• Keine Ergebnisse gefunden

Ökologische Modernisierung im globalen Kontext

Kapitel 2 Theoretische Grundlage

2.1 Prozesse der Modernisierung

2.2.2 Ökologische Modernisierung im globalen Kontext

Ökologische Modernisierung gilt als ein gesellschaftliches Entwicklungskonzept, mit dem ökologische Fehlentwicklungen der Industrialisierung korrigiert werden sollen.

Es handelt sich hierbei um ein Konzept, das gesellschaftlich zunehmend an Gewicht gewonnen hat:

„Ecological modernisation has stood out as one of the strongest, most well-known, used and widely cited, and constantly debated concepts”

(Mol/Spaargaren/Sonnenfeld 2009:4).

Das vorliegende Kapitel geht vom historischen Aspekt aus und legt den Fokus auf die heterogene Forschung zur ökologischen Modernisierung.

Laut Jänicke beschränkte sich der Diskurs der „ökologischen Modernisierung“ ursprünglich auf eine Berliner Sozialwissenschaftsgruppe in den 1980er Jahren (Jänicke 1984, 2000) und übte später einen starken Einfluss auf den

„umweltpolitischen Diskurs der deutschen Sozialdemokratie und der Gewerkschaften“ aus (ebd.). Später wird der Diskurs der „ökologischen Modernisierung“ zeitweise auch unter der Bezeichnung „Berliner Schule“ der umweltpolitischen Forschung geführt (Mez/Weidner 1997; Prittwitz 1993; Meyer 2010 zitiert nach Jänicke 2012).

20 Neben Jänicke bezeichnet Huber die „ökologische Modernisierung als ein Leitbild des Umwelthandeln(s)“, mit dem versucht wird, eine Balance zwischen Ökonomie und Ökologie bzw. Industrie und Natur herzustellen. Obwohl für beide Autoren der technische Fortschritt im Zentrum der ökologischen Modernisierung steht, betont Jänicke besonders den engen Zusammenhang zwischen Ökoinnovation und politischer Regulierung (vgl. Jänicke 2012:60). Stärker als Jänicke verweist Huber durch die Analyse industrieller Entwicklungsprozesse auf die „Schlüsselrolle technischer Umweltinnovation“ in der ökologischen Modernisierung (vgl. Huber 1982/2010:283).

Mit der Zeit entwickelte sich der Begriff der ökologischen Modernisierung von einem normativen Konzept der Ökoeffizienzsteigerung zu einer Theorie für die Analyse des sozio-ökologischen Wandels.

„While initially, in the 1980s, ecological modernisation started in Germany as a normative idea; in the 1990s it developed into a descriptive analytical theory of socio-ecological change.” (Mol/Jänicke 2009:23)

Es gibt eine ganze Reihe von Beiträgen, die sich der Erforschung ökologisch orientierter Gesellschaftsmodernisierung widmen. Pioniere dieses Forschungsstranges sind Arthur Mol, Gert Spaargaren und Maarten Hajer. Sie begreifen ökologische Modernisierung nicht mehr als umwelttechnisch orientiertes Innovationskonzept wie Jänicke und Huber, sondern als eine in die Umweltsoziologie eingeordnete Theorie, die mit den soziologischen Theorien von Ulrich Beck, Anthony Giddens, Manuel Castells, John Urry usw. verknüpft ist. Bei ihnen wird die ökologische Modernisierung als eine Theorie (statt eines Konzepts bei Jänicke und Huber) verstanden, die den gesellschaftlichen Wandel untersucht (vgl.

Mol/Spaargaren/Sonnenfeld 2009:8; Mol/Spaargaren 2000:17ff.; Spaargaren/Mol 1992:334ff.).

Neben Mol und Spaargaren vertritt Hajer die Ansicht, dass ökologische Modernisierung als Theorie „den strukturellen Charakter der Umweltproblematik erkennt und dabei gleichzeitig unterstellt, dass die existierenden politischen,

21 ökonomischen sowie sozialen Institutionen die Sorge um die Umwelt internalisieren können“ (Hajer 1997:108).

In diesem ausgeweiteten Rahmen erweitert sich das Forschungsinteresse am ökologischen Strukturwandel von Fragen der Infrastruktur zu den Konsumgewohnheiten sowie dem nachhaltigen Lebensstil. Die folgende Tabelle zeigt die Entwicklung des Forschungsinteresses an Fragen der ökologischen Modernisierung auf, die sich vom früheren Fokus auf die technische Innovation in den Industrieländern auf das Thema der „grünen“ Transformation (z.B. im Konsumverhalten) in und außerhalb der Industrieländer verlagert hat.

