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Ökonomische Aspekte

Im Dokument Climate Change (Seite 136-139)

5.3 Vor- und Nachteile des staatlichen Erwerbs von CERs und ERUs

5.3.1 Ökonomische Aspekte

Der staatliche Erwerb von CERs und ERUs könnte möglicherweise die Kosten für die Erfüllung des Kyoto-Protokolls reduzieren. Nach der umweltökonomischen Theorie ist die Nutzung von CERs und ERUs effizient, solange die Preise für CERs und ERUs nied-riger als die Vermeidungskosten für weitere nationale Politiken und Maßnahmen sind.

Demnach hängen die Vorteile des Erwerbs von CERs und ERUs entscheidend von den marginalen Vermeidungskosten eines Landes ab. Allerdings sind sowohl die marginalen Vermeidungskosten der nationalen Politiken und Maßnahmen als auch die zukünftigen Preise für CERs und ERUs ungewiss. Die vorhandenen Analysen von Vermeidungskos-ten und den zukünftigen Preisen der Emissionszertifikate verwenden unterschiedliche methodische Ansätze und treffen unterschiedliche Grundannahmen. Dementsprechend sind die Ergebnisse sehr verschieden und sollten bei der Diskussion um potenzielle Kos-tenreduktionen durch die Nutzung der flexiblen Mechanismen mit Vorsicht bewertet werden.

Vermeidungskosten von nationalen Politiken und Maßnahmen

Einige Länder haben Politiken und Maßnahmen mit sehr geringen oder gar negativen Vermeidungskosten identifiziert. Dies sind zum Teil Vermeidungsmaßnahmen die schwer in Top-Down Modellen zu präsentieren sind, da z. B. der Stromsektor in den meisten Modellen nur durch eine einzelne Produktionsfunktion berücksichtigt wird.

Markewitz und Ziesing (2004) schätzten zum Beispiel, dass im Jahr 2030 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen von 1990 um 40 % mit Vermeidungskosten von etwa 5 €/t CO2e erreicht werden könnte. Die Vermeidungsmaßnahmen würden hauptsächlich den Stromsektor betreffen und die Reduktion des Stromverbrauchs durch Energieeffizienz-maßnahmen, den Wechsel von Kohle zu Gas in der Stromerzeugung und eine Steigerung der Windenergienutzung einschließen. Eine weitere Reduktion bis zu 50 % des Emissi-onsniveaus von 1990 würde die Vermeidungskosten beträchtlich erhöhen (auf etwa 35

€/t CO2e), da mehr kostenintensivere Maßnahmen umgesetzt werden müssten.

Viele Vermeidungsmaßnahmen haben zwar geringe oder auch negative Vermeidungskos-ten, aber ihre Umsetzung wird oft durch zum Teil nicht-ökonomische Hemmnisse ver-hindert (Abschnitt 5.2). Diese Maßnahmen sind oft schwer zu identifizieren ohne spezifi-sche Sektordaten, wie sie z. B. von Markewitz und Ziesing (2004) genutzt wurden. Aus diesem Grund müssen die Ergebnisse der makro-ökonomischen Modelle in Bezug auf die ökonomischen Vorteile der Nutzung der projektbezogenen Mechanismen mit Vorsicht betrachtet werden.

Für die industrialisierten Länder sind die ökonomischen Konsequenzen aus der Nutzung des CDM komplex. Aus der Perspektive der Kosteneffizienz würde eine umfassende Nutzung des CDM zurzeit relativ günstige Vermeidungsoptionen in den Entwicklungs-ländern (welche keine verbindlichen Reduktionsziele haben) erschließen. Dadurch wür-den nationale Vermeidungsoptionen mit relativ geringen marginalen Vermeidungskosten jetzt noch nicht ausgeschöpft werden und könnten in Zukunft zur Verfügung stehen.

