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Speläogenese-Stadium - Unteres Stockwerk

Zum unteren Stockwerk gehören die Ponorhöhle, die nur in Teilen zugängliche untere Etage der Bilstein-Höhle, die Bachhöhle mit Siphongang und Verbindungsspalt zur Schauhöhle und die untere Etage der Schachthöhle. Diese Höhlen oder Höhlenteile liegen fast vollständig im Niveau der Spiegelschwankungen des Karstgrundwassers. Sie dienen außerdem - die Schauhöhle ausgenommen - als unterirdisches Abflußsystem des Bilstein-Baches.

Der Bilstein-Bach versinkt beinahe exakt an der Stelle, an der er erstmalig mit Massenkalk in Berührung kommt. Die Schwinde liegt zugleich an der am weitesten nach Südwesten exponierten, von zwei sich kreuzenden Störungen gebildeten Kante des Warsteiner Kalkstein-Komplexes. Die angrenzenden ober-devonisch/unter-karbonischen Schichtfolgen sind nicht verkarstungsfähig, primär karbonatärmer und zudem überwiegend sekundär verkieselt. Infolge des sehr geringen Karbonatdargebotes im Zuflußgebiet ist das Grund- und Oberflächenwasser karbonatuntersättigt. Die Gesamtkonzentration im Bilstein-Bach wird von M. KOCH et al.

(1974), unmittelbar vor Erreichen des Massenkalk-Randes, mit 63 mg/1 (darin enthalten 14 mg/1 Chlorid) angegeben. An der Schwinde und im vorderen Teil der Ponorhöhle sind entsprechend starke Korrosionsformen vorhanden. In der unteren Etage der Bilstein-Höhle, soweit zugänglich, ist erwartungsgemäß eine Abnahme der Korrosionsleistung infolge sinkender Lösungskapazität festzustellen.

Es überwiegen kluftgebundene, richtungsbeständige Hohlräume, deren Raumerweiterung auf vier Faktoren zurückzuführen ist

- Spaltenöffnung durch Seitendehnung am Talhang („Talzuschub"),

- gravitativ bedingter Decken- und Wandverbruch mit anschließendem Transport des Ver-sturzmaterials,

- Erosion durch allochthone oder endemische Geröllfracht, - Korrosion.

Ein Zusammenwirken dieser raumbildenden Vorgänge, die im einzelnen nicht quantifizier-bar sind, zeigt sich augenfällig besonders im Hauptgang der Bachhöhle und im anschließenden Siphongang.

Eine speläogenetische Besonderheit im Bilstein-Höhlensystem stellt der Seitengang der Bachhöhle dar. Er zeichnet sich durch ein weitgehend korrosiv ausgeformtes Rund- bis Flachprofil (Grundform II) aus und mündet aus etwas höherer Lage in den Hauptgang (Abb. 6).

Unter den derzeitigen karsthydrologischen Gegebenheiten ist das Nebeneinander der beiden Grundformen I und II nicht deutbar. Vielmehr muß der auch in den Richtungen weit stärker mäandrierende Seitengang bei höherem Normalspiegelstand entstanden sein. Die erforderliche hohe Lösungskapazität kann auf eine lokale Mischung von Sickerwasser mit Karstwasser (das sich bei einem Abstand von ca. 300 m zur Bilsteinbach-Schwinde wahrscheinlich annähernd im Lösungsgleichgewicht befunden hat) zurückgeführt werden. Ansonsten bleibt Mischungskorro-sion als dominanter Faktor der Höhlenbildung im gesamten Bilstein-Höhlensystem ohne große Bedeutung. Der Seitengang der Bachhöhle wird bei extremem Spiegelanstieg gerade noch erreicht, die Phase der Hohlraumbildung ist, wie auch die Bodensinter zeigen, dagegen nahezu abgeschlossen.

160 P. MEIBURG, D. STOFFELS: Die Höhlen im Warsteiner Massenkalk

Abb. 14. Längsprofil (teilweise etwas schematisch) durch das Bilstein-Höhlensystem (nach Vermessungen von F. HEINE (1931) und einem Entwurf von J. DOLLE/Warstein, ergänzt und umgezeichnet).

Das untere Stockwerk gehört mit allen größeren Einheiten einem aktiven Karstsystem an, das sich noch im vollen Umfang im Stadium der Höhlenentstehung ( = Speläogenese) befindet.

Dies unterstreichen auch Abflußmessungen am Bilstein-Bach (M. KOCH et al. 1974). Vor dem Ponor wurden im Januar 1971 bei hohem Zufluß 100 1/s gemessen, vor der Bachhöhle 90 1/s.

