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Risikofaktoren für die Entstehung eines Mammakarzinoms

1.1 Das Mammakarzinom

1.1.3 Risikofaktoren für die Entstehung eines Mammakarzinoms

Man ist sich mittlerweile einig, dass für die maligne Entartung einer Zelle und die damit verbundene Tumorgenese ein mehrstufiger Prozess verantwortlich ist, der durch das Auf-einandertreffen mehrerer ungünstiger Faktoren initiiert wird (21). Im Falle des Mammakarzinoms sind bereits viele Risikofaktoren identifiziert worden, die diesen Pro-zess einleiten oder begünstigen können. Diese können in die Gruppen der vermeidbaren und unvermeidbaren Risikofaktoren unterteilt werden.

Vermeidbare Risikofaktoren

Der Lebensstil ist ein sehr weit gefasster Begriff, der bereits viele der vermeidbaren Ri-sikofaktoren beinhaltet, so beispielsweise die Ernährung. Sie scheint eine nicht zu ver-nachlässigende Auswirkung auf das Brustkrebsrisiko zu haben. Viele Studien zeigen,

dass Übergewicht bei postmenopausalen Frauen das Brustkrebsrisiko erhöht und darüber hinaus ihre Prognose in Bezug auf Rezidive und Todesfälle verschlechtert (22). Entge-gengesetzt weisen Frauen, die eine gesunde Ernährungsweise mit viel Obst, Gemüse, Ge-flügel, Fisch und Vollkornprodukten sowie einer geringen Fettzufuhr bevorzugen, ein um 11% reduziertes Risiko auf (23). Weitere Bestandteile der Nahrungszufuhr haben eben-falls Einfluss auf das Brustkrebsrisiko: Ein erniedrigter Vitamin D-Spiegel erhöht nicht nur das Risiko für Brustkrebs, sondern scheint auch mit besonders aggressiven Verlaufs-formen zu korrelieren (24). Eine erhöhte Aufnahme von Alkohol kann das Risiko für Brustkrebs um bis zu 21% steigern (23). Tabakkonsum, sowohl aktiv als auch passiv, gewinnt ebenfalls an Evidenz, einen schädlichen Einfluss auf die Brustkrebsentwicklung auszuüben, die direkte Kausalität ist allerdings noch nicht geklärt worden (25). Erhöhte Insulinlevel sind bei postmenopausalen Frauen ebenfalls mit einem gesteigerten Brust-krebsrisiko assoziiert (26).

Auch Umweltfaktoren, denen Patientinnen ausgesetzt sind, haben Auswirkungen auf das Brustkrebsrisiko. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH) und Polychlo-rierte Bephylene (PCB) sollen in der Lage sein, eine östrogenähnliche Wirkung auf den Körper auszuüben und so das Risiko für Mammakarzinome zu erhöhen. PAH ist Bestand-teil von Auspuffgasen und Smog (27), wohingegen die Verwendung von PCB seit 2004 in Europa verboten ist (28). Dioxine, Chlorkohlenwasserstoffe und Pestizide werden ebenfalls verdächtigt, sich auf das Brustkrebsrisiko auszuwirken (27).

Auch ionisierende Strahlung gehört zu den vermeidbaren Risikofaktoren für Brustkrebs.

Hierzu zählen sowohl therapeutisch angewandte als auch akzidentell absorbierte Strah-lungsformen. Im Gebiet um den Reaktorunfall in Tschernobyl wurde beispielsweise ei-nige Jahre nach dem Vorfall ein um den Faktor 2,24 erhöhtes relatives Risiko für Brust-krebs im Vergleich zum von der Kontaminierung nur wenig betroffenen Teil des Landes festgestellt (29). Hochdosierte Strahlenbehandlungen des Brustkorbs können das relative Risiko für Brustkrebs sogar auf bis zu 4,0 erhöhen (30).

Die Signifikanz von Lifestyle und Umweltfaktoren als Risikofaktoren für Brustkrebs zei-gen Studien, welche die Brustkrebsraten von Migrantinnen beobachten. Es konnte bereits dargelegt werden, dass sich das Risiko für Brustkrebs nach Auswanderung rasch dem des Einwanderungslandes anpasst. Bei polnischen Auswanderinnen in den USA wurde bei-spielsweise innerhalb einer Generation eine Risikoverdreifachung beobachtet, womit das Risiko fortan dem der US-Bevölkerung entsprach (31). Ähnliche Verläufe dokumentierte man bei japanischen, chinesischen und philippinischen Frauen in den USA(31). Aktuell

wird versucht, die Lifestyle-Veränderungen, welche mit dem Landeswechsel einherge-hen, genauer darzustellen, um mögliche protektive und schädliche Faktoren einzugren-zen. Für die Aufnahme von grünem Tee und Sojaprodukten konnten bereits derartige ne-gative Korrelationen mit dem Brustkrebsrisiko gezeigt werden (31).

