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Die Entwicklung der ökologischen Landwirtschaft in China

Kapitel 2 Theoretische Grundlage

2.3 Wandel des Entwicklungspfads in China

2.3.3 Die Entwicklung der ökologischen Landwirtschaft in China

Vergleicht man das europäische Modell mit dem chinesischen, lassen sich vielfältige Marktdifferenzen ausmachen: Die Entstehung und Ausweitung der chinesischen Biolandwirtschaft folgte im Vergleich zu der Entwicklung des Ökolandbaus in Europa keinem Bottom-up, sondern einem Top-down-Ansatz, weil die Idee einer ökonomischen Entwicklung durch eine auf den Export ausgerichtete ökologische Landwirtschaft19 von staatlicher Seite intensiv vorangetrieben wurde. In den 1980er Jahren wurde die ökologische Anbaumethode durch staatliche Unterstützung eingeführt. Die dadurch gewonnenen Ernteerträge wurden primär nach Europa, Amerika und Japan exportiert (vgl. auch Qiao 2011:133; ITC 2011).

Im Jahr 1994 wurde das „Organic Food Development Center“ als einzige nationale Bio-Zertifizierungsinstitution unter dem Dach von Umweltbehörde20 eingerichtet. Im Jahr 2003 änderte sie ihren Namen in „Nanjing National Organic Product Certification Center“ und wurde als erste chinesische Zertifizierungsstelle vom IFOAM (International Federation of Organic Agriculture Movements) akkreditiert. 2002 wurde das COFCC (Organic Food Certification Center) unter dem Dach des Ministeriums für Landwirtschaft gegründet. Seit 2005 hatte die nationale Behörde CNCA21 – die für die Verwaltung der Zertifizierung von Produkten (aus biologischem

19 Die ressourcenschonende bzw. Recyclinglandwirtschaft war eine Tradition in der Kaiserdynastie. Aber wegen der Ernährungsherausforderung der Massenbevölkerung wurde sie durch die Industrialisierung ersetzt und zurückgedrängt.

20 heute Umweltministerium

21 Abkürzung von „Certification and Accreditation Adminstration of the People’s Republic of China“

41 Anbau) zuständig ist – die Vorschriften für die biologischen Produkte und ein einheitliches Bio-Logo eingeleitet.

Abbildung 10: Nationales Logo für Bioprodukte

Quelle: COFCC 2014:4

Die chinesischen Vorschriften zum biologischen Anbau (verbunden mit einer Zentralisierung der Zertifizierungsakkreditierung) streben an, die Anforderungen dem internationalen Niveau anzupassen, um die „Green Trade“-Barriere zu beseitigen und den Export von Nahrungsmitteln nachhaltig zu fördern und am internationalen Wettbewerb teilzunehmen. Ein Hinweis auf die Bedeutung des freien Zugangs zu den Märkten ist, dass in China der Export (wie der Import) landwirtschaftlicher Produkte nach dem Eintritt in die WTO im Jahr 2001 kontinuierlich gesteigert wurde (siehe folgende Abbildung).

Abbildung 11: Der Anstieg des chinesischen Agrarhandels nach dem Eintritt in die WTO

Quelle: Lohmar et al. 2009:9

„The Chinese government itself was alive to the urgency and seriousness of the situation as early as 1980 when it launched an initiative to promote

‚Chinese ecological agriculture’ (CEA). Subsequently, it has promoted both

‘green’ food and organic agriculture as measures to reinforce sustainable agricultural practices.” (Sanders 2006:201ff.).

Seit dem 1. März 2012 hat die CNCA neue Regelungen, die auf eine Veränderung der Verordnung aus dem Jahr 2005 zurückgingen, erlassen, um die Qualitätsanforderungen an ökologisch erzeugte Lebensmittel abzusichern. Die neue

42 Regelung präsentiert sich als „Null-Toleranz-Politik” und ordnet folgende Änderung an:

„The no tolerance policy changes China's organic paradigm from non-use of prohibited materials to one of non-contamination and residue-free production and assurance.”(Ong Kung Wai 2013:179).

