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Soziodemografische Daten der Interviewten

Kapitel 3 Empirische Untersuchungsfragen, Methodik und Befunde

3.3 Darstellung der qualitativen Studienergebnisse

3.3.1 Soziodemografische Daten der Interviewten

Bevor die empirischen Ergebnisse interpretiert werden, wird die soziodemografische Struktur der Interviewten dargelegt, weil „die soziodemographischen Merkmale in der Regel als Indikatoren für unterschiedliche soziale Situationen mit ihren spezifischen Opportunitäten und Restriktionen dienen“ (Kelle/Kluge 2010:51.). Die soziodemographischen Merkmale der Interviewten sollen einen Betrag zur Erklärung des (Öko-)Konsums leisten. Im Folgenden werden daher diese Merkmale der Reihenfolge nach (Geschlecht, Alter, Einkommen, Bildung, Familienstand) dargestellt.

Darüber hinaus werden auch die religiöse oder politische Verortung, die Gründe für räumliche Wanderung, das Verhältnis von Öko- und Nicht-Öko-Konsumenten und der familiäre Status der Interviewten vorgestellt.

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 Geschlecht der Interviewten

Das Geschlechterverhältnis unterschied sich deutlich zwischen den Studien von Beijing und Fujian. In der Studie von Beijing waren 45,7 Prozent der Interviewpartner weiblich und 54,3 Prozent männlich. In der Studie von Fujian war das Verhältnis anders. Untersucht wurden 63,3 Prozent Männer und 33,7 Prozent Frauen. Es muss hier betont werden, dass alle Befragten sich häufig an den Lebensmitteleinkäufen und dem Kochen im Haushalt beteiligten. Die überwiegende Zahl der männlichen Interviewten zeigt, dass sie sich für gesunde Familien-Ernährung bzw. für das Kochen interessieren, was nach konservativer Sichtweise eigentlich Frauensache ist. Der Grund liegt zum einen in Emanzipationseffekten31, weil immer mehr Frauen erwerbstätig sind und sie sich mit den Männern die Arbeit (Kochen, Lebensmitteleinkaufen) im Haushalt teilen müssen. Zum anderen wird angenommen, dass die Lebensmittelskandale das Bewusstsein von männlichen Interviewten gefördert haben, die „sicheren“—nicht gesundheitsschädlichen Lebensmittel —für die Familie zu besorgen.

Tabelle 11:Geschlechtsstruktur der Interviewten (n Beijing = 35, n Fujian = 30.)

Quelle: Eigene Darstellung

 Altersverteilung

Die Altersstruktur der Interviewpartner in den beiden Studienorten unterschied sich geringfügig. Der älteste Interviewte lebte in Fujian und war 80 Jahre alt, in Beijing lag das höchste Alter bei 65 Jahren alt. Das Alter des jüngsten Interviewpartners war in beiden Studienorten ähnlich und lag bei knapp 30 Jahren. Im Durchschnitt lag das Alter der Interviewten etwas über 40 Jahre (siehe folgende Tabelle).

31 Nach der Gründung der Volksrepublik hat die chinesische Regierung großen Wert auf die berufliche Entwicklung der Frauen und deren Gleichberechtigung gelegt. Vor der Gründung der Volksrepublik China blieb ein Großteil der chinesischen Frauen zu Hause. Derzeit beträgt der Anteil der weiblichen Beschäftigten in den Großstädten über 90 Prozent. Auf dem Land sind es 70 bis 80 Prozent (Li 2005:9).

Ort/ Geschlecht Männlich Weiblich

Beijing 16 19

Fujian 19 11

68 Tabelle 12: Altersstruktur der Interviewten (n Beijing = 35, n Fujian = 31.)

Geburtsjahr 1935-1939 1940-1959 1960-1969 1970-1979 1980-1989 1990 Anzahl in

Beijing

- 2 5 19 8 1

Anzahl in Fujian

2 3 4 16 6 -

Quelle: Eigene Darstellung

Es kann angenommen werden, dass in diesem Alter häufig das entsprechende Einkommen und eventuell auch ein höheres Gesundheitsbewusstsein vorhanden sind, beides mögliche Gründe für die Bereitschaft sein, höhere Preise für ökologische Lebensmittel zu akzeptieren.

