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87 schaffenen Gruppe Inland II, sein Verhandlungspartner war. 36 Im Sommer

Der Hintergrund: Franco-Spanien und Nazi-Deutschland

87 schaffenen Gruppe Inland II, sein Verhandlungspartner war. 36 Im Sommer

1942 zeigte sich Luther mit der Umsetzung der Vereinbarung sehr zufrieden:

Heydrich habe die Zusage

loyal gehalten [...], wie überhaupt die für Judensachen zuständige Dienststelle des Reichssicherheitshauptamtes [d. i. Eichmann] von Anfang an alle Maßnahmen in rei-bungsloser Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt durchgeführt hat. Das Reichssicherheitshauptamt ist auf diesem Sektor in nahezu übervorsichtiger Form vor-gegangen.37

Auch wenn Letzteres mehr über Luthers Haltung denn über Eichmanns Poli-tik aussagt, trifft doch zu, dass in der Regel das Auswärtige Amt das letzte Wort behielt.

Das genaue Ausmaß der «Privilegierung» ausländischer Juden war wei-terhin umstritten. Als im Herbst 1940 der Militärbefehlshaber im besetzten Frankreich Verordnungen gegen Juden erließ, bestimmte er in einer internen Anweisung, dass Bürger der USA davon auszunehmen seien. Außenminister Ribbentrop hob Anfang 1941 diesen Passus wieder auf, da es nicht angehe,

«Einsprüche befreundeter Staaten (Spanien, Ungarn) abzulehnen, dagegen den Amerikanern gegenüber Schwäche zu zeigen.» Der Chef des Verwal-tungsstabes beim Militärbefehlshaber in Frankreich, Schmid, äußerte daraufhin die Besorgnis, es könne zu negativen Rückwirkungen auf das deut-sche Vermögen in den USA sowie in den übrigen neutralen Staaten kommen, und unterbreitete die Angelegenheit am 22. Februar 1941 noch einmal dem Auswärtigen Amt.38 Ernst Wörmann, Leiter der Politischen Abteilung, notier-te am 1. März 1941, dass gegen Bürger amerikanischer Staanotier-ten und sowjeti-sche Juden nicht vorgegangen werden solle. Für andere Staaten sei fallweise zu entscheiden, «wobei von vornherein gesagt werden kann, daß gegen ein

wärtige Amt hatte sich grundsätzlich bei Juden ausländischer Staatsangehörigkeit die Entscheidung selbst vorbehalten, so daß insoweit nicht das RSHA, sondern das Aus-wärtige Amt die Entscheidung hat.» Vgl. auch Hilberg, Vernichtung, S. 466. Irrefüh-rend ist daher die Aussage von Weizsäcker, Emst von: Erinnerungen. Hg. von Richard von Weizsäcker. München 1950, S. 337: «Im Grundsätzlichen der Judenfrage hatten wir [das Auswärtige Amt] kein Mitspracherecht [...].»

36 Kolb, Eberhard: Bergen Belsen. Geschichte des «Aufenthaltslagers» 1943-1945. Han-nover 1962, S. 18f. Als ein Beispiel: Am 15. November 1943 forderte Eichmann die Deportation der in Griechenland und Italien lebenden ausländischen Juden. Falls das Auswärtige Amt dies ablehne, sollten sie in ihre «<Heimatländer>» abgeschoben wer-den. Vgl. BArch, 99 US 7, Film 53855, Bd. 321, NG-2652-L: RSHA, Eichmann, an AA Berlin, v. Thadden, 15. Nov. 1943.

37 BArch, 99 US 7, Film 53855, Bd. 321, NG-2586-J: Aufzeichnung Luther, 21. Aug.

1942.

38 Hilberg, Vernichtung, S. 652; BArch, 99 US 7, Film 53855, Bd. 323, NG-1527: Chef des Verwaltungsstabes beim Militärbefehlshaber in Frankreich, Dr. Schmid, an AA, v. Weizsäcker, 22. Febr. 1941; PA AA, R 99402: AA Berlin, Luther, an Gesandten v. Rintelen, Feldquartier Feldmark, 21. Aug. 1942 (dort das Zitat).

