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3.1.1.1 Maslows Motivationstheorie

Der Frage nach Grundbedürfnissen eines Kindes kann man näher kommen, indem man nach den menschlichen Basisbedürfnissen fragt. Maslow (2005) hat grundlegende menschliche Bedürfnisse in einer fünfstufigen Bedürfnis-hierarchie, quasi als Pyramide, abgebildet. Er gehört zusammen mit Rogers und Fromm zu den Begründern und wichtigsten Vertretern der Humanisti-schen Psychologie. Seine Motivationstheorie geht von einem positiven,

Stufe die physiologischen Bedürfnisse: Essen, Trinken, Schlaf, angemessene Wärme, Sexualität. Diese sind nach Maslow die „mächtigsten“ unter allen (vgl. Maslow, 2005, S. 63). Die zweite Stufe umfasst das Ensemble Sicher-heitsbedürfnisse: Stabilität, Sicherheit, Geborgenheit, Schutz, Angstfreiheit, Bedürfnis nach Struktur, Ordnung, Gesetz, Grenzen, Schutzkraft, usw. (vgl.

ebd., S. 66). Auf der dritten Stufe sind die Bedürfnisse nach Liebe, Zunei-gung, Zugehörigkeit angesiedelt. Die vierte Stufe umfasst Bedürfnisse nach Achtung in zwei Untergruppen: das Bedürfnis nach Stärke, Leistung und Kompetenz sowie das Bedürfnis nach Prestige, einem guten Ruf, Respekt, Status, Anerkennung, Würde, usw. Auf der fünften Stufe liegt das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung.

„Was ein Mensch sein kann, mußer sein.“ (ebd., S. 74)

Der Begriff „Selbstverwirklichung“ bezieht sich auf das Verlangen nach Selbsterfüllung, auf die Aktualisierung dessen, was der Einzelne an Mög-lichkeiten besitzt. Er nimmt an, dass

„die einzige vernünftige und tragfähige Basis, auf der man irgendeine Klassifizierung des Motivationslebens errichten kann, aus den grundle-genden Zielen oder Bedürfnissen besteht, nicht aus irgendeiner Aufzäh-lung von Trieben im gewöhnlichen Sinn von Antrieben („Ziehen“ mehr als „Drängen“).“ (ebd., S.53)

Diese grundlegenden Bedürfnisse stehen untereinander in Beziehung: Wenn ein Bedürfnis erfüllt ist, taucht das nächst höhere auf. Je höher das Bedürfnis in der Hierarchie, desto weniger wichtig ist es für die Existenzsicherung.

Wenn z.B. das Bedürfnis nach Sicherheit befriedigt ist, kümmert sich der Mensch um seine sozialen Bedürfnisse. Ein hungriger Mensch nimmt Sicherheitsrisiken in Kauf. Akute Bedürfnisse auf einer Stufe blenden also nach Maslow die höheren Bedürfnisstufen aus. Er empfiehlt, folgenden

bei-den Tatsachen Rechnung zu tragen:

„...erstens, daß das menschliche Wesen niemals befriedigt ist, außer in einer relativen, stufenweisen Art, und zweitens, daß sich Bedürfnisse selbst in einer Art Hierarchie der Vormacht ordnen.“ (Maslow, 2005, S.

52)

Die Hierarchie der Bedürfnispyramide ist nicht starr. Laut Maslow erfahren zwar die meisten Menschen ihre Grundbedürfnisse ungefähr in der genann-ten Rangordnung. Es gibt jedoch auch viele Ausnahmen und Differenzierun-gen (vgl. Maslow, 2005, S.79 f). Meines Erachtens ist es zwar so, dass es existenzielle Bedürfnisse gibt, die zuerst befriedigt werden müssen, um das Überleben zu sichern. Im Rahmen der übrigen Bedürfnisse können jedoch dialektische Zusammenhänge angenommen werden, welche die einfache Darstellung als Pyramide als nicht nur vereinfachend, sondern auch als ver-fälschend identifizieren. In diesem Kontext kann die Bedürfnispyramide nach Maslow dennoch hilfreich sein, um aufzuzeigen, dass Menschen grundsätzlich im Spannungsfeld von physischen, psychischen und mentalen Bedürfnissen stehen. Bedeutsam ist auch die Grundannahme, dass menschli-che Grundbedürfnisse nicht nur auf der physismenschli-chen Ebene angesiedelt sind.

