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Die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation der Implementation des WIR fand nicht unter den Bedingungen einer Studie statt, sondern „im richtigen Leben“. Die zu betrach-tenden Personen waren keine (zufällig oder kriteriengestützt) ausgewählten Studienpati-ent*innen, sondern ganz unterschiedliche Personen, die ihre Anliegen und Bedarfe ins WIR führten. Hier erhielten sie Beratung, Test, Behandlung – ganz unabhängig davon, ob sie zur Teilnahme an der Untersuchung bereit waren. Und für einen Teil der Nut-zer*innen war der Schutz ihrer Anonymität von entscheidender Bedeutung. Dass unter diesen Bedingungen eine Teilnahmequote von knapp drei Viertel aller Nutzer*innen des Zentrums erzielt wurde, ist dem großen Engagement der Mitarbeitenden geschuldet.

Gleichwohl gehen damit Limitationen einher, die zu benennen sind:

Die Teilnahmequote variierte je nach Einrichtung: Während die Klientel der im WIR ansässigen Einrichtungen insgesamt gut erfasst ist, verweigerten fast alle mit WIR-Kontakt betreuten Klient*innen von Madonna und pro familia ihre Zustimmung zur Teilnahme an der Evaluation. Deshalb sind vielfach lediglich Aussagen zu den drei Einrichtungen, die im WIR verortet sind, möglich. Damit einher geht zudem eine Unterrepräsentanz bestimmter Personengruppen, bspw. von Sexarbeiter*innen und Personen ohne Krankenversicherung. Über die Nicht-Erfassung der von pro familia im WIR-Kontext betreuten Männer mit Erektionsstörungen kann über diese vermut-lich ganz andere Klient*innengruppe nicht berichtet werden.

Diesen und weiteren Personengruppen ist Anonymität besonders wichtig. Bspw.

schürte die Verabschiedung des ProstSchG bei Sexarbeiter*innen Ängste und engte ihre Bereitschaft, Daten preiszugeben noch weiter ein. Anonymität war auch Män-nern mit Erektionsstörungen, sich illegal in Bochum aufhaltenden Personen oder Menschen nach traumatischen Erfahrungen, in psychischem Stress oder Krisen etc.

wichtig. Die qualitativen Erhebungen verweisen darauf, dass diese Personengruppen durchaus im WIR versorgt wurden. Doch sind sie in der Evaluation aufgrund fehlen-der Datenerfassung unterrepräsentiert. Aufgrund einiger Überschneidungen mit den genannten Gruppen, sind so die Anteile von Frauen, Migrant*innen und Personen ohne Krankenversicherung in der Teilnehmendengruppe niedriger als in der Realität.

Die Mitarbeitenden nahmen Einfluss auf die Teilnehmendenquote, indem bspw. Per-sonen in akut schwierigen Situationen oder in psychischen Stresssituationen sowie Flüchtlinge häufig nicht zur Teilnahme aufgefordert wurden. Die Fachkräfte haben hier eigenständig entschieden, dass diesen Personen eine (weitere) Befragung und Einverständniserklärung nicht zugemutet werden soll. Des Weiteren waren die

Zeit-ressourcen der Beratungsstelle für Sexuelle Gesundheit des Gesundheitsamts so limi-tiert, dass phasenweise deshalb gar nicht zur Teilnahme an der Erhebung aufgerufen wurde. Dies führte zu Ausfällen beim Einschluss von Testklientel.

Personen mit körperlichen Behinderungen sind über die Datenerfassung nicht er-kennbar, da bestehende Einschränkungen oft nicht dokumentiert wurden. Auswer-tungen zu Menschen mit Einschränkungen betreffen deshalb ausschließlich Men-schen mit Verständigungsschwierigkeiten.

Aufgrund der hohen Teilnahmequote von Ambulanzpatient*innen sind HIV-Patien-t*innen in Dauerbehandlung generell überrepräsentiert. Dies betrifft noch einmal mehr die schriftliche Nachbefragung, zu der deutlich mehr Ambulanzklientel moti-viert werden konnte.

Um der Ambulanz Doppeldokumentation zu ersparen, sollten medizinische Daten zu Diagnosen und Behandlungsverläufen aus dem Krankenhausinformationssystem übernommen werden. Dies war jedoch sehr viel schwieriger als erwartet und band sowohl in der Ambulanz als auch bei der Evaluation sehr viel Zeit. Gleichwohl konn-ten nicht alle Daten (bspw. zu Hepatitis C) in zufriedenstellender Qualität extrahiert werden, wodurch einige wenige Analysen nicht möglich waren.

An der Nachbefragung beteiligten sich rd. ein Zehntel aller im WIR durch die Evalu-ation erreichten Nutzer*innen. Viele von ihnen bildeten in der anonymen und online durchgeführten Nachbefragung keinen Code, der nötig war, um die Daten mit jenen aus Erstbefragung und Leistungsdokumentation zu verknüpfen. Deshalb ist kein Vergleich von Daten möglich, bspw. zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Beginn der Betreuung und bei Beendigung bzw. später. Die Klientel der Beratungs-stelle des Gesundheitsamts hat die Nachbefragung wenig genutzt, nach einem oft einmaligen Besuch im WIR erschien das vielen nicht passend oder nötig.

Eine wesentliche Grundlage für die Diskussion der Ergebnisse ist die Umsetzung bzw. Erreichung der im Zielkatalog definierten Ziele. Dabei wurden dort z. T. Ziele formuliert, die Veränderungen bzw. Verbesserungen im Vergleich zum vor-WIR-Setting benennen. Allerdings fehlen uns Vergleichsdaten zu den vorherigen Ständen.

Inwieweit also bspw. die Behandlung von HIV im Vergleich zum vorherigen Setting verbessert werden konnte, lässt sich auf Basis der vorliegenden Daten nicht prüfen.

Auch Fragen zur Reichweite des WIR in und um Bochum können nur begrenzt be-antwortet werden. Zum einen wurden die dafür vorgesehenen Dokumentationen nur von einem Teil der Akteure und nur lückenhaft bearbeitet. Zum anderen ist Reich-weite ohne repräsentative bevölkerungsbezogene Umfragen nur schwer messbar, die jedoch im Rahmen der hier durchgeführten Evaluation weder vorgesehen noch machbar waren.

Schließlich muss konstatiert werden, dass erst im Verlauf Dokumentationsfehler deutlich wurden, die dann nicht mehr rückwirkend behoben werden konnten. Bei-spielsweise wurde teilweise nach Einführung des anonymen Online-Tools zur Part-ner*innen-Benachrichtigung fälschlicherweise nur die Empfehlung zur Nutzung des Tools als „Partner*innen-Benachrichtigung“ erfasst. Dies war nachträglich nicht mehr zu rekonstruieren. Auch wurden die Items „Adhärenzförderung“ und „Vermitt-lung zu anderen Stellen“ sehr unterschiedlich verwendet und die entsprechenden Leistungen z. T. anders, z. T. gar nicht dokumentiert. Soweit möglich wurde die Art der Auswertung dem Ausfüllverhalten angepasst, doch bleiben sicher Unschärfen.

In der Folge bestehen Lücken, die u. a. eine genaue Quantifizierung der erreichten Perso-nen und der in Anspruch genommePerso-nen Leistungen mit den vorliegenden Daten nicht

zu-lassen. Mit Blick auf diese Begrenzungen ermöglichen diese Daten keine validen Kosten-schätzungen. Es können lediglich Anhaltspunkte für durchschnittliche Aufwände und be-teiligte Berufsgruppen gegeben werden.

3 Durchführung Arbeits- und Zeitplan, Zielerreichung