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Spanien und die Juden von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des Bürgerkriegs

1. Die Haltung der aufständischen Militärs zu den Juden

Der Antisemitismus stand nicht im Zentrum der Programmatik der autoritä-ren spanischen Rechten. In den Gesammelten Werken von Jose Antonio Primo de Rivera, der 1933 die Falange Espanola begründete, finden sich kei-ne Ausführungen über Juden, außer der kurzen Bemerkung, dass Karl Marx ein solcher war.1 Weder vor noch nach der Fusion mit den Juntas de Ofensiva Nacional-Sindicalista zählte die Falange antisemitische Ziele zu ihren wich-tigsten Programmpunkten.2 Dies mag auch mit der sehr geringen Zahl von Juden in Spanien zusammenhängen; für 1936 wird sie mit 6.000 angegeben.3

Mit Ernesto Gimenez Caballero und Agustin de Foxä waren zwei falangis-tische Intellektuelle Vertreter einer Intensivierung kultureller Beziehungen zu den Sepharden. Für beide waren die Sepharden Teil des Spaniertums; so konnten sie diese in ihre falangistische Weltsicht eingliedern.

Dennoch war Spanien für die wenigen Juden keine heile Welt. Auch hier gab es antisemitische Propaganda. Radikaler Antisemit war der Hitlerbe-wunderer Onesimo Redondo, einer der führenden Ideologen der extremen spanischen Rechten, der 1932 die Protokolle der Weisen von Zion im Organ der Juntas de Ofensiva Nacional Sindicalista publizierte.4 Die deutschen Nationalsozialisten machten sich ebenfalls mit antijüdischer Propaganda in Spanien bemerkbar.5

Ambivalent war Francos Urteil über Juden. Unzweifelhaft ist, dass sie nicht im Mittelpunkt seines Feindbilds standen, anders als Freimaurer und

1 Primo de Rivera, Jose Antonio: Obras Completas. Edition cronologica. Madrid 1952.

2 Vgl. die Wiedergabe der wichtigsten Passagen aus Jose Antonio Primo de Riveras pro-grammatischer Rede vom 29. Oktober 1933 in Madrid wie auch den Abdruck der 27 puntos de la Falange aus dem November 1934, also nach der Fusion mit den Juntas de Ofensiva Nacional-Sindicalista. In: Rubio Cabeza, Manuel: Diccionario de la Guerra Civil Espanola. Bd. 1. Barcelona 1987. S. 298, 302-305. Siehe auch: Böcker, Man-fred: Ideologie und Programmatik im spanischen Faschismus der Zweiten Republik.

Frankfurt/Main 1996.

3 Avni, Spain, S. 45.

4 Lisbona, S. 92.

5 Avni, Spain, S. 38f.

Bolschewisten. Dies zeigt sich am deutlichsten daran, dass er nur sporadisch über Juden sprach. Seine früheste bekannte Äußerung über sie stammt aus dem Jahr 1922, als er im Bericht über eine spanische Attacke dem «zähen und tapferen» Mauren die Juden der marokkanischen Stadt M'Talza gegen-überstellt, die beim ersten Zusammentreffen die Flucht ergreifen.6 Antise-mitisch ist dies keinesfalls, eher verachtend. Ganz anders ein Artikel aus dem Jahr 1926. Wieder ging es um eine Militäraktion im spanischen Protektorat in Nordmarokko, wo Franco lange Jahre diente. Die Stadt Xauen musste Ende 1924 von den Spaniern geräumt werden.7 Ihnen schlossen sich die Juden des Ortes an, die nicht wieder unter muslimischer Herrschaft leben wollten. Fran-co berichtet, dass sie von den Jüdischen Gemeinden in Tetuan und Tanger mit