Vorgehen gegen ungarische Juden und Juden der Balkanländer keine politi-schen Bedenken bestehen.»39 Sachlich zuständig war aber nicht Wörmann, sondern Franz Rademacher. Er verhandelte im Februar/März 1941 die Ange-legenheit mit dem RSHA. Seine Vorstellung war, keinerlei Ausnahmen mehr zu machen. Nur bei Staatsangehörigen der USA und der Sowjetunion sollte, so unterbreitete er dem RSHA im Februar 1941, noch Rücksicht auf ihre Na-tionalität genommen werden, womit er sich restriktiver als Wörmann zeigte.

Um diesen Vorschlag richtig bewerten zu können, müssen wir bedenken, dass die systematische Ermordung der Juden noch nicht begonnen hatte.

Rademachers Papier bedeutete «nur» die Einbeziehung der ausländischen Ju-den in Ju-den Ausschluss aus dem bürgerlichen Leben, einschließlich einer De-portierung in Ghettos. Und warum sollten Bürger der USA und der Sowjet-union davon ausgenommen werden? Mit Letzterer verband Deutschland zu diesem Zeitpunkt der Nichtangriffspakt, und die USA waren noch neutral.

Zudem lebten in beiden Ländern viele «Volksdeutsche», die Objekt von Ge-genmaßnahmen werden konnten.

Das RSHA nahm Rademachers Vorschlag gerne auf, sicherte aber die Unterrichtung des Auswärtigen Amtes über jede Maßnahme gegen auslän-dische Juden zu, damit es zu eventuellen Protesten der Heimatländer Stellung nehmen könne.40 Nach internen Beratungen im Auswärtigen Amt gab es eine kleine Modifikation: vermögensrechtlich sollten ausländische Juden nicht den deutschen oder staatenlosen Juden gleichgestellt werden, da über die USA und die Sowjetunion hinaus Repressalien gegen deutsches Vermögen im Ausland befürchtet wurden. Am 10. Juni 1941 wurde dies dem RSHA mitge-teilt.41

Wenige Tage später erfolgte der Überfall auf die Sowjetunion. Unmittel-bar nach Überschreiten der Grenze setzte die Ermordung sowjetischer Juden ein. Als Ende August 1941 in Paris eine Razzia gegen Juden stattfand, waren nur noch Bürger der USA davon ausgenommen.42 Zahlreiche ausländische

39 Vermerk Wörmann, 1. März 1941. In: Braham, Randolph Β. (Hg.): The Destruction of Hungarian Jewry. A Documentary Account. 2 Bde. New York 1963, Dok. 3, S. 8-10, Zitat: S. 9.

40 Yad VaShem, Ο 51/35: Chef Sipo und SD, IV Β 4b, an AA Berlin, Rademacher, 12. März 1941, mit Bericht über das Telefongespräch beider Seiten am 26. Februar.

Bei Browning, S. 50, fehlt der Hinweis auf die besondere Behandlung US-amerikani-scher und sowjetiUS-amerikani-scher Juden.

41 Yad VaShem, Ο 51/35: AA Berlin, Luther, an RSHA, 10. Juni 1941; Browning, S. 51.

42 Serge Klarsfeld in: Calef, Noel: Drancy 1941. Camp de represailles, Drancy la faim.

Edite et presente par Serge Klarsfeld pour le 50e anniversaire du camp de Drancy. In:

Le Monde Juif. La Revue du Centre de Documentation Juive Contemporaine 143 (Nouvelle serie) (1991), S. 133-502 (im Text getrennte Paginierung: V-XX, 1-354), S. XV-XVII.

89 Juden wurden verhaftet. Rademachers Vorschlag wurde damit voll in die Pra-xis umgesetzt, unter Berücksichtigung des radikalen Umschwungs im Ver-hältnis zur Sowjetunion.

Nun kam es aber zu außenpolitischen Komplikationen. Die Konsulate Ita-liens, der Schweiz, Spaniens, der Türkei, Chiles und Irans bemühten sich um Freilassung ihrer in Paris verhafteten Bürger.43 Bis Anfang September gelang dies nur Italien.44 Auf Anfrage der Deutschen Botschaft in Paris bekräftigte der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Ernst von Weizsäcker, dass gegen die Verhaftung von Juden, «die eine europäische Staatsangehörigkeit besitzen [...], keine Bedenken» bestünden. «Irgendwelche diplomatischen Verwick-lungen sind hieraus nicht zu besorgen.» Anders sah Weizsäcker die Lage von Juden aus amerikanischen Staaten. Chile und Mexiko hätten wegen der Ver-haftungen schon protestiert. «Sollten wir die Freilassung der Juden amerikanischer Nationalität ablehnen, so müssen wir damit rechnen, daß die betroffenen Regierungen Repressalien gegen Reichsangehörige ergreifen, dabei ziehen wir den kürzeren.»45 Zumindest die chilenischen Juden wurden freigelassen,46 während ζ. B. die Spanier auch im März 1942 noch inhaftiert waren.47 Rademachers Linie wurde also im Grundsatz zugunsten der von Wörmann ein Jahr zuvor skizzierten Linie aufgeweicht, auch wenn dies quan-titativ wenig bedeutete.

