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Schwarzarbeit, illegale Beschäftigung und Scheinselbständigkeit

Tabelle 2.3: Arbeitgeberprüfungen des Zolls (differenziert nach Branchen)

2.2.3 Schwarzarbeit, illegale Beschäftigung und Scheinselbständigkeit

116 Die Umsetzung des Mindestlohns stellt insbesondere mit Blick auf Schwarzarbeit, illegale Beschäftigung und Scheinselbständigkeit eine Herausforderung dar. Diesen ist gemeinsam, dass Beschäftigte sowie Arbeitge-berinnen und Arbeitgeber Steuern und Abgaben vermeiden wollen. Auf Kosten der Gesellschaft gehen auf diese Weise (legale) Arbeitsplätze verloren, es werden Unternehmen vom fairen Wettbewerb ausgeschlos-sen und der Staat, einschließlich der Sozialversicherungsträger, hat ein verringertes Aufkommen an Steuern

und Abgaben. Illegale Beschäftigung, Schwarzarbeit und Scheinselbständigkeit schaden somit dem einzel-nen Beschäftigten, gesetzestreuen Unternehmen und der Solidargemeinschaft.

117 Obwohl viele Bereiche der Wirtschaft von Schwarzarbeit betroffen sind, lassen sich Umfang und Entwick-lung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung – unabhängig von der Einführung eines Mindestlohns – nur schwer beziffern. Es gibt gleichwohl Hinweise darauf, dass insbesondere lohnintensive Wirtschafts-zweige sowie Niedriglohnbranchen von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung betroffen sein können.

Nach Erfahrungswerten der Kontrollbehörden liegen die Schwerpunkte der Schwarzarbeit und der illega-len Beschäftigung in bestimmten Branchen, die in § 2a SchwarzArbG sowie in § 28a Abs. 4 SGB IV expli-zit genannt sind. Der Zoll hat zur Prävention branchenbezogene Aktionsbündnisse gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung mit den jeweiligen Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften gegründet, die auch der gemeinsamen Unterstützung im Hinblick auf Maßnahmen zur Einhaltung der Mindestlöhne dienen (Bundes-regierung 2017: 46f.; Zoll 2020).

118 Die Evaluation der Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns auf die Schwarzarbeit steht vor besonderen Herausforderungen. In der Forschung haben sich zwei unterschiedliche Herangehensweisen herausgebildet, um das Ausmaß von Schwarzarbeit bzw. Schattenwirtschaft zu messen (Boockmann et al. 2010; Verbeek et al. 2020b). Einerseits wird versucht, über direkte Befragungen (vgl. für Deutschland insbesondere Feld und Larsen 2012, 2005) oder andere Erhebungen wie beispielsweise administrative Daten das Niveau der Schwarzarbeit zu erfassen. Andererseits wird versucht, sich der Thematik mit indirekten Methoden zu nähern, die meist auf makroökonomischen Kennzahlen aufbauen (vgl. z. B. Schneider und Boockmann 2020, 2015).

Zudem wird in Feldexperimenten versucht, Schwarzarbeit zu identifizieren (vgl. z. B. Slemrod und Weber 2012; Doerr und Necker 2018). Bei der Messung der Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns auf die Schwarzarbeit müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Zum einen bedarf es einer Methode, mit der das Aus-maß der Schwarzarbeit – unabhängig vom Mindestlohn – möglichst zuverlässig gemessen werden kann. Zum anderen muss es möglich sein, den kausalen Effekt des Mindestlohns auf die Veränderung im Umfang der Schwarzarbeit isolieren zu können. Eine Mindestvoraussetzung dafür ist, dass Daten für den Zeitraum vor und nach der Mindestlohneinführung vorliegen und ein Bezug zum Mindestlohn, z. B. über die Mindestlohn-betroffenheit von Beschäftigten oder Sektoren, hergestellt werden kann.