Darüber hinaus spielt das Hormoneinnahme-Verhalten eine signifikante Rolle: Östrogen-haltige Kontrazeptiva sind eine beliebte Form der Verhütung und werden von vielen Frauen über Jahre hinweg eingenommen. Außerdem kann Östrogen zur Behandlung me-nopausaler Beschwerden wie Osteoporose oder Hitzewallungen eingesetzt werden. Die karzinogene Wirkung von Östrogen auf die Brust ist seit Längerem bekannt. Sie variiert jedoch abhängig vom hormonellen Status zum Zeitpunkt der Einnahme (32). Während eine Metaanalyse aus dem Jahre 1996 ein relatives Risiko von 1.24 für die Entwicklung von Brustkrebs bei Anwenderinnen östrogenhaltiger Kontrazeptiva gegenüber Kontroll-gruppen feststellte (33), konnte eine Metaanalyse aus dem Jahr 2013 keinen derartigen Zusammenhang bei prämenopausalen Frauen feststellen (32). Dies könnte an der signifi-kanten Abnahme der in Kontrazeptiva enthaltenen Wirkstoffkonzentrationen liegen.

Auch 1996 war man sich bereits einig, dass das Risiko von Frauen mit und ohne Kontra-zeptiva-Anamnese sich spätestens zehn Jahre nach Einnahmestopp angleicht. Außerdem fand man heraus, dass die Anwenderinnen von Kontrazeptiva ein verringertes relatives Risiko für bereits metastasierten Brustkrebs zum Zeitpunkt der Diagnose hatten. Es be-trug im Vergleich zur Kontrollgruppe 0.88 (33).

Für Frauen, die östrogenhaltige Präparate während oder nach der Menopause einnehmen, ergeben sich hingegen ausschließlich nachteilige Effekte: Es zeigt sich ein bis zu um den Faktor 1.38 erhöhtes Risiko für Brustkrebs sowie aggressivere Tumoren im Vergleich zu Kontrollgruppe (34). Allerdings treten diese Ergebnisse nur bei kombinierten Hormon-präparaten auf – alleinige Östrogengabe ohne Progesteron, wie sie bei Frauen nach einer Hysterektomie gegeben wird, scheint sogar protektive Wirkungen auf die Brust zu haben (32).

Bei Östrogeneinnahme in der Schwangerschaft ist nicht nur das Brustkrebsrisiko der Mut-ter erhöht, sondern auch das des ungeborenen Kindes. Im Tierversuch konnte gezeigt werden, dass dieser Risikoanstieg durch epigenetische Prozesse verursacht wird und sich bis in die Generation der Urenkelinnen fortsetzt (32).

Unvermeidbare Risikofaktoren

Zuerst sollte sicherlich das Geschlecht genannt werden, ist es doch der einflussreichste Risikofaktor für die Entwicklung von Brustkrebs. 99% der Brustkrebsfälle weltweit wer-den bei Frauen diagnostiziert. Die Menge an Brustdrüsengewebe ist bei Männern im Ver-gleich deutlich geringer und spiegelt somit auch ihr Erkrankungsrisiko in Bezug auf das Mammakarzinom wider (20).

Das Alter spielt wie bei vielen Krebserkrankungen eine große Rolle: Sowohl Inzidenz als auch Mortalität wachsen mit steigendem Alter. Die Inzidenz beträgt bei Frauen zwischen 20 und 30 Jahren 0,01%, wohingegen sie bei Frauen über 60 Jahre bei 0,3% liegt. Das durchschnittliche Diagnosealter beträgt beispielsweise in den USA 64 Jahre (35).

Der ethnische Hintergrund einer Person steht ebenfalls mit dem Erkrankungsrisiko in Korrelation. Afroamerikanische Frauen leiden im Vergleich zur kaukasischen US-Bevöl-kerung häufiger unter aggressivem Brustkrebs und werden später einem Therapieregime zugeführt, wie die Gruppe Tammemagi et al. beschrieb (36). Es bleibt zu untersuchen, inwiefern soziale Faktoren diese Ergebnisse beeinflussen. Größen wie das Inanspruch-nahme-Verhalten von Vorsorgeuntersuchungen, Einnahme von Östrogenpräparaten oder Ernährungsverhalten könnten zwischen verschiedenen Ethnien differieren und als Stör-faktoren agieren, sodass das erhöhte relative Risiko afroamerikanischer Frauen kaum o-der gar nicht auf genetische Unterschiede zurückzuführen wäre.

