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3 Durchführung Arbeits- und Zeitplan, Zielerreichung Das Projektvorhaben wurde im Wesentlichen in Übereinstimmung mit dem Arbeits-und

4.1 Entwicklung „Walk in Ruhr“ in Bochum

4.1.1 Die Akteure im „Walk in Ruhr“

4.1.1.3 Aidshilfe Bochum

Die Bochumer Aidshilfe wurde 1986 als eine der letzten in Deutschland auf Initiative Bo-chumer Akteure gegründet. Vor allem pro familia sowie ein Kreis aus der „Aids“-Bera-tungsgruppe der Universität Bochum, der örtlichen Drogenberatung, der Telefonseelsor-ge, eines HIV-Behandlers und der Rosa Strippe unterstützten die Gründung. Schon früh fokussierte die Arbeit auf homosexuelle Männer und Inhaftierte, seit 1990 mit hauptamt-lichen Kräften. Die Aidshilfe Bochum zog im März 2016 mit der gesamten Geschäftsstel-le, der Beratungsstelle und dem Café „enJoy the place“ ins WIR um und arbeitet dort nun gesamthaft.

Die Aidshilfe richtet sich vorrangig an schwule Männer und andere Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), in jedem Alter sowie an Menschen mit HIV/Aids jeden Ge-schlechts. Die Aidshilfe leistet Anti-Stigma-Arbeit und Prävention, psychosoziale und psychologische Beratung (persönlich, per Telefon, Mail oder Videoanruf, zudem – bis Ende 2017 – Mitwirkung bei Health Support auf GayRomeo bis Ende 2017) und bietet Begleitung (auch aufsuchend in Krankenhaus und Justizvollzugsanstalt). Spezifische Ak-tionen und Vernetzungsaktivitäten bieten HIV-positiven Frauen (XXelle), Menschen mit Migrationshintergrund (Mashallah) und Menschen, deren Sexualität den Bereich Sado-masochismus (BDSM) einschließt, Austauschforen. Freitags von 17.00 – 19.00 Uhr wer-den im Rahmen der Präventionskampagne Herzenslust mit Unterstützung ehrenamtlicher Fachkräfte anonyme HIV- und STI-Tests und Beratung angeboten. Im Café „enJoy the place“ werden preisgünstig kleine Speisen und Getränke angeboten. Das Café steht allen offen, einmal die Woche lädt die Aidshilfe zum Patient*innenfrühstück12 ein, einmal die Woche trifft sich eine Spielegruppe.

Bei der Aidshilfe ist der aus ZSP-Mitteln geförderte Health Adviser (0,5 Stelle) angesie-delt. Zusammen mit den Health Advisern der Ambulanz wurde für zukünftige Health Ad-viser ein Fortbildungs-Curriculum erstellt.

Seit dem Umzug ins WIR wurden in/mit der Aidshilfe mehrere neue Angebote aufgebaut, bspw. eine PrEP Sprechstunde (#PrEPstunde) und die Health Adviser konnten erste Kon-takte zu Swinger Clubs knüpfen und dort per Aufsuchender Arbeit Vor-Ort-Beratung rea-lisieren. Regelmäßig findet mit anderen WIR-Akteuren die Fortbildungsreihe „Let‘s talk about“ statt, primär für Klient*innen. Zwischenzeitlich wurde gemeinsam mit Rosa Strip-pe eine angeleitete StressmanagementgrupStrip-pe angeboten. Vor dem Hintergrund der Abga-be von HIV-Selbsttests in Drogerien und Apotheken bietet die Aidshilfe Assistenz beim Selbsttest an und verkauft hierfür selbst Tests (mit etwa 15 Euro zu einem günstigeren Preis als Drogerien [20 Euro] und Apotheken [25 Euro]).

Die Aktivitäten der Aidshilfe werden vor allem durch städtische und Landesmittel finan-ziert, ergänzend kommen Projektmittel vom Land NRW hinzu sowie Unterstützung über die Deutsche AIDS-Stiftung, Selbsthilfeförderung der Krankenkassen, Bußgeldzu-weisungen, Mitgliedsbeiträge und Spenden.

Derzeit arbeiten im hauptamtlichen Team auf knapp drei Stellen vier Beschäftigte aus pä-dagogisch-sozialarbeiterischen Berufen, z. T. ergänzt um (sexual-)therapeutische

Qualifi-Der Begriff kommt daher, dass die Aidshilfe viele Jahre einmal in der Woche im St. Josef Krankenhaus ein Früh-stück für die Patient*innen dort organisiert hat, das nun im Café enJoy weitergeführt wird.

