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Rolle des H 4 -Rezeptors in murinen Kontaktallergiemodellen

5   Diskussion

5.2   Rolle des H 4 -Rezeptors in murinen Kontaktallergiemodellen

Ziel der In-vivo-Versuche dieser Arbeit war es, die H4R-vermittelte Wirkung bei der Allergen-bedingten Kontaktallergie zu untersuchen. Von besonderem Interesse war hierbei der Vergleich auf pharmakologischer und genetischer Ebene. Daher wurde dem spezifischen H4R-Antagonisten JNJ7777120 in den Versuchen die H4R-Knockout-Maus gegenübergestellt.

Die chronische Applikation von Allergenen erlaubt es, ein Kontaktallergiegeschehen in vivo zu untersuchen. Je nach Allergen dominierten T-Helferzellen vom Typ 1 bzw. vom Typ 2.

Dinitrochlorbenzen (DNCB) beispielsweise löst eine Th1-dominierte Entzündung aus, Toluen-2,4-diisocyanat (TDI) und Fluorescein-Isothiocyanat (FITC) eine Th2-dominierte (BÄUMER et al., 2004). In Patienten mit atopischer Dermatitis konnte man in akuten Läsionen vermehrt Th2-assoziierte Zytokine finden, in chronischen Läsionen vermehrt Th1-assoziierte. Für allergische Hauterkrankungen ist die Erforschung beider Phasen einer Kontaktallergie von besonderem Interesse. In dieser Arbeit wurde besonderes Augenmerk auf das Th2-dominierte Geschehen im Organismus während Sensibilisierung und Challenge gelegt. Die Sensibilisierung entspricht der Induktion einer Kontaktallergie. Die Challenge kommt der chronischen Phase einer Allergie nahe und ist dadurch mit der atopischen

Dermatitis vergleichbar. Die H4R-vermittelte Wirkung in der Allergen-induzierten Kontaktallergie wurde anhand zweier Th2-mediierter muriner Modelle (TDI und FITC) untersucht. Das TDI-Modell ist in der Arbeitsgruppe gut etabliert, wobei das FITC-Modell nach Vorlage von COWDEN et al. (2010) umgesetzt wurde. Ein FITC-Kontaktallergiemodell wird als Th2-mediiertes, IgE und CD4+-Zell abhängiges Modell beschrieben, das dem Geschehen der atopischen Dermatitis sehr ähnlich ist (DEARMAN u. KIMBER, 2000).

Untersuchungsparameter wie Ohrschwellung, Lymphknotenanalyse und Zytokinexpression halfen, die Vorgänge im Organismus während eines Allergiegeschehens zu analysieren.

Durch Applikation der Allergene auf die Ohren wurde eine entzündliche Ohrschwellung ausgelöst. Im TDI-Kontaktallergiemodell konnte beobachtet werden, dass während der Challenge die mit dem H4R-Antagonisten JNJ7777120 behandelten Tiere eine reduzierte Ohrschwellung aufwiesen. In der Sensibilisierung dagegen wurde eine Steigerung der Ohrschwellung vor allem bei den H4R-Knockout-Mäusen aber auch nach Applikation des H4R-Antagonisten JNJ7777120 beobachtet. WENDORFF (2008) konnte im Th1-dominierten DNCB-Modell einen ähnlichen Effekt bei der entzündlichen Ohrschwellung zeigen. Auch dort hatten die mit dem H4R-Antagonisten behandelten Tiere in der Sensibilisierung eine tendenziell stärkere Ohrschwellung als die Vehikeltiere. In der Challenge konnte jedoch kein Unterschied beobachtet werden (WENDORFF, 2008). Man kann also von einer unterschiedlichen Beeinflussung des H4R zum einen im Th1- und Th2-dominierten Geschehen und zum anderen in der Sensibilisierung und Challenge ausgehen. Auch im FITC-Allergiegeschehen waren Unterschiede zwischen Sensibilisierung und Challenge in Hinsicht auf die Ohrschwellung zu sehen. Während die Ohrdicke in der Sensibilisierung unbeeinträchtigt blieb, zeigte JNJ7777120 einen inhibierenden Effekt in der Challenge. Auch COWDEN et al. (2010) konnten in der Challenge einen Effekt des H4R-Antagonisten beobachten. Im FITC-Modell zeigten sie, dass die mit dem H4R-Antagonisten behandelten Mäuse und ebenso die H4R-Knockout-Mäuse eine signifikant reduzierte Ohrdicke aufwiesen (COWDEN et al., 2010).

