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Spezifika der Lernstufen

Im Dokument „Ich verstehe nur Chinesisch!“ (Seite 119-122)

5. Phonetikunterricht

5.2 Grundlegende Fragen zum Phonetikunterricht

5.3.2 Spezifika der Lernstufen

Die Beherrschung einer angemessenen Aussprache ist ein langer Prozess, der sich in der Regel über alle Lernstufen erstreckt. Fast alle Fremdsprachenlehrer haben sich darüber geeinigt, dass die Phonetik im Anfängerunterricht eine beson-ders wichtige Rolle spielt. Jedoch benötigen die Fortgeschrittenen gemäß der Er-gebnisse meiner Studie im Jahr 2011 (vgl. Liu, 2011) ebenso Schulungen in der Aussprache. Allerdings werden verschiedene Lernziele in unterschiedlichen Stu-fen bestimmt.

Anfänger:

Die phonetischen Fehler, die sich in der Anfangsphase gefestigt haben, können in späteren Arbeitsphasen nur mit großer Mühe wieder beseitigt werden. Aus die-sem Grund sollte großer Wert auf solide phonetische Grundlagen gelegt werden.

Zunächst müssen die Anfänger die fremde Aussprache annehmen, lernen und mit deren Schreibung vertraut werden. Jedoch ist das eine schwierige Aufgabe, denn

„es geht dabei nicht allein um Kenntnisvermittlung, sondern vor allem um die Entwicklung von Fertigkeiten, die mit Einwirkungen, ja womöglich mit Eingrif-fen in Habituelles verbunden sind“ (Dieling, 1996:51). Das bedeutet, dass die neuen Hör- und Sprechweisen ihnen nicht nur fremd sind, sondern womöglich

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stoßen sie z. T. auf innere Ablehnung. Auf diese Probleme müssen sich die Leh-renden einstellen und den Lernenden dabei helfen ihre psychischen Barrieren zu überwinden. Eine weitere Aufgabe in der Anfangsphase ist die Sensibilisierung phonetischer Fragen, da die meisten Anfänger ziemlich unwissend in Bezug auf Lautbildung und Intonation sind. Dieling (ebd.) empfiehlt in ihrer Arbeit mit ei-nigen Überlegungen zur Phonetik der Muttersprache zu beginnen. Erklärung zur Artikulationsbasis wie die Bewegung von Lippen, Zunge und Kiefer sind durch-aus hilfreich. Pilch (1987:98fff) schlug seinen Studenten vor, die phonetischen Fehler von Engländern und Amerikanern beim Deutschlernen zu beobachten und zu parodieren bevor sie Englisch lernen. Auf diese Weise kann eine phonetische Sensibilisierung erfolgen.

Die Reihenfolge der Einführung der Laute ist kaum von entscheidender Bedeu-tung, denn der Ausgangspunkt ist stets die suprasegmentale Einheit, die eine große Lautvielfalt enthält. Außerdem wird die Frage in der Regel durch den Lehr-buchautor, dessen Buch die Lehrenden verwenden, bereits beantwortet. Die Leh-renden sollten schnell herausfinden oder wissen welche Laute in welchen Positi-onen ihren Lernenden besondere Schwierigkeiten bereiten und welche Wörter, Sätze oder Texte besonders geübt werden müssen.

Darüber hinaus muss den Suprasegmentalia besonders Aufmerksamkeit ge-schenkt werden (vgl. 5.2.3). Anfänger dürfen z. B. langsamer sprechen, aber nicht falsch pausieren.

Mittelstufen: (vgl. Dieling 1996:53f)

Es geht auf der Mittelstufe vor allem darum das Gelernte zu festigen, anzuwen-den und auszubauen. Was man am Anfang mit Mühen erworben hat, gerät nicht selten in Vergessenheit. Es ist immer wieder zu beobachten, dass die Aussprache der Lernenden manchmal schlechter sein kann als zu Beginn des Lernprozesses.

Die Lehrenden tragen auch z. T. eine Mitschuld für die Vernachlässigung. Auf der Mittelstufe sollte Phonetik in den Unterricht integriert werden, d. h. sie wird gemeinsam mit den grammatischen, lexikalischen, orthographischen und kineti-schen Erscheinungen thematisiert. An der Aussprache sollte weiter sorgfältig ge-arbeitet und Fehler verbessert werden. Auch bei der Einführung neuer Vokabeln

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sollte man besonderen Wert auf Phonetik legen. Nur das Auswendiglernen des Artikels und der Pluralbildung eines Nomens ist nicht genügend. Wo der Akzent liegt, ob sich der Akzent bei der Pluralform ändert und ob die Vokale kurz oder lang sind, muss sich auch gemerkt werden. Ein neues Wort wird erst sicher be-herrscht, wenn es auch phonetisch korrekt abgespeichert ist. In der Mittelstufe sollten Übungsformen wie das laute Lesen und der Textvortrag nicht vernachläs-sigt werden. Es sollte nicht nur auf phonetische Korrektheit geachtet werden, sondern auch darauf, dass der Hörerbezug hergestellt wird. Der Lernende sollte demnach nicht nur für sich, sondern auch für andere laut vorlesen bzw. vortragen.