Sobald jedoch die Verfügbarkeit kostengünstiger Vermeidungsoptionen in den Entwick-lungsländern (und anderen industrialisierten Länder) abnimmt – z. B. durch eigene Emis-sionsreduktionsverpflichtungen – werden nationale Vermeidungsoptionen eine wichtigere Rolle in den Vermeidungsportfolios der Industrieländer spielen. Strukturell würde die Deckung eines Großteils der Emissionsreduktion durch den Import von CERs zu gerin-geren nationalen Investitionen in Energieeffizienz führen und den Wechsel zu weniger CO2-intensiven Brennstoffen verhindern. Damit würden die nationalen Emissionen lang-fristig höher sein und der – notwendige – struktureller Wandel hin zu einer energieeffi-zienten Wirtschaft wäre verlangsamt. In diesem Falle könnten umfassende nationale E-missionsreduktionen mit sehr hohen Vermeidungskosten verbunden sein, wenn sie kurz-fristig umgesetzt werden müssen. Entsprechend führt die Deckung eines Großteils der Emissionsreduktionsverpflichtung durch nationale Investitionen zukünftig zu geringeren Emissionen und fördert einen strukturellen Wandel hin zu einer energieeffizienten Wirt-schaft.

Zeitlich begrenzte Gelegenheiten für Emissionsminderungen und fehlgeleitete Investiti-onen

Neben der ökonomischen Effizienz und den möglichen Kostenreduktionen sollten noch weitere ökonomische Aspekte bei der Bewertung der Nutzung der flexiblen Mechanis-men betrachtet werden. Potenzielle Investitionen in Technologien, die sich später als nicht ökonomisch sinnvoll erweisen, sind aufgrund von Investmentzyklen und Unsicher-heiten über die zukünftige Klimapolitik ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang.

In vielen Sektoren, die besonders in Hinblick auf die langfristige Vermeidung von Treib-hausgasemissionen wichtig sind, legen die heutigen Investitionsentscheidungen die zu-künftigen Treibhausgasemissionen und Vermeidungskosten langfristig fest. Oft gibt es nur einen begrenzten Zeitrahmen für langfristige strukturelle Änderungen in der Wirt-schaft, da die Kosten für solche strukturellen Änderungen in der Zukunft steigen könn-ten. Zudem besteht eine große Unsicherheit über die Weiterentwicklung des internationa-len Klimaregimes. Unterschiedliche Erwartungen an das zukünftige Klimaregime könnten zu Fehlentscheidungen bei den heutigen Investitionen führen.

In Deutschland müssen im Stromsektor etwa 30 bis 45 % der installierten Kapazität bis 2025 ersetzt werden (Enquete-Kommission 2002, S. 235f). Deutschlands zukünftige

Treibhausgasemissionen bis 2050 und darüber hinaus werden wesentlich davon abhän-gen, welche Technologien für neu geplante Kraftwerke in den nächsten 10 Jahren einge-setzt werden. In diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig, ob neue Braun- und Stein-kohlekraftwerke oder Erdgaskraftwerke beim Ersatz von Kraftwerkskapazitäten domi-nieren. Die meisten langfristigen Vermeidungsszenarien identifizieren erdgasbefeuerte Gas- und Dampfkraftwerke und die Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) als Vermeidungsmaßnahmen mit relativ geringen Vermeidungskosten und beträchtlichem Potenzial. Eine erhebliche Investition in neue Braun- und Steinkohlekraftwerke könnte zukünftige Bemühungen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen erheblich er-schweren, da diese Kraftwerke weit über 2050 hinaus eingesetzt werden könnten. Bei den langfristig angestrebten Treibhausgasreduktionen von 60 bis 80 % könnte der Bau neuer Braunkohlekraftwerke sich langfristig als eine Fehlinvestition erweisen, da die ak-tuellen Regelungen zur Zuweisung von Zertifikaten und die Preiserwartungen für Zertifi-kate nicht diese zukünftigen Reduktionsverpflichtungen reflektieren. In diesem Fall müss-ten Kraftwerke vor dem Ende ihrer technischen Lebensdauer die Stromerzeugung ein-stellen, was mit hohen Kosten verbunden wäre. Der Hauptgrund für solche potenziellen Fehlinvestitionen im Stromsektor ist die Unsicherheit in Bezug auf die zukünftigen Zerti-fikatspreise im ETS.