Nach Beginn der Deportationen

Noch folgenreicher als die Proteste von Konsulaten war der Übergang der deutschen Politik zur systematischen Deponierung und Ermordung der Ju-den. Browning zufolge wusste Rademacher Ende Oktober 1941 davon, die weiteren leitenden Beamten des Amtes im November/Dezember 1941.48 Ernst von Weizsäcker, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, schreibt in seinen Erinnerungen, dass er im Herbst 1941 durch Admiral Canaris «von Massen-morden an Juden und anderen Bewohnern Rußlands hinter der Front der

43 PA AA, R 100869: Deutsche Botschaft Paris an AA Berlin, 4. Nov. 1941.

44 AGA, AAEE, 11338: Spanischer Generalkonsul Paris, Rolland, an Spanisches Außenministerium, 3. Sept. 1941 und 10. Sept. 1941, sowie Spanisches Generalkonsu-lat Paris an Spanische Botschaft Vichy, 11. Sept. 1941, mit hs. Marginalie. Vgl. auch ebd., Spanischer Generalkonsul Paris, Rolland, an Spanische Botschaft Berlin, 2. Sept.

1941.

45 PA AA, R 100869: AA Berlin, Aufzeichnung Weizsäcker, 1. Nov. 1941.

46 Ebd., Deutsche Botschaft Paris an AA Berlin, 4. Nov. 1941.

47 AMAE, R 1716/1-6: Spanischer Generalkonsul Paris an Außenministerium Madrid, 6. Jan. 1942; AGA, AAEE, 11338: Spanischer Generalkonsul Paris an Spanischen Bot-schafter Vichy, 3. März 1942.

48 Browning, S. 67,72-74. Ähnlich Döscher, Hans-Jürgen: Das Auswärtige Amt im Drit-ten Reich. Diplomatie im SchatDrit-ten der «Endlösung». Berlin 1987, S. 245-249.

kämpfenden Truppe hörte».49 Ohne dass wir über Einzelheiten des Entschei-dungsprozesses informiert sind, machen die überlieferten Dokumente doch klar, dass nun im Auswärtigen Amt über die Behandlung der ausländischen Juden neu nachgedacht wurde. Es kam - nicht aus humanitären Erwägungen, sondern aufgrund einer Neubewertung der außenpolitischen Risiken - zu ei-ner Differenzierung der bisher weitgehend einheitlich behandelten Gruppe der ausländischen Juden, die die Ausdehnung des «Schutzes» ausländischer Juden bedeutete.

Ein erster Vorbote der Veränderungen war die Behandlung der Anfrage, die im August 1941 der «Reichskommissar für das Ostland», Lohse, an das Auswärtige Amt gerichtet hatte. Er hatte darin Instruktionen zum Status der ausländischen Juden erbeten. Im Auswärtigen Amt war Luther zuständig. Er wollte - entsprechend der kurz zuvor festgelegten Linie - Lohse freie Hand geben, außer in Vermögensfragen. Die Rechtsabteilung aber erklärte im No-vember, nachdem sie das Problem mehrere Monate vor sich her geschoben hatte, dass Ausländer durch Völkerrecht geschützt seien. Zudem bestünde die Gefahr von Repressalien gegen Deutsche im Ausland. Daraufhin verfolgte Luther die Angelegenheit nicht weiter.50 Das Auswärtige Amt setzte nun auf die Unterscheidung ausländischer Juden nach der Qualität der Beziehungen ihres Heimatstaates zu Deutschland.