Das Sprachgefühl der jeweiligen Sprache sollte in der Mittelstufe entwickelt wer-den. Durch das Vortragen eines literarischen Textes von Goethe oder Heine wird das Sprachgefühl geschult, von dem besonders bezüglich der Phonetik viel ab-hängt. So entdecken die Lernenden anhand von Gedichten mit Reimen die Sprachmelodie. Noch besser können die Lernenden Texte vortragen, die sie sel-ber verfasst haben.

Fortgeschrittene: (vgl. Dieling 1996:54f)

Wenn die phonetische Korrektheit in bestimmten Kursen von vornherein nicht angestrebt wurde, z. B. wenn vorrangig schriftliche Fertigkeiten entwickelt wer-den sollten, könnte es sein, dass die Phonetikprobleme auf der Fortgeschrittenen-stufe immer noch zu sehen sind. Korrektive Phonetik ist daher das Hauptziel in dieser Phase. Am besten fängt die Arbeit mit einer Bestandsaufnahme an, um die Schwierigkeiten festzustellen. Die Arbeit an der Aussprache kann entweder mit einem Intensivkurs in korrektiver Phonetik durchgeführt oder in den Unterricht integriert werden. Die phonetischen Kenntnisse sollten dadurch wiederholt und erweitert, Fertigkeiten reaktiviert und entwickelt werden. Noch immer geht es darum, psychische Barrieren zu überwinden und die Lernenden für die Phonetik zu sensibilisieren. All diese Operationen vollziehen sich hier aber auf einer hö-heren Stufe. Die Verständigung ist einfacher, die Übungsmaterialien sind auf-grund der erweiterten Kompetenz vielfältiger und die Übungsmöglichkeiten sind abwechslungsreicher. Außerdem kann man die Arbeit an der Phonetik mit der Arbeit an der Grammatik und Lexik miteinander verbinden. Die Lernenden kon-zentrieren sich nicht mehr einseitig auf phonetische Probleme, sie können gleich-zeitig grammatische bzw. lexikalische Aufgaben lösen und werden immer mehr

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zu freien Anwendungen geführt. Darüber hinaus werden Geläufigkeit und Sicher-heit auf dieser Stufe besonders angestrebt, was den kontinuierlichen Übergang mit entsprechenden Reduzierungen und Elidierungen beschreibt. Nicht zuletzt sollten die Fertigkeiten im Hinblick auf Aussprachevarietäten besonders gepflegt werden, da die Lernenden in der Sprachpraxis mit verschiedenen Formen der Standardaussprache konfrontiert werden. Ein Kellner oder eine Verkäuferin spre-chen natürlich anders als ein Moderator im Fernsehen oder eine Sprachlehrerin.

Das ganz alltägliche Verschleifen, Verschlucken, Weglassen, Nuscheln, Mur-meln bereitet daher besondere Probleme. Die Lernenden müssen Gelegenheiten haben sich darauf einzustellen und sich einzuhören.

Deutschlehrer (Nichtmuttersprachler): (vgl. Dieling 1996:55f)

Die Aussprache der Deutschlehrer ist das Vorbild für die Lernenden. Während manche Deutschlehrer durch ihre tadellose Aussprache nicht mehr als Fremd-sprachler zu identifizieren sind, bemühen sich die anderen, sich zu vervollkomm-nen. Übungen zur Phonetik sollten möglichst als Einzelkonsultationen geplant werden, denn das individuelle Eingehen ist äußerst wesentlich. Der lernende Leh-rer braucht mehr als ein andeLeh-rer den Schutz des ViAugen-Prinzips, da der er-höhte Leistungsdruck ihn viel sensibler reagieren lässt. Außerdem sind spezielle Übungen zu den stilistischen Varianten der Standardaussprache erforderlich, da-mit die Deutschlehrer in unterschiedlichen Situationen auch sprechstilistisch adä-quat reagieren können. Weiterhin sollten die Lehrer verschiedene Dialekte ken-nenlernen, um ihre perzeptive Kompetenz zu erweitern. Es ist hier noch zu er-wähnen, dass die Dialekte unter sprachgeschichtlichem und landeskundlichem Aspekt auch interessant sind.

Im Dokument „Ich verstehe nur Chinesisch!“ (Seite 119-122)