«der traditionellen Brüderlichkeit dieser Rasse» aufgenommen wurden. Und er erinnert sich an die Szenen bei der Eroberung Xauens durch die Spanier 1920: «An jenem Tag weinten die unglücklichen und bescheidenen Israeliten vor Freude, und mit ihrem typischen Akzent und dem veralteten spanischen Vokabular ließen sie leidenschaftlich die Königin Isabel, die gute Königin, hochleben.»8 Hier war Francos Bild der Juden ohne negative Vorbehalte, vol-ler Mitleid und Sympathie. Berichte über besonders enge Beziehungen, ja Freundschaften Francos mit Juden aus dem spanischen Protektorat sind aber durch Quellen bisher nicht bestätigt.9

Die Informationen über das Schicksal der Juden zu Beginn des Bürger-kriegs sind widersprüchlich. Augenzeugen berichten aus Ceuta, dass der ört-liche Falange-Chef die Häuser der Juden nach Gegnern der Erhebung durch-suchen ließ. Fünf der Festgenommenen seien erschossen, die übrigen miss-handelt worden.10 In Melilla seien sechs Juden standrechtlich erschossen,

6 Franco y Bahamonde, Francisco: Marruecos. Diario de una bandera. Madrid 1922, S. 273.

7 Manchmal auch Chauen oder Chefchaouene geschrieben.

8 Franco y Bahamonde, Francisco: Papeles de la Guerra de Marruecos. Madrid 1986, S. 189-195: Wiedergabe des Artikels Xauen, la triste, vom Juli 1926, S. 191. Mit der Königin Isabel ist natürlich nicht die Katholische Königin, die 1492 die Ausweisung anordnete, gemeint, sondern die spanische Königin der Jahre 1833-1868. In diese Zeit fiel der Krieg mit Marokko (1859/60), in dem die spanischen Truppen von vielen Ju-den als Befreier begrüßt wurJu-den. Vgl. dazu Gonzalez Garcia, Isidro: El retomo de los judios. Madrid 1991, S. 68f.

9 Grand, Evelyne: Le deuxieme groupe. Les Juifs espagnols internes au Camp de Bergen Belsen 14Avril 1944-9 Avril 1945. Jerusalem 1994, S. 14; Blin, Pascale: Franco et les Juifs du Maroc. Une approche historique. In: Vidal Sephiha, Haim (Hg.): L'Espagne contemporaine et les Juifs. Perpignan 1991, 33-59, S. 55, behauptet eine relativ posi-tive Haltung Francos gegenüber den marokkanischen Juden in den zwanziger Jahren, die sie als «utilitaire et opportuniste» bezeichnet. Dies basiert auf Informationen aus zweiter Hand zu Franco: spätere Interviews von nicht unmittelbar Beteiligten und Wertungen in Biographien über Franco.

10 Lisbona, S. 63. Nicht ganz klar wird in der Darstellung durch Lisbona, der sich auf von ihm gesammelte Augenzeugenberichte stützt, ob nicht entgegen Lisbonas Deutung die

47 viele Jüdinnen von muslimischen Soldaten vergewaltigt, Dutzende Juden in Zwangsarbeitslager im Protektorat gebracht, Synagogen geschlossen wor-den. Nach einigen Wochen habe sich die Lage aber wieder beruhigt, die Syn-agogen hätten wieder öffnen können.11 Für die ersten Monate des Aufstandes im Protektorat resümiert Lisbona: «In Marokko wurden die Juden schlechter behandelt als andere Bevölkerungsgruppen.» In Sevilla trat General Queipo de Llano mit antisemitischen Rundfunkansprachen hervor. Unter den Anfüh-rern des Putsches äußerten sich auch die Generäle Mola und Cabanellas anti-semitisch.12 Arriba, Zeitung der Falange, schrieb im August 1936: «<Kame-rad! Du hast die Pflicht, das Judentum, die Freimaurerei, den Marximus und den Separatismus zu verfolgen. Zerstöre und verbrenne ihre Zeitungen, ihre Bücher, ihre Zeitschriften, ihre Propaganda.»»13