 Einkommensverteilung

Die Interviewten aus Beijing waren in einer besseren finanziellen Lage als die aus Fujian. In Beijing hatte die Mehrheit der Interviewten monatlich zwischen 1 251 und 2 500 Euro zur Verfügung. In Fujian hatte die Mehrheit der Interviewten ein monatliches Einkommen zwischen 626 und 1 000 Euro. Zwar verdienen die meisten Interviewten in Beijing relativ besser als diejenigen in Fujian, aber wegen der hohen Lebenshaltungskosten müssen die Beijinger mehr für Bio-Lebensmittel bezahlen als die Fujianer. Nach der Studie von Mercer (2014) rangierte die chinesische Hauptstadt Beijing auf Rang 11 der Lebenshaltungskosten weltweit, und im Vorjahr noch auf Rang 15. Diese Studie verglich über 200 Waren und Dienstleistungen in weltweit 211 Metropolen, einschließlich Wohnraum, Transport, Nahrung, Kleidung, Haushaltswaren und Unterhaltung. Neben den Metropolen Hongkong und Shanghai ist Beijing die dritte-teuerste Stadt in Greater China (nämlich Festland, Taiwan und Hongkong, Macao).

69 Abbildung 16: Monatlich verfügbares Einkommen32 (n Beijing = 32, n Fujian = 27)

Quelle: Eigene Darstellung

 Bildung

Die Interviewten aus Beijing hatten einen höheren Bildungsgrad als die aus Fujian.

Der Anteil derer, die ein Studium abgeschlossen hatten, ist mit 97,1 Prozent der Interviewten in Beijing 10 Prozent höher als in Fujian. 14,27 Prozent der Befragten in Beijing hatten promoviert, jedoch keiner in Fujian. Das hohe Bildungsniveau von Befragten in Beijing kann damit zu tun haben, dass diese Stadt im Vergleich zu anderen Städten über reiche Bildungsressourcen verfügt.

Abbildung 17: Bildungstand der Interviewten (n Beijing = 35, n Fujian = 30)

Quelle: Eigene Darstellung

32 Umrechnung gemäß des Wechselkurses 1 Euro zu 8 RMB

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 Weltanschauung

Die religiösen und politischen Orientierungen der Interviewten waren in beiden Befragungsorten sehr unterschiedlich. In Beijing waren 79,4 Prozent der Interviewten konfessionsfrei (davon 7 Prozent Kommunisten), in Fujian waren es 57,1 Prozent (12,5 Prozent Kommunisten). Dennoch interessierte sich ein Teil der Konfessionslosen für religiöse Themen.

In der Studie in Beijing waren 85,7 Prozent der konfessionellen Befragten Buddhisten und 14,3 Prozent Bahai. In Fujian waren 41,7 Prozent der konfessionellen Interviewten Buddhisten und 58,5 Prozent Christen.

Die pluralistische Weltanschauung ist in der chinesischen Gesellschaft ein durch die Öffnungspolitik wieder neu belebtes Phänomen. Da mit der Gründung der Volksrepublik China (1949) die kommunistische Partei an die Macht kam, ist für Parteimitglieder die Mitgliedschaft in Religionsgemeinschaften verboten. Auch in der Schule gibt es kein Lehrfach Religion wie in Westen, sondern im Unterricht wurde/wird gelehrt, dass die Schüler als Nachwuchs der kommunistischen Partei ausschließlich an den Kommunismus glauben und Atheisten sein sollten. Daher sollte es kein Wunder sein, dass der überwiegende Anteil der Interviewten konfessionslos ist.

Aber im Vergleich zu den Befragten in Beijing ist das Verhältnis von Gläubigen zu Konfessionslosen deutlich höher. Zum einen ist die Kultur in Fujian historisch sehr stark durch den Buddhismus, Taoismus, das Christentum und lokale Religionen mitgeprägt. Zum anderen wurde zwar die Religionsfreiheit in der Verfassung festgelegt, jedoch vor der Öffnungspolitik (1978) nur beschränkt beachtet. Sie wurde während der Kulturrevolution (1966-1976) vollständig außer Kraft gesetzt. Die Religionsfreiheit wird nur dann von der chinesischen Regierung gewährleistet, wenn die religiöse Aktivität bzw. die sie tragenden Institutionen nicht gegen die kommunistische Regierung und für Ziele eingesetzt werden, die der gesellschaftlichen Destabilisierung dienen. Seit Jahren ist die Zahl religiöser Gläubiger

71 in China kontinuierlich gestiegen. 2003 wurde ihre Anzahl auf 100 Mio. Gläubige geschätzt.33

Abbildung 18: Weltanschauung der Interviewten (n Beijing = 34, n Fujian = 28)