Die Überlegungen zur Erfüllung von Basisbedürfnissen eines Kindes, deren komplexen Zusammenhängen und Auswirkungen auf dessen Entwicklung, sind von Bedeutung, wenn es darum geht, aufzuzeigen, welche Anforderun-gen an die Übernahme von elterlicher Verantwortung gestellt sind. Maslow vermutet, dass der Grad an Befriedigung der Grundbedürfnisse positiv mit dem Grad psychologischer Gesundheit korreliert. Er nimmt an, dass sich die menschliche Entwicklung an den Stufen der Bedürfnishierarchie orientiert.

Eltern spielen nach Maslow eine bedeutsame Rolle in der Entwicklung des

füllen. Die physiologischen Bedürfnisse, die Sicherheitsbedürfnisse und die Bedürfnisse nach Liebe spielen in den ersten Lebensjahren eine besondere Rolle. Die Erfüllung der grundlegenden Bedürfnisse in der frühen Kindheit ist u. a. auch die Basis für Frustrationstoleranz in späteren Jahren (vgl. ebd., S. 65).

„Das Kind scheint nach einer voraussagbaren, geregelten, ordentlichen Welt zu verlangen. Ungerechtigkeit, Unehrlichkeit oder Inkonsistenz bei den Eltern scheint das Kind ängstlich und unsicher zu machen. Diese Haltung ergibt sich nicht so sehr wegen der Ungerechtigkeit an sich..., sondern weil eine solche Behandlung die Welt unzuverlässig, unsicher oder unvorhersehbar erscheinen lässt. ...Die zentrale Rolle der Eltern und der normalen Familienstruktur ist nicht zu bestreiten.“ (ebd., S. 67) Diese Annahme Maslows ist anschlussfähig an Bowlbys Aussagen über eine

„sichere Bindung“ (Bowlby, 1991, S. 63 f), welche die Basis für die Fähig-keit des Kindes zur Welterkundung darstellt. Es ergeben sich auch Anschlüs-se an das Konzept des Kohärenzgefühls von Antonovsky, in dem er das Ver-trauen in die Strukturiertheit, Vorhersehbarkeit und Erklärbarkeit der Stimu-li, die sich im Verlauf des Lebens aus der inneren und äußeren Umgebung ergeben, als gesundheitsfördernd erklärt (vgl. Antonovsky; 1997, S. 36)7. Hier wird m. E. deutlich, dass Elternbildung u. a. als „modernisierende Wis-sensvermittlung“ sinnvoll und notwendig ist (vgl. Liebenow, 2006).

3.1.1.2 Der Wille zum Sinn bei Frankl

Frankl hat in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts ein

motivationstheore-7Vgl. Kap. 3.2.4.1, Fußnote 19

tisches Konzept eines „Willens zum Sinn“ und die Logotherapie entwickelt (Frankl, 2002, 2005 a, 2005 b). Im Kontext der menschlichen Basisbedürf-nisse sind seine Grundannahmen m. E. relevant, da er annimmt, dass die Selbsttranszendenz menschlicher Existenz ein fundamental anthropologi-sches Phänomen sei.

Er führt den Glauben an einen Sinn als transzendentale Kategorie ein, die den Menschen im Handeln leitet (vgl. Frankl, 2005 a, S. 66 ff). Laut Frankl ist der Mensch ein Wesen, das letztlich und eigentlich immer auf der Suche nach dem Sinn ist. Er ist hingeordnet auf etwas, das nicht er selbst ist, auf einen Sinn, den er erfüllen kann oder ein menschliches Sein, dem er begeg-net.