Anders hingegen verhielt sich nach den vorliegenden Informationen Fran-co. In einem Brief an die Jüdische Gemeinde von Tetuan erklärte er im Au-gust 1936, dass man den antisemitischen Reden von Queipo de Llano keine Beachtung schenken solle.14 Am 31. August 1936 publizierte La Gaceta de Melilla eine Erklärung Francos, dass für ihn im Unterschied zu den Deut-schen und den Italienern keine «Rassenfrage» existiere.15 Suärez Fernandez zufolge spendeten die sephardischen Gemeinden Tangers und des spanischen Protektorates Ende Juli 1936 eine Million französische Francs für die Auf-ständischen.16 Ob dies freiwillig geschah, muss offen bleiben. Lisbona weist darauf hin, dass ein Teil dieser Spenden aus der Angst vor Repressalien er-folgte. Aber auch er meint, dass mehrheitlich die Unterstützung ohne Zwang erfolgte.17 Ein sephardischer Bankier aus Tetuan wurde von Franco in den

Juden deswegen verfolgt wurden, weil sie Anhänger der Republik waren, und nicht wegen ihres Glaubens. Diese Frage stellt sich um so mehr, als Lisbona zugleich von der Erschießung von Juden in Melilla zu Beginn des Aufstandes berichtet, die seinen eigenen Ausführungen zufolge Mitglied des PSOE waren. In diesem Fall dürfte entge-gen Lisbonas Interpretation den Erschießunentge-gen kein antisemitisches, sondern ein antisozialistisches Motiv zugrunde gelegen haben.

" Driessen, Henk: On the Spanish-Moroccan frontier. A study in Ritual, Power and Ethnicity. New York 1992, S. 96. Driessen erwähnt nicht, ob die ermordeten Juden Sozialisten waren, wie dies Lisbona behauptet.

12 Lisbona, S. 64-67, 98, Zitat: S. 64; Jewish Frontier 4 (1937), Nr. 9, S. 14.

13 Lisbona, S. 99.

14 Ebd., S. 67. Lisbona begründet Francos Haltung mit damals gerade laufenden Verhandlungen über Kredite u.a. auch mit jüdischen Finanziers.

15 Zit. nach: Lemoine, Martine: ^Hubo antisemitismo en Espana durante 1936-1945? In:

El Olivo XII (1988), H. 27, S. 53-60, S. 53f.

16 Suärez Fernandez, Luis, Bd. 2, S. 79f.; er beruft sich dabei auf Cierva, S. 478.

17 Lisbona, S. 65-67. Zu den «Spenden» vgl. auch Aronsfeld, Caesar C.: The ghosts of 1492. Jewish aspects of the struggle for religious freedom in Spain 1848-1976. New York 1979, S. 45. Lipschitz, S. 16, begründet die Unterstützung von Juden für Franco damit, dass die Volksfrontregierung atheistisch und antibürgerlich gewesen sei. Als weiteres Argument fügt Lipschitz Francos Hilfe für die marokkanischen Juden

wäh-ersten Wochen des Aufstandes beauftragt, Anleihen im Ausland zu organisie-ren und sich um das Finanzwesen im spanischen Protektorat zu kümmern.18

Im weiteren Verlauf des Bürgerkriegs sind von Franco keine antisemitischen Äußerungen überliefert.19

In den folgenden Jahren gab es zwar weiterhin antisemitische Propaganda in Teilen der Medien des Franco-Staates und Queipo de Llano soll im Januar 1938 der jüdischen Gemeinde von Sevilla eine Strafe in Höhe von 138.000 Pesetas auferlegt haben, doch blieben dies vereinzelte und lokale Vorkomm-nisse.20

Als sich 1938 auf nationalspanischer Seite der Staatsapparat konsolidierte, wurde die neue Regierung vor die Frage gestellt, ob Juden unter ein Sonder-recht fallen oder wie die anderen spanischen Staatsbürger behandelt werden sollten. In der Mehrzahl der Fälle ging es um sephardische Juden, die zeitle-bens außerhalb Spaniens (und auch außerhalb des Protektorates und der Ko-lonien) gelebt hatten, aber aufgrund des erwähnten Dekrets von 1924 die spa-nische Staatsbürgerschaft erworben hatten. Aufgeworfen wurden die Fragen nicht von der Zentrale in Burgos, wo damals die Franco-Regierung residierte, sondern von diplomatischen Vertretern National-Spaniens im Ausland.

