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Schädlichkeit

Im Dokument Mäuse, Maden, Maulwürfe. (Seite 31-138)

3. Ökonomische Kontextur

3.1 Schädlichkeit

3.1.1 ‚Benagen, Wühlen und Beschmeißen’: Formen der Schädlichkeit Tiere gelten in einem ökonomischen Bezugsrahmen als ‚Ungeziefer’, weil ihnen schädliche Auswirkungen zugeschrieben werden.4 Die Rede von einem durch Tiere verursachten Schaden impliziert dabei immer dreierlei: erstens die Zurechnung der Schadwirkung auf einen Verursacher, zweitens die wie auch immer geartete Schaden verursachende Aktivität der Tiere und drittens das Ergebnis derselben. Bei der Analyse dieser drei der Schadensbe-schreibung inhärenten Aspekte wird also darauf zu achten sein, wie einem Tier die Scha-denswirkung zugerechnet, wie seine Aktivität und wie der Schaden beschrieben wird. Die-ser nach schadenverursachenden Tätigkeiten strukturierten Untersuchung sind folgende Vorbemerkungen vorauszuschicken.

In der Landwirtschaft resultieren die Schadenszuschreibungen aus der Beeinträchtigung von Nutztieren und Pflanzen in unterschiedlichen Wachstumsstadien und Verwertungs-formen. Während ‚Ungeziefer’ hier als eine Bedrohung für die Kultivierungsbemühungen des Menschen erachtet wird, geht es in der Hauswirtschaft um die Gebäudesubstanz, Ein-richtungsgegenstände, die Bekleidung sowie um Lebensmittel und in der Gesundheitspflege um den Körper. Die Beeinträchtigung wird überwiegend auf Aktivitäten, daneben aber auch auf passive Eigenschaften der Tiere zurückgeführt, von denen im Folgenden einige der häufigsten vorgestellt werden. Doch nicht in jedem Fall ist zu eruieren, welche Eigen-schaften oder Verhaltensweisen Tiere zu ‚Ungeziefer’ machen. Im Untersuchungszeitraum finden sich genügend Beispiele, in denen Tiere ohne nähere Erläuterungen als schädlich bezeichnet werden. Statt also die Art der Schadenverursachung zu benennen, wird in die-sen Fällen nur der Fakt des Schadens betont, sie werden lediglich als schädlich für etwas oder jemanden bezeichnet. So heißt es bei dem Mediziner und Philosophen ABRAHAM

FRIEDRICH KRAFFT über die Stare: „Zu Herbst-Zeit thun sie den Wein-Trauben grossen

4 Zum zeitgenössischen Verständnis des Begriffes schädlich vgl. Fußnote 16, S. 22.

3.ÖKONOMISCHE KONTEXTUR

Schaden“5 und der Kupferzeller Pfarrer JOHANN FRIEDRICH MAYER berichtet: In die Feld-raine „ziehen sich Mäuse, Maulwürffe, da halten sich die Vögel auf, da achten sich die Sper-linge sicher wider den Geyer, alle diese thun von da aus Ausfälle auf die Getraide und schaden gewaltig“.6 Beide Autoren rechnen den Tieren den Schaden an Weintrauben und Getreide direkt zu, ohne zu erläutern worin er besteht und wie er zustande kommt. Dieser Erläuterungen scheint es deshalb nicht zu bedürfen, weil die Autoren auf ein implizites Wissen der Leser rekurrieren. Gleiches ist auch dann der Fall, wenn die Auswirkungen von Tieren als beschädigen, verderben, verheeren oder verunreinigen, also sehr unspezifisch beschrieben und bewertet werden: Für den Juristen JOHANN PHILIPP FRANK ist das

„verwüstendste Insect für Fichten und Kiefern .. ohnstreitig der Borkenkäfer oder sogenante Fliegen-de Wurm, ***) Dermestes piniperda, weil er sich in kurzer Zeit erstaunend weit verbreitet, und ausseror-dentlich viele Bäume verderben macht.“7 [Herv. i. O.]