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kationen und Weiterbildungen zu lösungsfokussierter, systemischer und personenzentrier-ter Beratung. Etwa 30 Personen (Stand 2017) engagieren sich ehrenamtlich in der Aids-hilfe: fünf im Vorstand, sechs in der Begleitung (ReWIR-Kumpels), etwa 17 für Telefon-beratung, Primärprävention (Herzenslust) und Öffentlichkeitsarbeit (PromoBo) sowie fünf im Projekt XXelle. Im „Café enJoy the place“ arbeiten Ehrenamtliche mit sowie drei Beschäftigte (jeweils auf 0,75-Stellen) im Rahmen des Jobcenter-geförderten Qualifizie-rungsprogramms „Soziale Teilhabe“.

Die Aidshilfe Bochum ist Mitglied der Aidshilfe NRW, der Leiter der Bochumer Aidshil-fe ist zugleich Landesvorsitzender. Die AidshilAidshil-fe Bochum arbeitet im AK Sexuelle Ge-sundheit in Bochum mit und ist in Stadt und Land vielfältig vernetzt.

Im Jahr 2015 wurden gut 1.500 Beratungskontakte und ca. 11.000 Kontakte bei Aktio-nen/Veranstaltungen dokumentiert, 70 % der Nutzer*innen sind Männer und etwa 30 % haben einen Migrationshintergrund (darunter vergleichsweise mehr Frauen). Die Aidshil-fe erstellt Jahresberichte13 über ihre Arbeit, liefert Daten zur landesweiten Datenerhebung und erstellt projektbezogene Berichte für die Zuwendungsgeber.

4.1.1.4 Madonna

Madonna e. V. wurde 1991 von (ehemaligen) Sexarbeiterinnen und Frauen aus anderen Berufen in der Tradition der Hurenbewegung gegründet. Madonna ist die einzige Prosti-tuiertenselbsthilfe in Nordrhein-Westfalen und zugleich eine Beratungsstelle mit haupt-amtlichen Mitarbeiterinnen. Die Beratungsstelle liegt fußläufig zum Bordellbezirk der Stadt. Zu Beginn der Arbeit im WIR war geplant, dass eine Fachkraft von Madonna ein-mal pro Woche für zwei Stunden mit dem Angebot Gesundheitsberatung präsent ist. Seit sich herausgestellt hat, dass die Frauen den Weg ins WIR oft (noch) nicht alleine fanden, sondern eher die Beratungsstelle aufsuchten, werden die Frauen bei Bedarf ins WIR be-gleitet, vor allem zu Test und Behandlung von STI und in die gynäkologischen Sprech-stunde (zunächst im St. Elisabeth Krankenhaus, seit März 2019 direkt im WIR). Die wö-chentliche Präsenszeit wird bedarfsbezogen umgesetzt durch Präsenz und Begleitungen.

Ins WIR vermittelt und begleitet wurden lt. Angaben von Madonna etwa 70 Frauen. Wie viele Frauen darüber hinaus das WIR direkt und ohne Kenntnis der Beratungsstelle nut-zen, ist nicht bekannt.

Als Selbsthilfe engagiert Madonna sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Prostituierten und die Entstigmatisierung der Prostitution. Im Jahr 2000 eröffnete Madon-na mit fiMadon-nanzieller Unterstützung des Arbeitsamts Bochum ein öffentliches MedieMadon-narchiv zu „Prostitution und Prostituierten“, seit 2017 umbenannt in „Archiv und Dokumentati-onszentrum SEXARBEIT“. Die Sammlung von Zeitungen und Flugblättern aus der Hu-renbewegung, Zeitungsausschnitten und -artikeln, Urteilen und Rechtskommentaren zu Gesetzen, Fachliteratur und Belletristik, Filmen und Tonaufnahmen, Fotos und Plakaten wurden in den letzten Jahren im Rahmen des Digitalisierungsprojektes des Digitalen Deutschen Frauenarchivs gesichtet, systematisiert und zugänglich gemacht. Die Metasu-che zum Archivbestand ging im September 2018 online (meta-katalog.de) und kann von Forscher*innen und allen Interessierten genutzt werden.

In der Beratungsstelle werden verschiedene Angebote für Frauen vor, in und nach der Prostitution vorgehalten: Treffpunkt/Café, Selbsthilfe- und Kreativ-Projekte (wie z. B.

Broschüren und Flyer von und für Sexarbeiterinnen, Kunstprojekt „Mona Lisas Töchter“,

Aktuellere Jahresberichte wurden der Evaluation jedoch nicht zur Verfügung gestellt.