Tabelle 2: Forschungsinteresse an der ökologischen Modernisierung im Westen

Zeit Anfang der 1980er

Jahre

Zwischen Ende der 1980er bis Mitte der 1990er Jahre

Seit Mitte der 1990er

Quelle: Eigene Darstellung (vgl. Huber 1993; Mol/Spaargaren et al 2009)

Mit der überregionalen Ausbreitung der Idee von ökologischer Modernisierung erreicht sie auch ihre Blütezeit. Nach Jänicke ist zum einen „die Umweltinnovation als Megatrend“ etabliert. Zum anderen gelten Umweltregulierungen – die in immer mehr Ländern eingeführt wurden – und das Bewusstsein der „Risiken für umweltintensive Produktion und Produkte“ im komplexen globalen Kontext als „die Antriebsmechanismen für die ökologische Modernisierung“ (vgl. Jänicke 2012:59).

Ihren Boom verdankt sie jedoch dem Wachstumsinteresse, weil sie mit dem technologiebasierten Innovationsansatz nicht nur ein großes Potenzial umweltbezogener Problemlösungen anbietet, sondern auch einen neuen Weg für das Wirtschaftswachstum bahnt: „Die politische Ökologie ist im Wesentlichen immer noch eine politische Ökonomie“ (Huber 1982:189).

Bis dato können sowohl Industrie — als auch Entwicklungsländer auf wirtschaftliches Wachstum als traditionell wichtiges politisches Ziel nicht verzichten, weil dieses für

22 die Schaffung neuer Arbeitsplätze und zur Förderung des materiellen Wohlstands einer Nation unabdingbar scheint (vgl. Steurer 2002:65ff).

Es wird geschätzt, dass das globale Volumen der GreenTech-Leitmärkte im Jahr 2025 bei 5 385 Milliarden Euro liegen werden sollte. Dieser Wert basiert auf der Prognose, dass sich die Querschnittsbranche im Zeitraum 2013 bis 2025 mit einer jahresdurchschnittlichen Wachstumsrate von 6,5 Prozent entwickelt (BMUB 2014:7).

Im Jahre 2013 belief sich das globale Marktvolumen der Umwelttechnik und Ressourceneffizienz auf 2.536 Milliarden Euro (ebd.).

Eine weitere spezifische Bedeutung hat das Wirtschaftswachstum vor allem in den Entwicklungsländern, da es zu deren Stabilisierung beiträgt, während soziale Konflikte bei sinkendem Wachstum zuzunehmen drohen:

„A five-percentage-point negative growth shock increases the likelihood of a civil war the following year by nearly one-half“(Miguel et al. 2004:746).

Es ist noch strittig, ob sich Ressourcenverbrauch und Naturzerstörung durch Ressourceneffizienz und Recyclingorientierung „verlangsamen“ werden. Technische Innovationen kurbeln immer auch das Wachstum an, wobei sich Rebound-Effekte in der Gesellschaft nicht ausschließen lassen. In diesem Sinne bietet das Konzept der ökologischen Modernisierung (vgl. Jänicke 2001) sicherlich keine endgültige Lösung für die ökologische Krise an. Dennoch kann es als ein vorläufiger und praktikabler Handlungsansatz betrachtet werden. Es kann dazu beitragen, Umweltkonflikte zu vermindern und ökologische Krisen zu entschärfen, wobei auch die Erhaltung der Biodiversität begünstigt bzw. deren Rückgang entschleunigt werden kann.

Nach der theoretischen Diskussion der ökologischen Modernisierung soll der Fokus im Folgenden auf das Praxisfeld der ökologischen Landwirtschaft gerichtet werden, die als nachhaltig-strategische Alternative zu den Defiziten der industriellen Landwirtschaft verstanden wird. Die ökologische Modernisierung der Landwirtschaft scheint zu einer umso dringlicheren Aufgabe zu werden, je mehr die herkömmliche Landwirtschaft, Umwelt und Gesundheit etwa durch den intensiven Einsatz von

23 Chemikalien mehr und mehr zu belasten droht und ihre Produkte von den Verbrauchern als immer risikoreicher wahrgenommen werden.