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Abbildung 3.9: Zugänge in Arbeitslosigkeit nach Anforderungsniveau

Im Dokument Bericht der Mindestlohnkommission an die (Seite 110-113)

Anzahl in Tsd.

350 300 250 200 150 100 50 0

Helfer Fachkraft Spezialist Experte Keine Angabe

Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4

2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

Anmerkung: Für die Abgrenzung der Grundgesamtheit vgl. Info-Box 5.

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnungen.

190 Das Mindestlohngesetz sieht in § 22 Abs. 4 vor, dass für Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die unmittelbar vor Beginn der Beschäftigung langzeitarbeitslos waren, der gesetzliche Min-destlohn in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung nicht gilt. Das IAB hat entsprechend § 22 Abs. 4 S. 2 MiLoG die Ausnahmeregelung für Langzeitarbeitslose hinsichtlich der Frage evaluiert, inwieweit diese die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt gefördert hat (vom Berge et al. 2016c, d). Die Evaluation des IAB kommt zu dem Ergebnis, dass die Ausnahmeregelung in nur sehr geringem Umfang genutzt worden sei. Lediglich etwa 1,4 Prozent der Langzeitarbeitslosen hätten nach Angaben des IAB vor der Beschäftigungsaufnahme eine Bescheinigung ihrer Langzeitarbeitslosigkeit angefragt. Dies ent-spreche deutschlandweit monatlich rund 350 Anfragen. Die Anzahl der tatsächlich genutzten Bescheini-gungen liege nach Einschätzung des IAB nochmals darunter. In der Arbeit der Jobcenter hätte die Ausnah-meregelung bisher weder in der arbeitnehmer- noch in der arbeitgeberorientierten Vermittlung eine größere Rolle gespielt. Andere Instrumente zur Förderung der Integration von Langzeitarbeitslosen, wie z. B. Ein-gliederungszuschüsse, würden als effektiver angesehen. Die Wirkungsanalysen kommen zu dem Ergebnis, dass die Ausnahmeregelung keine statistisch signifikanten Effekte auf das Lohnniveau von Langzeitarbeits-losen gehabt hätten und Langzeitarbeitslose bei ihrer Einstellung nicht systematisch häufiger mit weniger als dem Mindestlohn bezahlt worden seien als Beschäftigte in den herangezogenen Vergleichsgruppen. Die Ein-stellungswahrscheinlichkeit für Langzeitarbeitslose sei nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns

53 Es handelt sich beim Anstieg der Zugänge der Helferinnen und Helfer mit großer Wahrscheinlichkeit um einen Bereini-gungseffekt in der Kategorie „Keine Angabe“ im Zuge der Umstellung des Erhebungsverfahrens im Jahr 2012, die die Helferinnen und Helfer im Vergleich zu den anderen Anforderungsniveaus überproportional betrifft. Die Kategorie „Keine Angabe“ verzeichnet zwischen dem ersten Quartal 2014 und dem ersten Quartal 2016 einen Rückgang um rund 5 Tsd.

Zugänge und zwischen dem ersten Quartal 2016 und dem ersten Quartal 2019 einen Rückgang um rund 36 Tsd. Zugänge.

unverändert. Zudem würden sich keine Hinweise auf Drehtüreffekte, d. h. eine Häufung von Entlassungen nach dem Auslaufen der Ausnahmeregelung nach sechs Monaten, oder Substitutionseffekte beobachten las-sen.

191 Über die deskriptiven Datenanalysen hinaus liegen einige Forschungsarbeiten vor, die den kausalen Einfluss des gesetzlichen Mindestlohns auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit untersuchen. Die kurzfristigen Aus-wirkungen der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns wurden ausführlich von Bonin et al. (2018) unter-sucht. Ihre Differenz-von-Differenzen-Analysen anhand der regionalen Eingriffstiefe des Mindestlohns auf Basis der Daten der Bundesagentur für Arbeit deuten auf keinen statistisch signifikanten Einfluss des Min-destlohns auf die Arbeitslosigkeit in den Jahren 2015 und 2016 hin. Dies gilt auch für separate Betrachtun-gen nach dem Geschlecht, der Nationalität sowie dem Alter der Arbeitslosen. Zusätzlich schätzen die Auto-rinnen und Autoren auf Basis von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) die Wahrscheinlichkeit für Personen, die im Jahr 2014 unterhalb des Mindestlohns entlohnt wurden, in den Jahren 2015 und 2016 arbeitslos zu werden. Den Analysen zufolge erhöhte der Mindestlohn die Arbeitslosigkeits-Wahrscheinlichkeit für diese Personengruppe nicht. Die Untersuchungen zu den Beschäftigungsbewegungen mittels eines pro-jektspezifischen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Datensatzes (PAAD) auf Basis der Integrierten Erwerbsbiografien (IEB) zeigen ebenfalls keine vermehrten Übergänge aus geringfügiger Beschäftigung in Arbeitslosigkeit, wäh-rend die Abgangsrate aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung in Arbeitslosigkeit mindestlohnbe-dingt sogar leicht zurückgegangen sei. Schmitz (2019) untersucht die spezifischen Auswirkungen des Min-destlohns auf Arbeitslosengeld-II-Beziehende für das Jahr 2015. Dabei findet er keine eindeutigen Effekte auf die nicht erwerbstätigen Arbeitslosengeld-II-Beziehende. Garloff (2019) ermittelt für das Jahr 2015 einen Rückgang der Arbeitslosigkeit, der jedoch über verschiedene Modellspezifikationen hinweg nicht robust sei. Dementsprechend betont Garloff (2019), dass der ermittelte Anstieg der Arbeitslosigkeit mit Vorsicht zu interpretieren sei.