Quelle: Eigene Darstellung

 Wanderungsgründe

Die Interviewten gaben unterschiedliche Gründe für ihren Aufenthalt in der jeweiligen Stadt an. Lediglich 25 Prozent der Interviewten in Beijing und 29 Prozent in Fujian waren einheimisch. Alle übrigen Befragten stammten aus anderen Regionen Chinas. Das Hauptmotiv für die räumliche Wanderung war ein Universitätsbesuch mit 28 Prozent in Beijing und 29 Prozent in Fujian. Weitere Motive für die Zuwanderung nach Beijing waren familiäre Gründe oder ein Umzug mit den Eltern während der Kindheit (16 Prozent) sowie der Wunsch in die Stadt zu ziehen („Stadt-Traum“ nämlich in der große Stadt zu leben bzw. sich dort zu integrieren) mit 11 Prozent. Demgegenüber gaben die Interviewten als weitere Motive für ihre Zuwanderung nach Fujian die geschäftliche Investition mit 21 Prozent und Wanderarbeit mit 14 Prozent an. Es muss hier darauf hingewiesen werden, dass Xiamen als eine Sonderwirtschaftszone in den 80er Jahren ausgebaut wurde. Wegen der andauernden selektiven Wirtschaftspolitik (siehe Kapitel 4.1.) haben sich die chinesische Wirtschaft und der Lebensstandard zwischen Städten und ländlichen Gebieten, aber auch zwischen Nord und Süd ungleichmäßig entwickelt. Dies hat auch

33 Siehe amtliche Nachrichtenagentur Xinhua: China Religion http://news.xinhuanet.com/ziliao/2003-01/18/content_695312.htm

72 zu überdurchschnittlichen Zuzugsraten wegen vielfältiger Berufschancen und des hohen Lebensstandards in den Metropolen bzw. in den Küstengebieten geführt. Hier möchte ich kurz erläutern, dass die kommunistische Regierung wegen der materiellen Knappheit und zur Förderung sozialer Stabilität das Hukou-System in den 1950er Jahren eingeführt hat, das auf die westliche Zhou-Dynastie (11 Jahrhundert v.

Chr. bis 771 v. Chr.) zurückgeführt werden kann. Jeder muss sich in seinem zugeordneten Wohnort registrieren lassen und darf ihn in der Regel nicht verlassen.

Das Hukou-System bezieht sich auf Arbeit, soziale Leistung/Sicherung, Schule, das Angebot von Lebensmittelmarken (1953-1993) und verfestigt die sozialen Unterschiede zwischen Stadt- und Landbewohnern. Seit der Wirtschaftsreform ist das Hukou-System wegen der Urbanisierung und des Arbeitskräftemangels immer lockerer geworden. Nun leben etwa 150 bis 200 Mio. Chinesen nicht an ihrem offiziellen Wohnort. Zwar können sie frei wandern, wohin sie wollen, aber sie dürfen häufig keine Sozialleistungen in Anspruch nehmen, und ihre Kinder haben auch keinen freien Zugang zu den Schulen, weil sie sich dort nicht offiziell melden können.

Abbildung 19: Gründe für die territoriale Wanderung der Interviewten ( n Beijing = 34, n Fujian = 28)

Quelle: Eigene Darstellung

 Familienstand

Mit Blick auf den Familienstand zeigten die Studien sowohl in Beijing als auch in Fujian eine ähnliche Tendenz: 71,4 Prozent der Befragten in Beijing und 80 Prozent in Fujian lebten zum Zeitpunkt der Interviews in einer Partnerschaft. Die übrigen

73 Befragten lebten in einem Singlehaushalt und waren entweder ledig oder geschieden oder hatten eine Fernbeziehung.

Tabelle 13: Familienstand der Interviewten (n Beijing = 29, n Fujian = 30)

Quelle: Eigene Darstellung

In Beijing hatten 68 Prozent der Befragten ein Kind und in einem Fall zwei Kinder. In Fujian waren es 58,3 Prozent mit einem Kind und in einem Fall mit zwei Kindern. Hier ist es anzumerken, dass nur wenige Familien zwei Kinder haben, weil seit 1978 die Ein-Kind-Politik in China eingeführt wurde. Der Fall einer Familie mit zwei Kindern zeigt an, dass das zweite Kind entweder im Ausland geboren wurde oder dass die Eltern das Strafgeld34 für die Registrierung gezahlt haben. Ist beides nicht der Fall, ist das Kind illegal und wird mit Integrationsproblemen (wie z.B. der Schwierigkeit zum Kindergarten oder zur Schule zu gehen) in der Gesellschaft konfrontiert sein.

