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Überlegungen zur Videoerstellung

Im Dokument „Ich verstehe nur Chinesisch!“ (Seite 157-161)

6. Entwicklung von Lernvideoserien für Phonetik

6.2 Die Entwicklung von Lernvideoserien

6.2.1 Überlegungen zur Videoerstellung

Schritt 2: Erstellen eines Drehbuchs

Schritt 3: Aufnahme und Nachbearbeitung

Schritt 4: Hochladen und Verlinkung schaffen

Schritt 5: Werben und Evaluieren

6.2.1 Überlegungen zur Videoerstellung

Zielgruppe:

a. Chinesische Deutschlernende, die ihre Aussprache verbessern möchten.

Geeignete Sprachniveaus sind von A2 bis C1. Nicht geeignet sind Null-anfänger (A1) und Deutschlernende auf muttersprachlichem Niveau C2.

b. Deutschlehrer, die nach zusätzlichen Lehrmaterialien für chinesische Deutschlernende suchen.

Lernzielbestimmung:

Durch kontrastive Erklärungen Chinesisch-Deutsch, Hervorhebung der Aus-sprachebewusstheit und passende Übungen wird versucht, die speziellen Ausspracheabweichungen der chinesischen Deutschlernenden zuverringern oder zu beseitigen.

Ausgewählte phonetisch/phonologische Phänomene (Lerninhalte):

Video 1: Im ersten Video wird das Vokalpaar langes [iː] und kurzes [ɪ] als Leninhalt ausgewählt. Im Deutschen gibt es lange und kurze Vokale. Die Lautdauer bzw. die Quantität ist ein distinktives Merkmal der deutschen Vo-kale und hat eine bedeutungsdifferenzierte Funktion. Allerdings bestimmt nicht nur Vokalquantität, sondern auch Vokalqualität wie ein Vokal ausge-sprochen wird. Im Chinesischen hat Vokalquantität keine bedeutungsdiffe-renzierende Funktion. Die Verbindung von Quantität und Qualität ist dem

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Chinesischen nicht bekannt. Unter allen Vokalpaaren haben die chinesischen Deutschlerner beim Vokalpaar [iː] und [ɪ] das größte Problem. Es gibt nur ein I im Chinesischen und seine Qualität in der Aussprache ist ähnlich dem lan-gen [iː] im Deutschen (vgl. 3.3.1). Viele Chinesen gehen davon aus, dass man ein langes [iː] einfach kurz ausspricht ohne die Qualität zu ändern, um ein kurzes [ɪ] zu vokalisieren. Diese Annahme führt zu Ausspracheabweichungen und auch Fortgeschnittene haben Probleme damit. Um die Ursache der Ab-weichungen zu finden und die phonetische Bewusstheit zu erhöhen, werden [iː]- und [ɪ]-Laute in diesem Video thematisiert.

Video 2: Im zweiten Video wird Konsonantenhäufung als Lerninhalt ausge-wählt. In einem deutschen Wort können mehrere Konsonantenphoneme auf-einander folgen. Dies wird als Konsonantenhäufung bezeichnet. Die deutsche Sprache ist reich an Konsonantenhäufungen. Am Silbenanfang können zwei oder drei Konsonanten auftreten. Am Silbenende und zwischen den Silben treffen oft viele Konsonanten aufeinander. Die chinesische Sprache kennt das Phänomen der Konsonantenhäufung nicht. Im Chinesischen dominieren viele kurze und offene Silben mit initialen Konsonanten und finalem Vokal (vgl.

3.4.2). Bei der Realisierung von Wörtern mit Konsonantenhäufung lassen die chinesischen Deutschlerner oft einzelne oder mehrere Konsonanten weg oder sie fügen die sogenannten „Sprossvokale“ ein, besonders den chinesischen

„Lieblingssprossvokal“ – [ə] (vgl. 4.1.2). Aus diesem Grund wird Konsonan-tenhäufung im zweiten Video thematisiert.

Video 3 (noch nicht realisiert): Da Suprasegmentalia für den Gesamtein-druck der Aussprache eine sehr wichtige Rolle spielen, werden diese als Lern-inhalte im Video 3 behandelt. Im Deutschen wird die Intonation verwendet, um z.B. Überraschung oder Ironie auszudrücken und um Frage- und Ant-wortsätze voneinander zu unterscheiden. Die Intonation im Deutschen ist für die Kommunikation relevant. Viele Chinesen denken, dass Intonation und Töne gleich seien. Töne sind ein spezielles Merkmal der chinesischen Spra-che. Die chinesischen Töne sind bedeutungsunterscheidend und werden als Teil eines Lexems betrachtet. Die Töne chinesischer Silben dominieren die Intonation oft so stark, dass in den meisten Fällen kaum eine Aussage über

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die Intonation gegeben werden kann, ohne die Töne zu betrachten. Dieses Merkmal wird oft von chinesischen Sprechern auf die deutsche Sprache über-tragen, d.h. die Wörter bzw. Wortgruppen werden unbewusst mit Tönen ge-sprochen.Intonation und Töne werden deshalb in diesem Video thematisiert.