Der oberirdische Abfluß führt um den Massenkalk-Komplex herum, an dessen Rand er sich mit dem wiederaustretenden Höhlenfluß vereinigt.

2.10. 2 Speläostase-Stadium - Oberes Stockwerk

Zum oberen Stockwerk gehören die Kulturhöhlen I, II und III, die obere Etage der Höhle (Tropfstein-Höhle) und die mittlere und obere Schachtstufe der Bilstein-Schachthöhle. Diese Teile des Bilstein-Höhlensystems liegen in der ständig „trockenen Zone"

(H. TRIMMEL 1968: 79), d. h. im Stadium der Bewahrung oder Auffüllung der Hohlräume.

Der als Speläostase definierte Höhlenzustand (P. MEIBURG et al. 1977) ist im oberen Stockwerk des Höhlensystems durch mehrere Merkmale charakterisiert

- die speläofluviatilen Sedimente werden nicht mehr in wesentlichem Umfang umgelagert, - Versturzmaterial oder episodisch durch Sickerwässer zugeführte klastische Sedimente

ver-bleiben nach Erreichen des Höhlenbodens in Ermangelung eines Transportmediums an Ort und Stelle,

- Auskleidung der Höhle mit Speläothemen.

Morphologie und Gefälle der Kulturhöhlen und der Bilstein-Höhle lassen eindeutig erkennen, daß bei der Anlage der fossilen Evakuationsräume ein gleichartiges Abflußregime wirksam gewesen ist, wie es in der unteren Etage heute existiert. Lage des Höhlenflusses und Abflußrichtung beider Stockwerke sind weitgehend kongruent. Die fossilen sind als ein recht getreues Abbild der rezenten höhlenbildenden Vorgänge zu bewerten. Die vertikale Anordnung der Hauptentwicklungsstufen übereinander wird durch die vorgegebene tektonische Situation bestimmt. So weisen die Kulturhöhlen, insbesondere die Kulturhöhle III, der Lage am Massenkalk-Rand entsprechend, starke laterale Korrosionsspuren auf (Grundform II), die zweifelsfrei auf den ersten Kontakt eines oberirdischen Bachlaufes mit dem Massenkalk zurückgeführt werden können. Sie sind demnach fossile Ponorhöhlen, die vorwiegend durch kalkaggressives Oberflächenwasser gestaltet worden sind. Noch in den Kulturhöhlen selbst, verstärkt in den anschließenden Schmalprofilstrecken der Bilstein-Höhle (Grundform I), zeigt sich in der Verengung der Rundprofilstrecken und in der zunehmenden Richtungstreue der Hohlraumachsen die bei wachsender Entfernung von den Schwinden erheblich sinkende Lösungskapazität.

P. MEIBURG, D. STOFFELS: Die Höhlen im Warsteiner Massenkalk

Der Übergang von den Speläogenese zur Speläostase im oberen Stockwerk ist gleichzuset-zen mit der Absenkung des Karstwasserspiegels und der dauerhaften Aufgabe des speläofluvia-tilen Abflußkanals. Die dazu erforderliche Tieferlegung des Vorfluters bis in die Nähe des heutigen Niveaus muß verhältnismäßig rasch erfolgt sein, da beide Stockwerke sehr klar voneinander abgesetzt sind (Abb. 14).

Die Frage nach dem Alter dieses Vorganges und damit zugleich nach dem Alter der Bilstein-(Tropfstein-)Höhle kann in gewissem Umfang nur spekulativ beantwortet werden.

Gesichert ist, daß das Speläostase-Stadium während der Weichsel-Kaltzeit bereits erreicht war, wie die nicht mehr fluviatil umgelagerten Kulturreste des Jung-Paläolithikums, zumindest in der Kulturhöhle I bestätigen. Andererseits deuten fluviatil verfrachtete Knochenreste von Ursus spelaeus ROSENMÜLLER in der Bilstein-Höhle darauf hin, daß sich das obere Stockwerk des Bilstein-Höhlensystems zumindest im Holstein-Interglazial und wahrscheinlich noch bis in das Drenthe-Stadium der Saale-Kaltzeit hinein im Stadium der Speläogenese befand. Der Übergang zur Speläostase fällt demnach in den Zeitraum zwischen Saale- und früher Weichsel-Kaltzeit.