Während des Spanischen Bürgerkrieges unterstützte die Mehrheit der im Ausland lebenden Juden mit spanischer Staatsangehörigkeit die Regierung der Republik; dies ergibt sich aus den Informationen, die die diplomatischen Vertreter NationalSpaniens in Griechenland, Jugoslawien und der Türkei -dort und in Frankreich gab es die größten sephardischen Gemeinden - im Frühjahr und Sommer 1938 an das Außenministerium in Burgos sandten.21

rend dessen Zeit als Offizier im Protektorat hinzu. Belege führt er für Letzteres nicht an. Auch Pascale Blin bringt in ihrem Aufsatz über Franco und die Juden Marokkos nur Informationen aus zweiter Hand als Beleg für dessen angeblichen Philosemitismus in den zwanziger Jahren. Suärez Fernandez erwähnt in seiner ansonsten äußerst detail-lierten Biographie mit keinem Wort diese angeblichen Kontakte von Franco zu den jüdischen Gemeinden in Marokko in den zwanziger Jahren. Vgl. Suärez Fernandez, Luis, Bd. 1.

18 AMAE, R 1716/1-6: Jacob M. Benmaman, Tetuan, an Außenministerium Madrid, 25. Aug. 1947. Die Signatur «R 1716/1-6» bezeichnet nicht die Gesamtheit der Akten-gruppe R 1716, sondern eine zusätzliche Akte, neben denen mit der Signatur R 1716/

1, R 1716/2 usw. bis R 1716/6.

19 Ausgewertet wurden insbesondere: Vazquez Montalbän, Manuel: Los demonios familiares de Franco. Los tics obsesivos que configuraron la ideologia franquista.

Barcelona 1987; Manuscritos de Franco. Seleccionados por Luis Suärez Fernandez.

Madrid 1990; Cierva; Fusi, Juan Pablo: Franco. Spanien unter der Diktatur 1936-1975. München 1992; Preston. Auch in der Arbeit von Lisbona und der ebenfalls Fran-co-kritischen Publikation von Marquina/Ospina findet sich vor dem Mai 1939 keine antisemitische Äußerung von Franco.

20 Vgl. dazu Jewish Frontier 4 (1937), Nr. 9, S. 14; Avni, Spain, S. 49.

21 OID: Spanische Vertretung Bukarest an Außenministerium Burgos, 17. März 1938;

Spanische Vertretung Athen an Außenministerium Burgos, 7. April 1938; Spanische

49 Eine Ausnahme war Rumänien, wo die Mehrzahl der insgesamt nicht sehr zahlreichen spanischen Sepharden ihre Papiere von der Vertretung National-Spaniens ausstellen ließ, und die Stadt Athen, in der aber weit weniger spani-sche Juden als in Saloniki lebten.22

Der nationalspanische Vertreter in Bukarest, Pedro de Prat y Soutzo, stellte als erster die Frage, welche Sanktionen gegen die spanischen Sepharden, die die Republik unterstützten, verhängt werden könnten. Eine Bitte vom 9. No-vember 1937 um Anweisungen blieb vorläufig ohne Antwort des Außenmini-steriums. Aktiv wurde aber Francos Präsidialamt. Es billigte den Vorschlag von Prat, den republiktreuen Sepharden die Staatsbürgerschaft abzuerken-nen, machte aber den Vorbehalt, dies bis zum Ende des Bürgerkrieges nicht zu vollziehen. Prat wartete nicht so lange, sondern entzog schon kurz darauf ei-nem Sepharden die Staatsbürgerschaft, da dieser seinen Pass in der republika-nischen Vertretung hatte verlängern lassen. Das Außenministerium wurde am 5. Januar 1938 darüber informiert, reagierte jedoch wieder nicht. Dies war auch nicht mehr notwendig, da die offenkundig gleichzeitig infomierte außenpolitische Abteilung des Staatschefs Francos persönliche Billigung übermittelte.23

