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Obwohl das ICN-Modell eher für die Beschreibung von klar formulierbaren Bürovorgängen konzipiert wurde, konnte es auch einen wesentlichen Beitrag zur Modellierung des vergleichsweise schwach strukturierten Hardwarebeschaffungsvorgangs leisten. Es zeigt sich, daß einige Aspekte des Vorgangs sehr schon dargestellt werden konnten, andere dagegen nur unzureichend oder überhaupt nicht. Da andere vergleichbare Beschreibungssprachen, welche Informationsprozesse teilweise sehr detailliert und formal darstellen, bezüglich Anschaulichkeit und Flexibilität dem Modell wiederum unterlegen sind, stellt sich die Frage, wieweit das ICN-Modell erweitert werden kann und wo eventuell ein völlig anderes ICN-Modell ansetzen sollte, z.B.

dann, wenn man den sozialen Kontext oder einzelne Wissensbasen darsteilen möchte. Einige bereits in anderen Beschreibungssprachen verfügbaren Konstrukte wie z.B. Datenstrukturen und Entscheidungsregeln könnten in das ICN-Modell übernommen werden, falls sie nicht bereits ins Generalized ICN-Modell übernommen worden sind. Die in dieser Arbeit durchgeführte Beschreibung und Analyse des Hardwarebeschaffungsvorgangs haben jedoch gezeigt, daß dem Trend zum Mixed Model bei den Bürobeschreibungssprachen (vgl. Bracchi/Pernici 1984) Grenzen gesetzt sind, wenn in die Analyse auch der semantische und pragmatische Aspekt der ausgetauschten und erarbeiteten Informationen einbezogen werden soll, denn hierfür bedarf es einer Betrachtung des Vorgangs bzw. einzelner Handlungen aus einer anderen Sicht, die sich mit der Sicht eines prozeduralen Modells als inkompatibel erweist. Datenbehälter sind dann Verhandlungspartner, Schreiboperationen werden zu Sprechakten usw. Wahrscheiniich wird man nicht umhin kommen, nach der Darstellung der Kommunikationsstruktur eines Vorgangs mit Hilfe eines erweiterten ICN-Modells, sozialwissenschaftliche Modelle wie z.B. Entscheidungsmodelle heranzuziehen, um den Zusammenhang zwischen Information und Handlung bei den Nichtroutinehandlungen zu verstehen und darzustellen.

Abschließend seien noch einmal die nach Meinung des Verfassers wesentlichen Vor- und Nachtelle des ICN-Modells aufgezählt:

10 "In practical «ffairs, proof must glve way to oonsemus" (Stamper 1985,69);

11 Witt« (1972,144«) benutzt den Begriff der "Informaiions-Versorgungs-Operationen" für "all* Operationen, die einen unmittelbaren Zuflu8 von Informationen an die Entscheidungs-trager (Verwender-Personen) bewirken".

Dabei unterscheidet er hinsichtlich der "versorgungs-Quelle" zwischen "Eigenversorgung" und "Fremdversorgung"

und hinsichtlich der 'Versorgungs-Richtung" zwischen "einseitiger" und "zweiseitiger" "Versorgungs-Richtung .

Vorteile:

- ICN-Dlagramme sind leicht verständlich und anschaulich, daher geeignet zur Kommunikation mit den Aktoren bei der Erhebung von Daten Ober die von ihnen durchgeführten Vorgänge sowie zur Verifikation der Beschreibung durch die Beschriebenen. Das Modell bietet wenige einfache Symbole» eine Trennung zwischen grafischer und formaler Beschreibung sowie die Möglichkeit der Verfeinerung- und Vergröberung.

- ICN-Dlagramme sind gut geeignet zur Gewinnung eines Oberblicks Ober die für einen Vorgang bzw. für eine bestimmte Aktivität benutzten, d.h. von den Aktoren als relevant erachteten, informationelien Ressourcen bzw. Wissensbasen.

- Die ICN-DarsteUung zeigt, welche Aktivitäten besonders informations- und kommunikatlonsinten8iv sind, wobei ferner das Verhältnis von interner zu externer Kommunikation klar ersichtlich ist Somit ist eine Beschreibung mit dem ICN-Modell eine brauchbare Grundlage für die Einführung von Bürolnformations und

-kommunikatlonstechnologien. Dies gut jedoch nur für anwendungsunspezifische Technologien.12

- Das ICN-ModeH kann auch eingesetzt werden im Vorfeld des Knowledge Engineering zur Identifikation relevanter Wissensbasen und zur Planung der Wissensakquisition.