Und laut dem Naturforscher JOHANN CHRISTIAN DANIEL SCHREBER „verheeren [die Feldmäuse] das Getreide sowohl als die Gärten und Holzungen“8. In beiden Zitaten geht es darum, Borkenkäfer und Feldmäuse aufgrund ihrer Schäden an Nutzpflanzen als proble-matisch zu kennzeichnen, nicht jedoch darum, den Hintergrund dessen zu präzisieren.

Auch wenn das Auftreten von ‚Ungeziefer’ als Plage beschrieben wird, bleibt weitgehend offen, worin dessen Nachteile im Einzelnen bestehen. Der Begriff der Plage beschreibt vielmehr die Empfindungen angesichts der den Tieren zugeordneten negativen Auswir-kungen. Darüber hinaus kann dieser Begriff auch eine Ursachenanalyse beinhalten. Schließ-lich wird im Alten Testament berichtet, dass die Heuschrecken zu den zehn Landplagen gehörten, mit denen Gott die Ägypter strafte. Unter Berufung auf diese Geschichte leitet der Naturforscher JOHANN LEONHARD FRISCH das Schadenspotential der sogenannten Orientalischen Heuschrecken aus ihrer Gestalt ab. Da sie größer und deshalb auch stärker als die einheimischen Heuschrecken sind, erklärt dies die in der Bibel geschilderten drama-tischen Auswirkungen der Heuschreckenzüge:

„So daß man an der blosen Figur schon sehen kan was eine Menge so grosser Heuschrecken für Schaden thun, und ein Land erschrecken könne, auch daraus besser verstehen lernen, was die Heu-schrecken-Plage in Egypten gewesen. Exod. 10. und was die Allegorie Joel 2. für nachdrückliche Dro-hung in sich schliesse.“9

5 Krafft 1713, S. 576.

6 Mayer 1792, S. 242.

7 Frank 1789, S. 417.

8 Schreber 1792, S. 653.

9 Frisch 1720-1738, Teil 9 (1730), S. 3.

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Im Untersuchungszeitraum besteht jedoch keine zwingende Identität zwischen der ‚Plage’

und einer göttlichen Strafe, der Begriff beschreibt vielmehr die unangenehmen Konse-quenzen, die mit einer Sache, hier mit dem Auftreten von ‚Ungeziefer’, verbunden werden.

In der Technisch-Oekonomischen Enzyklopädie von KRÜNITZ heißt es, es

„gibt unter den Insecten Gattungen, die man nur höchst selten findet, und andere im Gegentheil, die so häufig sind, daß sie zu Landplagen werden, und daß die klügsten Veranstaltungen oft ganz unwirksam sind, ihre ver-wüstende Menge merklich zu vermindern.“10 [Herv. i. O.]

Insekten werden demnach immer dann zu Landplagen, wenn sie in einer Menge auftreten, in der kaum noch Maßnahmen gegen sie ergriffen werden können. Doch nicht nur Men-schen fühlen sich durch das ‚Ungeziefer’ geplagt, auch die Betroffenheit von Pflanzen und Tieren von ‚Ungeziefer’ wird derart beschrieben. So hätten nach GEORG HOLYCK die Gar-tenkräuter „diese Plage .., daß [sie] Anfangs die Erdflöh, hernach die Raupen, Nessen und anderes Geschmeiß anfeinden“.11 Und auch der Pastor CHRISTIAN FRIEDRICH

GERMERSHAUSEN sieht das Vieh auf der Koppel von „dem stechenden Ungeziefer geplaget“.12 Der Begriff der Plage dient somit dazu, die negativen Auswirkungen von ‚Un-geziefer’ zu betonen, nebensächlich bleibt dabei, wie sie hervorgerufen werden. Überwie-gend beschreiben die Autoren jedoch die Art und Weise, in der ‚Ungeziefer’ einen Schaden verursacht:

