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3 Durchführung Arbeits- und Zeitplan, Zielerreichung Das Projektvorhaben wurde im Wesentlichen in Übereinstimmung mit dem Arbeits-und

4.1 Entwicklung „Walk in Ruhr“ in Bochum

4.1.1 Die Akteure im „Walk in Ruhr“

4.1.1.6 Rosa Strippe

Rosa Strippe begann 1980 als Selbsthilfe-Telefonanlaufstelle für schwule Männer. Nach zehn Jahren ehrenamtlicher Selbsthilfearbeit, erhält die Einrichtung seit 1990 städtische Förderung und seit 1997 auch Landesmittel. Das Themengebiet wurde sukzessive

erwei-tert und umfasst nun psychosoziale Beratung, Hilfe und Öffentlichkeitsarbeit für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans* und Inter*Personen und deren Angehörige.

Der Verein unterhält eine psychosoziale Beratungsstelle mit Einzel-, Paar- und Familien-beratung sowie verschiedenen Gruppenangeboten (zu Coming Out, Älter werden, Frei-zeitangebote, Treffpunkte für Bisexuelle und für Regenbogenfamilien etc.). Es wird zu psychischer und körperlicher Gesundheit für MSM, zu HIV und AIDS sowie zu anderen STI beraten und in regelmäßigen Abständen Informationsabende mit Fachleuten durchge-führt. Angeboten wird zudem Beratung zur Überbrückung von Wartezeiten auf Therapie (Einzel-Beratungsreihe).

Rosa Strippe unterhält ein Jugendhilfeangebot und ist Träger von SCHLAU Bochum (Bildungs- und Antidiskriminierungsprojekt zu geschlechtlichen Identitäten und sexuellen Orientierungen). Seit 1997 ist Rosa Strippe e. V. anerkannter Träger der freien Jugendhil-fe nach §75 SGB VIII. Im Rahmen von JugendhilJugendhil-fe werden neben Beratung auch ein of-fenes Jugendhilfeangebot („café freiRAUM.“) und gruppenpädagogische Angebote für 14- bis 27-jährige LSBTI* vorgehalten sowie Jugendbildungsangebote und Projekte aus dem Kinder- und Jugendhilfe-Förderplan des Landes NRW.

Rosa Strippe ist Kooperationspartner des aus dem Ministerium für Schule und Bildung des Landes NRW geförderten Projektes „Schule der Vielfalt – Schule ohne Homopho-bie“. Das Standesamt Bochum unterhält ein Trauzimmer im Haus der Rosa Strippe, in dem Eheschließungen möglich sind.

Jüngst hat sich das Spektrum erweitert um (psychosoziale) Beratung und Unterstützung Geflüchteter mit einem wöchentlichen Kontaktangebote für junge lesbische, schwule, bi-sexuelle, trans- und intersexuelle (LSBTI*) Geflüchtete und Migrant*innen im Alter von 14 bis 27 Jahren („Senlima“) und für lesbische, bisexuelle und Trans*-Frauen von 14 bis 27 Jahren („Senlima women“). Rosa Strippe hat gemeinsam mit Kooperations-partner*innen in NRW ein landesgefördertes Schulungsangebot für Multiplikator*innen aufgelegt, das in unterschiedlichen Institutionen mit Geflüchteten arbeitenden Fachkräf-ten auf die Unterstützung von LSBTI*Geflüchteten vorbereitet. Seit Beginn des Jahres 2019 ist unter dem Dach der Beratungsstelle des Vereins eine projektgeförderte „Regio-nalberatung für Geflüchtete“ angesiedelt.

Rosa Strippe engagiert sich für die Entstigmatisierung unterschiedlicher Lebensformen und bietet Opfern von Diskriminierung und Gewalt die Möglichkeit, diese Erfahrungen zu melden und Beratung zu bekommen.

Rosa Strippe hat im Mai 2019 am Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychothera-pie der RUB in einem Seminar zwölf Psychotherapeut*innen in Ausbildung zum Thema

„sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Beratung und Psychotherapie" sensibilisiert.

