen, wenn die ausströmende Luft an einer engen Stelle vorbei muss, wes-halb ein Geräusch entsteht. Petzenburg definiert die Konsonanten auf vier verschiedenen Ebenen (vgl. Petzenburg, 2013, S. 122f):

 Die artikulierenden Organe

 Die Artikulationsstelle

 Der Artikulationsmodus

 Der Überwindungsmodus

Zunächst müssen artikulierende Organe, wie die Zunge oder die Lippen, ei-nen Verschluss oder ein Hindernis bilden, welches die Artikulationsstelle für einen Konsonanten, beispielsweise ein P, wird. Der Artikulationsmodus weist dabei auf die Art der Verschluss- oder Hindernisbildung hin, bezeich-net also, wie stark die Lippen für ein P zusammengepresst werden müssen.

Der Überwindungsmodus erklärt schliesslich, wie der Luftstrom den Eng-pass überwindet und den Klang des Konsonanten bildet. Im Beispiel des

17 Konsonanten P bedeutet dies, dass der Luftstrom so stark sein muss, dass die Lippen auseinander spicken und ein hartes P erklingt (vgl. ebd.).

Dass Konsonanten für die Verständlichkeit der Sprache sehr wichtig sind, ist unangefochten. Heinrich von Bergen schreibt dazu, dass bei Menschen,

«die gewohnheitsmässig zu weich und zu schlaff sprechen, das Bewusstsein für die präzise Arbeit von Lippen und Zunge bei der Artikulation» erarbeitet werden muss (von Bergen, 2006, S. 101). Konsonanten beeinflussen ausser-dem neben ausser-dem Stimmbandschluss auch die Aktivität des Zwerchfelles po-sitiv.

Fehleinstellungen im Ansatzrohr können laut Lohmann entweder auf Ge-wohnheiten oder Zwangseinstellungen zurückgeführt werden. Als Gründe nennt er die mündliche Kommunikation in der Umgangssprache oder in den Dialekten, da diese häufig eine «nasale, gaumige, kehlige oder verwaschen-monotone Klanggebung» fördern (Lohmann, 1966, S. 43). Auch zu tiefes Sprechen kann ein Grund dafür sein. Die folgende Liste nach Lohmann stellt die häufigsten Fehleinstellungen im Ansatzrohr dar (vgl. Lohmann, 1966, S.43):

 Verengte Klanggebung aufgrund von Schlund- und Kehlverengung

 Flache, gedrückte oder dumpfe Klanggebung wegen zu hoch oder zu tief gestelltem Kehlkopf

 Artikulationsbehinderung durch verkrampfte Zunge

 Näselnder oder greller Klang durch zu schlaffes oder zu gespanntes Gaumensegel

5.1.3.3 Flüstern

Diese Spezialform der Stimmgebung entsteht durch ein Anblasen der Reso-nanzräume, ohne dass die Stimmlippen dabei Schwingen erzeugen. Der Luftstrom kann somit ohne Unterbrechung die Stimmritze durchströmen.

Da sich die Stimmlippen nur bis zu einem gewissen Punkt annähern, ist der Luftverbrauch beim Flüstern um einiges höher als bei normaler Stimmge-bung. Daher ist Flüstern grundsätzlich unphysiologisch und somit keine Entlastung für einen entzündeten Kehlkopf oder bei Heiserkeit (vgl.

Habermann, 1978, S. 161).

5.1.3.4 Einfluss des Gehörs auf die Stimme

Der Mensch hört sich selber vor allem über die Knochenleitung im Inneren des Kopfes. Zusätzlich hört er sich aber auch durch die Schallwellen, die

18 über die Luft übertragen werden, sowie durch kinästhetische Empfindun-gen in den Vibrationsbezirken im Körper (vgl. von BerEmpfindun-gen, 2006, S. 70). Die zuhörenden Menschen können jedoch nur die durch Luft übertragenen Schallwellen wahrnehmen, weshalb sie ein anderes Hörempfinden der Stimme haben als die sprechende oder singende Person. Menschen, die ein ungenügend funktionierendes Gehör haben, haben oft Mühe, sprachlich zu kommunizieren. Das äussert sich durch einen geringen Redefluss und un-rhythmisches Sprechen. Die Sprechqualität ist zudem häufig monoton, flach und zögerlich (vgl. APP, 2014).

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