Im Vergleich zu Deutschland gibt es staatliche und private Kontrollstellen, aber der ökologische Produktionsstandard bzw. das Biosiegel wird ausschließlich durch die Behörde geregelt. Darüber hinaus waren/sind die Ökobetriebe in China —anders als in Europa —üblicherweise nicht in Verbänden organisiert. Daher gab es auch keine ökologische Bewegung, die durch alternative Gruppen oder ökologisch produzierende Bauern angestoßen wurde. Aktuell besitzt China im Zuge des internationalen Bio-Trends mit etwa 2 Mio. Hektar die viertgrößte Bio-Anbaufläche weltweit.

Abbildung 12: Die zehn Länder mit der größten Biolandwirtschaftsfläche

Quelle: Willer/Lernoud 2015:36

In den letzten Jahren hat sich der chinesische Biomarkt jedoch stark verändert. Eine Reihe von Nichtregierungsorganisationen wurde gegründet:

 China Federation of Organic Agriculture Movements (CFOAM)

 National Organic Industry Alliance (NOIA)

 Tianjin Organic Agriculture Development Association (TOADA)

43 Überdies steigt seit Anfang 2000 die Binnennachfrage nach Biolebensmitteln rasant an, es gab sogar eine Diskrepanz zwischen hoher Nachfrage und begrenztem Angebot.

„The Chinese domestic organic market was nearly non-existent in 2000, but it has grown fast since” (Qiao 2011:133).

Der Gesamtumsatz der Bioprodukte ist von rund 1,5 Mrd. Euro im Jahr 1997 auf nahezu 7 Mrd. Euro (etwa 59 Mrd. Yuan) im inländischen Markt und 290 Mio. Euro (2 Mrd. Yuan) durch Exporte im Jahr 2011 angestiegen (vgl. CAAC 2015:37; ITC:2011).

Gemessen am ökonomischen Entwicklungsstand fing der Boom des chinesischen Marktes im Vergleich zu den Industrieländern schon relativ frühzeitig an. Wie bereits erwähnt wurde, lag nach chinesischem Statistikamt das durchschnittliche monatlich verfügbare Pro-Kopf-Einkommen 2012 in China nur bei etwa 320 Euro. Im Vergleich dazu betrug nach statistischem Bundesamt in Deutschland das durchschnittliche monatlich verfügbare pro-Haushalt- Nettoeinkommen 3069 Euro im Jahr 2012.

Darüber hinaus sind die ökologisch erzeugten Lebensmittel in China zwei- bis zehnfach teurer als konventionelle Lebensmittel. Trotzdem ist der inländische Biomarkt rasant gewachsen.

Offenbar ist die außergewöhnliche Entwicklung der chinesischen ökologischen Landwirtschaft nicht zuletzt auf die staatliche Förderung bzw. auf staatliche Initiativen zurückzuführen, die mit den Zielsetzungen z.B. der Armutsbekämpfung verbunden sind. Selbst wenn die behördliche Unterstützung zur Entwicklung der ökologischen Landwirtschaft beigetragen hat, bleibt die Frage nach weiteren fördernden Einflussfaktoren des Bio-Konsums offen.

Nach Brand setzt das Gelingen der „Agrarwende“ voraus, dass die gesellschaftlichen Akteure ihr Verhalten bewusst nach ökologischen Gesichtspunkten ausrichten, dass z.B. die Konsumenten bereit sind, für relativ teure Bioprodukte zu zahlen, anstatt billigere, konventionell erzeugte Lebensmittel zu kaufen (vgl. Brand 2006:10).

Überdies besteht eine enge Beziehung zwischen den Konsummustern und der Umweltbelastung in einer Gesellschaft. Nach Einschätzung des Umweltbundesamtes

44 in Deutschland sind „mindestens 30 bis 40 Prozent aller Umweltprobleme direkt oder indirekt auf die herrschenden Konsummuster zurückzuführen“ (vgl. UBA 1997:221).

Der Lebens- und Konsumstil im bevölkerungsreichen China dürfte einen großen Einfluss auf die nachhaltige Entwicklung der Weltgesellschaft haben. Vor diesem Hintergrund ist es notwendig und bedeutend, den Konsum, besonders den nachhaltigen Lebensmittelkonsum der Chinesen zu erforschen.

2.4 Forschungsrahmen