Auch bei der H4R-vermittelten Wirkung nach Allergenapplikation zeigte der H4R-Antagonist JNJ7777120 in der Sensibilisierungsphase in den lokalen Lymphknoten der Ohren unterschiedliche Funktionen. In dieser Arbeit konnte in keinem der Kontaktallergiemodelle unabhängig vom Zeitpunkt der Allergie eine Beeinflussung von Gewicht, Gesamtzellzahl und Zellinflux festgestellt werden, weder durch den H4R-Antagonisten JNJ7777120 (30 mg/kg subcutan bzw. 20/50 mg/kg per os) noch durch genetische Deletion des H4R in den Mäusen.

Dieser Effekt schien unabhängig von Art der Applikation und Dosis des Antagonisten zu sein.

Nach intraperitonealer Applikation von 15 mg/kg JNJ7777120 konnte auch WENDORFF (2008) keine Veränderung dieser Entzündungsparameter beobachten. Im FITC-Kontaktallergiemodell dagegen wurde in eigenen Untersuchungen und bei COWDEN et al.

(2010) nach oraler Gabe des H4R-Antagonisten eine Inhibition von Entzündung, Mastzell- und Eosinophileninfiltration in den Allergen-behandelten Ohren festgestellt. Auch SEIKE et al. (2010) konnten in einem chronischen Modell in Hautbiopsien, die nach TNCB-Applikation untersucht wurden, ausschließlich nach repetitiver Gabe des Allergens einen Abfall von Mastzellen und Eosinophilen beobachten.

Abhängig von der Art des Allergens war die H4R-vermittelte Wirkung auf die Konzentration verschiedener pro- und antiinflammatorischer Zytokine. Im FITC-Kontaktallergiemodell zeigte sich ein einheitliches Bild der H4R-vermittelten Wirkung auf Zytokine. Die pharmakologische und genetische Blockade des H4R in der Sensibilisierungs- und Challengephase stellte sich als inhibierend bei der Sekretion von Zytokinen heraus.

Unabhängig von der Dosis (20 mg/kg bzw. 50 mg/kg per os) führte die Blockade des H4R zu geringeren Konzentrationen der proinflammatorischen Zytokine IL-1β und IL-17 sowie des Th2-Zytokins IL-4. Im FITC-Kontaktallergiemodell kann man demnach von einem proinflammatorischen Einfluss des H4R auf die Zytokine IL-1β, IL-4 und IL-17 ausgehen.

Eine Inhibition der Zytokine IL-4, IL-1β, IL-6 und TNFα konnten ebenfalls COWDEN et al.

(2010) in einem FITC-Kontaktallergiemodell nach oraler Behandlung mit JNJ7777120 feststellen. Auch in dieser Studie lag die Konzentration von JNJ7777120 bei 50 mg/kg. Mit dieser Arbeit übereinstimmend wurde in einem chronischen Ovalbumin-Asthma-Modell gezeigt, dass H4R-Knockout-Mäuse eine geringere Konzentration von IL-4, IL-5 und IL-17 in den Lymphknoten aufwiesen (DUNFORD et al., 2006). SEIKE et al. (2010) zeigten in ihrem chronischen TNCB-Modell eine geringere Konzentration der Th2-Zytokine IL-4, IL-5 und des proinflammatorischen Zytokins IL-6 bei den mit JNJ7777120 behandelten Mäusen.

Zudem zeigten die Th1-Zytokine IL-12 und IFNγ eine erhöhte Konzentration. T-Zellen spielen unter anderem durch ihre Interaktion mit Histamin eine wichtige Rolle bei allergischen Hautreaktionen. Für die Kommunikation von T-Zellen und Histamin wurden bis vor kurzem hauptsächlich die H1- und H2-Rezeptoren verantwortlich gemacht (JUTEL et al., 2002). Die nachgewiesene Expression des H4R auf humanen Th2- und Th17-Zellen lässt hoffen, dass man über Agonisten oder Antagonisten des H4R ein Entzündungsgeschehen beeinflussen kann (GUTZMER et al., 2009). Bis heute wurde dem H4R in den meisten In-vivo-Arbeiten ein proinflammatorischer Effekt zugeschrieben. SEIKE et al. (2010) stellten

fest, dass ausschließlich nach wiederholter und nicht nach einmaliger Challenge ein Effekt des H4R-Antagonisten zu sehen war. Ebenfalls zeigten sie, dass nach repetitiver Gabe des Allergens JNJ7777120 einen inhibierenden Effekt auf Th2-Zytokine, jedoch einen induzierenden Effekt auf IL-12 vorwies (SEIKE et al., 2010). Die H4R-vermittelte Inhibition von IL-12 konnte auch in eigenen In-vitro-Untersuchungen gezeigt werden. Die Interaktion von Th1- und Th2-Zytokinen stellt einen wichtigen Bestandteil einer Allergie dar, so dass es von Bedeutung scheint, in welcher Art und Weise der H4R die Sekretion der Zytokine beider Klassen von T-Helferzellen beeinflusst und damit das Zellgeschehen im Organismus während einer Allergie.