„Menschsein weist immer schon über sich selbst hinaus, und die Trans-zendenz ihrer selbst ist die Essenz menschlicher Existenz.“ (Frankl, 2002, S. 100)

Frankl hat sich sein Forscherleben hindurch der Existenzanalyse und der Frage nach dem Sinn menschlicher Existenz gewidmet. Die Frage nach dem Sinn des Lebens bezeichnet er als eine eigentlich menschliche Frage. Er dif-ferenziert den Begriff „Sinn“ und führt die Kategorie „Übersinn“ ein, um jenen Aspekt des Begriffs „Sinn“ auszuschließen, welcher dem „Reservat des Glaubens“ zugeordnet ist (vgl. ebd., S. 72). Mit der Kategorie „Über-sinn“ meint er den fraglichen Sinn alles Geschehens wie den fraglichen Zweck bzw. das Ziel der Welt im Ganzen oder die Frage nach dem Sinn des Schicksals. Nach Frankl ist die Zweckkategorie transzendent, da der Zweck außerhalb dessen liegt, das ihn „hat“. Er schlägt deshalb vor, den Sinn des Weltganzen als so genannten Grenzbegriff, als „Über-Sinn“ zu fassen. Wor-um es ihm geht, ist die Frage nach dem Sinn des Einzelnen, seines

persönli-an den Menschen stellt. Auf diese Fragen kpersönli-ann der Mensch mit seiner Exis-tenz, mit seinem gelebten Leben, antworten. Nach Frankl bemüht sich die Logotherapie um „Bewusstmachen von Geistigem“ (Frankl, 2005 a, S. 66) Im Rahmen der Existenzanalyse wird versucht, dem Menschen das Verant-wortlichsein „als Wesensgrund der menschlichen Existenz“ (ebd., S. 66) bewusst zu machen.

Zentrale These seines Ansatzes ist es, dass der Mensch als Basisbedürfnis einen Willen zum Sinn hat. Frankl beschreibt, dass der Mensch letzten Endes nicht das Glück, sondern einen Grund zum Glücklichsein sucht. Das Glück und die Erfüllung sind somit die Nebenwirkung der Sinnerfüllung. Sinn wird nicht gegeben, sondern er muss gefunden werden. Als „Sinn-Organ“ (Frankl, 2002, S. 156) nennt Frankl das Gewissen als die Fähigkeit, den Sinn in jeder Situation aufzuspüren. Dieses kann den Menschen jedoch auch irreführen.

„Mag das Gewissen auch noch so sehr den Menschen im Ungewissen lassen über die Frage, ob er den Sinn seines Lebens erfaßt und ergriffen hat – solche „Ungewißheit“ enthebt ihn nicht des „Wagnisses“, seinem Gewissen zu gehorchen oder zunächst einmal auf diese Stimme zu hor-chen.“ (Frank, 2002, S. 156)

Frankl weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein Erziehungsziel darin besteht, das Gewissen zu verfeinern und zu Verantwortung zu erziehen (vgl. ebd., S.156 f).

Die Person hat den Sinn zu erfassen, zu ergreifen, wahrzunehmen und wahr zu machen, also zu verwirklichen. Dieser erfüllt sich in der Hingabe an ein Werk, dem man sich widmet, an einen Menschen, den man liebt oder durch

Hingabe an das eigene Schicksal (vgl. Frankl 2002, S. 27).8

Hier differenziert er drei Wertekategorien (vgl. Frankl, 2005 b, S. 27 f): Zu-nächst gibt es den „schöpferischen Wert“, der sich durch ein Schaffen, durch die Hingabe an eine Sache bzw. an eine Aufgabe, verwirklichen lässt. Ein zweiter Wert ist der „Erlebniswert“, der durch das Aufnehmen der Welt, z.