Prats Anfrage hatte ausdrücklich spanische Sepharden als Ziel der Sank-tionen benannt, nicht jedoch nichtjüdische Spanier in Rumänien. Von Letz-teren gab es 1940 30 gegenüber 107 spanischen Sepharden.24 Prat misstraute also Juden mehr als anderen spanischen Bürgern. Da aber gerade in Rumäni-en die Mehrheit der spanischRumäni-en SephardRumäni-en für National-SpaniRumäni-en optiert hatte, musste er sich nur mit wenigen Betroffenen auseinandersetzen, was ihm das Vorgehen sicherlich erleichtert haben dürfte. Es bleibt jedoch ein eindeutig judenfeindliches Vorgehen des spanischen Vertreters.

Trotz der Rückendeckung durch Franco war Prat an einer Stellungnahme des Außenministeriums gelegen. Am 9. Mai 1938 mahnte er eine Antwort an.25 In Burgos wurde daraufhin ein Bericht angefertigt. Darin wurde festge-stellt, dass die diplomatischen Vertreter Spaniens als Sanktion für mangelnde Unterstützung des Movimiento Nacional die Staatsbürgerschaftsdokumente entziehen könnten. Eine regelrechte Strafe sei nach spanischem Recht nicht

Vertretung Athen an Außenministerium Burgos, 18. Juni 1938; Spanische Vertretung Bled (Jugoslawien), 30. Aug. 1938; Spanische Vertretung Istanbul an Außenministeri-um Burgos, 31. Aug. 1938.

22 Ebd.: Spanische Vertretung Bukarest an Außenministerium Burgos, 17. März 1938, und Spanische Vertretung Athen an Außenministerium Burgos, 18. Juni 1938.

21 Ebd.: Spanische Vertretung Bukarest an Außenministerium Burgos, 9. Mai 1938. Das Schreiben vom 9. November 1937 ist ebensowenig überliefert wie die Stellungnahme des Gabinete Diplomatico de S. E. el Jefe del Estado, das Schreiben vom 5. Jan. 1938 und Francos Billigung; alle Vorgänge werden im Brief vom 9. Mai 1938 erwähnt.

24 Marquina/Ospina, S. 159.

25 OID: Spanische Vertretung Bukarest an Außenministerium Burgos, 9. Mai 1938.

möglich. Man sollte daher überlegen, dies neu einzuführen. Eine Unterschei-dung nach «rassischen» Gesichtspunkten lehnte der Bericht aber ab.26

Bis aus dem Bericht ein Erlass des Außenministeriums wurde, trafen in Burgos weitere Schreiben in dieser Angelegenheit ein. Der Vertreter in Athen, Sebastian Romero Radigales, plädierte dafür, den Sepharden, die an Aktionen gegen National-Spanien beteiligt gewesen waren, die Staatsbürgerschaft ab-zuerkennen. Wer nur in Gesprächen seine Sympathie mit den Republikanern ausgedrückt habe, solle entsprechend der Intensität dieser Sympathie bestraft werden.27 Einige Tage zuvor schon war im Außenministerium eine Anfrage der Vertretung in Bern eingetroffen, die das Problem von einer ganz anderen Seite anging. Dort hatten sich von Spanien eingebürgerte Juden gemeldet, von denen einige erst vor sehr kurzer Zeit, während der Republik, die Staats-bürgerschaft erhalten hatten. Bei Letzteren habe es sich um Juden gehandelt, die Deutschland wegen der nationalsozialistischen Machtergreifung hatten verlassen müssen. Die Vertretung in Bern weigerte sich, dieser Gruppe Papie-re auszustellen, bevor nicht Anweisungen aus Burgos eingetroffen seien.28