Beschmeißen

Eine im frühen 18. Jahrhundert thematisierte schädliche Aktivität von ‚Ungeziefer’, die vor-rangig Pflanzen betrifft, ist das Beschmeißen:

„Die Ameisen sind zwar gar kleine Thierlein, thun aber allen Bäumen, wo man nicht wehret, grossen Schaden, sonderlich den zarten und jungen, welche sie mit ihrem unflätigen hin- und wieder Lauffen als beschmeissen, daß die Blätter gleich verbrennen, abstehen, auch selbige an dem Grünen und Wachsthum mercklich hindern.“13

Das Verwelken der Blätter und die dadurch bedingten Wachstumseinschränkungen führt KRAFFT auf die Ameisen zurück. Sie werden für ihn durch das Beschmeißen zu schädli-chen Tieren. Was sich dahinter verbirgt, erläutert der Autor nicht. Es ist aber anzunehmen,

10 Kruenitz 1773-1858, Stichwort „Insect“, Bd. 30 (1784), S. 143-259, 208.

11 Holyck 1750, S. 286.

12 Anonymus 1783-1786, Bd. 1 (1783), S. 418.

13 Krafft 1712, S. 176.

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dass er die Baumschäden ursächlich auf die Ausscheidungen dieser Tiere zurückführt.14 Auch der Oberberghauptmann HANS CARL VON CARLOWITZ schreibt den Exkreten von Tieren eine pathologische Wirkung auf Pflanzen zu:

„Neben diesen sind auch die Käfer, so den Bäumen grossen Schaden thun, sonderlich dem Laub-Holtz, denn sie verhindern dessen Wachsthum, weil sie das Laub, auch zugleich die junge Sprößlein abfrezen, beschmeissen und vergifften, daß solche in langer Zeit kahl, und ohn einziges Laub stehen, auch nicht fortwachsen können, biß der Regen den vergiffteten Geiffer abwäscht, und abspület, und es sich nach und nach wieder erholet, oder es verdorret wohl gar davon.“15

Die Problematik des Beschmeißens besteht für VON CARLOWITZ darin, dass hierbei Stoffe ausgebracht werden, die für Pflanzen giftig sind. Deren Wirkung wird allerdings als zeitlich begrenzt und auch als reversibel beschrieben, schließlich könnten die Ausscheidungen durch Regen abgewaschen werden. Andere Autoren berichten aber auch davon, dass Bäu-me durch Tiere unwiederbringlich vergiftet worden seien.16 Unabhängig davon, ob mit dem Beschmeißen zeitweilige Beeinträchtigungen oder bleibende Schäden verbunden werden, es gilt den Pflanzen prinzipiell als unzuträglich.

Darüber hinaus schädigten die Exkrete von ‚Ungeziefer’ auch Nutztiere, denn sie könnten Krankheiten hervorrufen: So heißt es im Aufsatz des Pastors JOHANN HEINRICH ZORN

über die „Mäuse-Plage“, dass eine Seuche „bey dem Vieh auch geschehen kan, wenn sie [die Mäuse] die Fütterung und Stroh mit ihrem Unflath besudeln“.17 Ein Tier, das in diesem Zusammenhang häufig erwähnt wird, ist die Kröte. Ihre Schädlichkeit wird überwiegend mit ihrer Giftigkeit18 begründet:

„[Kröten] haben .. auch einen sehr schädlichen gifftigen Urin, die ihn weit um sich spritzen, wann sie das Gras, Heu oder andere Futter und Früchte der Erden beseuchen, so schadet es dem Viehe sehr... . Dann sie lassen auch aus dem Munde einen vergifften Geifer auf die Früchte fallen, daß mancher von Stund an sterben muß, wann er ungewaschen davon isset.“19

14 Es ist jedoch zu vermuten, dass nicht die Ameisen, sondern Blattläuse für die beklagten Baumschäden verantwortlich sind. Blattläuse ernähren sich von Pflanzensäften, Ameisen wiederum von deren Ausscheidungen, die auch als Honigtau bezeichnet werden. Im 18. Jahrhundert beschäftigen sich viele Abhandlungen mit dem Honigtau, der für die Pflanzen als schädlich gilt. Er wird etwa bis zur Mitte des Jahrhunderts als ein unerklärliches Naturphänomen betrachtet.

