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Die Familie gilt als das „wichtigste Element des sozialen Nahraums“ für die Mehrzahl der jungen Menschen.31Sie ist gesellschaftliche Leistungsträgerin als Entwicklungsort der nachwachsenden Generation. Darin liegt auch die Begründung für den verfassungsrechtlichen Schutz der Familie als Instituti-on.

Das Subsidiaritätsprinzip stellt die Eigenverantwortung und Eigenständigkeit der Familienmitglieder der staatlichen Verantwortung voran. Subsidiarität als zentrales ordnungspolitisches Bauprinzip der Gesellschaft bedeutet, dass Vorrang für Eigenverantwortung und Eigenleistung der kleinen Einheiten besteht.

„Sie garantiert das Recht der kleinsten Einheit Familie auf autonomes, eigenverantwortliches Handeln, schützt vor Bevormundung und Entmün-digung durch einen allumfassenden und allzuständigen Staat und sichert zugleich, dass Aufgaben dort übernommen werden, wo sie am effizien-testen geleistet werden können. Die Aufgaben, die am sinnvollsten in der Familie und durch die Familie geleistet werden, dürfen die jeweils größe-ren Gemeinschaften ihnen nicht abnehmen.“ (Deutscher Familienver-band, Grundsätze, 2007, online)32

Die Eigenverantwortung der Familie bedeutet jedoch nicht, dass die Gesell-schaft aus der Verantwortung entlassen ist. Die kleinste Einheit „Familie“

hat den Anspruch an die jeweils größeren Gemeinschaften auf Unterstützung

31Vgl. Elfter Kinder- und Jugendbericht 2002, S. 13

32Deutscher Familienbericht (2007, online) in http://www.deutscher-familienverband.de/index.php?id=1079

und Hilfe zur Selbsthilfe, und zwar auch in präventiver Weise, d. h. bevor ihr eigenes Potential zur Erfüllung ihrer Aufgaben ausgeschöpft bzw. überfor-dert ist.

Die Familie stellt nach Liegle nicht nur den wichtigsten und wirksamsten Erziehungsfaktor der Gesellschaft dar, sondern ist „in aller Regel die erste und dauerhafteste Umwelt für den neu geborenen und heranwachsenden Menschen“ (Liegle, 2005, S. 404 f). Er spricht von der „Erziehungsmächtig-keit“ der Familie und stellt fest, dass es hierzu noch wenig gesichertes Wis-sen gibt. Deshalb möchte er seine Erklärungen als vorläufigen Versuch einer Antwort verstanden wissen. Er nennt folgende Stichworte:

„In der Familie sind genetische Einflüsse wirksam (Transmission von Anlagen).

Familienbeziehungen bilden im Lebenslauf des Menschen im Regelfall die erste Umwelt....

Familienbeziehungen stellen – mehr als jeder andere soziale Ort – die ü-berdauernde Umwelt des Kindes dar....

Familienbeziehungen stellen ein intimes Beziehungssystem dar; die Ges-taltung dieser Beziehungen betrifft die „ganze Person“....

Die besondere Wirksamkeit der Familienerziehung könnte damit zu tun haben, dass sie großteils indirekt, ohne ausdrückliche Absicht und

„nebenbei“ erfolgt und dass sie vor allem aus dem gemeinsamen Le-ben... sowie aus der „Einverleibung“ des Vorbilds der Eltern hervor-geht...“ (ebd., 413 f)

Familie als Einheit der Gesellschaft ist stark von den ökonomischen Rah-menbedingungen beeinflusst. Der sozioökonomische Status der Eltern spielt eine entscheidende Rolle, da hiermit auch die Spielräume der persönlichen

Entfaltung der Kinder definiert werden. In den letzten dreißig Jahren hat sich dieser Status laut Shell-Jugendstudie 2006 bei einem Teil der Familien ge-bessert und bei ca. 30% enorm verschlechtert (Shell Deutschland Holding, Hrsg., 2006, S. 49). Man kann hier grob eine Dreiteilung ausmachen. Es gibt ungefähr ein gut situiertes Drittel von Familien, die ihren Kindern gute öko-nomische Bedingungen und in der Regel hervorragende Bildungschancen bieten. Diese Kinder sind meist auch mit einem Polster an Selbstvertrauen und sozialer Kompetenz ausgestattet. Schlechter schneidet bei diesen Res-sourcen das mittlere Drittel ab, kann den Kindern jedoch immer noch relativ günstige Rahmenbedingungen bieten. Im untersten Drittel gestaltet sich die Entfaltung der Kinder als sehr schwierig. Sie haben deutliche Nachteile (ebd., S. 49).