B. in der Hingabe an die Schönheit von Natur oder Kunst, realisiert wird.

Die dritte Kategorie nennt er „Einstellungswert“. Dieser wird verwirklicht durch die Hingabe an sein Schicksal. Es geht um Haltungen wie Tapferkeit im Leiden und Würde auch in schwierigen Lebenssituationen.

Sinn ist nach Frankl etwas Objektives.

„Was ich den Willen zum Sinn nenne, läuft anscheinend auf ein Gestalterfassen hinaus.“ (Frankl, 2005 b, S. 24)

Diese Objektivität schließt jedoch die Subjektivität und die Relativität von Sinn nicht aus. Vielmehr definiert er Sinn insofern als subjektiv, als es nicht für alle Menschen ein und denselben Sinn gibt, sondern für jeden einen an-deren. Relativ ist Sinn insofern, dass er in Relation zu einer Person und zur Situation, in der diese sich befindet, steht.

Er formuliert als grundsätzliches Argument, dass Verantwortung ein Wesensgrund menschlicher Existenz ist, und zwar Verantwortung gegenüber dem Sinn des jeweils individuellen Lebens. Verantwortung definiert er als

„dasjenige, wozu man „gezogen“ wird, und – dem man sich „entzieht“.

...es ist etwas Furchtbaresum die Verantwortung des Menschen – doch

8Vgl. Ritter, Susanne (2008, online): Grundzug der Logotherapie und Existenzanalyse in:

http://www.exisem.de/Grundzug_L_E.html

zugleich etwas Herrliches! Furchtbarist es: zu wissen, daß ich in jedem Augenblick die Verantwortung trage für den nächsten; daß jede Ent-scheidung, die kleinste wie die größte, eine Entscheidung ist „für alle E-wigkeit“; daß ich in jedem Augenblick eine Möglichkeit, die Möglichkeit eben des einen Augenblicks, verwirkliche oder verwirke. ... Doch herr-lichist es: zu wissen, daß die Zukunft, meine eigene und mit ihr die Zu-kunft der Dinge, der Menschen um mich, irgendwie – wenn auch in noch so geringem Maße – abhängig ist von meiner Entscheidung in jedem Au-genblick. Was ich durch sie verwirkliche, was ich durch sie „in die Welt schaffe“, das rette ich in die Wirklichkeit hinein und bewahre es so vor der Vergänglichkeit.“ (Frankl, 2005 a, S. 77 f)

Er widerspricht Maslow, der den Willen zum Sinn im höchsten Bedürfnis

„Selbstverwirklichung“ integriert hat insofern, als er der Ansicht ist, dass der Wille zum Sinn in keiner Bedürfnishierarchie auftaucht Vielmehr ist laut Frankl der Wille zum Sinn „eine Motivation sui generis“, welche weder auf andere Bedürfnisse zurückzuführen ist, noch sich von ihnen herleiten lässt (vgl. Frankl, 2002, S. 146 f).

Mit seinen Überlegungen zum Aspekt der Begegnung schließt Frankl an Bu-ber an. Er differenziert BuBu-bers Charakterisierung von „Dialog“, indem er die These aufstellt, dass ein echter Dialog nur zustande kommt, wenn „die Di-mension des Logos betreten wird“.

Er zieht als Beispiel die Sprachtheorie von Bühler mit dessen Unterschei-dung einer dreifachen Sprachfunktion heran: Ausdrucksfunktion (hinsicht-lich des Sprechenden), Appellfunktion (hinsicht(hinsicht-lich des Angesprochenen) und Darstellungsfunktion (hinsichtlich der jeweils besprochenen Tatsachen und Sachverhalte) (vgl. Frankl, 2002, S. 35). Die Dimension der Darstel-lungsfunktion hat auch in der menschlichen Begegnung laut Frankl eine

gro-ße Bedeutung.