Weniger einheitlich zeigte sich das Bild in Bezug auf die TDI-Kontaktallergie in dieser Arbeit. Es waren sowohl pro- als auch antiinflammatorische Effekte des H4R zu beobachten.

Zudem gab es kein übereinstimmendes Bild der pharmakologischen und genetischen Blockade des H4R. Die genetische Deletion des H4R zeigte ausschließlich in der Sensibilisierung einen Effekt. Dort konnte eine signifikante Inhibition des proinflammatorischen Zytokins IL-6 im regionalen Lymphknoten festgestellt werden. Alle anderen Zytokine blieben sowohl in der Sensibilisierung als auch in der Challenge in den H4R-Knockout-Mäusen unbeeinflusst. Anders wirkte sich die pharmakologische Blockade des H4R aus. In der Sensibilisierung zeigte im lokalen Lymphknoten ausschließlich IL-6 einen Konzentrationsabfall in der mit JNJ7777120 behandelten Gruppe. Das Th1-assoziierte, proinflammatorische Zytokin IFNγ blieb in der Sensibilisierung unbeeinflusst. In der Challenge dagegen zeigte sich ein Konzentrationsanstieg durch pharmakologische Blockade, genau wie bei den proinflammatorischen Zytokinen IL-1β und IL-17. Fasst man die Ergebnisse zusammen, kann man feststellen, dass der H4R-Antagonist proinflammatorische Zytokine auf unterschiedliche Weise beeinflusst. In der Sensibilisierung blieb IFNγ unbeeinflusst, IL-6 dagegen wurde inhibiert. Eine induzierende Wirkung dagegen zeigte sich in der Challenge auf die proinflammatorischen Zytokine IL-1β (Ohrhaut), IL-17 und IFNγ (lokale Lymphknoten). Der Einfluss des H4R-Antagonisten auf die Sekretion von Zytokinen scheint unter anderem abhängig vom Allergen zu sein. Im TDI-Modell zeigte sich überwiegend ein induzierender Effekt, nach FITC-Gabe konnte ausschließlich ein inhibierender Effekt beobachtet werden.

Vergleicht man die In-vivo-Ergebnisse dieser Arbeit miteinander, können dem H4R sowohl proinflammatorische als auch antiinflammatorische Effekte zugesprochen werden. Es ist nicht möglich, die H4R-vermittelten Wirkungen der beiden Kontaktallergiemodelle zu vergleichen.

Auch die H4R-vermittelte Wirkung auf pharmakologischer und genetischer Ebene zeigte kein einheitliches Bild, so dass man den H4R-Antagonisten unabhängig von den H4 R-Knockout-Mäusen betrachten kann. Antiinflammatorische Effekte des H4R-Antagonisten werden in vielen Studien postuliert. Verschiedene Autoren publizierten, dass die H4R-vermittelte Wirkung bei Erkrankungen wie Bronchialasthma, atopischer Dermatitis und Pruritus eine proinflammatorische zu sein scheint (THURMOND et al., 2004; DUNFORD et al., 2006;

MORGAN et al., 2007; LEURS et al., 2009; ROSSBACH et al., 2009b; SEIKE et al., 2010).

Ein direkter Vergleich dieser Ergebnisse kann allerdings nicht durchgeführt werden, da zu viele Komponenten der Versuche nicht übereinstimmen und daher nicht vergleichbar sind. So werden unterschiedliche Zellarten, Allergene, verschiedene Konzentrationen des H4 R-Antagonisten und auch abweichende Applikationsarten verwendet. Allerdings kann festgestellt werden, dass der H4R-Antagonist JNJ7777120 keine einheitliche Wirkung zu haben scheint, weshalb NEUMANN et al. (2010) die Ergebnisse der Arbeiten zur H4R-vermittelten Wirkung im Asthma-Modell kritisch hinterfragten. Sie stellten unter anderem fest, dass es nur zwei Originalartikel gibt (DUNFORD et al., 2006; MORGAN et al., 2007), allerdings 5 Reviews (z.B. THURMOND et al., 2008; ZAMPELI et al., 2009) und weitere 15 Arbeiten, welche die zwei Originalarbeiten zitieren. Beachtet man, dass in einer Zeitspanne von 4 Jahren nur 2 Originalstudien erschienen sind, sich aber trotzdem ein überwiegend antiinflammatorisches Bild des H4R-Antagonisten durchgesetzt hat, sollte der H4R auch aus einem anderen Blickwinkel untersucht werden. Unter anderem im Zuge dieser Arbeit konnten dem H4R sowohl pro- als auch antiinflammatorische Wirkungen zugesprochen werden.