Und trägt mit Workshops und Vorträgen zu Veranstaltungen des WIR bei (bspw. im Rahmen des 8. Fachtags „Sexualität und Psyche“ im Januar 2019). Gemeinsam mit der Aidshilfe wurde ein Stressmanagementangebot konzipiert und im WIR angeboten.

Im Rahmen der Mitwirkung im WIR war ein Vertreter von Rosa Strippe zunächst einmal die Woche für zwei Stunden im Zentrum. Nachdem dieses feste Zeitfenster sich aber als wenig adäquat erwiesen hat, steht Beratung nun einmal wöchentlich für je drei Stunden zur Verfügung, muss jedoch konkret abgerufen werden (i. d. R. von den Health Advi-sern). Zudem nimmt Rosa Strippe einmal monatlich an den 2019 eingeführten Fallbe-sprechungen im WIR teil.

In der Beratungsstelle arbeiten sieben Personen (Dipl.-[Sozial-]Pädagogik, Sozialwissen-schaften und KommunikationswissenSozialwissen-schaften) mit 4,9 Vollzeitäquivalenten. Drei Fach-kräfte sind in psychotherapeutischen Verfahren weitergebildet. Die Hauptamtler*innen

werden durch den ehrenamtlichen Vorstand sowie etwa 30 Ehrenamtler*innen in unter-schiedlichen Projekten (z. B. SCHLAU, Jugendarbeit, Freizeitangebote, Regenbogenfa-milien) unterstützt. Rosa Strippe arbeitet in Stadt und Land in diversen Gremien mit (z. B.

AK Sexuelle Gesundheit, Stadt Bochum) und ist in mehreren Dachverbänden, darunter im Landesverband der Aidshilfe in NRW.

Rosa Strippe wird vom Land (MKFFI) für die psychosoziale Beratung für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans* und Inter*Personen und deren Angehörige, für die Gewalt-prävention für LSBTI* Geflüchtete und für das Projekt „Schulungen LSBT*I* und Flucht“ gefördert und erhält Mittel aus dem Kinder- und Jugendförderplan, sowie eine Projektförderung für die „Regionalberatung für Geflüchtete“. Die Stadt Bochum gewährt aus dem Amt für Soziales eine Festbetragsfinanzierung und Jugendhilfemittel.

Bei Rosa Strippe wurden im Jahr 2018 719 Personen mit insgesamt 2.717 Kontakten be-raten. Etwa 47 % der Ratsuchenden sind Jugendliche und junge Erwachsene, gut 15 % über 50 Jahre alt. Gut 24 % haben einen jüngeren Fluchthintergrund. 2018 wurden 69 Workshops im Rahmen von SCHLAU durchgeführt mit insgesamt ca. 1.500 Teilneh-mer*innen.

4.1.2 Finanzierung

Die Grundfinanzierung des WIR erfolgt im Wesentlichen über die jeweilige Finanzierung der sechs Akteure, wie in nachfolgender Tabelle aufgeführt:

Tab. 1: Grundfinanzierung der Akteure

Akteur Leistungsträger/Zuwendungsgeber

Aidshilfe Land und Kommune sowie Spenden, Bußgelder und Mitgliedsbeiträge.

Ambulanz Krankenkassen (gesetzlich, privat) und Selbstzahler (Behandlung), Bund, Land, Stiftungen (Projekte), Kommune, Pharmafirmen (Studien), Katholi-sches Klinikum Bochum, Bistum Essen

Gesundheitsamt Kommune

Madonna Kommune, Land, Stiftungen, Spenden, Mitgliedsbeiträge pro familia Kommune, Land, Stiftungen, Spenden, Mitgliedsbeiträge Rosa Strippe Kommune, Land, Stiftungen, Spenden, Mitgliedsbeiträge

Die Finanzierungen unterscheiden sich deutlich insbesondere zwischen der entgeltfinan-zierten Behandlung, Forschungsförderung, der kommunalen Grundfinanzierung des Öf-fentlichen Gesundheitsdienstes und den i. d. R. prekären, meist zeitlich befristeten Förde-rungen der NGO.