Für die Ausarbeitung dieser Anweisungen war die Europa-Abteilung im Außenministerium zuständig. Am 24. Juni schrieb sie, dass die während der Republik eingebürgerten Juden, die fast alle aus Deutschland stammten, vom Grundsatz her geringer Zuneigung für National-Spanien verdächtig wären.

Dennoch hätten sie bis zum Erlass entgegengesetzter Bestimmungen Anrecht auf die Ausstellung spanischer Dokumente. Die Vertretung in Bern solle an-gewiesen werden, den Betroffenen spanische Papiere auszustellen, sofern sie ausreichende politische Garantien böten, also ihre Treue zu National-Spanien nachgewiesen werden könnte. Für die, die diese Garantien nicht böten, gäbe es mehrere Möglichkeiten, wie Entzug der Papiere oder Ausstellung eines Passes nur für die Einreise nach Spanien.29 Am 30. Juni wurde die Vertretung in Bern entsprechend instruiert.30

Am 19. Juli 1938 versandte das Außenministerium einen Runderlass, der sich allgemein mit dem Verhalten von Spaniern während des Bürgerkriegs beschäftigte. Von Sepharden oder Juden war nicht mehr die Rede. Feindlich gesonnenen Spaniern sollten keine ihnen dienliche Dokumente ausgestellt werden, Pässe nur für die Rückkehr nach Spanien. Die Entscheidung, wer

26 AMAE, R 1672/1: Außenministerium Burgos, Informe, Verfasser: Antonio Maria Aguirre, 24. Mai 1938. Gebilligt wurde der Bericht am 30. Mai 1938.

27 OID: Spanische Vertretung Athen an Außenministerium Burgos, 18. Juni 1938.

28 Ebd.: Spanische Vertretung Bern an Außenministerium Burgos, 9. Juni 1938.

29 Ebd.: Ministerio de Asuntos Exteriores, Europa Β. 1: Asunto: Expedition documentos a israelitas nacionalizados espanoles, Burgos 24. Juni 1938.

30 Ebd.: Außenministerium Burgos an Spanische Vertretung Bern, 30. Juni 1938.

51 sich feindlich, neutral oder unterstützend verhalten hatte, wurde den örtlichen spanischen Vertretern überlassen.31

Damit war die Angelegenheit entschieden. Entsprechend dem Vorschlag vom 24. Mai 1938 gab es keine Unterscheidung zwischen Juden und Nicht-juden, nur die zwischen Gegnern der «nationalen» Sache, Neutralen und

Unterstützern. Dieses Prinzip, keine «rassische» Unterscheidung einzu-führen, scheint auch nicht, jedenfalls nicht dauerhaft, durch Erlasse aus dem August und September 1938 verändert worden zu sein. Sie sind nicht im Ori-ginal überliefert bzw. im Archiv des Außenministeriums noch nicht auf-gefunden worden. Eine Zusammenfassung befindet sich in einem Vermerk des Außenministeriums vom 18. April 1939. Dort wurden die Erlasse 70 vom 8. August 1938 und 85 vom 2. September 1938 dahingehend resümiert, dass denjenigen spanischen Juden, die während des Bürgerkriegs keinen Kontakt mit der örtlichen «nationalen» Vertretung aufgenommen hatten, nun aber dort um Personaldokumente nachsuchten, eine Sonderabgabe auferlegt werden solle. Der Runderlass 143 vom 7. September 1938 bestimmte dieser Quelle zufolge, dass die Juden, die offen gegen die «nationale» Bewegung aufgetre-ten seien, nicht als Spanier anzusehen sein. Diese Wiedergabe scheint für eine rassistische, antisemitische Differenzierung zu sprechen. Da der Zusammen-hang der Erlasse jedoch nicht vorliegt, muss offen bleiben, ob sie sich nicht generell gegen spanische Bürger, die die «nationale» Bewegung nicht aktiv unterstützt hatten, richteten; die Zuspitzung auf spanische Juden in der über-lieferten Zusammenfassung wäre dann darauf zurückzuführen, dass es um eine Anfrage des spanischen Vertreters in Jerusalem ging, die sich ausdrück-lich auf spanische Juden beschränkte; die Erlasse selber wären dann nicht als antisemitisch zu interpretieren.32 Diese für die Beurteilung des Verhältnisses der Franco-Regierung zu den spanischen Juden sehr wohlwollende Betrach-tung ist jedoch nur deswegen ernsthaft in Erwägung zu ziehen, weil der nach-folgende Erlass wieder auf «rassische», antisemitische Differenzierungen verzichtete.