Um die widersprüchlichen Ergebnisse des H4R zu ergründen, betrachteten auch SEIFERT et al. (2011) den H4R aus anderer Perspektive. Sie verglichen Arbeiten, die nicht ausschließlich die Interaktion eines G-Proteins mit dem G-Protein-gekoppelten Rezeptor (GPCR) untersuchten, sondern auch die Interaktion anderer Proteine mit diesem Rezeptor. Da der Rezeptor nicht ausschließlich über die Aktivierung eines G-Proteins wirken kann, sondern auch über andere Proteine, scheint der übergeordnete Begriff der 7-Transmembran-Rezeptoren (7TM) die bessere Bezeichnung zu sein. Abhängig vom Liganden des 7TM-Rezeptors wird entweder ein G-Protein oder das Protein β-Arrestin aktiviert. β-Arrestin stimuliert G-Protein-unabhängige Signaltransduktionswege, die andere biochemische und funktionale Auswirkungen zeigen. Man muss allerdings beachten, dass diese aktivierende Funktion des β-Arrestin bislang ausschließlich an Zelllinien, nicht aber an Primärzellen nachgewiesen wurde (RAJAGOPAL et al., 2010). Die eigentlich Hauptfunktion von

β-Arrestin stellt die Inaktivierung des 7TM-Rezeptors dar (LUTTRELL und GESTY-PALMER, 2010). In einer Studie von LUTTRELL und GESTY-PALMER (2010) wurde gezeigt, dass der H4R-Antagonist JNJ7777120 sehr effektiv ERK aktivierte, wohingegen Histamin diesen aktivierenden Effekt nur in geringem Maße zeigte. Die Aktivierung von ERK ist β-Arrestin-abhängig und G-Protein-unabhängig. JNJ7777120 stellte sich in dieser Arbeit als Agonist hinsichtlich der Aktivierung von ERK dar, wobei man beachten muss, dass die verwendete Konzentration des Antagonisten sehr hoch war, so dass man eine Beteiligung eines anderen Faktors an der ERK-Aktivierung nicht ausschließen kann. Zum gleichen Ergebnis bezüglich der G-Protein-unabhängigen Aktivierung des H4R durch JNJ7777120 kamen ROSETHORNE und CHARLTON (2011). Sie untersuchten die Wirkung von JNJ7777120 an humanen Osteosarkom-Zellen. Durch Zugabe des Pertussis Toxins zu den Zellen wurden die G-Proteine am Rezeptor inaktiviert (UI u. KATADA, 1990). So konnte man sicher sein, dass ein JNJ7777120-vermittelter Effekt nicht G-Protein abhängig sein kann.

Der H4R Antagonist führte dann zu einer Konzentrationssteigerung von β-Arrestin (ROSETHORNE u. CHARLTON, 2011). Auch hier muss man vorsichtig mit der Aussage sein, dass ausschließlich der H4R für diesen Effekt verantwortlich ist. WALTERS et al.

(2009) zeigten zum Beispiel, dass auch das Pertussis-Toxin zu einer Konzentrationssteigerung des β-Arrestin führt. Allerdings wurden nicht nur in dieser Rezeptorbindungsstudie agonistische Wirkungen des H4R-Antagonisten gezeigt. SCHNELL et al. (2011) untersuchten den H4R verschiedener Spezies auf neutralen Insektenzellen, in denen man eine Beeinflussung durch andere Faktoren ausschließen und damit die Wirkung des Antagonisten am Rezeptor untersuchen konnte. Es zeigte sich, dass JNJ7777120 am H4R von Maus, Ratte und Hund eine starke agonistische Wirkung bezüglich der Aktivierung des G-Proteins aufwies. Am humanen H4R stellte sich der Antagonist als inverser Agonist dar (SCHNELL et al., 2011).