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3. Kontrastive Analyse der phonetisch-phonologischen Struktur des

3.5 Suprasegmentalia beider Sprachen

3.5.2 Akzentuierung

Akzentuierung im Deutschen:

Bei der Beschreibung der deutschen Wortakzentuierung lassen sich drei Haupt-arten von Wörtern unterscheiden, nämlich einfache deutsche Wörter, fremde Wörter und Komposita. Die Wortakzentuierung ist durch zahlreiche Regeln fest-gelegt, die sich hauptsächlich an der morphologischen Struktur der Wörter orien-tieren. Morpheme sind bedeutungstragende Einheiten im Wort. Man unterschei-det Stammmorpheme und Wortbildungsmorpheme, die in Großbuchstaben wie-dergebenden Morpheme wie z.B. im Ge-WICHT, KOMM-st und ge-KRIEG-t sind Stammmorpheme. Der übliche Wortakzent der nativen deutschen Wörter liegt auf dem Stammmorphem, was für Flexionsmorpheme nicht zutrifft (vgl.

Rausch/Rausch 2002:122). Die deutschen Wortakzentuierungsregeln werden in der folgenden Tabelle aufgelistet.

Chinesische Zeichenschrift: 妈妈骂马吗? Pinyin: Māma mà mǎ ma?

Übersetzung: Schimpft die Mutter mit dem Pferd?

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Tabelle 15: Beispiele der Wortakzente in deutschen Wörtern (Quelle: vgl. Hunold 2009:79, Stock/Hirschfeld 2000:8ff)

Einfache deutsche Wörter

Einfache Wörter Das Stammmorphem

o-der die ersten Silbe des Wortstammes wird

Akzent auf Präfix, Suffix ˈuralt, Fleischeˈrei, akzepˈtieren Wörter mit Präfix un- Präfix wird akzentuiert,

wenn es ein

Wörter mit Präfix miss- Präfix wird akzentuiert, außer wenn nach dem Präfix der Wortstamm folgt.

ˈmissverstehen missˈachten

Unfeste Präfixbildung Präfix wird akzentuiert ˈaufstehen Feste Präfixbildung Stammmorpheme

wer-den akzentuiert

unterˈschreiben

Präfixbildung mit dem glei-chen Präfix fest und unfest auftreten

- 61 - isch, -ig, -ung in fremden

Wörtern

Endungen -or und -ik Nicht akzentuierbar, wenn die vorausgehende

Im Deutschen sind die Satzakzentuierung und ihre Beziehung zur Satzbedeutung relativ vage und nicht zwingend geregelt. Akzente werden nicht nur mit seman-tischer, sondern auch mit rhythmischer Funktion realisiert. Eine feste Beziehung zwischen Satzbedeutung und Hauptakzent besteht jedoch wenn der Fokus nach dem Kontext nur eine Akzentplatzierung ermöglicht (Hunold 2009:81). Diese Fokus-Hintergrund-Relation kann bei gleichem Wortlaut des Satzes mit Fragen vorgeführt werden, z.B.:

- Wem schenkt Richard eine Tasse? – Richard schenkt dem ˈMädchen eine Tasse.

- Was schenkt Richard dem Mädchen? – Richard schenkt dem Mädchen eine ˈTasse.

Akzentuierung im Chinesischen:

Ob ein chinesisches Wort einen Wortakzent besitzt, ist umstritten. Zwei Theorien

- 62 - werden hier unterschieden.

Die Vertreter (Li 1981; Gao/Shi 1963) der „No Stress Theory“ sind der Meinung, dass die Wörter im Chinesischen keinen Wortakzent haben. Sie beschreiben, dass es eine Menge von distinktiven Minimalpaaren der Art gibt, dass nur die Tonlo-sigkeit der zweiten Silben den Unterschied zwischen diesen beiden Wörtern aus-macht.

dà yì (Hauptinhalt) dà yi (nachlässig)

jìn lái (kürzlich) jìn lai (hereinkommen)

Die erste Silbe in den beiden Beispielpaaren wird voll und im 4. Ton ausgespro-chen. Die zweite Silbe auf der linken Seite ist im 4. oder 2. Ton und trägt den Wortakzent. Allerdings ist die zweite Silbe rechts im Beispiel tonlos und damit nicht akzentuiert. Diese Beispiele unterstützen die „No Stress“ Theorie, da die Unterschiede zwischen den beiden Wortpaaren nicht in der Akzentuierung liegt, sondern im Ton bzw. der Tonlosigkeit des zweiten Elements. Die syntaktische Stellung des Wortes würde eindeutig auf nur eine der beiden Bedeutungen hin-weisen. Es gibt keine chinesischen Wörter, die allein durch den Wortakzent un-terschieden werden (vgl. Duanmu 2002:5).

Als Vertreterin einer anderen Theorie stellt Shen (1990:2) fest, dass es auf der zì (Charakter) Ebene keine Akzentuierung („no Stress“) gibt, da jeder zì monosyl-labisch ist. Allerdings existiert die Akzentuierung auf der cí (Wort) Ebene und auf der duǎnyǔ (Phrasen) Ebene. Auch Hunold (2009:76f) argumentiert, dass Chinesisch durchaus - phonetisch gesehen - einen Wortakzent besitzt. Der Wort-akzent ist besonders leicht in mehrsilbigen Wörtern zu erkennen, von denen min-destens eine Silbe tonlos ist. Jedoch hat der Akzent kaum Einfluss auf die Arti-kulationsgenauigkeit. In den gängigen und weit verbreiteten Wörterbüchern der chinesischen Sprache wird der Wortakzent nie angegeben.

