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Staatlicher Erwerb

Im Dokument Climate Change (Seite 151-154)

5.4 Instrumente zur Förderung der Nutzung von CERs und ERUs in Deutschland

5.4.4 Staatlicher Erwerb

Während wir in den vorangegangenen Abschnitten Instrumente diskutiert haben, die möglicherweise zur Überwindung der Hemmnisse für eine umfangreichere Nutzung der projektbezogenen Mechanismen durch private Akteure oder Firmen, die unter das EU ETS fallen, hilfreich sind, betrachten wir in diesem Abschnitt die Frage, ob die deut-sche Regierung ihre inländideut-schen Politiken zur Reduktion von Treibhausgasemissionen durch eine Strategie zur Nutzung der projektbezogenen Kyoto-Mechanismen ergänzen soll.

Hierfür ist es hilfreich, die potenziellen Ziele des staatlichen Erwerbs, wie sie in Abschnitt 5.2 präsentiert wurden, in Erinnerung zu rufen:

1. Reduktion der Kosten;

2. Strategische Reserve für zukünftige Verpflichtungsperioden;

3. Reserve für die Deckung von konjunkturzyklus- oder temperaturbedingten Unsicher-heiten;

4. Förderung von speziellen Technologien oder Projektkategorien;

5. Erfahrungsaufbau über Lernen durch Handeln.

Diese Ziele des staatlichen Erwerbs sind nicht unbedingt Alternativen. Einige von ihnen können gleichzeitig erreicht werden, während andere Optionen nur alternativ gewählt werden können:

1. Reduktion der Kosten: Die Kostenreduzierung kann ein Ziel für die Investition in flexible Kyoto-Mechanismen sein. Dennoch sollte die ökonomische Attraktivität nicht das einzige Kriterium sein, besonders da die meisten Experten erwarten, dass viele Projekte nicht wirklich zusätzlich sind (Abbildung 39). Da die ausgiebige Nut-zung der flexiblen Kyoto-Mechanismen in Deutschland auch den notwendigen struk-turellen Wandel hin zu einer CO2-armen Wirtschaft verhindert (Abschnitt 5.2), sollten die kurzfristig erreichbaren ökonomischen Vorteile nicht das einzige und das Haupt-argument sein. Wenn die flexiblen Kyoto-Einheiten allerdings erworben werden, um andere Ziele zu erreichen, werden sie höchstwahrscheinlich gleichzeitig dazu beitra-gen die Vermeidungskosten kurz- bis mittelfristig zu reduzieren (Abschnitt 3.7).

2. Strategische Reserve für zukünftige Verpflichtungsperioden: Die Erwartung, dass die Kohlenstoffpreise zukünftig beträchtlich ansteigen werden, kann als Begründung für den Aufbau einer strategischen Reserve herangezogen werden. Beachtet man die weithin akzeptierte Notwendigkeit, dass die Treibhausgasemissionen erheblich redu-ziert werden müssen, so scheint diese Erwartung nicht gewagt. Sollten die Mitglieder des Kyoto-Protokolls allerdings keine Übereinkunft zur Fortsetzung von Kyoto oder eines ähnlichen Regimes finden, so würden die Kohlenstoffpreise einbrechen. Die In-vestition in eine strategische Reserve für flexible Kyoto-Mechanismen könnte daher als eine ernsthafte Intention betrachtet werden mit Kyoto oder einem ähnlichen

Re-gime fortzufahren. Dennoch kann eine Reserve nur als strategisch angesehen werden, wenn sie einen beträchtlichen Anteil des zukünftigen Reduktionszieles deckt.