15 Carlowitz 1713, S. 60.

16 Eine Vergiftung wird aber nicht zwingend auf die Exkrete von Tieren zurückgeführt, sondern hierunter werden auch allgemein die (Folge-)Wirkungen eines Raupen- oder Käferauftretens subsumiert. Vgl.

Anonymus 1756b, Sp. 159.

17 Zorn 1773, S. 22f.

18 Im Compendieusen Haushaltungslexikon wird sie als „ein gifftiges und abscheuliches Thier“ beschrieben.

(Anonymus 1728, Stichwort „Kröte“, S. 515; vgl. auch Zincke 1744, Stichwort „Kröte“, Teil 1 (1744), Sp.

1524f, 1524.)

19 Krafft 1713, S. 162f. Laut KRAFFT könnten auch die Ausscheidungen von Fliegen, wenn sie mit Lebensmitteln verzehrt werden, Krankheiten hervorrufen und zwar dann, wenn die Fliegen zuvor von

„vergifften Thieren oder verreckten Aas gefressen“ haben. Es wird also davon ausgegangen, dass Fliegen

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Demnach gelten gleich zwei Ausscheidungen der Kröte als giftig, nämlich ihr Urin und das Sekret ihrer Speicheldrüsen. Letzteres könne für den Menschen sogar unmittelbar lebens-bedrohlich werden. Diese existenzielle Bedrohung wird aber durch den Zusatz entschärft, dass ihr durch entsprechende Vorsichtsmaßnahmen20 – dem Reinigen der Früchte – vor-zubeugen ist.

Die Körperflüssigkeiten von ‚Ungeziefer’ gelten aber nicht nur als schädlich für Organis-men, sie beschädigten auch Gegenstände:

„[Mücken und Fliegen] besudeln die Kleider dergestalt, daß die Flecken nicht wohl abzubringen, weßwegen sie auch denen Bildern und Gemählden sehr gefährlich, weil man dessen Unflath nicht wohl abbringen kan.“21

In diesem Fall verursachen die Tiere den Schaden nur mittelbar, da er erst bei dem Versuch entsteht, ihre Ausscheidungen von den Gegenständen zu entfernen.

Insgesamt wird deutlich, dass verschiedenem ‚Ungeziefer’ ein – meist nicht weiter spezifi-ziertes – stoffliches Substrat zugeschrieben wird, das Pflanzen, Gegenstände, Tiere und Menschen beeinträchtigen beziehungsweise gefährden kann. Diese Form der Schadensbe-schreibung verliert jedoch ab der Mitte des 18. Jahrhunderts weitgehend an Plausibilität.22 An dieser Stelle ist bereits darauf hinzuweisen, dass dieses Substrat nicht prinzipiell als ge-fährlich betrachtet wird, ihm werden ebenso positive Effekte als Heilmittel zugeschrieben.23

Stechen und Saugen

Durch ihre Stiche gelten Läuse, Flöhe, Mücken, Bremsen, Wanzen und Bienen24 für andere Lebewesen als problematisch:

„Mücke, ist ein kleines, fliegendes Ungeziefer, welches einen Stachel im Maul hat, der ihm an statt der Zunge dienet, und womit es Menschen und Vieh empfindlich sticht, damit es ihr Blut in sich saugen möge.“25

das aufgenommene Gift weiterverbreiten, ohne selbst darunter zu leiden. (Vgl. Krafft 1712, S. 115.)