- Das ICN-ModeH Ist ebenfalls geeignet als Vorstufe zur funktionalen Analyse der informationelien Absicherung, d.h. der Bestimmung des pragmatischen Aspekts der Informationen mit Hufe von Modeilen, die den sozialen bzw. organisatorischen Kontext der Informationsprozesse beschreiben: Entscheidungs-, Verhandlungs- und andere Modelle.

Nachteile:

- Es fehlt eine Beschreibung des Zusammenhangs zwischen den Zielen einer Handlung und ihren informationelien Anforderungen, als auch des Zusammenhangs zwischen eingehender und ausgehender Information. Es wird nicht beschrieben wofür Informationen gebraucht werden und wie einzelne Informationselemente den Verlauf bzw. das Ergebnis von Handlungen beeinflussen.

- Entscheidungen und Entscheidungsbedingungen sind nur auf sehr einfacher Ebene darstellbar. Treten mehrere Entscheidungen oder eine Entscheidung mit mehreren

Alternativen auf, die den Ablauf des Vorgangs beeinflussen, wird die Darstellung sehr schnell unübersichtlich.

- Da sich aus den von einer Aktivität benutzten Entscheidungsregeln auch der

Informationsbedarf der Aktvität ableiten läßt, ist deren fehlende Beschreibung von doppeltem Nachtel.

- Bei der Beschreibung der informationelien Absicherung in schwachstrukturierten Verwaltungsvorgängen zeigt das ICN-Modell die für prozedurale Modelle typische

Ausklammerung von Informationellen Ressourcen, auf die nicht direkt von einer Aktivität aus zugegriffen wird. Die Herkunft wichtigen Hintergrundwissens, das aktivitätsunabhängig aufgenommen wird, bleibt der Beschreibung entzogen.

- Der Aktivitätsorientierung des ICN-Modeils steht die starke Personenabhängigkeit höherer Verwaltungstätigkelten gegenüber. Der fachliche Hintergrund eines Aktors, seine persönlichen Ziele und Überzeugungen sowie seine sozialen Kontakte bestimmen sein individuelles Informationsverhalten.

- Bei schwachstrukturierten Verwaltungstätigkeiten überwiegt der Anteil der Face-to-Face-Kommunikation bei weitem den Antel der Face-to-FHe-Kommunikatlon (ca. 90 zu 10 % beim

12 Vgl. Hamrrwr/Ziwnan 1980, <«• unterscheiden zwischen den anwendungsunspezifischen "generlc tooto" (z.B.

einem Textverwtaeitungssystem) und den anwendungsspezifiachen 'cuttern tools" (z.B. einem wissensbaslertan System).

Hardwarebeschaffungsvorgang). Dagegen Ist die Beschreibung der Informationsprozesse im ICN-Modell abgeleitet von der Face-to-File-Kommunikatton. So fehlen wesentliche

Beschreibungsmittel für eine adäquate, d.h. differenzierte Darstellung der Mehrheit der stattgefundenen Informationsprozesse.

- Das ICN-Modell, insbesondere das Generalized ICN ist schlecht dokumentiert. In Eliis (1983) wird vieles angedeutet aber nicht genauer beschrieben. Dadurch wird eine seriöse

Evaluierung zwangsläufig in Frage gestellt.

- Erfahrungen aus der Praxis mit dem Modell und den bereits als Prototypen existierenden ICN-Systemen liegen noch kaum vor (vgl. Wurch 1983,144).

- Bei der Modellierung stoßt man bald an die Grenzen der manuellen Verwaltung der

verschiedenen Modellkomponenten. Eine geringfügige Änderung, wie etwa das nachträgliche Hinzufügen einer neuen Aktivität, erweist sich als sehr zeitaufwendig. Daher ist der Einsatz von rechnergestützten Modellierungshilfen, die bisher nur als Protoypen existieren (vgl.

Nutt/Ricd 1981) für den Einsatz des Modells bi der Praxis notwendig.

- Das ICN-Modell ist nur geeignet zur Optimierung schon bestehender Informationsflüsse. Eine qualitative Verbesserung der Informationellen Absicherung, die sich an den Arbeitsinhalten orientiert und diese durch eine Erweiterung des Informationsangebotes anreichert, ist allein auf Grund eines ICN-Modells nicht erreichbar.

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