Deutschland hat zugesagt seine Emissionen bis 2020 um mehr als 30 % im Vergleich zu 1990 zu reduzieren, wenn die EU insgesamt ebenfalls zustimmt um 30 % zu redu-zieren (CDU/CSU/SPD 2005, S. 54). In diesem Fall muss Deutschland zwischen 2017 und 2022 seine THG Emissionen um mindestens 370 Mt CO2e gegenüber 1990 reduzieren. Unter der Annahme, dass eine strategische Reserve 20 % dieses Redukti-onsziels decken würde, und vorausgesetzt, der Preis einer Kyoto-Einheit wäre € 10, wären € 3,7 Mrd. notwendig um diese Einheiten heute zu erwerben. Die ökonomi-schen Vorteile einer strategiökonomi-schen Reserve würden enorm sein: geht man davon aus, dass der Kohlenstoffpreis im Jahr 2020 auf 40 €/t CO2e steigen wird und setzt man einen Diskontierungszinssatz von 6 % voraus, würden die Kosten für die Erfüllung des Ziels allein durch eine frühe Investition in die flexiblen Mechanismen halbiert werden.

Zieht man allerdings in Betracht, dass Deutschland die EU Maastricht Kriterien meh-rere Jahren nicht erfüllen konnte, scheint eine Investition in strategische Kyoto-Reserven wenig wahrscheinlich.

3. Reserve für die Deckung von konjunkturzyklus- oder temperaturbedingten Unsi-cherheiten: Die Kyoto-Ziele sind absolute Ziele. Um sie zu erfüllen müssen die Län-der das Ziel erreichen oLän-der es unterschreiten. Allerdings können ein unerwarteter Aufschwung oder eine Reihe von kalten Jahren zu höheren Emissionen als erwartet führen. Der Temperatureffekt allein kann die gesamten CO2-Emissionen in einer 5 Jahres Periode um bis zu 0.8 %, oder 37 Mt CO2e57 erhöhen. Werden die Unsicherhei-ten des Konjunkturzyklus auch einbezogen, würde eine Reserve von 1 oder 2 % des Reduktionsziels gerechtfertigt sein. Bei einem mittelfristigen Reduktionsziel von -40 % würde das einer Reserve von 25 bis 50 Mio. Kyoto-Einheiten zur Abdeckung der Unsicherheiten einer Fünfjahresperiode entsprechen. Für den Ankauf dieser Ein-heiten würden bis zu € 500 Mio. aus dem staatlichen Budget benötigt werden. Da diese Reserve allerdings über mehrere Jahre aufgebaut werden kann, ist es nicht not-wenig diese Finanzmittel in einem Haushaltsjahr zur Verfügung zu stellen. Ein Risiko bei dieser Reserve bleibt: sie könnte als regulärer Beitrag für die Erfüllung des Treib-hausgasminderungsziels verstanden werden. In diesem Fall würde die Reserve nicht mehr als Reserve dienen. Es würde außerdem bedeuten das Ziel aufzugeben, die Vermeidungsziele allein durch inländische Maßnahmen zu erreichen.

4. Förderung von speziellen Technologien oder Projektkategorien: Der staatliche Er-werb von projektbezogenen Kyoto-Einheiten könnte spezielle Projekttypen oder Ka-tegorien ausschließen und andere fördern. Auf diese Weise könnte die deutsche Re-gierung die Verbreitung von Projekten hemmen, die als nicht zusätzlich oder nachhal-tig betrachtet werden, oder die Verbreitung von Projekten fördern, die sich allein durch Marktmechanismen nicht entwickeln könnten (Verkehr, Endverbraucher Ener-gieeffizienz etc.). Das würde allerdings zu vergleichsweise höheren

Vermeidungskos-57 Die Schätzungen basieren auf den mittleren Abweichungen der Temperatur und den aktuellen CO2 -Emissionen (Ziesing 2006, eigene Schätzungen).