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Madonna-Chor), Ein- und Ausstiegs- sowie Schuldenberatung, Professionalisierungs-workshops i. S. von Basisqualifizierungen speziell für Sexarbeiterinnen (Modellprojekt

„profiS“ der DAH). Die Beratungsarbeit wird seit 1997 vornehmlich durch das Land NRW mit dem Projekt „NEUSTART“ (heute „PROBIS“) gefördert. Seit September 2003 hat die Stadt Bochum die nach den §§3 und 19 IfSG verpflichtende Beratungs- und Auf-klärungsarbeit für Sexarbeiterinnen vertraglich an Madonna e. V. übertragen. Madonna bietet in zugehender Arbeit und in der Beratungsstelle Information und Beratung zu Ge-sundheitsfragen rund um die Prostitution (für Frauen und Prostitutionsbetriebe).

Zweimal pro Woche ist Madonna im zentralen Bordellbezirk vor Ort aktiv, in dem etwa 300 – 400 Frauen arbeiten, einmal im Monat gemeinsam mit einem Arzt des Gesund-heitsamts. Im Auftrag des Landes wurde „Lola-NRW“, eine App für Sexarbeiter*innen entwickelt, die in fünf Sprachen ein umfassendes, niedrigschwelliges und kostenloses Be-ratungs- und Aufklärungsangebot zu gesundheitlichen und rechtlichen Fragen für Mig-rant*innen in der Sexarbeit in Deutschland sowie Telefonberatung bietet. Die App ist 2015 in die Landesinitiative „Gesundes Land Nordrhein-Westfalen“ aufgenommen wor-den.14 In 2019 sind die Mittel für die Weiterentwicklung der App, für eine Stelle in der Sozialarbeit und die Honorargelder für die Telefonberatung und das Forum allerdings ge-strichen worden.

Die Aktivitäten von Madonna werden finanziell von der Stadt Bochum und dem Land NRW gefördert, hinzu kommen Jobcenter-Mittel nach §16i SGB II und Mittel des Spar-kassen- und Girofonds für die Schuldenberatung, sowie einer Förderung des Digitalisie-rungsprojekts durch das Bundesfamilienministerium, Mitgliedsbeiträge und Spenden.

Seit der Mittelkürzung des Projektes „Lola-nrw.de“ für 2019 verfügt Madonna in der Be-ratungsstelle nur noch über insgesamt 2,5 Stellen Sozialarbeit, eine Beratungsstel-lenleitung und eine halbe Stelle in der Verwaltung. Des Weiteren verstärken zwei durch das Teilhabechancengesetz (§16i SGBII) geförderte Mitarbeiterinnen mit jeweils einer ganzen und einer 0,75-Stelle Madonna in Archiv und Verwaltung. Ehrenamtlich Tätige und Honorarkräfte werden z. B. für den Empfang der Beratungsstelle, in der Öffentlich-keitsarbeit und als Sprachmittlerinnen eingesetzt.

Madonna arbeitet am Runden Tisch Prostitution in Bochum seit dessen Gründung vor zehn Jahren mit und ist im AK Sexuelle Gesundheit Bochum engagiert. Der Verein enga-giert sich landesweit in diversen Facharbeitskreisen und seit dessen Gründung im Bünd-nis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter – bufas e. V. Madonna trägt mit Workshops und Vorträgen zu Veranstaltungen des WIR bei (bspw. im Rahmen des 8. Fachtages Sexualität und Psyche im Januar 2019).

Madonna erstellt projektbezogene Jahresberichte für die Zuwendungsgeber. In der Bera-tungsarbeit wurden in 2018 etwa 4.300 Kontakte bei der aufsuchenden Arbeit und im Ca-fé gezählt sowie mittel- bis langfristige Beratungsprozesse für etwa 200 Klientinnen do-kumentiert. Laut Auskunft von Madonna ist dies eine erhebliche Steigerung im Vergleich zu den Vorjahren, was vor allem mit Beratungsbedarf im Kontext des Prostituierten-schutzgesetz‘ zusammenhängt. Der Anteil der Migrant*innen betrug etwa drei Viertel der Klientel.

Mit der Landesinitiative „Gesundes Land Nordrhein-Westfalen“ will das Landeszentrum Gesundheit NRW innovati-ve Ansätze und effektive Umsetzungsstrategien der Gesundheitsförderung, Prävention und Gesundheitsversorgung aufzeigen und verbreiten, vgl.

https://www.lzg.nrw.de/praevention/dist/index.php/search/view?prouid=243532 14