Aus paläogeographischen Gründen ist es nunmehr naheliegend, die starke Ausräumung der oberdevonisch/unterkarbonischen Schiefer in der Umgebung des Massenkalks am Bilstein, die zu einer relativ kurzzeitigen Tieferlegung des Vorfluters geführt hat, mit der erhöhten Erosionsleistung aller Flüsse im periglazialen Vorfeld des bis zum Haarstrang vorstoßenden saalekaltzeitlichen Inlandeises in Beziehung zu setzen.

2. 10. 3 Speläolyse-Stadium

Im Bilstein-Höhlensystem ist das Speläolyse-Stadium, das mit der Zerstörung des unterirdi-schen Raumes beginnt, nur an wenigen Punkten erreicht. Hierzu gehören einige Dohnen östlich der Bilstein-Höhle, die sich über eingestürzten oberflächennahen Hohlräumen gebildet haben und der Durchbruch des Deckenfensters über der Bilstein-Schachthöhle.

3. Fuchshöhlen (Kat.-Nr. 4516/17)

Die Fuchshöhlen liegen am südlichen Ortsausgang von Warstein, 200 m nördlich des Zusammenflusses von Langer- und Widey-Bach. Beim Bau einer Zufahrtsstraße zu einem inzwischen aufgelassenen Steinbruch („Fuchslöcher") wurden zwei Eingänge (R 34 54 83, H 56 99 52 und R 34 54 84, H 56 99 47) angeschnitten.

Ende Juli 1976 wurde der südliche Eingang durch D. BIERMANN/Iserlohn und D. STOFFELS aufgegraben und die in nördlicher Richtung verlaufende Spaltenhöhe auf

Richtungsabhängigkeit von tektonischen Trennflächen

Höhlenbildungszykk

Abb. 15. Bilstein-Höhlensystem. Morphologische und geospeläologische Entwicklungsstadien im Höhlenbildungszyklus (Schema).

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P. MEIBURG, D. STOFFELS: Die Höhlen im Warsteiner Massenkalk 163 Abb. 16. Spaltenförmiger

Höh-lenraum (Grundform I) in der Bilstein-Höhle (Speläostase-dium) mit kaskadenförmigen Sta-lagmiten.

ca. 30 m verfolgt. Hierbei gelang es, bis in das Hochwasserniveau des Wester-Baches hinabzu-kommen. Die im fluviatilen Sand verlaufende Abflußrinne setzte sich in einer zugeschwemmten, unpassierbaren Spalte fort. Ausgeprägte Korrosionsformen an den Wandflächen und die rezenten sandig-lehmigen Höhlensedimente weisen darauf hin, daß die Fuchshöhle eine Schwinde des Wester-Baches ist.

Der aus dem nördlichen Eingangsspalt aufsteigende Luftstrom läßt eine Verbindung zwischen beiden Eingängen vermuten.

Die exponierte Lage am Südrand des südlichen Warsteiner Massenkalk-Zuges in unmittel-barer Beziehung zum Hauptvorfluter bildet die potentielle Voraussetzung für die Entwicklung eines möglicherweise erheblich ausgedehnteren Höhlensystems. Die außergewöhnliche Häu-fung verschiedenartiger Karstformen, aufgeschlossen in einem angrenzenden Steinbruchge-lände, unterstützen diese Prognose.

L i t . :

164 P. MEIBURG, D. STOFFELS: Die Höhlen im Warsteiner Massenkalk 4. Eppenloch

(Kat.-Nr. 4516/7)

Das Eppenloch („Eppen" = mundartüch, kleine bösartige Menschen) lag am Fuße einer Kalksteinwand auf der Westseite des Range-Tales (E. HENNEBÖLE 1963: Abb. 9). Die Höhle wurde 1953/54 durch Kalksteinabbau zerstört.

Abb. 17. Das Eppenloch bei Warstein, Kulturhöhle, zerstört.

Grundriß (a) und Aufriß (b), nach E. HENNEBÖLE (1963), umgezeichnet.

B —

Die historische Bedeutung als Kulturhöhle wird besonders von E. HENNEBÖLE hervorgehoben. Seine 1935 durchgeführten Grabungen lieferten steinzeitliche Kulturrück-stände des Magdalenien, Steinwerkzeuge und Knochen jagdbarer Tiere, teilweise mit Brandspu-ren, sowie Keramik der früheren Bronzezeit. Das Fundgut wird im Städtischen Museum Warstein aufbewahrt.

L i t e r a t u r : E. CARTHAUS (1890), E. HENNEBÖLE (1936, 1963, 1964), H. STREICH (1967).