Das WIR realisiert damit ein auf so vielen unterschiedlichen Grundlagen basierendes An-gebot, wie es das in Deutschland derzeit an keiner anderen Stelle gibt.

Für die Vorbereitung, Konzeptionierung usw. des WIR sowie für den Umbau mussten zu-sätzliche Mittel eingeworben werden. Dies gelang mehrfach und so förderten das Ruhr-bistum, das Katholische Klinikum, die Stadt und das Land NRW Entwicklungsarbeiten.

Bspw. finanzierte das Katholische Krankenhaus den Umbau des ehem. Schwesternwohn-heims, auch die Stadt Bochum steuerte Investitionsmittel bei. Konzeptionelle Vorarbei-ten, wie bspw. zum Health Adviser förderte das MAGS NRW.

Der Endbericht zur Entwicklung des WIR-Konzepts (Ruhr-Universität, 2015) beschreibt eine Reihe von Aktivitäten zur Gewinnung der benötigten Mittel, darunter:

Gespräche mit Vorstandsmitgliedern der KVWL und mit Vorständen von gesetzli-chen Krankenkassen (AOK NW, Knappschaft-Bahn-See – KBS).

Diverse Anträge, z. B. beim „M.A.C AIDS Fund“, beim Bistum Essen auf Projektun-terstützung für aufsuchende Arbeit bei Sexarbeiterinnen, beim Land NRW für die Entwicklung von Health Advising (Konzept, Personal, Curriculum; später auch bei einer Pharmafirma und bei der Deutschen Aids-Stiftung) sowie Versuche bzgl. eines Projekts zur Beschäftigung von Patienten*innen-Repräsentanten*innen (PaRe) und Jugendbotschaftern*innen am WIR, zu niedrigschwelligen Aufklärungs- und Be-handlungsangeboten für Menschen und Zielgruppen mit erhöhter Vulnerabilität für STI.

Entwicklung oder Beteiligung bei verschiedenen Studien, an der RKI-STI-Screening-Studie oder durch die Initiierung einer RKI-STI-Screening-Studie zur Erfassung der STI-Prävalenz und – Versorgung sowie die Verbesserung des Wissens zu STI von Jugendlichen und jun-gen Erwachsenen im WIR (PreYoungGo, pharmagefördert) oder bei der TECAIN Studie (“Efficacy and safety of topical trichloroacetic acid [TCA] vs. electrocautery [ECA] for the treatment of HPV-induced anal intraepithelial neoplasia in HIV-positive patients”; BMBF-gefördert.

Schließlich konnte mit dem BMG Übereinkunft erzielt werden, die Arbeit des Zentrums extern wissenschaftlich begleiten zu lassen und dafür eine Förderung der wissenschaftli-chen Koordination im Zentrum zu bekommen. Seit der Eröffnung 2016 gelang es dem WIR, weitere Mittel zu akquirieren, darunter Stiftungsförderung, Pharmaförderung und Studienfinanzierung.

Im Rahmen der Evaluation wurden zu zwei Zeitpunkten (2017 und 2019 gegen Ende der Laufzeit) Gespräche mit Kosten- und Leistungsträgern bzw. Zuwendungsgebern durchge-führt. Dabei konnten eine Reihe, jedoch nicht alle angestrebten, Gespräche umgesetzt werden. Es gelang nicht, einige Referate in zuständigen Landesministerien zu sprechen sowie einzelne Krankenkassen.

Die verschiedenen Gesprächspartner*innen verfügten – zu beiden Zeitpunkten – über sehr unterschiedliche Nähe zum Thema, z. T. waren sie kaum involviert. Im Jahr 2017 war die Mitwirkung geförderter Einrichtungen im WIR z. T. nicht/kaum bekannt, ebenso wenig wie andere Finanzquellen der (jeweiligen) Einrichtungen. Von der komplexen Struktur des WIR wussten einige, andere konnten dazu nichts sagen und überwiegend war nicht bekannt, ob, wie und wie viel sich die je zugehörigen Einrichtungen im WIR ein-bringen.