„Wir meinen die Dimension, in die, Brentano und Husserl zufolge, die

„geistigen Akte“ bis zu ihren „intentionalen Gegenständen“ vorstoßen.

(Frankl, 2002, S. 35)

Der Gesamtbereich der intentionalen Gegenstände ist identisch mit der Welt.

Menschliches Dasein im Sinne von „in der Welt sein“ wird von der Welt umfasst.

Diese Struktur menschlichen Daseins wird von Frankl als Begründung dafür angegeben, dass der Mensch sich transzendiert, über sich selbst hinaus greift nach etwas,

„das nicht wieder er selbst ist, nämlich entweder nach einem Sinn, den zu erfüllen es gilt, oder nach einem anderen menschlichen Sein, dem zu be-gegnen und das zu lieben es gilt. Mit anderen Worten, der Mensch trans-zendiert sich selbst in die Welt hinein, auf den Sinn hin, auf den Logos hin.“ (ebd., S. 35 f)

Im Kontext der Frage nach kindlichen Basisbedürfnissen und deren Erfül-lung als Voraussetzung für seine EntwickErfül-lung kann Frankls Ansatz hilfreich sein, um die Komplexität kindlicher Persönlichkeitsentwicklung aufzuzei-gen. Es wird deutlich, dass die Übernahme von elterlicher Verantwortung die Herausforderung bedeutet, dieser Komplexität gerecht zu werden. In Ka-pitel 4.1.3 wird begründet, dass metaphysische Aspekte von Menschsein in ein erweitertes Modell von Entwicklung einbezogen werden sollten. Es ist m. E. von Bedeutung, dass Eltern Bewusstsein von anthropologisch begrün-deten kindlichen Basisbedürfnissen entwickeln. Hier kann Elternbildung ei-nen Beitrag leisten.

3.1.1.3 Autonomie und Verbundenheit

Der Mensch ist eine Einheit von Individualität und sozialem Wesen. Inner-halb des Spannungsfeldes dieser beiden Pole vollzieht sich der menschliche Lebenslauf. Es gibt zahlreiche Erklärungsversuche für das Motiv bzw. den Antrieb menschlicher Entwicklung und menschlichen Handelns. Philosophi-sche Wurzeln findet man im Bild der beiden Energieformen „Liebe und Streit“, die Empedokles zur Erklärung für das Phänomen „Veränderung“

heranzieht (in Röd, in Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Hrsg., 1998 a, S. 117). Diese Grundmotive findet man in der neue-ren Psychologie in unterschiedlicher Definition. Der Wissenschaftliche Bei-rat definiert die zwei Motive als „Autonomie und Verbundenheit“ (vgl. ebd., S. 118). Er führt aus, dass diese Grundthemen eine motivationale Basis ha-ben, eng mit Emotionen verknüpft sind, von entsprechenden Überzeugungen getragen sind und sich in konkreten Handlungen äußern. Sie werden als zwei Themen angesehen, die sich als Basisbedürfnisse in jeweils unterschiedlicher Ausprägung durch den Lebenslauf eines jeden Menschen ziehen. Man findet heute häufig in Darstellungen, Ansätzen und Programmen, die sich mit menschlicher Entwicklung befassen, die Begriffe „Autonomie“ und „Ver-bundenheit“ finden. Sie können als menschliche Grundbedürfnisse aufge-fasst werden. Gleichzeitig ergeben sich daraus die Bedingungen für gelin-gende Kindheit. Wir können davon ausgehen, dass Kinder sich Fähigkeiten aneignen wollen und müssen, die sie zur eigenständigen, selbstverantwortli-chen Teilhabe am gesellschaftliselbstverantwortli-chen Leben brauselbstverantwortli-chen.