20 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 3.1.2 „Genauigkeit und Fleiß“.

21 Kräutermann 1728, S. 393; vgl. auch Krafft 1712, S. 115; Lesser 1740, S. 426ff.

22 Sie wird aber weiterhin bemüht, so beispielsweise von BECHSTEIN: Seines Erachtens werde das Absterben der Fichten durch Borkenkäfer auf folgende Art und Weise bedingt: Sie würden die Bäume „durch ihre beym Nagen aus dem Munde fließende beitzende Materie gleichsam vergiften, so daß die feine weiße saftführende Safthaut, nach der Verletzung gleich stockig und bläulich wird“. (Bechstein 1805, S. 202.)

23 Vgl. Abschnitt 3.2.

24 In der ZEDLERschen Enzyklopädie werden Bienen u. a. anhand ihrer Stiche unterschieden: „Einige haben ziemliche scharffe und schädliche Stacheln, andere stumpffe und nicht so schädliche.“ (Zedler 1732-1754, Stichwort „Apis“, Bd. 2 (1732), Sp. 840.)

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Die Problematik stechender Tiere wird aber nicht nur mit Schmerzen begründet, vielmehr werden sie auch als psychisch belastend beschrieben:

„Sie sind uns auch außer den Schlafzimmern bey unsern Spatziergängen beschwerlich, und da ist es nicht möglich ihrer loß zu werden. Man wird öfters von ihnen also gestochen, daß große Beulen auf-laufen, die ein gewaltiges Jucken und Brennen verursachen.“26

In der zeitgenössischen Wahrnehmung werden nicht nur Abszesse auf Insektenstiche zu-rückgeführt, sondern bisweilen auch tödlich verlaufende Krankheiten, wie beispielsweise die „Läuse-Krankheit“ beziehungsweise „Läuse-Sucht“.27 Sie wird, wie aus dem Namen hervorgeht, mit Läusen verknüpft, die aber nicht zwingend als Krankheitsursache angese-hen werden. So findet sich die Annahme, dass sich Läuse erst aus den Abszessen und da-mit erst nach einer vorliegenden Erkrankung entwickeln.28 Am häufigsten werden derartige Schwellungen aber auf die an der Haut saugenden Läuse zurückgeführt:

„Da die Läuse bey dem Saugen die Haut durchbohren, so entstehen daher oft Geschwüre, die in die Krätze, wohl gar in den Grind, übergehen. Verschiedene Leute haben dadurch eine besondere tödli-che Krankheit bekommen, wenn die Läuse sich auf der Haut so ungeheuer vermehren, und am gan-zen Körper Wunden und Geschwüre, die bis auf die Knochen gehen, verursachen.“29

Insektenstiche könnten aber nicht nur für Menschen lebensbedrohlich werden, sondern auch für Tiere. Aufgrund der gesellschaftlichen Bedeutung des Viehs für die Milch- und Fleischversorgung sowie als Düngemittellieferant stellen Viehverluste, wie sie im 18. Jahr-hundert unter anderem durch die wiederholt auftretenden Viehseuchen hinzunehmen sind,30 eine „ernst zu nehmende Bedrohung“31 dar. Um die Seuchen einzudämmen oder ihnen vorzubeugen, wird nach effektiven Maßnahmen gesucht, was wiederum die Kenntnis der Krankheitsauslöser voraussetzt. Auch Insekten werden als mögliche Verursacher be-trachtet:

„Nach jeden gemachten Versuchen und fleissigen Beobachtung der Zufälle und innerlichen Beschaf-fenheit nach dem Untergang dieser Thiere ist wohl gewiß, daß die im vergangenen Monath Junius sich

25 Anonymus 1752, Stichwort „Mücke“, Teil 2, S. 115.

26 Bock 1785, S. 233.

27 Es scheint sich bei dieser Hautkrankheit um die Krätze zu handeln, als deren Verursacher heute Krätzmilben angesehen werden. Auch im 18. Jahrhundert sind die Krätzmilben als ein möglicher Verursacher der Krätze bekannt. (Vgl. Kruenitz 1773-1858, Stichwort „Krätze“, Bd. 47 (1789), S. 755-811.) Es ist allerdings zu vermuten, dass „Läuse“ häufig als ein Oberbegriff für alle auf der Haut vorkommenden sehr kleinen Tiere, die nicht als Flöhe oder Wanzen identifizierbar sind, verwendet wird.