Er entstand durch das erwähnte Schreiben des spanischen Konsuls in Je-rusalem. Er habe, so teilte Juan de las Barcenas dem Außenministerium am

1. März 1939 mit, bisher von Maßnahmen gegen Sepharden, die die «natio-nale» Sache nicht unterstützt hätten, abgesehen, weil dies in Palästina sofort als antisemitisches Vorgehen, nicht als Bestrafung von spanischen Bürgern im

31 Ebd.: Außenministerium Burgos, Orden Circular 35, 19. Juli 1938.

32 Ebd.: Außenministerium Burgos, Nota, 18. April 1939. Zur Anfrage des Jerusalemer Vertreters vgl. die folgenden Ausführungen.

Allgemeinen, angesehen werden würde. Dennoch bat er das Ministerium, den rechtlichen Status dieser spanischen Juden zu überprüfen.33

In Burgos wurde vom Außenministerium erneut ein Bericht zu diesem Problemkreis ausgearbeitet.34 Das Papier unterschied zwischen der Notwen-digkeit, Spanier unabhängig von ihrer Herkunft für feindliches oder indiffe-rentes Verhalten während des Bürgerkrieges zu bestrafen, und der politischen Vernunft, derzufolge nichts unternommen werden dürfe, wodurch die Regie-rung als antisemitisch kritisiert werden könnte. In der Abwägung dieser bei-den Gesichtspunkte empfahl der Verfasser, weiter entsprechend dem Rund-erlass vom 19. Juli 1938 zu verfahren, der nicht nach der «Rasse» un-terschied. Die Richtlinie solle solange gelten, bis sich die Regierung mit dem Problem der spanischen Sepharden beschäftigt habe. Am 21. April wurde der Konsul in Jerusalem entsprechend angewiesen, mit dem ausdrücklichen Hin-weis, «jeden Anschein rassistischer Verfolgung zu vermeiden.»35

Als Fazit bleibt, dass die Franco-Regierung im Ausland lebende spanische Juden, die sich nicht zur Militärrebellion bekannt hatten, nicht anders behan-delte als entsprechende nichtjüdische Spanier, und besonderen Wert darauf legte, dass keine Zweifel an dieser Gleichbehandlung aufkamen.

Damit war aber das Thema der Behandlung im Ausland lebender jüdischer Spanier nicht erledigt. Ende September 1938 berichtete die Botschaft in Rom nach Burgos, Italien habe am 2. September die Ausweisung aller seit 1919 eingewanderten jüdischen Ausländer beschlossen. Da davon auch spanische

Damit war aber das Thema der Behandlung im Ausland lebender jüdischer Spanier nicht erledigt. Ende September 1938 berichtete die Botschaft in Rom nach Burgos, Italien habe am 2. September die Ausweisung aller seit 1919 eingewanderten jüdischen Ausländer beschlossen. Da davon auch spanische