a) Ungeschützte Juden

Das «angeschlossene» Österreich, Luxemburg, die baltischen Staaten, die Tschechoslowakei und Polen waren während des Zweiten Weltkriegs für Deutschland rechtlich nicht mehr existent; die entsprechenden Staatsbürger-schaften wurden - mit Ausnahme der neu entstandenen Slowakei - nicht mehr anerkannt.51 Zusätzlich wurde noch einmal unterschieden zwischen Tschechien einerseits, Polen, Luxemburg und den baltischen Staaten ande-rerseits. Wenn es um die Deportierung ausländischer Juden ging, wurden Letztere mit dem Zusatz «ehemals» aufgeführt, während die Juden des «Pro-tektorats Böhmen und Mähren» in dieser Frage als «Staatsangehörige des ei-genen Herrschaftsgebietes» galten, denen des «Altreichs» und Österreichs gleichgestellt.52 Für keines dieser Gebiete war das Auswärtige Amt zuständig.

49 Weizsäcker, S. 338.

50 Browning, S. 71.

51 Vgl. auch: Rundschreiben des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD: Ausländer in den besetzten westlichen Gebieten, 30. Okt. 1940, aus: BArch, R 58/269. In:

Longerich, Peter (Hg.): Die Ermordung der europäischen Juden. Eine umfassende Dokumentation des Holocaust 1941-1945. München 1989, Dok. 8, S. 55-58.

52 Vgl. Adler, S. 255 (dort das Zitat), und: BArch, 99 US 7, Film 53855: Chef der Sipo und des SD, Berlin, 5. März 1943, an: BdS im Generalgouvernement, im Ostland, in

91 So konnte Eichmann am 31. Januar 1942 ohne Rücksprache für das Reichs-gebiet verfügen, dass zwar ausländische Juden im allgemeinen nicht depor-tiert werden durften, jedoch Polen und Luxemburger sowie Staatenlose.53 Tschechische Juden mussten nicht erwähnt werden, weil sie in diesem Zu-sammenhang nicht als Ausländer galten.

Am 16. Februar 1942 ordnete das RSHA an, dass nun auch die serbischen, griechischen, niederländischen, belgischen, französischen, estnischen, letti-schen, litauischen und norwegischen Juden aus dem Großdeutschen Reich deportiert werden konnten.54 Überwiegend waren dies Länder ohne eigene -von Deutschland anerkannte - Regierung oder mit einer, die praktisch keinen Handlungsspielraum hatte. Überraschend ist aber, dass Frankreich in dieser Aufzählung erscheint, denn es widerspricht dem sonstigen Umgang Deutsch-lands mit der Regierung in Vichy. Ein Vorgang aus Saloniki zeigt aber deut-lich, dass dies kein «Ausrutscher» war, sondern hinsichtlich der im Ausland lebenden französischen Juden der Normalfall: Im Frühjahr 1943 setzte sich die Vichy-Regierung für zehn jüdische französische Familien ein - die Ver-mutung liegt nahe, dass es frühere Schutzgenossen waren - , denen die Depor-tation in ein Vernichtungslager drohte. Das Auswärtige Amt wies die Bot-schaft in Paris an, erst zu antworten, wenn die Familien schon auf dem Weg nach Auschwitz seien.55

Über die Ausdehnung der Deportationserlaubnis für Juden aus diesen Staaten auf besetzte Gebiete haben wir nicht immer Unterlagen. Wir wissen aber, dass am 9. Juli 1942 der Vertreter des Auswärtigen Amts beim deutschen Militärbefehlshaber in Belgien nach Berlin telegrafierte, von dort würden polnische, tschechische und staatenlose Juden deportiert.56 Am 5. März 1943 bestimmte das RSHA nach Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt in zwei Erlassen, dass Juden, die aus «ehemals Polen», «ehemals Luxemburg», «ehe-mals Estland», «ehe«ehe-mals Lettland», «ehe«ehe-mals Litauen», Serbien,

Griechen-der Ukraine, die Chefs Griechen-der Einsatzgruppen Β und D. «Betrifft: Behandlung von Juden ausländischer Staatsangehörigkeit im Generalgouvernement und in den besetzten Ost-gebieten»; Der Reichsminister des Innern, Pol. S IV Β 4 b, Berlin, 5. März 1943, an:

alle Staatspolizeistellen, BdS Böhmen und Mähren, BdS in Metz, Strassburg, in Kärn-ten und Krain, in der Untersteiermark, Einsatzkommando Luxemburg. «Betrifft: Be-handlung von Juden ausländischer Staatsangehörigkeit im Reichsgebiet».