Des Weiteren ist die mammographische Dichte der Brust bedeutsam. Ist die Brust von mehr Binde- als Fettgewebe durchzogen, erscheint sie in der Mammographie hell, also dicht. Hierbei besteht eine positive Korrelation dieses Dichtegrades und dem Brustkrebs-risiko: Das relative Risiko für Brustkrebs ist beispielsweise bei einer röntgendichten Brust im Vergleich zu einer radiologisch unauffälligen Brust um den Faktor 4,6 erhöht (37).

Allerdings bezieht sich dieser Zusammenhang auf die prozentuale röntgendichte Fläche der Brust, nicht auf die absolute (38).

Wie im Abschnitt „vermeidbare Risikofaktoren“ beschrieben, ist die Exposition gegen-über synthetischem Östrogen ein Risikofaktor für Mammakarzinome. Dies gilt ebenso für körpereigenes Östrogen, welches primär während der fertilen Lebensjahre der Frau produziert wird. Folglich führen eine frühe Menarche und eine späte Menopause zu einer elongierten Östrogenexposition und steigern so das Brustkrebsrisiko. Ebenso wirken sich das späte Gebären des ersten Kindes (39) sowie der Verzicht auf das Stillen der Kinder negativ aus (40). Erhöhte Werte der Androgene Androstendion und Testosteron können

einen ähnlichen Effekt haben, da sie durch das Enzym Aromatase in Östrogene umge-wandelt werden (41).

Genetische Risikofaktoren sind seit Jahrzehnten Gegenstand intensiver Forschung, so-dass bereits eine Vielzahl identifiziert werden konnte (42). Die prominentesten Beispiele für sogenannte Risikogene sind sicherlich BRCA1 (breast cancer type 1 susceptibility gene) und BRCA2 (breast cancer type 2 susceptibility gene) (42). Mutationen in diesen Genabschnitten führen im Falle von BRCA1 zu einem Lebenszeit-Brustkrebsrisiko von 55-85%. Bei Vorliegen einer Mutation in BRCA2 beträgt dieser Wert 35-60% (42). Das Risiko für Ovarialkarzinome und weitere Krebsarten ist bei Mutationsträgern beider Gene ebenfalls signifikant erhöht (43). Hier stellt sich die Frage nach einer prophylaktischen Entfernung karzinomgefährdeter Organe, was von manchen Betroffenen aus Angst vor bösartigen Neubildungen in Anspruch genommen wird (42).

Auch im Rahmen vieler Syndrome ist das Brustkrebsrisiko bedeutsam erhöht: Beim Li-Fraumeni-Syndrom besteht eine Mutation im TP53-Gen (tumor protein p53 gene).

Dadurch kommt es zu einer Erhöhung des Risikos für zahlreiche Krebsarten (44). Das Cowden-Syndrom (Mutation in PTEN (Phosphatase and tensin homolog gene )), das her-editäre nicht-polypöse kolorektale Karzinom (Mutation in hMSH2 (human mutS homolog 2 gene) oder hMLH1 (human mutL homolog 1 gene)), das Peutz-Jeghers-Syndrom (Mu-tation in STK11 (Serine/threonine kinase 11 gene)), das Bloom-Syndrom (Mutation in BLM (Bloom Syndrome, RecQ Helicase-Like gene)), Ataxia Teleangiectasia (Mutation in ATM (Ataxia Telangiectasia Mutated gene)) (42) oder die Fanconi-Anämie (Mutatio-nen an 15 oder mehr verschiede(Mutatio-nen Genloci) sind Beispiele für mit einem erhöhten Brust-krebsrisiko vergesellschaftete Syndrome (45).

Die oben genannten Mutationen gehören zur Gruppe der seltenen bis mittelseltenen Ver-änderungen, haben dafür aber eine vergleichsweise hohe Penetranz. Sie sind allerdings nur an 2-5% der Mammakarzinome ursächlich beteiligt. Darüber hinaus gibt es diverse genetische Variationen, die relativ häufig sind, jedoch im Vergleich mit den erwähnten Mutationen eine geringere Penetranz aufweisen. Diese sind in mindestens 58% der Brust-krebsfälle vorzufinden (46). In diese Kategorie fallen zum Beispiel Mutationen von Ge-nen mit den Namen CASP8 (caspase 8, apoptosis-related cysteine peptidase gene), TOX3 (TOX high mobility group box family member 3 gene), AKAP9 (A kinase (PRKA) anchor protein 9 gene) oder MAP3K1 (mitogen-activated protein kinase 1, E3 ubiquitin protein ligase gene) (47).