Struktur der Videos:

Die Struktur des Videos sieht wie folgt aus:

Als Einstieg werden kurze Szenen gezeigt, in denen typische Aussprachefeh-ler des chinesischen Sprechers etwas übertrieben dargestellt werden, damit die Lerner die Aussprachefehler sofort erkennen. Anschließend kommt die vergleichende Erklärung dieser Fehlerursache. Die Aussprachebewusstheit der Lerner wird durch die Betonung und Wiederholung erhöht. Schließlich folgen einige Übungen oder die Möglichkeit zur individuellen Fortsetzung der Sprachübung.

Kontrast zur Muttersprache:

Bei der Erklärung deutscher phonetisch/phonologischer Phänomene wird stets auf den Kontrast zur Muttersprache hingewiesen, damit die Lernenden die Ursache ihrer Ausspracheabweichungen verstehen und die Abweichun-gen bewusster beheben können.

Fokussierung auf Mund, Lippen und Zunge:

Die Artikulation der Standardaussprache des Deutschen zeichnet sich durch einen relativ hohen Präzisionsgrad aus, der im Lippenbereich auch visuell wahrnehmbar ist. Lenkt man die Aufmerksamkeit der Lernenden auf diesen Punkt, können sie anhand der Videobilder erkennen, dass die Öffnungsweiten und Lippenbewegungen im Deutschen von den eigenen muttersprachlichen z. T. erheblich abweichen (Dieling 1996:64). Die Visualisierung des Auszu-sprechenden spielt bei einem Lernvideo im Bereich Phonetik/Phonologie eine sehr wichtige Rolle. Bei der Gegenüberstellung der langen und kurzen Vokale im Video 1 legt die Kamera ihren Fokus auf Mund, Lippen und Zunge, um die Artikulationsweise bestmöglich darzustellen.

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Minimalpaare:

Die abweichend ausgesprochenen Wörter in den Szenen von Video 1 (siezen und sitzen, Miete und Mitte) sind Minimalpaare, die der Verdeutlichung von Lautunterschieden dienen. Sie werden im Kontext präsentiert: Es sollte „ich komme aus dem Reich der Mitte“ heißen, nicht wie im Video ausgesprochen,

„ich komme aus dem Reich der Miete“. Der Satz im Video „könnten wir uns bitte siezen?“ wurde falsch wahrgenommen und als „könnten wir uns bitte setzen?“ verstanden. Die Beispiele dienen der Darstellung von minimalen Unterschieden mit großem Bedeutungsunterschied sowie der Erzeugung ei-nes Aha-Erlebnisses bei den Lernenden, mit Folge der Bewusstseinsschaf-fung und Motivation, zukünftig auf scheinbar unwesentliche Unterschiede zu achten.

Binnendifferenzierung:

Die Übungen bieten Möglichkeiten der Binnendifferenzierung. Damit die einzelnen Lerner individuell ihre Aussprachekenntnisse erweitern, wird eine Steigerung des Schwierigkeitsgrads der Übungen berücksichtigt (im Video 2).

Wiederholung durch den Sprecher:

Da die Laute gegenübergestellt werden, werden die zu unterscheidenden Laute von den Sprechern mehrmals wiederholt, damit die Lernenden sie bes-ser wahrnehmen bzw. unterscheiden können.

Phonetisch/phonologische Terminologie:

Da die Zielgruppe nicht unbedingt theoretische Kenntnisse in Phonetik/Pho-nologie hat, wird auf Fach-TermiPhonetik/Pho-nologie weitestgehend verzichtet. Falls pho-netisch/phonologische Terminologien vorkommen, werden sie zunächst er-klärt.

Sprache:

Aufgrund der unterschiedlichen Sprachkenntnisse der Zielgruppe wird vermieden, lange und komplizierte Sätze beim Sprechen zu benutzen.

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Sprechgeschwindigkeit:

Um Aufmerksamkeitsverlust zu vermeiden, ist die Sprechgeschwindigkeit der Videos auf das normale Sprechtempo von ungefähr einer Rate von fünf bis acht Silben pro Sekunde, rein rechnerisch etwa zehn bis fünfzehn Laute pro Sekunde, zu limitieren (vgl. Pompino-Marschall, 2003:250). Es sollte aber auch genug Zeit sein, das Gehörte zu verarbeiten. Insbesondere an den Stellen, wo Einzellaute artikuliert oder zwei ähnliche Laute unterschieden werden, wird langsam und deutlich gesprochen.

Dauer des Videos:

Aus Gründen der sinkenden Aufmerksamkeit überschreiten die Videos die Länge von drei Minuten nicht (vgl. Beißwenger, 2010:10). Frieling (2010:10) schreibt dazu: „die technische Erreichbarkeit junger Mediennutzer [hat sich zwar] verbessert [...], aber die attentionale Erreichbarkeit sinkt, da immer mehr Quellen und Reize um die Aufmerksamkeit dieser Zielgruppe konkur-rieren.“

Einsatz im Unterricht:

Die Lernvideos dienen als zusätzliche Lernmaterialien für Phonetik. Ler-nende können die Videos anwenden, um den Unterrichtsstoff aufzufrischen und ihre Aussprachebewusstheit zu verstärken. Lehrende können die Lernvi-deos je nach Bedarf individuell im Unterricht einsetzen. Die ViLernvi-deos können den Unterricht nicht ersetzen. Es ist zu empfehlen, sie mit anderen Lernma-terialien zu kombinieren.

Im Dokument „Ich verstehe nur Chinesisch!“ (Seite 157-161)