Auch in der Einschätzung junger Menschen spiegelt sich die Bedeutung der Familie in der Gesellschaft wider. In der Shell-Jugendstudie, die seit 53 Jah-ren die Situation der jungen Generation Deutschlands untersucht, wird ein Bedeutungszuwachs der Familie konstatiert. Laut Shell-Jugendstudie 2006 messen junge Menschen „Familie“ heute eine besonders hohe Bedeutung zu und bleiben lange in ihrer Herkunftsfamilie (Shell Deutschland Holding, 2006, S. 50 f). Es lässt sich eine starke Familienorientierung feststellen, die in den letzten Jahren sogar zugenommen hat. 72% der Jugendlichen sind der Meinung, dass man für ein wirklich glückliches Leben eine Familie braucht (2002: 70%), wobei signifikant seltener Jugendliche der Unterschicht dieser Meinung sind. Angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheit bietet die Fami-lie sozialen Rückhalt, Sicherheit und emotionalen Ausgleich. Die Mehrheit der Jugendlichen ist auch mit der Erziehung durch ihre Eltern zufrieden.

Mädchen und junge Frauen sind weiterhin stärker familienorientiert als

Jun-braucht, beantwortete ein großer Teil der Befragten zugunsten von Kindern (44%) (vgl. ebd., S. 50 f).

Die konkrete Frage nach dem Kinderwunsch ergibt ein anderes Bild. 62%

geben an, später selbst Kinder haben zu wollen (ebd., S. 51 f). Es gibt also eine Diskrepanz zwischen den Antworten auf die Frage, ob man Kinder zum Glücklichsein braucht (44%) und dem Kinderwunsch (62%). Daraus wird abgeleitet, dass die Mehrheit der Jugendlichen zwar Kinder möchte, das Glück jedoch nicht von der Erfüllung dieses Wunsches abhängig machen will. Der Wunsch nach eigenen Kindern ist insgesamt gegenüber 2002 deut-lich zurückgegangen, wobei dies nicht für die obere Mittelschicht gilt. Den-noch ist es die Mehrheit der Jugendlichen (62%), die sich Kinder wünscht.

Interessant ist, dass der Kinderwunsch mit Herkunft, Geschlecht und Alter zusammenhängt, sowie damit, ob die Jugendlichen gut mit ihren eigenen Eltern auskommen. Mädchen und junge Frauen wünschen sich häufiger als Jungen und junge Männer eigene Kinder. Jugendliche in unteren sozialen Schichten haben seltener den Wunsch nach Kindern. Je höher die soziale Schicht, desto höher ist der Kinderwunsch (ebd., S. 52 ff).

Anders sieht es bei der Realisierung des Kinderwunsches aus (ebd., S. 53 f).

Hochqualifizierte Frauen bleiben häufig kinderlos und aus unteren Bil-dungsgruppen bekommen überdurchschnittlich viele Frauen Kinder. Es wird deutlich, dass die demografische Entwicklung komplexe Zusammenhänge aufweist, die m. E. in der bisherigen Debatte nicht ausreichend differenziert worden sind. Beispielsweise wird in der öffentlichen Diskussion die Kinder-losigkeit von Paaren vor allem für den Rückgang der Kinderzahl verantwort-lich gemacht. Mittlerweile ist jedoch erwiesen, dass der Geburtenrückgang

im Wesentlichen auch dadurch zustande kommt, dass die Zahl der Familien mit drei und mehr Kindern deutlich zurückgegangen ist.33

Man kann aus den Ergebnissen der -Jugendstudie ableiten, dass junge Men-schen nach wie vor der Familie einen hohen Stellenwert einräumen. Familie wird als „sicherer sozialer Heimathafen“ gesehen (Shell Deutschland Hol-ding, 2006, S. 49). Diese Aussage widerspricht dem Trend der öffentlichen Diskussion, die sinkende Heiratslust junger Menschen und die hohe Zahl von Paaren ohne Kinder als Ergebnis einer abnehmenden Bedeutung von Familie zu werten. Es sind u. a. die ökonomischen Rahmenbedingungen und die Qualität des Aufwachsens der Kinder und Jugendlichen, die wesentlich dazu beitragen, junge Menschen zu motivieren oder davon abzuhalten, eine Familie zu gründen.