Zwar bestand allgemein Zustimmung zu dem innovativen Versuch, doch kaum Bereit-schaft, Mehraufwand zu unterstützen. Vielmehr lag der Fokus meistens auf dem je zuge-hörigen Angebot und es bestand Sorge vor Doppelfinanzierung oder Fehl-Nutzung von Mitteln. Tatsächlich gelang es bis zum Ende der Projektlaufzeit nicht, im Rahmen der bisherigen Regel- oder Projektförderung explizit Auftrag und Ausstattung für die Mitar-beit im WIR zu bekommen. Andere Gesprächspartner*innen sahen inhaltliche Differen-zen, vermissten wichtige Angebotsbausteine (Schwangerschaftskonfliktberatung) unter dem Dach des WIR und bestanden auf klaren Trennungen.

Eine Ausnahme davon ergab sich im letzten Halbjahr: Mit der Knappschaft-Bahn-See wurde ein Vertrag über „Besondere Versorgung“ (§ 140a SGB V) abgeschlossen, der der Ambulanz für die Behandlung von STI mehr Mittel zur Verfügung stellt – eine Art „Qua-litätspauschale STI“. Diese Entwicklung wurde seitens des MAGS NRW aufgegriffen und unterstützt, indem das Land am 21. August 2019 zu einem Gespräch mit weiteren

Krankenkassen einlud und dabei diese und andere Möglichkeiten einer adäquaten Finan-zierung auslotete.

Auch gelang es in der Projektlaufzeit in beeindruckendem Maß, immer wieder von ver-schiedenen Stellen Mittel für Angebotsbausteine zu bekommen. So fördert bspw. eine Pharmafirma und aktuell zusätzlich die Deutsche AIDS-Stiftung Stellenkapazitäten für Health Advising; die Deutsche AIDS-Stiftung fördert zudem Psychotherapie. Und im Rahmen von Studien (z. T. über Pharmafirmen gesponsert) können Untersuchungen durchgeführt werden, die auf Kosten der Krankenversicherung nicht möglich wären (z. B:

risikoadaptierte STI-Screening, Kontrolluntersuchungen für PrEP-User). Insgesamt flie-ßen im Jahr 2019 etwa 400.000 Euro Drittmittel ins WIR, doch handelt es sich hierbei um befristete Projektmittel, die nicht geeignet sind, die Arbeit auf Dauer abzusichern.

Mit Blick auf die Entwicklung in Deutschland kann festgehalten werden, dass auch an-dernorts vernetzte Angebote entwickelt wurden (s. Zwischenbericht vom Juli 2017, Kap.

3.3) Phase 1 – vergleichbare Einrichtungen) und aktuell werden:

Das Land NRW fördert seit 2019 Netzwerke zu „Sexualität und Gesundheit“. Mit dem Projekt werden über drei Jahre Aufbau und Weiterentwicklung regionaler Netzwerke gefördert, die Zugang zur Angebotskette „Information – Beratung – Test – Behandlung – Gesundheit“ und Überleitungen durch engere Zusammenarbeit ver-bessern sowie Versorgungspfade etablieren wollen. Das WIR erhält in diesem Zu-sammenhang gemeinsam mit weiteren Projektpartnern eine Förderung für ein Pro-jekt, in dessen Rahmen Netzwerk- und Angebotsstrukturen im Regierungsbezirk Münster aufgebaut werden sollen.

Das Bundesministerium für Gesundheit unterstützt die Entwicklung von Check-pointPlus-Projekten an zwei Standorten. Die CheckpointPlus‘ streben eine engere Verzahnung von Test und Behandlung durch Etablierung von Nebenbetriebsstätten niedergelassener Praxen in Teststellen an.

Zudem fördert das BMG eine Situationsanalyse zu Partner*innen-Benachrichtigung in Deutschland, in der neben Literaturanalysen und Erhebungen unter Fachkräften erstmals auch Betroffene, d. h. Nutzer*innen von anonymen Teststellen (in größerem Umfang) be-fragt werden.