Buber hat in seinen Ausführungen über das dialogische Prinzip die Dialektik von „Ich“ und „Du“ beschrieben:

„Es ist eben nicht so, daß das Kind erst einen Gegenstand wahrnähme, dann etwa sich dazu in Beziehung setzte; sondern das Beziehungsstreben

ist das erste, die aufgewölbte Hand, in die sich das Gegenüber schmiegt;

die Beziehung zu diesem, eine wortlose Vorstalt des Dusagens, das zwei-te; das Dingwerden aber ein spätes Produkt, aus der Zerschneidung der Urerlebnisse, der Trennung der verbundnen Partner hervorgegangen – wie das Ichwerden. Im Anfang ist die Beziehung: als Kategorie des We-sens, als Bereitschaft, fassende Form, Seelenmodel; das Apriori der Be-ziehung; das eingeborene Du.“ (Buber, 1995, S. 27)

Anfänglich ist der „Kontakttrieb“ - nur als Bedürfnis zu berühren - zu beo-bachten. Bald kommt der „Urhebertrieb“ als Bedürfnis, Dinge synthetisch oder, falls dies nicht gelingt, analytisch durch Zerreißen und Zerlegen herzu-stellen) hinzu. Beide sind dadurch bestimmt, dass das „eingeborene Du“, die Gegenseitigkeit, sich auswirkt (vgl. Buber, 1995, S. 28). Das Kind tritt in Beziehung mit der Welt und eignet sie sich dadurch an.

„Die Entwicklung der Seele im Kinde hängt unauflösbar zusammen mit der des Verlangens nach dem Du, den Erfüllungen und Enttäuschungen dieses Verlangens, dem Spiel seiner Experimente und dem tragischen Ernst seiner Ratlosigkeit.“ (ebd., S. 28)

Liegle identifiziert das Grundbedürfnis „Verbundenheit“ in Bubers Ausfüh-rungen über das Angewiesensein des Kindes auf Beziehung und „Autono-mie“ in dessen Definition des „Urhebertriebs“.9Nach Liegle gehören das

9Liegle (1999, S, 206) wählt zwei Zitate von Buber:

„Das Kind, das halbgeschlossener Augen daliegend, mit ausgespannter Seele harrt, daß die Mutter es anspreche, - das Geheimnis seines Willens geht (…) darauf, im Angesicht der ein-samen Nacht, die hinterm Fenster sich breitet und einzudringen droht, die Verbundenheit zu erfahren.“ (Buber, 2005, S. 20 f)

„Der Mensch, das Menschenkind will Dinge machen. Das ist nicht bloße Schaulust an dem Entstehen einer Form aus einer eben noch formlos anmutenden Materie: wonach das Kind

Streben nach Verbundenheit und das Streben nach Autonomie „zur geneti-schen Ausstattung des Mengeneti-schen“. Sie sind gleichsam „Antriebskräfte der Entwicklung“ (vgl. Liegle, 1999, S. 207). Man kann davon ausgehen, dass die Befriedigung dieser Bedürfnisse existenziell ist. So ergibt sich daraus die Entwicklungsaufgabe. Das Kind braucht jedoch zur Ausbildung der entspre-chenden Qualität und Fähigkeit die entwicklungsfördernde Umwelt.

Die beiden Grundmotive im menschlichen Leben sind zugleich gegensätz-lich und dialektisch verknüpft. Die Bindungstheorie Bowlbys, die in Kapitel 3.1.4 dargestellt wird, bietet einen theoretischen Erklärungsversuch an, der m. E. der Komplexität der Individualität und Person-Entwicklung gerecht werden kann. Obwohl man annimmt, dass die Motive „Autonomie und Ver-bundenheit“ zum Zeitpunkt der Theoriebildung noch nicht formuliert waren, kann man in der Bindungstheorie die Entsprechungen für die beiden Grund-motive in den Kategorien „Bindung“ und „Exploration“ finden vgl. Kap.

3.1.4.4). Außerdem bietet die Theorie wertvolle Hinweise auf die Erzie-hungsaufgabe, die sich aus der Entwicklungsaufgabe ableiten lässt.