Im Studienort Beijing schickten auffallend mehr Familien mit 55,6 Prozent ihr(e) Kind(er) in einen Waldorfkindergarten. In Fujian waren es nur 14,3 Prozent. Es muss hier kurz erläutert werden, dass ein Platz in einem Waldorfkindergarten (mehr als 2000 Yuan, ca. 250 Euro pro Monat) viel teurer ist als in einem staatlichen Kindergarten (etwa 250 Euro pro Schuljahr). Wahrscheinlich sind die Eltern wohlhabend und selbst Akademiker. Aus den Erfahrungen ihrer eigenen Kindheit haben sie die Lehre gezogen, dass Spielen in der Natur für Kinder wichtig ist. Den Eltern haben die Grundsätze der Waldorfschule gefallen, die sich stark an der Entwicklung der Kreativität und Bewegung des Kindes orientiert, nicht wie in staatlichen Kindergarten in China, wo vieles festgelegt ist und relativ volle Lehrpläne meistens auch in einem geschlossenen Klassenraum durchgeführt werden.

34 Das Strafgeld ist je nach Region unterschiedlich. Beispielsweise beträgt das Strafgeld in Beijing das Drei bis Zehnfache des durchschnittlichen jährlich verfügbaren Einkommens.

Ort/ Familienstand Leben in der Familie Allein lebend

Beijing 25 10

Fujian 24 6

74 Abbildung 20: Institutionelle Zugehörigkeit der Kinder der Interviewten (n Beijing = 25, n Fujian = 24)

0 2 4 6 8 10 12

Anzahl der Kinder der Interviewte

Institutionelle Zugehörigkeit der Kinder Beijing

Fujian

Quelle: Eigene Darstellung

Die befragten Personengruppen setzten sich wie folgt zusammen: Die Interviews in Beijing wurden zu 57,1 Prozent mit Konsumenten, zu 17,2 Prozent mit Personen von Umwelt-NGOs und zu 15,7 Prozent mit Ökolieferanten durchgeführt. In Fujian sah die Struktur wie folgt aus: 60 Prozent waren Konsumenten, 10 Prozent Mitarbeiter von Umwelt-NGOs sowie 30 Prozent Öko-Lieferanten.

75 Abbildung 21: Befragte Personengruppen (n Beijing = 35, n Fujian = 30)

Quelle: Eigene Darstellung

Bezüglich der Kaufneigung zu Öko-Lebensmitteln war das Verhältnis der Beijinger Interviewten 85,7 Prozent pro Bio-Konsum zu 14,3 Prozent Nicht-Bio-Konsum. Das Verhältnis in Fujian betrug 80 Prozent Öko-Konsumenten zu 20 Prozent Nicht-Öko-Konsumenten. Öko-Lieferanten sind häufig auch Öko-Nicht-Öko-Konsumenten. Aber die Mitarbeiter von Umwelt-NGOs sind nicht unbedingt Öko-Konsumenten, selbst wenn sie sich für das Thema Umweltschutz engagieren.

Tabelle 14: Verhältnis von Öko-Konsumenten zu Nicht-Öko-Konsumenten (n Beijing = 35, n Fujian = 30)

Quelle: Eigene Darstellung

Bei den interviewten Öko-Konsumenten wird anschließend der Frage nachgegangen, welche Ökolebensmittel primär gekauft werden. Die folgende Abbildung zeigt, dass Öko-Gemüse sowohl in Beijing als auch in Fujian beliebt ist. Zudem werden vorwiegend Getreide, Eier, Obst und Fleisch von Öko-Konsumenten in Beijing gekauft.

Die untersuchten Öko-Käufer in Fujian bevorzugen Eier, Speiseöl oder Milch aus ökologischem Landbau.

Ort/ Familienstand Öko-Konsumenten Nicht-Öko-Konsumenten

Beijing 30 5

Fujian 24 6

76 Artikel wie Gemüse und Obst, Eier und Getreide, Speiseöl und Fleisch werden deshalb ökologisch bevorzugt, weil sie häufig von Lebensmittelskandalen betroffen waren. Im folgenden Kapitel werden die primären Kaufmotive überschaubar beleuchtet.

Abbildung 22: Bevorzugte Ökolebensmittel

Quelle: Eigene Darstellung

Bisher wurden einige soziodemographischen Merkmale der Untersuchungsgruppe relativ ausführlich dargestellt. Damit soll nicht gesagt werden, dass diese Darstellung repräsentativ ist. Stattdessen sollte sie zu einer Überschaubarkeit dienen, wie die biographischen Merkmale des befragten Individuums den institutionellen Wandel der chinesischen Gesellschaft seit Wirtschaftsreform reflektieren. Im Weiteren geht es anschließend darum, die empirischen Kernergebnisse zum Öko-Konsum systematisch zu interpretieren.