ten führen, was an sich nicht problematisch wäre, aber dennoch beachtet werden soll-te. Diese Strategie könnte auch angewandt werden, um Projekttypen zu fördern, in denen deutsche Firmen bisher sehr erfolgreich waren, um auf diese Weise den Export von deutschen Technologien zu unterstützen. Das wiederum könnte – als doppelte Dividende – die Beschäftigung in Deutschland erhöhen. Allerdings ist es fraglich, ob diese Auswirkungen überhaupt wahrnehmbar sind. Durch die Europäischen Wettbe-werbs-Regeln könnten die Ausschreibungen für Projekte oder Kyoto-Einheiten nicht nur auf deutsche Firmen beschränkt werden, sondern müssten für alle Firmen offen sein. Dementsprechend lässt sich nicht garantieren, dass die deutschen Firmen die Hauptprofiteure dieser Akquisition sein werden. Eine frühe Analyse des niederländi-schen EruPT-Programms (Dutch Emissions Reduction Procurement Tender - EruPT) hat gezeigt, dass niederländische Firmen in der ersten Angebots-Runde am meisten profitierten, hauptsächlich durch ihre besseren Kenntnisse über den Hintergrund und die politischen Strukturen der Niederlande. Die Beteiligung ausländischer Firmen war jedoch in der zweiten Runde viel höher (Cames et al. 2004, S. 148f). Looijenstein (2002) geht trotzdem davon aus, dass niederländische Firmen von den Ausschreibun-gen (wenigstens indirekt) durch einen steiAusschreibun-genden Bedarf an niederländischen Ver-meidungstechnologien profitierten.

5. Erfahrungsaufbau über Lernen durch Handeln: Viele Mitglieder des Protokolls haben bereits Akquisitionsprogramme für projektbezogene flexible Kyoto-Einheiten aufgebaut (Tabelle 18). Dadurch ist es ihnen möglich, Erfahrungen auf die-sem Gebiet zu sammeln, die Stärken und Schwächen dieser Instrumente zu identifi-zieren und zu einer Verbesserung des Designs und des Managements beizutragen.

Deutschland kann zu dieser Debatte nur auf der theoretischen Ebene etwas beitragen.

Deutschland müsste ein solches Akquisitionsprogramm ganz neu entwickeln, falls die deutsche Regierung von der Politik Abstand nimmt, die Vermeidungsziele allein durch inländische Maßnahmen zu erreichen.

Zieht man die unterschiedlichen Für und Wider der verschiedenen Motive des staatlichen Erwerbs von projektbezogenen Kyoto-Einheiten in Betracht, so kann die strategische Reserve wenigstens mittelfristig von weiteren Überlegungen ausgeschlossen werden.

Zudem wird hier angenommen, dass die deutsche Regierung zu ihrer Verpflichtung steht, das Kyoto- und Lastenausgleichsziel ausschließlich durch inländische Maßnahmen zu erreichen.58 Eine kleine Reserve zur Deckung der Temperatur- und konjunkturzyklusbe-dingten Unsicherheiten scheint sinnvoll und mit der deutschen Verpflichtung vereinbar, alle Treibhausgasemissionsreduktionen mittels inländischer Maßnahmen zu erreichen.

Eine Reserve von 25 bis 50 Mt CO2e sollte ausreichen, um die Unsicherheiten einer Fünfjahresperiode abzudecken. Bei einem Preis von € 10 pro CER oder ERU würde der Aufbau einer Reserve zwischen 2008 und 2017 finanzielle Ressourcen von € 25 bis 50 Mio. pro Jahr erfordern. Das sind natürlich keine „Peanuts“, aber es sollte möglich sein diesen Betrag aus dem staatlichen Budget zu finanzieren, auch wenn die Finanzmittel eher knapp sind. Gleichzeitig kann diese Unsicherheitsreserve genutzt werden, um

be-58 Das deutsche Klimaschutzprogramm (BMU 2000) schließt die Nutzung der flexiblen Kyoto-Mechanismen nicht explizit aus. Allerdings nennt es nur inländische Maßnahmen um das Ziel zu er-reichen (BMU 2000, S. 9-12).

stimmte Technologien und Projektkategorien zu fördern. Weiterhin würde sie definitiv die Kenntnisse über die flexiblen Kyoto-Mechanismen in Deutschland erhöhen und wür-de helfen die Strukturen zu stärken, die für die Nutzung dieser Instrumente in Deutsch-land notwendig sind.

Im Dokument Climate Change (Seite 151-154)