192 Pestel et al. (2020) untersuchen die mittelfristigen Effekte des Mindestlohns auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Zeitraum bis zum dritten Quartal 2019. Methodisch folgen sie dem Vorgehen von Bonin et al. (2018). Sie finden für den Beobachtungszeitraum keinen statistisch signifikanten Effekt des Min-destlohns auf die Arbeitslosigkeit. Dies gelte für die Anzahl der Arbeitslosen insgesamt wie für die sepa-raten Betrachtungen von Arbeitslosen im Rechtskreis des SGB III (Arbeitslosengeld) und von Arbeitslosen im Rechtskreis des SGB II (Arbeitslosengeld II). Eine separate Analyse der Erhöhung des Mindestlohns im Jahr 2017 ergebe, dass diese ebenfalls keinen statistisch signifikanten Effekt auf die Arbeitslosigkeit gehabt habe. Auf Basis des gleichen, nun den Zeitraum bis zum dritten Quartal 2018 umfassenden PAAD untersu-chen die Autoren anhand der regionalen Eingriffstiefe des Mindestlohns zusätzlich Übergänge von Beschäf-tigten in Arbeitslosigkeit. Für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte stellen sie keine statistisch signifi-kante Veränderung der Abgänge in Arbeitslosigkeit fest, für geringfügig Beschäftigte ermitteln sie einen gerin-gen Rückgang der Übergänge in Arbeitslosigkeit. Insgesamt kommen die vorliegerin-genden Kausalanalysen also sowohl für die kurze wie für die mittlere Frist zu dem Ergebnis, dass der gesetzliche Mindestlohn keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die Arbeitslosigkeit gehabt habe.

3.3 Arbeitszeit

193 Neben den Auswirkungen auf Beschäftigung und Arbeitslosigkeit (vgl. vorherige Abschnitte 3.1 und 3.2) kann der Mindestlohn Einfluss auf die Anzahl der Arbeitsstunden haben. Längerfristig ist die durchschnitt-liche Arbeitszeit in Deutschland zwischen den Jahren 1995 und 2018 um 0,4 Prozent zurückgegangen.

Dies ist auf einen Anstieg der Teilzeitquote und die damit verbundene sinkende durchschnittliche Arbeits-zeit je Beschäftigtem zurückzuführen (Sachverständigenrat 2019: 73). Mit Blick auf die Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns auf die Arbeitszeit ergeben die bislang vorliegenden Erkenntnisse kein einheitli-ches Bild. Bei repräsentativen Befragungen von Unternehmen zu deren Anpassungsmaßnahmen infolge der Mindestlohneinführung zählen die Reduzierung der Arbeitszeit und die Arbeitsverdichtung zu den am häu-figsten genannten Maßnahmen (Statistisches Bundesamt 2018a, 2017b, c; Bellmann et al. 2016; vgl. auch Info-Box 7). Dies spiegelt sich in qualitativen Studien wider (Koch et al. 2020; Koch et al. 2018). Auf Basis von deskriptiven Auswertungen zeigt sich insbesondere in den Daten der Verdienststrukturerhebungen (VSE) sowie der Verdiensterhebungen (VE) ein deutlicher Rückgang der bezahlten Arbeitsstunden in den Jahren 2015 und 2016, der im Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) geringer ausfällt. In den Folgejahren nahm die Arbeitszeit gemäß beiden Datensätzen bei Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten wieder zu und erreichte im Jahr 2018 in etwa das Niveau des Jahres 2014. Lediglich bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen sank die Arbeitszeit durchgehend zwischen den Jahren 2014 und 2018. Kausale Wirkungsstudien identifizieren je nach gewählter Methodik teils einen Rückgang, teils keine statistisch signifikanten Effekte auf die Arbeits-zeit. Übereinstimmend konnte bislang lediglich eine Reduktion der vereinbarten Arbeitszeit direkt nach der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 festgestellt werden.