Henneet al. (1977:37ff) haben die Wortakzenttypen in vier Großgruppen zusam-mengefasst, wobei sie zuerst Einsilber aufführen, die entweder tontragend (A)

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und damit betonungsfähig oder nicht tontragend (Cot) und damit nicht akzentu-ierbar sind. Darüber hinaus unterscheiden sie bei zwei- und mehrselbigen Wör-tern Haupt- (A) und Nebenakzent (B) (beides nur auf tontragenden Silben mög-lich), sowie tontragende, aber unbetonte Silben (Ct).

Tabelle 16: Wortakzenttypen in ein- und mehrsilbigen Wörtern im Chinesischen (Quelle:

Henne et al. 1977:36f; Hunold 2009:77f)

Wortakzenttyp Pinyin Deutsche Übersetzung

Einsilbige Wörter

1. A hǎo gut

2. Cot ma Fragepartikel

Zweisilbige Wörter

3. ACot luó bo Rettich

4. BA dé yǔ Deutsch

Dreisilbige Wörter / Phrasen

5. BCtA huǒ chē zhàn Bahnhof

6. BACot lái wǎn le spät gekommen

7. BCotA tīng de jiàn hörbar

8. ACotCot péng you men Freunde

Wörter / Phrasen mit mehr als drei Silben

9. BCtCtA gān jìng sehr sauber

10. BCotACot kàn bu qīng chu nicht gut sehen können 11. BCotCtA pá bu shàng lái nicht hochklettern können 12. ACotCotCot pá shang lai le heraufgeklettert sein

Durch diese Tabelle lässt sich feststellen, dass alle chinesischen Wörter bzw.

Phrasen außer den Partikeln einen Hauptakzent besitzen. Kein Wort hat mehr als einen Hauptakzent. Der Hauptakzent liegt auf der letzten tontragenden Silbe (A) und nach dem Hauptakzent können nur nichtakzentuierte Silben stehen.

Die Regeln des Wortakzents gelten im Wesentlichen auch für Akzentgruppen und auf der Satzebene. Die Satzakzentuierung im Chinesischen dient in zahlrei-chen Beispielen zur Unterscheidung von Bedeutung (Hunold 2009:80). Bsp.:

a. 我想起来了。wǒ xiǎng qǐlái le. (Ich möchte aufstehen.)

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b. 我想起来了。wǒ xiǎngqǐlái le. (Ich habe mich erinnert.)

Durch die geschriebenen Schriftzeichen ist die Bedeutung nicht erkennbar. Al-lerdings wird es verlangt, Wörter in Pinyin-Schreibung zusammenzuschreiben.

Im Satz a. wird xiǎng als Modalverb (möchten) und qǐlái als Vollverb (aufstehen) identifiziert. Der Satzakzent liegt auf qǐlái bzw. qǐ16. Im Satz b. ist das Vollverb xiǎngqǐ (sich erinnern) und der Satzakzent liegt auf xiǎngqǐlái bzw. xiǎng17. Zur eindeutigen Unterscheidung der beiden Sätze dienen demnach Akzentuierungen und evtl. auch eine unterschiedliche Pause bei besonders langsamer Sprechweise.

Kontrastierung der Akzentuierung:

 Im Deutschen wird der Wortakzent hauptsächlich durch die Morphemstruk-tur der Wörter bestimmt.

 Im Chinesischen orientiert sich der Wortakzent nicht an der morphologischen Struktur der Wörter. Er ist im Prinzip auf jeder tontragenden Silbe möglich, aber dennoch für jedes Wort festgelegt und normalerweise nicht distinktiv.

 Reduzierungen in unakzentuierten Silben sind im Chinesischen unbekannt.

 Unter bestimmten logischen Voraussetzungen können die Worte anders be-tont werden. Das gilt sowohl für das Deutsche als auch für das Chinesische.

Betrachtet man einen Namen wie Wang Mengjia als Einheit, dann müsste die richtige Betonung <Wáng mèng jiā> lauten. Soll ein bestimmter Teil der Sinneinheit besonders hervorgehoben werden, z.B. der Familienname, liegt der Sinneinheitenakzent selbstverständlich auf der betonenden Silbe: (vgl.

Hunold 2010:53)

- <wǒ shì wáng mèng jiā, bú shì wú mèng jiā.>

- Ich bin Wang Mengjia, nicht Wu Mengjia.

 Sowohl der deutsche als auch der chinesischer Sprecher hat für die Akzentu-ierung im Satz mehrere Möglichkeiten, die er pragmatisch verwenden kann.

 Das Deutsche benutzt neben der Akzentuierung für die Fokussierung auch die Wortstellung und Fokuspartikeln (z.B. sogar). Das gilt auch im Chinesi-schen.

16 Wortakzenttyp 3 ACot, vgl. Tabelle 3-15

17 Wortakzenttyp 8 ACotCot, vgl. Tabelle 3-15

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 Im Gegensatz zum Deutschen dient der Satzakzent im Chinesischen in vielen Fällen zur Unterscheidung von Bedeutungen.

3.5.3 Intonation

Im Dokument „Ich verstehe nur Chinesisch!“ (Seite 60-66)