119 In einer umfassenden Bestandsaufnahme kommen Verbeek et al. (2020b) zu dem Ergebnis, dass auf Basis der verfügbaren Datensätze und Methoden keine valide Abschätzung der Auswirkungen des Mindestlohns auf das Ausmaß der Schwarzarbeit vorgenommen werden könne. So seien beispielsweise Primärerhebungen, die zum Zweck der Messung der Schwarzarbeit durchgeführt und in denen die Befragten mit geeigneten Methoden direkt danach gefragt würden, inwiefern sie Schwarzarbeit ausübten, zwar grundsätzlich ein pro-bater Ansatz. Allerdings existieren keine Befragungen, die den Zeitraum der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns abdecken. Eine Alternative könnten existierende Erhebungen wie beispielsweise das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) oder die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bun-desamtes darstellen. Keine der genannten Befragungen könne die Schwarzarbeit in geeigneter Form und valide über den Zeitverlauf erfassen. Administrative Datenquellen mit Informationen zur Schwarzarbeit, wie beispielsweise die Ermittlungsdatenbank der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) oder Daten der Finanzver-waltung, würden zwar teilweise sehr detaillierte und nach Branchen untergliederte Informationen zu verdäch-tigten und nachgewiesenen Fällen von Schwarzarbeit beinhalten. Allerdings seien diese nicht repräsentativ, womit keine allgemeingültigen Aussagen möglich seien. Die indirekten Methoden würden wiederum keine geeignete Basis liefern, da sie auf stark aggregierten Daten und damit notwendigerweise restriktiven Modell-annahmen basierten (Verbeek et al. 2020b; zu den indirekten Methoden generell vgl. auch Boockmann et al.

2010). Die Hürden für die Messung der Auswirkungen von Mindestlöhnen auf die Schwarzarbeit spiegeln

sich nicht zuletzt darin wider, dass es keine Studien aus den USA oder Westeuropa zu dieser Fragestel-lung gibt.31 Die Evaluationsstudien zu den Branchenmindestlöhnen konnten ebenfalls keine konkrete Aus-sage über den kausalen Zusammenhang zwischen Schwarzarbeit und Branchenmindestlöhnen treffen (vgl.

z. B. IAB/RWI/ISG 2011 für das Bauhauptgewerbe; IAW 2011a für das Elektrohandwerk).

120 Ein alternativer Zugangsweg bestehe in der Nutzung qualitativer Methoden wie leitfadengestützter Interviews mit Betrieben oder Beschäftigten oder Experteninterviews bei Verbänden und Gewerkschaften (Verbeek et al.

2020b: iv). Diese würden zwar ebenfalls keine repräsentativen Aussagen dazu zulassen, inwiefern sich das Ausmaß der Schwarzarbeit infolge der Einführung oder Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns verändert habe. Aber sie würden erlauben, mögliche Zusammenhänge zwischen dem Mindestlohn und der Schwarz-arbeit etwas besser auszuleuchten. Für die Branchenmindestlöhne kamen solche qualitativen Ansätze zu dem Ergebnis, dass die Befragten mehrheitlich keinen Einfluss des jeweiligen Branchenmindestlohns auf den Umfang der Schwarzarbeit gesehen hätten (vgl. z. B. IAB/RWI/ISG 2011: 139ff. für das Bauhauptgewerbe;

IAW 2011a: 228ff. und 246f. für das Elektrohandwerk).32 Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen dem gesetzlichen Mindestlohn und Schwarzarbeit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rah-men der Evaluation des Mindestlohngesetzes nach § 23 MiLoG eine solche qualitative Studie beauftragt.

Der Abschlussbericht wird für Ende des Jahres 2020 erwartet. Zudem können Feld- oder Laborexperimente innovative Ansätze bieten, um die Ausprägung von Schwarzarbeit und deren Zusammenhang mit der Min-destlohnbetroffenheit zu quantifizieren.

121 Ein Beispiel für die Anwendung einer indirekten Methode stellen die Arbeiten von Schneider und Boock-mann (2015, 2020) dar. Die Autoren schätzen dabei auf Basis eines Simulationsmodells die Entwicklung der Schattenwirtschaft. Für den Zeitraum von 2009 bis 2020 kommen Schneider und Boockmann (2020: 21) zu dem Ergebnis, dass der Umfang der Schattenwirtschaft kontinuierlich rückläufig sei. In ihrer Modellschät-zung für das Jahr 2015 haben sie auch den gesetzlichen Mindestlohn berücksichtigt. Dieser geht dabei nicht direkt in die Modellschätzung ein, sondern wird über eine Variable erfasst, die den Regulierungsgrad der Wirtschaft misst. Auf Basis ihres Modells und der dem Modell zugrundeliegenden Annahmen beziffern sie den mindestlohnbedingten Anstieg der Schattenwirtschaft auf 1,5 Mrd. Euro pro Jahr. Bei einer vollstän-digen Einhaltung des Mindestlohns hätten die Löhne ihren Berechnungen auf Basis des SOEP zufolge um insgesamt 7 Mrd. Euro pro Jahr erhöht werden müssen. Somit sei nur ein geringer Anteil der notwendigen Lohnerhöhungen durch ein Ausweichen in die Schattenwirtschaft umgangen worden (Schneider und Boock-mann 2015: 27ff.). Der von Schneider und BoockBoock-mann (2015, 2020) verwendete Ansatz wird unter ande-rem dafür kritisiert, dass die Ergebnisse stark von den Modellannahmen abhängen und die Annahmen und Rechenschritte nicht ausführlich dargelegt würden (Verbeek et al. 2020b: 57ff.).