28 Vgl. Anonymus 1728, Stichwort „Läuse-Sucht”, Sp. 533.

29 Kruenitz 1773-1858, Stichwort „Laus“, Bd. 66 (1795), S. 244-276, 258; vgl. auch Lesser 1740, S. 437f;

Jördens 1801, S. 17.

30 Hünemörder 2007, Hünniger.

31 Hünemörder 2007, S. 22.

3.ÖKONOMISCHE KONTEXTUR

angesponnene Seuche eine Würkung von den äuserlich giftigen Stichen der Brämen oder Roß-Mucken sey.“32

Auf welcher Basis der Autor diese Zuordnung vornimmt, wird nicht ausgeführt.

Neben Mensch und Tier beeinträchtigten Insektenstiche auch Pflanzen. Konkret wird aber weniger der Stich als das sich daran anschließende Aussaugen des Pflanzensaftes für schäd-lich gehalten, da die Gewächse dadurch vertrockneten oder sich deformierten: So heißt es beispielsweise bei CARL VON LINNÉ: „Verschiedene Blattläuse (Aphides variae Syst. Nat.

G. 176.) saugen aus den Bäumen den Nahrungssaft, daß sie oft abwelken, und zu Grunde gehen.“33 Das Verwelken wird hier also unmittelbar auf die Blattläuse zurückgeführt. Ob-wohl diese Folge nicht zwingend eintreten muss, lässt allein ihre Möglichkeit die Tiere zu einem Problem werden.

Ein anderer Autor ist sich sicher, dass die Wucherungen an Eiben, Fichten und Rottannen durch „Würmlein“ hervorgerufen werden: „Diese Würmlein haben dieses Mißgewächs oh-ne Zweiffel verursacht, und den zuschiessenden Saft in solche Unordnung gebracht, daß ein solcher wohl formirter Knoten zum Vorschein gekommen.“34 Die Problematik der Würmlein bestünde also darin, dass sie den als ein geregeltes – ordentliches – System kon-zipierten Saftfluss einer Pflanze stören, dadurch unförmige Gewächse an den Bäumen be-dingen und so schließlich den Pflanzenwuchs behindern. Ihre Anwesenheit verweist somit auf ein bestehendes Ungleichgewicht der Pflanze.

Expliziter als VON LINNÉ betreibt CHRISTOPH RIEDEL eine Ursachenanalyse:

„Wenn ich an einem Tage derselben so viel möglich war, zerquetschte, so war doch am folgenden das noch übrige gesunde, absonderlich zarte Laub, gleichsam damit wiederum besäet, und dieses dauerte so lange, bis alle übrigen grünen Blätter ausgesogen und welk waren. Und weil der aufsteigende Saft in die vertrukneten und übrigen welken Blätter und Blumenstengel sich nicht mehr ausbreiten konte, so musten nohtwendig bei zurüktretenden Safte die Nelkenstökke zu Grunde gehen.“35

RIEDEL beschreibt das Verdorren der Nelkenstöcke als ein sukzessives Geschehen, das auch er nicht aufhalten konnte: Die Blattläuse saugen die Blätter aus. Der dadurch gestörte Saftfluss der Pflanze bedingt, dass der ganze Stock eingeht. Derart erklärt auch ein weiterer Autor die Auswirkungen der sogenannten Holzwürmer:

32 Anonymus: Auszug eines anderweitigen Schreibens wegen dieser Vieh-Seuche, in: Fränkische Sammlungen von Anmerkungen aus der Naturlehre Arzneygelahrtheit Oekonomie und den damit verwandten Wissenschaften, Bd. 2 (1756), S. 124-128, 124f.