53 Arndt/Boberach, S. 48.

54 Graml, Hermann: Die Behandlung von Juden fremder Staatsangehörigkeit in Deutsch-land. In: Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte. Bd. 1. Stuttgart 1958, S. 85-87, S. 86. Der Erlass selber konnte bisher nicht aufgefunden werden, er lässt sich aber über nachfolgende Erlasse rekonstruieren.

55 Marrus, Michael R./Paxton, Robert O.: Vichy et les Juifs. Paris 1981, S. 88, 349.

56 Wetzel, Juliane: Frankreich und Belgien. In: Benz, Wolfgang (Hg.): Dimension des Völkermords. Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. München 1991, S. 105-135, S. 129.

land, Norwegen, den Niederlanden, Belgien und Frankreich stammten und nun im Reichsgebiet einschließlich «Böhmen und Mähren» oder den besetz-ten Ostgebiebesetz-ten unter Einschluss des Generalgouvernements lebbesetz-ten, in die gegen die übrigen Juden bereits ergriffenen «Maßnahmen», sprich Deportati-on und Ermordung, einbezogen werden könnten.57 Dies war nicht in allen Fällen neu, doch sollte der Erlass die Angelegenheit der ausländischen Juden umfassend regeln, so dass auch ältere Bestimmungen in ihn aufgenommen wurden.

Für die sowjetischen Juden lauteten die beiden Erlasse unterschiedlich. In den besetzten Ostgebieten einschließlich des Generalgouvernements konnten auch sie deportiert werden, aber im Erlass für das Reichsgebiet (mit Böhmen und Mähren) wurden sie nicht erwähnt. Dies ist nur dadurch erklärbar, dass sie dort zumindest auf dem Papier als Feindstaatenjuden galten, die zu inter-nieren, jedoch nicht zu deportieren waren.

Wechselhaft war auch die Behandlung französischer Juden. Anders als in den soeben geschilderten Fällen führte Deutschland mit der Vichy-Regierung 1944 Gespräche über das Schicksal der in Ungarn lebenden französischen Juden. Vom Ergebnis sind wir nicht unterrichtet, wissen nur, dass Frankreich keine Repatriierung wollte.58 Aber immerhin wurde in diesem Fall die fran-zösische Regierung nicht einfach ignoriert.

b) Juden mit Staatsbürgerschaft neutraler oder verbündeter Staaten Anfang Dezember 1941 schlug das «Judenreferat» der von Martin Luther geleiteten Abteilung Deutschland die Einbeziehung der kroatischen, slowa-kischen und rumänischen Juden in die Deportation aller Juden aus dem Groß-deutschen Reich vor. Die drei Regierungen hatten dem kurz zuvor auf Anfra-ge zuAnfra-gestimmt; die Alternative wäre die Repatriierung Anfra-gewesen.59 Ob die In-itiative des Auswärtigen Amts bereits in Kenntnis des Massenmords an den

57 BArch, 99 US 7, Film 53855: Chef der Sipo und des SD, Berlin, 5. März 1943, an: BdS im Generalgouvernement, im Ostland, in der Ukraine, die Chefs der Einsatzgruppen Β und D. «Betrifft: Behandlung von Juden ausländischer Staatsangehörigkeit im Gene-ralgouvernement und in den besetzten Ostgebieten»; Der Reichsminister des Innern, Pol. S IV Β 4 b, Berlin, 5. März 1943, an: alle Staatspolizeistellen, BdS Böhmen und Mähren, Bds in Metz, Strassburg, in Kärnten und Krain, in der Untersteiermark, Ein-satzkommando Luxemburg. «Betrifft: Behandlung von Juden ausländischer Staatsan-gehörigkeit im Reichsgebiet». Entsprechende Erlasse für West- und Südeuropa sind uns nicht bekannt.

58 Braham, Dok. 309, S. 664: AA Berlin, v. Thadden, an RSHA, Eichmann, 19. Juli 1944.

59 Aufzeichnung aus dem Referat D ΙΠ für Unterstaatssekretär Martin Luther vom 8. Dezember 1941. In: Pätzold/Schwarz, Dok. 14, S. 91. Im Übrigen wurden ausländi-sche Juden, also die, die außerhalb ihres Herkunftsstaats lebten, auf der Wannsee-Konferenz nicht gesondert erwähnt.

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