122 Als Teil ihrer qualitativen Studien zu den Verhaltensmustern von Betrieben und Beschäftigen im Kontext des gesetzlichen Mindestlohns haben Koch et al. (2020: 109ff.) anhand leitfadengestützter Interviews mit Betrieben, Beschäftigten und Betriebsräten das Thema Schwarzarbeit thematisiert, das teilweise eng mit der Nichteinhaltung des gesetzlichen Mindestlohns verknüpft ist. Eine beschriebene Ausprägung von Schwarz-arbeit sei die nicht angemeldete Vergütung von Arbeitszeit, die zum Teil im gegenseitigen Einvernehmen von Betrieben und Beschäftigten stattfinden würde. Dazu zähle beispielsweise die Abweichung der tatsächlich

31 In ihrem Überblick zum aktuellen Forschungsstand konnten Verbeek et al. (2020b: 10ff.) lediglich wenige Studien zu Indo-nesien, Lateinamerika sowie Osteuropa identifizieren.

32 Gleichzeitig wurde auf Basis von Schätzungen über die Anzahl illegal Beschäftigter und den Umfang der illegalen Beschäfti-gung in der Baubranche konstatiert, dass illegale BeschäftiBeschäfti-gung und Schwarzarbeit, die Missachtung der Handwerksordnung oder unerlaubte Nachbarschaftshilfe bei Bautätigkeiten weit verbreitet zu sein scheinen, mit einem sektoralen Schwerpunkt der Schwarzarbeit auf den Bereichen Bau-, Renovierungs- und Reparaturarbeiten (IAB/RWI/ISG 2011: 139ff.).

geleisteten von der ordnungsgemäß dokumentierten und vergüteten Arbeitszeit, wobei die Differenz ungemel-det vergütet werde. Auch werde mitunter ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis begrünungemel-det, obwohl von vornherein klar sei, dass die Geringfügigkeitsgrenze aufgrund des geplanten Beschäftigungsumfangs faktisch überschritten werde. Eine andere beobachtete Form von Schwarzarbeit seien ungemeldete Tätigkeiten von Beschäftigten, die neben ihrer abhängigen Beschäftigung in ihrem privaten Umfeld Dienstleistungen erbrin-gen würden. Dies werde vorrangig als branchenspezifisches Phänomen beschrieben. Von einierbrin-gen Befragten werde ein expliziter Zusammenhang zwischen dem Mindestlohngesetz und dem vermehrten Auftreten von Schwarzarbeit in diesen Branchen hergestellt. Die Befragten hätten zudem eine Reihe von Faktoren genannt, welche die ungemeldete Vergütung von Arbeitszeit und Dienstleistungen ihren Erfahrungen nach erschweren würde. Dazu würden die digitale im Gegensatz zur händischen Erfassung der Arbeitszeit und bargeldlose Zah-lungen im Gegensatz zu Bargeldtransaktionen gehören. Die Studie von Koch et al. (2018) weist darauf hin, dass sich auf Basis der zugrundeliegenden Interviews nicht feststellen lasse, inwiefern die Einführung des Mindestlohns zu einer Ausweitung der Schwarzarbeit geführt habe. Entsprechende Verhaltensweisen habe es nach Auskunft der Befragten häufig bereits vor der Einführung des Mindestlohns gegeben. Eine Veränderung lasse sich allenfalls in einen zeitlichen, nicht jedoch in einen ursächlichen Zusammenhang bringen (Koch et al. 2018: 120).

2.2.4 Ergebnisse von Datenerhebungen bei Betrieben und Beschäftigten

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