194 Gemäß IAB-Betriebspanel 2015 berichteten 18 Prozent der von der Mindestlohneinführung betroffenen Betriebe, dass sie aufgrund des Mindestlohns die Arbeitszeiten verkürzt oder die Arbeit verdichtet hätten (Bellmann et al. 2016). Beim Meinungsbild, das das Statistische Bundesamt im Rahmen der VE 2015 ermittelt hat, gaben 37 Prozent der Betriebe an, Arbeitszeitverkürzungen als Anpassungsmaßnahme im Zuge der Mindestlohneinführung ergriffen zu haben (Statistisches Bundesamt 2017b: 60). In beiden Betriebsbe-fragungen war es damit – knapp vor der Anpassung der Absatzpreise – die am häufigsten genannte Maß-nahme. Dass die Modifikation der Arbeitszeit eine zum Teil praktizierte betriebliche Anpassungsmaßnahme nach der Einführung des Mindestlohns gewesen sei, bestätigen auch die qualitativen Studien von Koch et al.

(2020: 67ff.) und Koch et al. (2018: 70ff.). Einige Betriebe und Beschäftigte hätten berichtet, dass die Arbeitszeit reduziert worden sei, um die aufgrund des Mindestlohns gestiegenen Lohnkosten aufzufangen.

Mitunter würden Betriebe auf eine strengere Einhaltung von Arbeits- und Pausenzeiten sowie von Vor- und Nachbereitungszeiten achten, was aus der Perspektive der Betriebe zu einer erhöhten Produktivität geführt habe, während in diesen Fällen Beschäftigte von Arbeitsverdichtung und Mehrbelastung berichtet hätten.

195 Ein Rückgang der Arbeitszeit lässt sich in deskriptiven Auswertungen der VSE/VE sowie im SOEP direkt nach der Mindestlohneinführung in den Jahren 2015 und 2016 beobachten. In der VSE/VE werden dazu Beschäftigte betrachtet, die in den jeweiligen Jahren Stundenlöhne im Mindestlohnbereich erhielten. Aus-gangsbasis sind alle Beschäftigten, die im Jahr 2014 Stundenlöhne unterhalb von 8,50 Euro verdienten.

Für die Jahre danach wurde der Mindestlohnbereich als 10-Cent-Intervall um den jeweils gültigen Mindest-lohn definiert (Abbildung 3.10).54 Im Zuge der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns reduzierte sich die bezahlte Wochenarbeitszeit bei Vollzeit-Beschäftigungsverhältnissen im Mindestlohnbereich zwischen den Jahren 2014 und 2016 im Durchschnitt um 6,8 Prozent, bei Teilzeit-Beschäftigungsverhältnissen um 7,1 Prozent und bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen um 7,4 Prozent. Nach der ersten Erhöhung des Mindestlohns nahmen in den Jahren 2017 und 2018 im Vergleich zum Jahr 2016 die Arbeitszeiten im Mindestlohnbereich bei Vollzeit- und Teilzeit-Beschäftigungsverhältnissen wieder um 7 bzw. 5,9 Prozent zu

54 Die Angaben zur durchschnittlichen Arbeitszeit im Mindestlohnbereich auf Basis der VSE/VE unterscheiden sich leicht von den Zahlen in den Abschlussberichten zur VE 2015, 2016 und 2017 sowie in der VSE 2018 des Statistischen Bundes-amtes. Dies ist darauf zurückzuführen, dass aus dem Sample für den vorliegenden Bericht Beschäftigungsverhältnisse in Altersteilzeit ausgeschlossen wurden.

und erreichten in etwa das Niveau vor der Mindestlohneinführung. Bei geringfügigen Beschäftigungsverhält-nissen hingegen sank die Arbeitszeit in diesem Zeitraum um weitere 8 Prozent. Die sehr unterschiedlichen Werte bei den Arbeitszeiten der Vollzeitbeschäftigten in den Jahren 2015 bis 2017 im Vergleich zu den Jah-ren 2014 und 2018 deuten darauf hin, dass die VE die Arbeitszeiten für diese Beschäftigtengruppe weniger valide abbilden als die beiden VSE.

Abbildung 3.10: Durchschnittlich bezahlte Arbeitszeit in Beschäftigungsverhältnissen

Im Dokument Bericht der Mindestlohnkommission an die (Seite 110-113)

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