33 Linné 1783, S. 33.

34 Anonymus: Schreiben an den Herrn Verfasser der Abhandlung von Insekten wilder Bäume**, in:

Allgemeines Oeconomisches Forst-Magazin, Bd. 2 (1763), S. 311-315, 315.

35 Riedel 1751, S. 555.

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„Man hat gefunden, daß dieses Insect sich gemeiniglich auf dem Gipfel des Baumes aufhält, wo es zwischen der Rinde und dem Holze sizt, und den daselbst befindlichen Saft, welcher dem Baume zur Nahrung und zum Wachsthume dienen sollte, verzehret. Daher wird erstlich der Gipfel bleich, alsdenn widerfähret eben dieses den Aesten, die Nadeln fallen ab, und der Baum vertrocknet.“36

Der Verzehr des Pflanzensaftes gilt auch hier als ursächlich für das sich verändernde Aus-sehen des Baumes. Es wird für den Autor in doppelter Weise zeichenhaft: Es weist ihn darauf hin, dass die Insekten auf dem Baum vorkommen und es widerspiegelt die Dauer ihrer Anwesenheit.

In den bisher zitierten Schadensbeschreibungen wurden ausschließlich die unmittelbaren Auswirkungen von ‚Ungeziefer’ auf Menschen, Nutztiere oder Gebrauchsgegenstände er-läutert. Ihre ökonomischen Effekte können aber auch einen expliziten Bestandteil der Schädlichkeitsbeschreibung bilden: VON LINNÉ erwähnt beispielsweise, dass durch Blatt-läuse nicht nur Pflanzen, sondern finanzielle und persönliche Aufwendungen zunichte ge-macht werden:

„Diese Insekten wüten oft ganz jämmerlich in den Gewächshäusern; sie verderben die Gewächse, die man mit so vielen Kosten und Sorgfalt aus weit entlegenen Ländern gebracht hat.“37

‚Ungeziefer’, wie die sogenannten Holzwürmer, bei denen es sich vermutlich um Borkenkä-fer handelt, kann auch volkswirtschaftliche Interessen beeinträchtigen:

„Nachdem man in erwähnten nur verflossenen Jahren gefunden hat, daß dieses Insect dergestalt überhand genommen, daß ganze Striche in den herrlichsten Gegenden dadurch sind verderbet wor-den, wodurch, ausser andern übeln Folgen, auch den vortreflichen Harzbergwerken viel Nachtheil zu-gezogen, und der Untergang gedrohet worden ist: so hat man auf die Ausrottung dieses Ungeziefers mit Eifer denken müssen“.38

Maßnahmen werden meist erst dann für nötig erachtet, wenn eine spezifische Schadens-schwelle überschritten ist. Sie wird hier zwar nicht näher bestimmt, deutlich ist jedoch, dass sie der Autor an die Insektenmenge und an spezifische Nutzungsinteressen, nämlich die der Harzbergwerke, knüpft. Beim Bergbau handelt es sich um einen wichtigen – „vortreff-lichen“ – Wirtschaftszweig, der auf die Holznutzung angewiesen ist und insofern die Insek-tenbekämpfung forciert haben kann.

36 Anonymus: Auszug aus dem Tagregister der Königl. Schwed. Akad. der Wissenschaften, in: Allgemeines Oeconomisches Forst-Magazin, Bd. 5 (1764), S. 23-25, 23.

36 Anonymus: Auszug aus dem Tagregister der Königl. Schwed. Akad. der Wissenschaften, in: Allgemeines Oeconomisches Forst-Magazin, Bd. 5 (1764), S. 23-25, 23.

Im Dokument Mäuse, Maden, Maulwürfe. (Seite 31-138)