Der Stromsektor fällt unter das europäische Emissionshandelssystem und der staatliche Erwerb von CERs und ERUs beeinflusst nicht direkt die Entscheidungen der Investoren.

Würde allerdings der staatliche Erwerb von CERs und ERUs genutzt werden, um die zugeteilte Menge an Zertifikaten in den Nationalen Allokationsplänen zu erhöhen, könnte das zu Preissignalen führen die nicht mit den langfristig ins Auge gefassten Reduktions-verpflichtungen übereinstimmen und würde somit ebenfalls Fehlinvestitionen begünsti-gen.

Ähnliche Erwägungen treffen auch auf andere Sektoren der Wirtschaft zu. Im Immobi-liensektor werden neue Gebäude für Jahrzehnte genutzt. Während die Kosten für eine bessere Energieeffizienz beim Bau von neuen Gebäuden vergleichsweise gering sind, sind sie bei Investitionen an bestehenden Gebäuden viel höher. Ähnlich wie im Stromsektor gibt es hier ein Gelegenheitsfenster (window of opportunity) zur kosteneffizienten Ver-meidung von Emissionen an einem bestimmten Zeitpunkt – dem Bau eines neuen Gebäu-des – was in ökonomischen Modellen oft nicht reflektiert wird. Deshalb kann es aus kurzfristiger Perspektive kosteneffizienter erscheinen, CERs und ERUs zu erwerben an-statt ein bestehendes oder neues Programm mit finanziellen Anreizen für effizientere Ge-bäude aufzulegen. Aus einer längerfristigen Perspektive führt der Erwerb von CERs und ERUs jedoch zu Fehlinvestitionen (nämlich ineffizienten Gebäuden) mit zukünftig deut-lich höheren Kosten für die Renovierung bestehender Gebäude oder Abriß und Neubau, welche die heute gesparten Kosten durch die Nutzung von CERs und ERUs übertreffen könnten.

Fahrzeuge haben eine geringere Lebensdauer als Kraftwerke oder Gebäude. Trotzdem wird die Effizienz der heute verkauften Fahrzeuge die Treibhausgasemissionen für die nachfolgenden zwei Jahrzehnte beeinflussen, da die Effizienz der bestehenden Fahrzeug-flotte kaum verbessert werden kann.

Die hier genannten langfristigen Implikationen aus der Nutzung von CERs und ERUs sollten bei der Erwägung eines Erwerbs von CERs und ERUs berücksichtigt werden.

Angesichts der erforderlichen langfristigen globalen Emissionsreduktionen sollte sicher-gestellt werden, dass der langfristige strukturelle Wandel, der zukünftig signifikante E-missionsreduktionen ermöglicht, nicht zu Gunsten des Erwerbs von CERs und ERUs verzögert wird.

Auf der anderen Seite kann der CDM auf lange Sicht technologische Innovationen und strukturellen Wandel in Entwicklungsländern hervorrufen, wodurch diese Länder einen weniger CO2-intensiven Emissionspfad einschlagen können und möglicherweise gar nicht erst anfangen, ineffiziente und CO2-intensiver Technologien zu nutzen.

Allerdings wird bisher das CDM-Portfolio noch von Nicht-CO2-Vermeidungsoptionen bestimmt, welche keinen signifikanten Strukturwandel oder keine wesentlichen technolo-gischen Innovationen in den Entwicklungsländern hervorrufen (Kapitel 2). Sobald diese

„niedrig hängenden Früchte“ geerntet sind, könnte Strukturwandel durch projektbezoge-ne Mechanismen möglicherweise zur Realität werden.

Um Anreize für einen strukturellen Wandel und technologische Innovationen in Entwick-lungsländern zu schaffen, sollte der staatliche Erwerb von CERs entsprechende Projekt-typen, wie erneuerbare Energien oder energieeffiziente Technologien favorisieren.

Im Dokument Climate Change (Seite 136-139)